Zwei Jahre vor der großen Schlacht von Yavin eskaliert die imperiale Unterdrückung auf Ghorman in einem Massaker, während Mon Mothma mit all ihrem Mut ihre letzte Rede im imperialen Senat hält. Warum ich diesen vorletzten Dreiteiler der zweiten und letzten Andor-Staffel für eine der besten und eindrücklichsten Geschichten aus der weit, weit entfernten Galaxis halte, lest ihr in folgender Rezension.
Wie immer enthalten unsere Rezensionen Spoiler zu den besprochenen sowie allen vorherigen Folgen von Andor.
Der Völkermord
Erhebt eure Augen zum Himmel der Heimat/Wir sind die Ghor! Atme die Luft und fühle, dass du da bist/Wir sind die Ghor!
Nationalhymne der Ghorman
Nachdem wir uns zu Beginn dieses dritten, insgesamt mit weniger parallel laufenden Handlungssträngen erzählten, Dreiteilers auf Yavin wiederfinden, bekommen wir zunächst einen kurzen Einblick in den Status Quo der großen Rebellenzelle dort. Wenig später stößt auch Wilmon zu Bix und Cassian, die mittlerweile unweit von der Basis entfernt in einer kleinen Hütte leben. Cassian reist zusammen mit Wilmon, der anders als Cassian noch für Luthen arbeitet, nach Ghorman, denn es gibt Berichte darüber, dass die ISB-Supervisorin Dedra Meero dort ein leicht ausschaltbares Ziel sein soll. Cassians Bruch mit Luthen mag hier etwas abrupt wirken, folgten wir doch noch am Ende von Folge sechs der Mission von Bix und Cassian, die Dr. Gorst ausschalteten, doch kann man sich dies natürlich aus vorherigen Auseinandersetzungen sowie weiteren Entwicklungen, die seine Beweggründe verdeutlichen, zusammenreimen. Auf Ghorman angekommen wird einmal mehr deutlich, dass das Imperium die Ghormaner*innen weiter geplant schikaniert und unterdrückt. Entsprechend schwer ist es, für Cassian, unbemerkt als Reporter in das Hotel an der Plaza einzuchecken. Glücklicherweise hilft ihm dabei der Hotelier aus dem letzten Arc, der ihm damals in seinem Zimmer die Geschichte vom Tod seiner Familie beim Tarkin-Massaker erzählte. Schön, dass wir diesen Ghormaner, der sich mittlerweile ebenfalls der Ghorman-Front angeschlossen hat, noch einmal wiedertreffen und dass einmal mehr eine einfache Person eine doch wichtige Rolle einnimmt.
Schlussendlich kommt es dann am darauffolgenden Tag zum Beginn des grausamen Völkermords am Volk der Ghorman, die an jenem Tag vereint auf der wieder freigegebenen Plaza friedlich demonstrieren. Ähnlich wie der Marsch zum Tod von Marva Andor in der letzten Folge von Staffel eins, wird auch dieser Protest wieder mit Instrumenten sowie Musik, in Form von kleineren Versionen ghormanischer Hörner und der Nationalhymne begleitet. Entsprechend authentisch wird das Ganze auch hier wieder inszeniert, sodass wir sofort spüren, dass hier gleich etwas Historisches passieren wird. Ebenfalls wird gezeigt, wie während des friedlichen Protests eben jener bewusst gegen die Bevölkerung instrumentalisiert wird, indem Reporter immer weiter Falschmeldungen über die imperialen Kanäle verbreiten. Wie bei zahlreichen anderen politischen Aspekten in Andor, ist auch hier eine Parallele zur Neuen Rechten zu beobachten, die mit gezielten Falschinformationen marginalisierte Menschen und Gruppen wie Transmenschen oder Geflüchtete diffamiert und systematisch entmenschlicht. Star Wars war schon immer politisch, und spätestens mit Andor sollte dies noch einmal äußerst deutlich werden.
Während wir hier Angst oder gar Zweifel anhand des Auftretens von Dedra erkennen können, agiert Krennics Abgesandter entschlossen und stellt noch einmal die Hierarchie klar. Wenig später gibt er einem auf den Dächern befindlichen Scharfschützen den Befehl, das Feuer auf die eigenen Leute zu eröffnen, um eine weitere Eskalation, welche als nichts weniger als der Start des brutalen Völkermordes an den Ghormaner*innen bezeichnet werden kann, zu beginnen. Bildgewaltig wird uns in den folgenden Momenten der Kampf ums Überleben gezeigt. Sturmtruppen, die zuvor gezielt den Prozess einkesselten, erschießen Demonstriende, Sicherheitsdroiden prügeln um sich, und alle sich dort aufhaltenden Ghormaner*innen systematisch ausgelöscht. Letzteres ruft eine Ghormanerin verzweifelt in ein Funkgerät, während Cassian mit einer zerstörten KX-Droideneinheit (den Retcon des One-Shots Rogue One: Cassian & K-2SO Special #1 verzeihe ich Gilroy mal an dieser Stelle) seine Flucht startet. Am Ende steht die systematische Vernichtung eines Volkes für eine Ressource, die für eine Waffe benötigt wird, die dafür errichtet wurde, Planeten samt ihrer kompletten Bevölkerung auszulöschen. Man könnte sagen, der Todesstern hat schon lange vor seiner Fertigstellung seinen grausamen Zweck erfüllt.

Sinnloses Sterben
Wer bist du?
Cassian zu Syril
Beeindruckt war ich jedoch auch davon, dass uns auf imperialer Seite eine Truppe besonders junger, unsicher wirkender Soldaten gezeigt wurde. Natürlich wird dadurch einmal mehr deutlich, dass das Imperium jeden Menschen vollkommen dem eigenen Zweck und der eigenen Ideologie opfert, doch auch, dass selbst Teile dieser imperialen Maschinerie gar nicht recht begreifen dürften, wofür sie hier ihr Leben geben. Ähnliches sehen wir bei Syril, der in diesen Folgen endlich realisiert, dass das Imperium keinesfalls für Recht, Ordnung und Disziplin steht, sondern dies lediglich ein weiteres Konstrukt ist, um die eigene faschistische Herrschaft zu rechtfertigen. Spätestens als er am Ort des Geschehens steht und sieht, wie der Reporter bewusst Falschmeldungen über die Ereignisse verbreitet, kann auch er sich nicht mehr der bitteren Realität entziehen, dass er nur eine Spielfigur dieses furchtbaren Apparates war, dessen Anerkennung wollte und dass auch seine Geliebte Teil dieses Machtapparates ist.
Es folgt eine emotional aufgeladene Konfrontation mit Dedra, bei der wir erleben, wie er ihre körperlichen Grenzen überschreitet, was verdeutlicht, dass sich gerade sein komplettes Weltbild zusammenbricht. Zu allem Überfluss sieht er dann auch noch Cassian in der Menschenmenge, den Mann, den er seit Morlana verfolgt und der jetzt dabei ist, Dedra zu ermorden. Es kommt zu einem hervorragend inszenierten, actiongeladenen Faustkampf, bei dem am Ende die Frage „Wer bist du?“ steht. Denn Cassian weiß überhaupt nicht, wer ihm hier gegenübersteht. Einmal mehr wird die Sinnlosigkeit des Krieges deutlich und einmal mehr realisiert Syril, wenn auch nur für einen kurzen Moment, dass er sein Leben lang nicht für Recht und Ordnung gesorgt hat. Ein Ende, das beinahe schon beiläufig wirkt, aber perfekt in diese Serie passt.

Liebe oder Rebellion
Ich wähle die Rebellion.
Bix Caleen
Andor hat sich im Laufe der Serie schon immer Zeit genommen, um uns auch die Liebesbeziehungen zwischen den Charakteren zu zeigen. Besonders in Staffel zwei steht hier natürlich die Beziehung zwischen Bix und Cassian im Fokus, die von dem ständigen Druck und Leid des Krieges geprägt ist. Während uns die Folgen vier bis sechs einen guten Einblick in deren Alltag auf Coruscant lieferten, leben die beiden hier nun bereits in einer kleinen Hütte etwas entfernt von der Basis auf Yavin IV. Zwar wirkt diese neue Unterkunft ein wenig einladender als das Safehouse auf Coruscant, doch keineswegs hat sich etwas an den Problemen der Beziehung geändert. Auch die Vorahnung einer Machtheilerin, die eine gewisse Rolle Cassians voraussieht (ich bin mir unsicher um die Story dies unbedingt gebraucht hätte), macht den Konflikt zwischen Rebellion und Liebe nicht leichter, denn noch immer stehen Cassians gefährliche Aufträge für die Rebellion, deren Liebe im Weg. Wir sehen jetzt sogar in diesem Dreiteiler, dass Cassian nach der erneuten Mission auf Ghorman, bei der Rebellion aussteigen möchte, um sich vollkommen seiner Liebe zu Bix hinzugeben. Doch Bix hatte viel Zeit nachzudenken und sieht, dass die Rebellion Cassian braucht, um schlussendlich das Imperium zu bezwingen und beschließt während seiner Mission auf Ghorman endgültig, ihn zu verlassen.
In ihren letzten gemeinsamen Momenten auf Yavin IV zeigt sich insbesondere noch einmal, wie talentiert Diego Luna und Adria Arjona schauspielern können. Besonders der Monolog von Arjona offenbart erneut – neben dem herausragenden Schauspiel – die authentische Schreibe von Dan Gilroy, aber auch das tolle Auge des Regisseurs, der uns diesen Monolog aus verschiedenen Perspektiven präsentiert, die teils fast schon wie aus einem Arthouse-Film wirken. Während wir den emotionalen Monolog von Bix hören, sehen wir Cassians Reaktion darauf fast ausschließlich auf nonverbaler Ebene. Das ist aber keineswegs ein Kritikpunkt, denn in seinen Gesichtszügen finden sich so viele Emotionen wieder, dass wir als Zuschauer*innen keine Schwierigkeit haben zu erahnen, was in ihm vor sich geht. Überraschend kommt die Trennung der beiden nicht, denn wir befinden uns schließlich fast schon kurz vor Rogue One, in dem Bix ja zumindest direkt keine Rolle spielt. Ich hatte fast schon befürchtet, dass sie wie Brasso auch in einem Gefecht mit Imperialen sterben könnte, bin aber froh, dass hier dieser Weg gewählt wurde, der gut zu ihrer Charakterentwicklung in der zweiten Staffel passt.

Der Parlamentarismus ist am Ende
Der Tod der Wahrheit ist der ultimative Sieg des Bösen.
Mon Mothma
Nachdem das Imperium den grausamen Völkermord an den Ghormaner*innen gestartet hat, sind Mon Mothma und Bail Organa im Senat auf Coruscant schockiert über die Verbrechen des faschistischen Regimes. Vor ihren Augen wird nun auch der ghormanische Botschafter von Sturmtruppen verhaftet, während er, wie sein Volk auf Ghorman auch, verzweifelt um Hilfe ruft. Für Mon Mothma ist klar, dass sie dies so nicht länger hinnehmen kann und bereitet eine letzte Rede vor, die sie im imperialen Senat halten will. Bail Organa jedoch, dessen Recast übrigens hervorragend in die Rolle passt, verbleibt vorerst im Senat und verschafft ihr damit über einen vom Imperator selbst eingebrachten Paragrafen überhaupt erst die Möglichkeit, außerhalb der regulären Tagesordnung eine Redezeit zu bekommen. Dennoch stehen die nicht regimetreuen Senator*innen unter ständiger Beobachtung durch das ISB, welches Abhörwanzen in den Büros im Senat platziert. Damit jedoch nicht genug, auch in Bail Organas Team, welche die Senatorin nach ihrer großen Rede in Sicherheit bringen soll, befindet sich eine ISB-Agentin und auch ihr Fahrer ist – wie schon in Staffel eins klar wurde – keineswegs als Verbündeter zu betrachten.
Wieder einmal zeigt uns Andor realistisch und höchst eindrücklich die Repressionsmaßnahmen des Imperiums. Dennoch kämpft Mothma weiter und bereitet ihre Rede vor, in der sie die gezielten Lügen über den Völkermord auf Ghorman anprangern und den Imperator als das benennen will, was er ist: ein Monster. Hierbei verweist sie auch darauf, dass der Imperator schlussendlich den gesamten Senat abschaffen wird, auch wenn sie es nicht direkt mit diesen Worten ausspricht. Nur zwei Jahre später erfahren wir in Eine neue Hoffnung, dass diese Befürchtung wahr wurde. Klar ist, das Parlament ist schon lange durch den Imperator unterwandert und dient im Prinzip nur noch dem Aufrechterhalten seines imperialen Narrativs. Somit ist klar, dass Mothma, als sie diese Erzählung demaskiert, sofort als laufende Zielscheibe vom Imperium betrachtet wird. Die Flucht aus dem Senat, für die sich Cassian mithilfe von Luthens Leuten Zugang zur Senatskuppel verschaffen konnte, läuft dementsprechend nicht komplett friedlich ab und die Senatorin wird mit der Realität des Krieges, die für Cassian schon lange zum Alltag gehört, konfrontiert als die beiden auf die ISB-Spione treffen. Score und Kamera tragen dann maßgeblich dazu bei, dass diese Flucht äußerst spannend inszeniert wird und wir als Zuschauer*innen Sekunde für Sekunde mitfiebern, obwohl den meisten natürlich klar ist, dass beide entkommen werden. Auch dadurch, dass wir während der Flucht einen Einblick in das Kommandozentrum des ISB, also der Gegenseite, erhalten, wird einmal mehr Spannung erzeugt.

Fazit
So stark hat mich Star Wars schon lange nicht mehr emotional berührt und all die Eindrücke in einer Rezension zu fassen fiel definitiv nicht leicht, denn wir haben es mit den Folgen sieben bis neun der zweiten Staffel von Andor mit nicht weniger als den wohl hervorragend inszeniertesten Episoden einer Star Wars-Serie zu tun. Dan Gilroy kann mit seiner Schreibe an das hohe erzählerische Niveau der vorherigen Folgen anknüpfen und meiner Meinung nach während des brutalen Ghorman-Massakers und der Inszenierung des Todes von Syril dieses gar noch übertrumpfen. Das Tempo zieht hier insbesondere in den Folgen acht und neun an und lässt uns von Anfang bis Ende, wie auch den Charakteren, keine Verschnaufpause. Trotz zahlreicher Tode befinden sich noch immer viele Figuren „auf dem Spielfeld“, von denen glücklicherweise keine arg zu kurz kommt, an der einen oder anderen Stelle merkt man jedoch, dass dies zu erreichen sicher keine leichte Aufgabe gewesen sein muss. Andor überzeugt also wieder einmal mit treffender Charakterschreibe und einem ernsthaften Interesse an den inneren und äußeren Konflikten dieser Galaxis und hebt sich somit einmal mehr von den anderen Live-Action-Serien ab, die leider zu oft durch große Fanservice-Momente getragen wurden. So lässt mich dieser vorletzte Dreiteiler, an dem ich wirklich nur marginale Kritikpunkte äußern könnte, emotional und beeindruckt von diesem facettenreichen Erzählen gespannt auf den allerletzten Story-Arc der Serie blicken, der sicher auch noch die Aufgabe hat, die Geschichte einiger Charaktere zu vervollständigen.
Diese drei Folgen waren atemberaubend. Erst die Planung/der Aufbau für das Massaker, dass in Folge 8 dann durchgeführt wird und Mons Rede in Folge 9. Wow einfach nur wow. Die Serie steigert sich von Folge zu Folge und setzt jedes Mal wieder einen neuen Maßstab. Ich bin vollends schockiert/begeistert.
Wieviele tiefgründige Monologe/Reden es in Andor schon gab, die besser und besser geworden sind, was ich eigentlich nicht für möglich gehalten habe, fasziniert mich, vor allem da sie mir allesamt im Kopf geblieben sind.
Und zu K2SO: in meinem Head canon war das irgendein Kx Droide, durch den Cassian gelernt hat, wie man die umprogrammieren/neu verkabeln muss, sodass er in dem One Shot dann weiß, wies geht.
Ich war nach diesen 3 Folgen erstmal sprachlos.
Im positiven Sinne
Ich kann Flo in allen Punkten nur zustimmen. Man kann gar nicht zusammenfassen was diese Serie alles so gut macht. Aber den Kloß im Hals, nach Folge 8, das hinterlässt Eindruck. Das einem eine Serie so sehr berührt, habe ich kaum noch bei derlei Medien und dann auch noch bei einer Star Wars Serie.