Marvel Mittwoch: Darth Vader #50

One Last Time …

Achtung: Wie immer besprechen wir im Marvel-Mittwoch die Handlung der Comics, sodass sowohl der Beitrag als auch die Kommentare Spoiler enthalten können.

Der Inhalt

Epiloge in Romanen, die einen bewegen, mitreißen und umhauen, haben für mich immer etwas Sentimentales. Sie bedeuten, dass man sich von Figuren verabschieden muss, die man liebgewonnen hat. Sie ermöglichen noch einmal das triumphale Mitfiebern bei den letzten Schritten der Helden. Sie lassen die Antagonisten im Staub zerfallen und schauen in eine ferne Zukunft, die so friedvoll ist und von der man oftmals gerne mehr lesen würde, doch das Buch musste enden.

Das finale Darth Vader-Heft löst etwas Ähnliches bei mir aus. Nach über vier Jahren mit dieser Reihe und ihren Tiefen und Tiefen wird man selbst hier sentimental. Und die letzten Seiten, wenn Kitster am Feuer sitzt und an Anakin denkt; wenn Sabé sich sicher sein kann, dass Leia niemals Vader dienen wird; wenn Luke entkommt und Vader wieder eingerenkt wird – dann fühlt sich das wie ein episches Finale an, wie ein Epilog am Ende einer Reise. Doch irgendwas fehlt und das ist Magie, das ist Storytelling und das ist eine Seele.

Greg Pak schafft in dieser überlangen Finalausgabe fast mustergültig ein Finale. Er verwebt alle Figuren miteinander, setzt Vader auf Werkseinstellungen und dadurch seine eigens verbrochenen Missetaten an dieser Figur zurück. Aber das alles spult sich ab wie von einer Maschine. Wobei, würde man eine KI bitten, aus den 49 Heften ein Finale zu stricken, würde diese sich wahrscheinlich nicht dazu herablassen, Vader blaue Neonröhren auf die Rüstung zu kleben und gegen Kraken und ihre Reiter antreten zu lassen.

Das seelenlose Storytelling aus dem Lehrbuch beginnt schon damit, dass alle, die irgendwie komplex sein sollten oder wollten, ganz schnell wieder schwarz und weiß werden. Im einen Boot sitzen die Guten mit Luke, im anderen die Bösen rund um Vader. Das ganze (Be)Schism Imperial war nur eine Tarnung von Sly Moore und dem Imperator. Warum? Weil Greg Pak am Ende halt die „Palpatine All Along“-Karte auch noch ziehen muss. Viele Karten waren im Kreativlos-Stapel auch nicht mehr übrig und die wenigen Joker verspielte er bereits am Anfang der Reihe – wohl in der Hoffnung, keine 50 Ausgaben vor sich zu haben.

Enric Pryde loyal zum Imperator, Ochi von Bestoon niedergeschlagen und verletzt und gleichsam wieder am Buckeln. Sabé zufrieden, dass Leia aufrichtig ist wie Padmé und nicht wie ihr Vater. Kitster am Boden, aber am Leben, auf Vaders Gnaden, und der Imperator selbst glücklich, dass endlich wieder eine seiner Doku-Soaps im Imperiums-TV lief. Wie LEGO-Steine passen die Figuren sich darin ein, wo sie stehen müssen, damit Episode VI nicht ganz unglaubwürdig wird. In Vader brennt am Ende der Hass, der zu seinem Verrat führen wird. Doch warum, bleibt vage. Pak behauptet es einfach.
All die Ereignisse haben ihn weichgeklopft – so die Unterstellung.
Aber wiederum nicht zu weich – deshalb der Reset auf Werkseinstellung.

Das war der obligatorische Reim.

Ich bin gespannt, wie die Reihe nun weitergeht und hoffe auf interessante Erlebnisse und am Ende auch Erkenntnisse, wie Vader – vielleicht durch seine Nachforschungen – schrittweise wieder näher zum Licht findet, um seinen Wandel in Episode VI herzuleiten.

Mit diesen Worten beendete ich meine erste Rezension zur neuen Darth Vader-Reihe im Februar 2020. Über vier Jahre sah ich, wie diese Hoffnung immer wieder aufflammte, um dann von Schilden, Kyberlanzen und Tauntaza-Rüstungen zertrampelt zu werden. Wie überlegte Schritte zur Hinführung an Episode VI den Brechstangen-Narrativen wichen, um dann wieder rückgängig gemacht zu werden. Eine ständig oszillierende oder mäandernde Sinuskurve statt einer streng monoton steigenden Funktion, wenn man so will. Keine graduelle, gleichmäßige Charakterentwicklung, sondern ein Auf und Ab bis zur Unglaubwürdigkeit und noch viel tiefer – höher – tiefer – höher – …

Vader ist einer der beeindruckendsten Antihelden oder Antagonisten – je nachdem wie nachsichtig man mit ihm ist – der Filmgeschichte. Seine Stimme erschütterte Generationen, seine Enthüllung in Episode V ist legendär und oft falsch zitiert. Wenn man von ikonisch spricht, kommt man an ihm nicht vorbei. Die Chuzpe zu haben, diese ikonische Figur dann so zu behandeln, wird für mich immer ein Rätsel bleiben. Ich wiederhole (nur ungern): Kyberlanze und Schild … Vader hätte eine wirklich tolle Reihe werden können: mit 20 Ausgaben und einer konstanten, durchdachten und mit Seele geschriebenen Story – Soule und Gillen winken melancholisch von der Abflugrampe. Eine Fanfiction mit mehr Fan statt Fiction. Ohne dunkle Droiden, Exegol-Retcons und Untergrundorganisationen, die Sly Moore wohl aus ihrem zu hohen Kragen sprießen.

Die Zeichnungen

Eine Konstante, deren Lob ich oft als Lichtblick zwischen Verriss und Verriss-Fazit bewertete, waren die Zeichnungen. Meist zeichnete (hehe) dafür Raffaele Ienco verantwortlich, der es wohl auch kaum erwarten konnte, diese Reise abzuschließen. Im letzten Heft haben sich ihm noch Paul Fry, Luke Ross und Adam Gorham angeschlossen und die Zeichnungen sind weiterhin nicht das Beste, was es auf dem Comic-Markt gibt, aber solides Mittelfeld. Damit in den meisten Fällen mehr als die Handlung. Figuren waren größtenteils wiedererkennbar, Stimmungen wurden eingefangen und jede noch so seltsame Idee wurde zeichnerisch irgendwie umgesetzt. Manchmal wünschte ich mir, ich wäre beim Briefing von Sir Vadelot dabei gewesen.

Fazit

4,5 Jahre liegen hinter mir. Oft habe ich darüber gescherzt, wie mich die Reihe nervt und doch: Ich habe es nie übers Herz gebracht, sie abzugeben. Der Grund dafür ist auch diese Seite. Deshalb will ich hier loben, was es zu loben gibt: Die Freiheit, so zu rezensieren, wie ich es für richtig halte. Keine Zeichenlimits, keine Formvorgaben, kein Anspruch auf Vollständigkeit oder gar übertriebene Versöhnlichkeit bei offenkundig absurden und schlechten Handlungen. Eine Rezension, die mit Reimen beginnt? Eine Rezension lediglich mit dem Wort „Nein“, weil man über die Feiertage wahrlich Besseres zu tun hat, als die Vader-Reihe zu lesen? Eine Rezension, die sich selektiv nur das Gute heraussucht und das übertrieben aufbläht, um nicht wieder im Reigen des Hasses zu verschwinden? Eine Rezension, die einfach mal auflistet, was alles falsch läuft? All das ist kein Problem bei der Jedi-Bibliothek. Vielleicht liegt am Ende hier die Seele, die der Vader-Reihe fehlte. Vielleicht habe ich es deshalb auch bis zum Epilog geschafft.


Am nächsten Marvel-Mittwoch geht es mit der Comic-Adaption Ahsoka #3 weiter.

Wir bedanken uns bei Marvel für die Bereitstellung der digitalen Vorab-Exemplare, ohne die unser Marvel-Mittwoch nicht möglich wäre.

3 Kommentare

  1. Sehr stark dass du durchgehalten hast.
    Ich wünsche dir viel Glück dass die Vader-Reihe für dich zurückkehrt 😂 irgendwie war es auch ein wenig spaßig dich leiden zu sehen.
    Ich fand sie ja nicht ganz so schlimm, zu Teilen sogar sehr unterhaltsam, aber sie wurde wirklich von Heft zu Heft schlechter und ich bin noch nicht durch….

  2. Tja, Glückwunsch zum erfolgreichen Abschluss. Vier Jahre durchzuhalten, war sicher nicht einfach, wenn man sich mehr erhofft hat.
    Die Reihe war jetzt nicht die, die mich in den letzten Jahren am meisten mitgerissen hat. Sie erinnerte mich ein bisschen an ein Schauspiel über einen Jungen, der nach Macht sucht, aber von vornherein keine Chance gegen seinen alten, erfahrenen Lehrmeister hat. Oder an ein Schachspiel, bei dem der eine schon weiß, wie er seinen Gegner mattsetzt und dieser noch gar keinen Zug gemacht hat.
    Dass das jetzt das Vorspiel zu Episode 6 ist, das Gefühl habe ich irgendwie gar nicht.

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