Rezension: Geschichten der Unterwelt 1×01-03: Asajj Ventress

(…) [I]ch habe noch ein paar Leben übrig.

Asajj Ventress, The Bad Batch S03E09: „Die Vorbotin“

Mit der Veröffentlichung von Geschichten des Imperiums hat sich das animierte Kurzgeschichtenformat im visuellen Stil von The Clone Wars als neuer Content für Disney+ am Star Wars-Day – dem 4. Mai – etabliert. Der Nachfolger Geschichten der Unterwelt (Tales of the Underworld) setzt ein Jahr später die neue Tradition fort, um Lücken zu füllen und Fragen zu den Hintergründen beliebter Charaktere aus dem Filoni’schen Animationskosmos zu beantworten, die man sich (nie?) gestellt hat. Bühne frei für Asajj Ventress und Cad Bane, die in jeweils drei Episoden von etwa 15 Minuten im Mittelpunkt stehen dürfen. Genau wie letztes Jahr haben Flo und ich uns die schnell geschaute Serie aufgeteilt, um jeweils einen Dreiteiler genauer unter die Lupe zu nehmen und für euch zu rezensieren.

Aber Achtung: Diese Rezension enthält Spoiler zu den ersten drei Folgen aus Geschichten der Unterwelt und zum Roman Schülerin der dunklen Seite.

Die Spielregeln des popkulturellen Kapitalismus

Star Wars ist eine gigantische Marke, die viele Menschen erreicht. Beinahe jede Person kann auch ohne große Berührungspunkte mit der Saga die Kultfiguren, Raumschiffe und Zitate problemlos wiedererkennen, zumindest in westlichen Kulturkreisen. Es gibt natürlich auch die Fans, für die die Galaxis ein wesentlicher Bestandteil des Lebens geworden ist. Da gibt man schnell hunderte oder tausende von Euro/Dollar/Pfund aus, um sich möglichst lebensechte Kostüme, tonnenweise LEGO oder jedes zur Saga veröffentlichte Literatur-Werk zuzulegen, um das Hobby zu pflegen, um die Gefühle, die zunächst durch die Filme ausgelöst worden sind, zu verstärken und immer mehr Zeit in dieser Fantasiewelt zu verbringen. Warum das für die Einleitung über auf den ersten Blick nur drei harmlose Animationsfolgen wichtig ist, die passenderweise exakt an dem Tag als Content für Abonnent*innen hochgeladen wurden, den Disney und seine Lizenzpartner längst als Gelddruckmaschine und „Black Friday“ des Lucas’schen Erbes entdeckt hat?

Wegen des Symptoms, das seit Jahrzehnten dem Konsum von Star Wars-Literatur anhaftet und in der ersten Folge „Ein Weg nach Vorne“ überdeutlich wird. Seit dem Startschuss 1977 ist der Film- und Serienoutput nie so groß gewesen, wie in den letzten zehn Jahren. Wenn man aber vor dieser modernen Zeit als Hardcore-Fan mehr Geschichten rund um den Galaktischen Bürgerkrieg und weit darüber hinaus aufnehmen wollte, weil man einfach nicht genug von diesem wunderbaren Universum und seinen endlosen Möglichkeiten bekam, waren Romane, Comics und Rollenspielregelwerke die Mittel der Stunde. Von der Rückkehr der Saga in den späten 90ern in die Kinos bis zu George Lucas‘ Expansion auf den Fernsehbildschirm mit The Clone Wars hat der Schöpfer aber nie ein Geheimnis daraus gemacht, was er von der lizenzierten Arbeit anderer Autor*innen hielt – nämlich nicht sehr viel.

Inzwischen hat sich die Kanonlandschaft stark verändert. Das Legends-Banner wurde eingeführt und das große (Marketing-)Versprechen gegeben, dass alle ab jetzt veröffentlichten Werke gleichwertig sein sollen. Auftritt Dave Filoni, Lucas‘ Schüler und geistiger Nachfolger. Neben dem Verständnis der Macht und der Struktur von Star Wars-Geschichten hat er genauso das Kanon-Verständnis seines Mentors geerbt, frei nach dem Motto: „Ich nehme mir die Elemente, die mir gefallen, und passe bei Bedarf alles an, wie ich es brauche.“ Das Ergebnis ist auf der Seite der rücksichtslosen Anpassungen eine 50:50-Übernahme der Order 66 aus der Sicht von Kanan Jarrus/Caleb Dume in The Bad Batch und Dookus veränderte Vorgeschichte in Geschichten der Jedi – von den Widersprüchen mit dem Ahsoka-Roman ganz zu schweigen. Wen aber stößt man mit diesen Veränderungen vor den Kopf? Die treuesten Fans, die Romane und Comics lesen, gleichzeitig aber weit in der Unterzahl sind. Ihre teils exzessiven Käufe sind für Disney sicher nice-to-have, machen aber nicht den auf ein möglichst breites Publikum ausgerichteten Kern des Hauptgeschäfts aus. Daran zeigt sich das Ungleichgewicht, dass die Fans, die am meisten ihres eigenen Geldes für Star Wars ausgeben, einfach nicht diejenigen sind, die den meisten Umsatz der Sternensaga ausmachen. Das bleiben auf ewig die casuals. Kontroverser formuliert, könnte man sagen: die härtesten Fans sind die, die manchmal am meisten leiden müssen.

Auf der anderen Seite des aktuellen Kanon-Umgangs stehen dann aber wiederum Überraschungen wie der Auftritt Darth Mauls in Solo: A Star Wars Story, der erstaunlich akkurate Sprung Cobb Vanths von Nachspiel zu The Mandalorian und der Anfang des heute zu rezensierenden ersten Dreiteilers von Geschichten der Unterwelt. Wer da in der ersten Szene auf Dathomir, die ohne Erklärung hingenommen werden muss – Asajj Ventress tot, Quinlan Vos in sie verliebt, Obi-Wan Kenobi am Trauern über seine alte Erzfeindin – völlig verloren sind, sind aber genau die Casuals, die den Mammutanteil des Publikums bilden. Das Maß, wie sehr der Roman Schülerin der dunklen Seite – der vor zehn Jahren acht unverfilmte The Clone Wars-Drehbücher in Romanform brachte – hier vorausgesetzt wird, ist erstaunlich. Noch erstaunlicher, bedenkt man, warum von allen unverfilmten Folgen der beliebten Serie ausgerechnet diese für eine Veröffentlichung erwählt wurden, denn sie beendeten Asajj Ventress Handlungsbogen und auch ihr Leben, was zukünftige Erklärungen oder weitere Auftritte von ihr überflüssig machte. Ventress‘ Rückkehr in The Bad Batch, die in den Geschichten der Unterwelt erklärt werden sollte, muss also mit einer Geschichte verbunden werden, die überhaupt nur deswegen in Romanform noch veröffentlicht wurde, damit Ventress‘ Geschichte beendet wird, sie also überhaupt keine Rückkehr mehr benötigen sollte. Die Paradoxe und Verwirrungen für Fans aller Härtegrade nehmen in dieser Sache kein Ende. Hier hat sich Lucasfilm selbst kreativ ins Seitenaus manövriert und teilt dabei das Publikum in zwei Lager, von denen keines wirklich glücklich werden darf; verärgerte Romanlesende und das heillos verwirrte Serienpublikum.

Asche zu Asche?

I will always love you.

Whitney Houston Quinlan Vos

So viel zur Einordnung. Aber wie machen die von Matt Michnovetz geskripteten Folgen denn nun diesen Spagat-Job aus Romanleserschaft würdigen und Filoni-Programm der ewig Lebenden abzuspulen? Um es knapp zu sagen: Erstaunlich gut. Die erste Szene der Folge „Ein Weg nach Vorne“ – die zunächst auf der SWCJ Premiere feierte und dann gemeinsam mit der zweiten Episode zwei Tage vor Disney+ im Videospiel Fortnite geschaut werden konnte – ist der Darstellung im Roman direkt übernommen und gibt das tragische Ende ziemlich akkurat wieder, um im Anschluss direkt daran anzuknüpfen. Zuletzt gab es das ähnlich auffällig, als Maul in der siebten Staffel von The Clone Wars einfach wieder in Freiheit war, obwohl man ihn zuletzt in Staffel 5 von Darth Sidious gefangengenommen sah. Auch hier blieb es ohne Literatur ungeklärt, in dem Fall dem Comic Darth Maul: Sohn Dathomirs, der ebenfalls nicht verfilmte Drehbücher als Grundlage hatte. Zumindest gab es seinerzeit aber noch ein paar Sätze Mauls zu den in der Serie nicht gezeigten Ereignissen, um den nicht eingeweihten Teil des Publikums mitzunehmen.

Mit Ventress und Vos geht das Ganze aber viel weiter. Alle Hintergründe, von der beschwörten Liebe bis zur Todesursache, bleiben unklar. Ist diese inhaltliche Strategie aus Disneys Sicht klug? Mitnichten. Ist sie aus egoistischer Sicht schön für uns Fans? In Momenten wie diesem allemal. Ja, Ventress‘ Rausschmiss aus dem Reich der toten Nachtschwestern bleibt relativ ziellos und unbegründet. Dennoch ist die Hexenmagie zusammen mit der Art und Weise der Darstellung genug Erklärung, um diese Art Auferstehung zu akzeptieren. Es mussten bei Star Wars, sowohl animiert als auch in Live-Action, schon deutlich unglaubwürdigere Comebacks ertragen werden.

"Toll... Jetzt muss ich dieses Buch lesen."
„Toll… Jetzt muss ich dieses Buch lesen.“

Blicken wir jetzt aber endlich über die Ausgangslage hinaus und schauen uns die Ausführung der weiteren Geschichte Dookus ehemaliger Schülerin an. Wie bereits erwähnt, gelingt diese wirklich gut, was auch daran liegt, dass man sich im Gegensatz zu Geschichten der Jedi und Geschichten der Unterwelt für eine inhaltliche Anpassung entschieden hat. Statt Zeitsprüngen von mehreren Jahren zwischen den einzelnen Episoden der Dreiteiler, nach denen man die Figuren in neuen Settings und Konstellationen einmal Ära-quer erlebt, um zu unterschiedlichen Zeitpunkten Einblicke in wichtige Stationen ihrer Biografien zu erhalten, haben wir es diesmal mit zusammenhängenden Storybögen zu tun, die mehr an die Mehrteiler-Strukturen von The Clone Wars oder Andor erinnern. Man kann sehr viel konzentrierter über die Gesamtlaufzeit von etwa 45 Minuten einen wesentlichen Ablauf zeigen und mehr in die Tiefe gehen, als in dreimal je 15 Minuten an der Oberfläche eines Abschnitts zu kratzen. Daumen hoch dafür und gerne bei weiteren Geschichten…-Staffeln wieder so.

Dass der typische visuelle Stil von Lucasfilm Animation von Veröffentlichung zu Veröffentlichung immer schöner wird, braucht eigentlich gar keine Erwähnung mehr wert zu sein. Aber es ist tatsächlich so. Filoni und sein Team präsentieren eine klassische Star Wars-Geschichte um Wiedergutmachung, den eigenen Platz in der Galaxis, Liebe, Überleben und Schicksal zwischen den Galaktischen Fronten in einer unfassbar dynamischen und detaillierten Pracht, die ihresgleichen sucht. Geschichten der Unterwelt bleibt ein optisches Fest, egal ob es um ein kurzes Lichtschwertduell mit einem neuen Inquisitor oder eine Schießerei in imperialen Schiffswerften geht.

Euch kennen aufmerksame Fans noch aus TCW: The Clone Comeback Wars
Euch kennen aufmerksame Fans noch aus TCW: The Clone Comeback Wars

Hinhaltetaktiken

Inhaltlich wird von typisch aufgestellten Actionszenen zu nachdenklichen Dialogen und sich ändernden Meinungen einiges geboten, um Ventress‘ Reise nach dem Ende der Klonkriege zu erzählen. Mit Blick auf die größere Star Wars-Galaxis bleibt neben der kurzen Erklärung ihrer Auferstehung nach wie vor vieles offen. Was und wie Lucasfilm mit der Figur noch plant und inwiefern sie im nächsten großen Animationsprojekt Maul: Shadow Lord auftreten wird, steht völlig in den Sternen.

Noch enttäuschter ist man aber, wenn man eine Fortsetzung von Quinlan Vos‘ Geschichte erhofft hat. Nach seinen Kanon-Auftritten in einer einzigen Folge in der dritten Staffel The Clone Wars und dem oben behandelten Roman, ist nach wie vor unklar, wie es seit dem Ende der Klonkriege mit der schon zu Legends-Zeiten beliebten und vielschichtigen Figur weitergeht. Sein kurzer Auftritt hier, die namentliche Erwähnung in Obi-Wan Kenobi und ein Comicheft von Dark Horse sind kein Ersatz für eine weitere große Geschichte mit ihm. Knapp zehn Jahre sind seit Schülerin der dunklen Seite vergangen, und es interessiert mich und einen bestimmt nicht unwesentlichen Teil des Literatur-Fandoms, wie es mit dieser fantastischen Figur nach der Order 66 weitergeht. Man wird das Gefühl nicht los, es bei dem Thema nur mit Hinhaltetaktiken zu tun zu haben, bis die Verantwortlichen sich entscheiden konnten, wohin die Reise gehen soll. Bis dahin bleibt man uns eine Auflösung schuldig, aber vielleicht werden Vos oder auch Ventress‘ neue Gesellschaft Lyco Strata dann in künftigen Projekten wieder auftauchen. Dass es bei Filoni länger dauern kann, bis Figuren oder Handlungsstränge wieder aufgegriffen werden, sie aber niemals in Vergessenheit geraten, ist schon länger bekannt.

"Gut, dass wir jetzt dein Charaktermodell haben. Falls wir es je wieder brauchen..."
„Gut, dass wir jetzt dein Charaktermodell haben. Falls wir es je wieder brauchen…“

Fazit

Der inhaltliche Unterbau der ersten drei Folgen Geschichten der Unterwelt ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits versucht die Serie, mit der Vorabveröffentlichung in Fortnite ein unglaublich breites Publikum zu motivieren, sich auch die übrigen Folgen anzusehen, andererseits setzen sie wiederum das Verständnis Vorwissen voraus, das selbst der Großteil der Serien-Fans nicht haben dürfte. Damit wird die finale Zielgruppe wieder plötzlich sehr klein und es doppelt sich auf einer weiteren Ebene genau das Problem, welches die Live-Action-Serie Ahsoka schon hatte, die man ohne die Animationsserie auch nicht voll genießen konnte. Jetzt ist es ein Roman, ohne den man einfach ohne Erklärungen abgehängt wird. Für uns Literatur-Fans ist es eine willkommene Belohnung, die über manche Kanon-Ungereimtheit aus Filonis Feder hinwegsehen lässt, für die meisten Zuschauer eine seltsame Zumutung.

Darüber hinaus zählen die drei Folgen um Asajj Ventress aber zu den bislang überzeugendsten Beiträgen aus der Geschichten…-Reihe. Ein klassischer Aufbau, der ein paar kleine Überraschungen bietet, führt die Titel-Antiheldin von A nach B und macht dabei einen sehr guten Job. Eine größere Auflösung des zu Beginn eröffneten Problems mit Ventress‘ Schicksal als Wiedererweckte und Antworten auf offene Fragen bleiben uns die Episoden dennoch schuldig. Jetzt bleibt abzuwarten, was der Figur für eine Rolle in künftigen Star Wars-Produktionen zugedacht ist. Erst dann wird man rückblickend wirklich einschätzen können, welchem Zweck ihre Rückkehr und die Geschichten drumherum gedient haben.


Wenn ihr Podcast-Fans seid, könnt ihr euch auf eine Ausgabe zu Geschichten der Unterwelt in den nächsten Wochen freuen. Möchtet ihr so lange mehr über den Roman Schülerin der dunklen Seite erfahren, findet ihr die dazugehörige ältere Folge unseres beliebten JediCast-Formats „Ausgelesen“ überall, wo es Podcasts gibt oder mit Klick auf diese Grafik:

Was sagt ihr zur Rückkehr von Asajj Ventress unter den Lebenden und zu Geschichten der Unterwelt?

2 Kommentare

  1. Ich habe „The Bad Batch“ noch nicht gesehen, kann also zu Asajj und ihrer Rolle darin nichts sagen, aber insofern macht es schon Sinn, ihre Wiederauferstehung zu zeigen – aber den Zuschauenden über den Rahmen und das Setting dort im Unklaren zu lassen. Wer sich dafür interessiert, kann dann immer noch den Roman lesen, um zu erfahren, was vor der Vorgeschichte passiert ist. Für mich eigentlich die perfekte Verschmelzung der Medien. Ähnlich wie in „Die Hohen Republik“, wo im Roman etwas erwähnt wird, was im Comic ausführlich behandelt/erzählt wird. Und auch als reiner Fernsehserien- und Kinokonsument ist die Situation bei allen ‚Tales of‘-Geschichten so, dass der Zuschauer ohne eine andere Serie wie „The Clone Wars“ sowieso keine Ahnung hat, wen oder was er da vor sich hat. Jetzt hat man eben den Sprung vom Fernseher ins Bücherregal gewagt – was ich als sehr willkommene Abwechslung empfinde.
    Das ändert natürlich nichts an der Tatsache, dass man Asajj nicht hätte zurückholen müssen.

  2. Ich finde die ,,Tales of“ Geschichten ein nette Dreingabe. Dementsprechend erwarte ich auch gar nicht so viel. Die Animationen und die Action in den Ventress Folgen sind gut. Die Anspielung auf den Roman und ihre Wiedergeburt finde ich gelungen. Etwas mehr Kontext hätte nicht geschadet, sehe es jedoch nicht so verbissen. Nötig ist dieser nicht um die isolierte Handlung der 3 Folgen zu verstehen. Ich sehe es so, wie wenn ich mich mit einem anderen Lieblingsthema von mir beschäftige: Geschichte. Je mehr Kontext desto besser, aber wenn man sich nur auf eine bestimmte Anzahl Seiten oder Minutenlauflänge beschränkt, muss man Abstriche machen. Ich finde die Kurzweiligkeit der ,,Tales of“ Geschichten angenehm. Nur hätte ich jetzt Lyco nicht unbedingt gebraucht, die Kopfgeldjägerin war ja auch schon,,bekannt“, mir wäre es lieber gewesen, es wäre ein schon bekannter unbekannterer Jedi gewesen.

Schreibe einen Kommentar