Rezension: Star Wars Propaganda von Pablo Hidalgo

Star Wars Propaganda: A History of Persuasive Art in the Galaxy (25.10.2016)
Star Wars Propaganda: A History of Persuasive Art in the Galaxy (25.10.2016)

Unter dem volltönenden Titel Star Wars Propaganda: A History of Persuasive Art in the Galaxy erschien am 25. Oktober in den USA bei HarperDesign ein neues Sachbuch aus der Feder von Story-Group-Mitglied Pablo Hidalgo, das die Geschichte von Star Wars anhand von Propagandapostern analysiert und kommentiert. Diese spannende Veröffentlichung sei nun der Anlass für eine neue Rezension, in der ich euch das Werk, seine Aufmachung sowie seine Stärken und etwaigen Schwächen aufzeigen möchte.

Das Konzept: Star Wars Propaganda ist ein Sachbuch, das aus einer In-Universe-Perspektive geschrieben wurde. Das bedeutet: Es existiert auch in der Star Wars-Galaxis und wurde über Raum und Zeit hinweg in unsere Welt transportiert. Autor ist folgerichtig also nicht Pablo Hidalgo, sondern der aus der Star Wars Rebels-Begleitliteratur bekannte Künstler Janyor von Bith, der auch in der Serie selbst in der Folge „Idiot’s Array“ bzw. „Ein unfairer Deal“ Erwähnung fand. Das Buch selbst kommt als Hardcover im Schuber daher und wirkt recht hochwertig, auch wenn ich finde, dass der Schuber zwar gut ist, aber dennoch etwas stabiler hätte sein können. Vorne und hinten im Buch befindet sich auch ein Umschlag mit jeweils fünf Kunstdrucken mit Postern aus dem Band. Ein Bild dieser Poster findet ihr auf unserem Instagram-Profil.

Aufbau des Buchs: Das Buch ist in fünf Teile gegliedert, denen ein Vorwort namens „A Galaxy of War and Art“ von Janyor of Bith vorangestellt ist. Die fünf Kapitel lauten übersetzt: „Die Republik“, „Die Klonkriege“, „Aufbau des Imperiums“, „Aufstieg der Rebellion“ und „Der nächste große Krieg“. Am Ende des Buchs folgt dann noch eine Doppelseite mit Biographien der fiktiven Künstler, deren Werke in diesem Buch vorgestellt werden, sowie eine Impressumsseite mit Kleingedrucktem, in dem die realen Künstler benannt werden, unter denen sich einige namhafte Star Wars-Veteranen aus den unterschiedlichsten Bereichen befinden (siehe Infobox am Ende der Rezension). In jedem Kapitel gibt es eine mehrseitige Einleitung von Janyor, der die wichtigsten politischen, militärischen aber auch soziokulturellen Ereignisse und Faktoren der Ära zusammenfasst. Danach folgen Seiten mit den wichtigsten Propagandawerken aus den jeweiligen Ären mitsamt Kommentaren von Janyor.

Propaganda und Gesellschaft: Dieses Buch leistet unglaublich gute Arbeit damit, uns in den politischen und kulturellen Kontext der weit, weit entfernten Galaxis zu versetzen. In Janyors Einleitungen und Kommentaren erfährt man einige Fakten und Zusammenhänge, die man als Fan so vielleicht noch nicht wahrgenommen hat. Zwar wird die Geschichte der bekannten Saga von Episode I bis VII nacherzählt, aber die Filme (besonders die klassische Trilogie und Episode VII) konzentrieren sich oft nur auf eine kleine Gruppe an Figuren und lassen den politischen Kontext und die Befindlichkeiten der galaktischen Bevölkerung außen vor. Pablo Hidalgo leistet großartige Arbeit beim Worldbuilding, indem er anhand der Propagandaposter erklärt, wie genau ein gewisses Motiv die Ängste, Hoffnungen und Sorgen einer galaktischen Generation ansprach – beziehungsweise ob und warum es dabei Erfolg hatte oder warum es damit bei der Zielgruppe oder einer gewissen Spezies scheiterte. Die Motive selbst stehen zwar stets im Vordergrund – es ist ein Kunstbuch, kein Textbuch – aber der erläuternde Text ist immersiv und liefert eine faszinierende Chronik der galaktischen Geschichte, die Zusammenhänge zwischen den Filmen, Serien und Büchern schafft, sodass die ganze Saga wie aus einem Guss wirkt.

Inspirationen: Pablo Hidalgo ist ja ein bekennender Fan der Rollenspielwerke von West End Games, die in seiner Jugendzeit die ultimative Quelle für neue Star Wars-Abenteuer waren, bevor überhaupt jemand an die Thrawn-Trilogie oder gar an Prequel-Filme dachte. Ausgewählte Fakten und Ereignisse daraus schleichen sich also immer wieder in seine Texte ein, u.a. die „Declaration of Rebellion“. Zugleich merkt man aber auch, dass das Buch aus einem explizit US-amerikanischen Kontext heraus geschrieben wurde (auch wenn Pablo selbst ein gebürtiger Chilene ist, der in Kanada aufwuchs). Wer ein bisschen was über US-Geschichte weiß, wird bei Slogans wie „Taxation without Federation“, Begriffen wie „Manifest Destiny“ oder der Formulierung der „Declaration of Rebellion“ einiges wiedererkennen. Das ist aber auch nur recht und billig, denn die Star Wars-Filme selbst nutzen ja auch diese Begrifflichkeiten und Analogien – die Separatisten mit ihrer „Konföderation unabhängiger Systeme“ könnten auch genauso gut die „Konföderierten Staaten von Amerika“ sein, beispielsweise. Wenn man sich also bei WEG und der US-Geschichte etwas auskennt, wird man beim Lesen einige Aha-Momente haben. Auch das aktuelle Zeitgeschehen wird bisweilen kommentiert. Bonuspunkte gibt es für diejenigen, die ohne Nachschlagen etwas mit einem „Baby Ludi“-Sticker anfangen können. Es tut dem Buch aber auch keinen Abbruch, wenn man es ohne all dieses Vorwissen liest, da es geschickt in die Geschichte der Filme eingewoben wurde und sonst nicht weiter auffällt, wenn man nicht weiß, wonach man suchen muss.

Die Artworks: Zu den Illustrationen kann ich in dieser Rezi wenig sagen, ohne sie alle abzudrucken. Es gab hier allerdings eine Ladung von Vorschauseiten, die ich zu diesem Zwecke nochmal einbinde.

Wie ihr seht wird wirklich jede Ära abgedeckt – von kurz vor Episode I bis zum Finale von Episode VII. Egal ob es um die Besteuerung der Handelsrouten, das Millenniumsjubiläum der Republik, Separatisten, Rebellen oder die Zerstörung des Dorfs Tuanul in Episode VII gehen soll: Es ist alles dabei! Firmenwerbung aus der Zeit der Prequel-Trilogie und Rekrutierungsposter von Imperium, Rebellenallianz und Widerstand reihen sich ein neben Werbeplakaten für eine Universitätsvorlesung von Count Dooku oder Königin Amidalas Krönungszeremonie. Auch aus den Filmen und Serien bekannte Künstler wie Sabine Wren oder Padmé Amidalas Jugendfreund Palo Jemabie sind dabei vertreten und oft wird auch verraten, was im späteren Leben aus diesen Künstlern wurde. Egal ob sie im KOMENOR-Büro saßen, den ganzen Krieg über an der Front für die Rebellen kämpften oder vom ISB insgeheim exekutiert wurden – die Künstlerschicksale sind so divers wie ihre Arbeit. Man merkt, dass Pablo Hidalgo auch dabei viel Spaß hatte. Auch die Künstler konnten sich mit den verschiedensten Stilen richtig austoben.

Stärke und Schwächen: Star Wars Propaganda liefert eine neue, interessante Perspektive auf bereits bekannte Ereignisse und verbindet diese anhand von Propaganda-Postern mit jeder Menge neuer Fakten, die bisweilen auch auf zukünftige Filme (Rogue One), Rebels-Folgen und Romane (Aftermath: Empire’s End) anspielen. Die 112 Seiten dieses Bandes liefern großflächige Artworks, aber auch Text in kleiner Schrift, der diese gut ergänzt und alles in allem ein kurzweiliges Lesevergnügen schafft. Ich glaube, dass ich dieses Buch nach Erscheinen dieser künftigen Werke noch häufiger zur Hand nehmen werde, um zu schauen, ob ich irgendetwas übersehen habe. Es lädt förmlich zum Entdecken ein. Ich habe mir zwar manchmal gewünscht, dass das Buch noch explizitere Texte bereitgestellt hätte – in der Zeit zwischen VI und VII fehlt mal wieder ein Stück, auch wenn das Buch eine recht brauchbare Zusammenfassung dieser Zeit liefert – aber das ist wirklich Meckern auf hohem Niveau. Sicher, das Buch hätte man bestimmt noch dicker machen können, aber in der veröffentlichten Form ist es ein gutes – nun ja – Gesamtkunstwerk, das vor allem erwachsene Leser ansprechen wird, die tiefer in ihre Lieblingsgalaxis eintauchen wollen.

Bewertung: Pablo Hidalgo und die beteiligten Künstler haben es geschafft, ein Sachbuch herauszubringen, das der neue Kanon in dieser Form noch nicht erlebt hat und das an die besseren Sachbücher aus der Legends-Ära erinnert. Es kombiniert durch seinen Aufbau informative enzyklopädische Prosa mit fesselnder In-Universe-Erzählkunst und sollte in keinem Regal fehlen. Von mir gibt es daher die vollen 5 von 5 Holocrons.

Eine deutsche Übersetzung wird derzeit von mehreren Verlagen, u.a. Panini und DK, in Erwägung gezogen. (Der Kollege Julian und ich haben es auf der Frankfurter Buchmesse auch nochmal DK nahegelegt, wo der visuelle Stil des Buches definitiv gut aufgehoben wäre.) Alle Interessenten wollen aber erst mal den US-Erfolg des Buchs abwarten.

Jetzt bin ich aber auf eure Meinungen und Kommentare zu diesem Buch gespannt!

7 Kommentare

  1. Ich kann gar nicht sagen, wie sehr ich mich auf dieses Buch freue! So ein tolles und kreatives Konzept! 😀

    Endlich mal ein Sachbuch, bei dem es nicht um Technik oder Daten und Fakten geht, die mich nicht interessieren! Kunst – Kultur – Sprache – Geschichte – in der geisteswissenschaftlichen Richtung ist noch sehr viel Platz für neue SW-Veröffentlichungen! 🙂

    Falls es demnächst ein Programmheft zu der Oper geben sollte, die Palpatine und Anakin in Episode III schauen – ich würd’s kaufen! 😀

    1. Es ist jetzt lange nicht die erste geisteswissenschaftliche SW-Veröffentlichung (man denke an den Essential Guide to the Force sowie andere philosophische und historiographische Legends-Bücher), aber ja, das Konzept hebt sich definitiv von der Masse ab. Ich hoffe auch, dass man da weitermacht. Ich freue mich jetzt erst mal auf „On the Front Lines“, was ja eine Chronik von Kriegen, Schlachten und Taktiken sein wird. Da wird sicher auch viel Spannendes dabei rumkommen – insbesondere, da Daniel Wallace als Autor dafür verpflichtet wurde.

  2. Nachdem ich jetzt auch gerade mit dem Buch fertig geworden bin, kann ich nur zustimmen, definitiv eines der Highlights im SW Sachbuch-Himmel. Die Texte sind etwas kurz, aber stimmig. Es ist zudem einfach erstaunlich, wie geschickt irdische Propaganda-Plakattypen ins SWU transponiert wurden. Etliche erkennt man sofort wieder. Einfach toll das Buch!

    1. Ja, die Texte sind – von den Einleitungsseiten abgesehen – wirklich kurz, aber dafür ist die Informationsdichte hoch. Bisweilen hätte man aber gerne noch mehr über die Kunststile fachsimpeln können (nicht, dass das mein Metier wäre, aber es hätte ins Gesamtbild gepasst).

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