Rezension: The Art of Star Wars Jedi: Survivor – Deluxe Edition

Wie bereits zum Vorgänger Star Wars Jedi: Fallen Order erschien auch zu Jedi: Survivor wieder ein Artbook aus dem Hause Dark Horse. Dieses Mal jedoch mit deutlicher Verspätung. Während das Artbook zu Fallen Order bereits vier Tage nach Release des Videospiels erschien, mussten wir auf das Artbook zu Survivor nun ganze 10 Monate warten. Dieser Umstand führt auch dazu, dass mich das Werk nicht ganz so überzeugen konnte wie sein Vorgänger, trotzdem aber einiges an Mehrwert bietet. Inwiefern erfahrt ihr in dieser Rezension!

Recency Bias

Als ich damals das Artbook zu Jedi: Fallen Order in Händen hielt, war ich noch voll im Fieber des Spiels gefangen, hatte gerade meinen zweiten Spieldurchgang beendet und konnte mich noch an sehr viele Details erinnern, die dann im entsprechenden Artbook aufgegriffen und – meist nur visuell – vertieft wurden. Wie wurden Kreaturen erschaffen? Welche Landschaftsideen hatten die Designer am Beginn und was wurde dann daraus? Wieso haben wir eine Second Sister und keine Mag Zaroff? Alles spannende Einblicke, die auch deshalb spannend waren, weil einem das Spiel noch so positiv und vor allem aktuell in Erinnerung war.

Bei diesem Artbook ist es eher ein Wiedereintauchen in das Spiel, welches ich damals zu Release auch zweimal durchgespielt habe, dann aber kein Artbook hatte, auf das ich meine Euphorie transportieren konnte. Es ist also eine andere Erfahrung als damals, die aber nicht unbedingt schlechter sein muss. Als ich die Deluxe Edition das erste Mal in Händen hielt und überrascht war, dass sie so schnell nach Release bereits geliefert wurde, habe ich mich gefreut, diese Rezension nicht mit dem uns zur Verfügung gestellten Rezensions-PDF als Grundlage zu schreiben, sondern die gedruckten und gebundenen Seiten anzuschauen. Die Qualität und Auswahl an Konzeptzeichnungen ist dabei fast durchgehend gelungen. Hier und da sind etwas zu viele ähnliche Bilder vertreten oder zu wenig Abwechslung bei manchen Figuren (Santari Khri beispielsweise hat nur eine Seite), was aber meist mit ihrer On-Screen-Zeit korreliert und dadurch verständlich ist. Immerhin musste viel auf diesen 240 Seiten untergebracht werden.

Es war auch eine tolle Rückkehr in die Welt des Spiels, das mich Anfang 2023 so beeindruckt hat. Dennoch fehlte etwas der magische Zauber beim Entdecken von Details, weil einem einfach die finale Referenz aus dem Spiel gefehlt hat. Ist dieses Konzept von Cals Outfit Nummer 10 jetzt so anders als das im finalen Spiel? Worin unterscheidet es sich? Etwas, das mir ein paar Wochen nach dem Spielen direkt aufgefallen wäre, jetzt jedoch verschwommener ist.

Kontextloses Artwork?

Die enthaltenen Konzeptzeichnungen und Artworks sind natürlich dennoch visuell sowie in ihrem Umfang von 240 Seiten beeindruckend. Die künstlerische Dimension, die einem solchen AAA-Spiel vorausgeht, hat mich schon immer fasziniert, weshalb mir auch immer Artbooks zu anderen Spielen ins Haus flattern, die nichts mit Star Wars zu tun haben. In diesem Werk hatte ich jedoch oft das Gefühl, dass die Kunst zu sehr für sich alleine stehen muss. Es ist ja absichtlich nicht The Art and Making-of genannt worden, weshalb ich keine Einblicke in den Entwicklungsprozess erwartet habe. Aber die Artworks hätten von etwas mehr Kontext für gewisse Entscheidungen profitiert.

Beispielsweise werden sehr viele Konzeptbilder von dem Gen’Dai Rayvis mit Helm gezeigt, den er im fertigen Spiel aber nie trug. Wieso wurde sich dazu entschieden? In meinen Augen hätte es ja eingeleuchtet, dass er einen trägt, denn all seine Offiziere bei den Bedlam Raiders tun es schließlich auch. Es hätte also zum Gesamtbild der Truppe gepasst. Entschied man sich nun dagegen, damit der Spieler einen besseren Bezug zu dieser Figur aufbauen kann oder um ihn mehr von den restlichen Raidern abzugrenzen? All das sind Fragen, die einem beim Betrachten kommen und die unzufriedenstellend oder gar nicht beantwortet werden.

Stattdessen nutzt das Werk viel Textplatz für reine Deskription. Wer ist Cal, was hat er im ersten Teil erlebt und wo steht er am Anfang des Spiels? Alles sicherlich spannend, aber das Artbook richtet sich ja eigentlich schon an Fans des Spiels, die genau diese reine Deskription nicht wirklich brauchen. Einen Mehrwert hätte es, wenn häufiger – ich will nicht behaupten, dass das nie der Fall ist – auf die Verbindung aus Geschichte und Design eingegangen werden würde. Klar wird mal das Holster erwähnt, weil Cal später ja eine Waffe haben wird, aber diese Details gehen in Charakterbiografien teilweise unter.

Umso seltsamer, dass manche Einleitungstexte dann wieder extrem viel Kontext zu Design und Biografie liefern. Ein Beispiel wäre hier Senator Sejan, dessen Person stark mit seiner visuellen Erscheinung verknüpft wird. Also genau das, was ich in einem solchen Werk als Kontext zu den Artworks favorisieren würde. Bei anderen Figuren wiederum fehlt das komplett und weicht der reinen Biografie. Als Beispiel sind im Folgenden mal zwei Einleitungstexte gegenübergestellt, die beide von Figuren stammen, die in diesem Spiel neu eingeführt wurden. Beide erhalten auch im weiteren kaum mehr Details neben den entsprechenden Artworks. Nur bei Dagan wird später nochmal kurz auf seine „pale complexion“ eingegangen und seine Kleidung aus der Hohen Republik erwähnt.

“We decided early on to make the senator character a Pau’an— an intimidating-looking species within the Star Wars galaxy,” said Theo Stylianides. “They have pale ridged skin with black eyes and sharp teeth, perfect for the character we wanted to portray. Pau’ans are usually depicted as thin and tall—something we wanted to change by making him stocky, giving him the feeling of being solid and intimidating. We pushed this even further with the costuming, giving him a very opulent and dark outfit.

“The layered cape gave him an even larger silhouette, helping him to feel even more menacing. The metal clasps and accessories reminded us of his avarice, wealth, and power. We chose to put a layered collar around his shoulders, a representation of stature to go with his cane and jewelry. It was all brought together with a dark and ominous color palette.”

Einleitungstext zu Sejan (Seite 72)

„Once a paragon of the High Republic, Jedi Master Dagan Gera was undone by his obsession with the discovery of Tanalorr, abandoning the values of the Jedi Order to pursue his vision. It fell to his closest friend, Santari Khri, to snuff out those ambitions. Ever hopeful, Khri placed her former ally in a bacta tank, hoping that he would one day return to the light of the Order.

Centuries would pass before Cal Kestis would awaken Dagan. But time had not diluted his desire. Instead, Dagan bled his lightsaber crystal and chose the dark side.

Determined to reclaim his prize, Dagan reconnects with his long-lived friend Rayvis and takes leadership of Rayvis’s gang of Bedlam Raiders on the quest for Tanalorr. In a final confrontation, Dagan uses the Force to delude Cal. But the Jedi turns Dagan’s power against him, revealing what Dagan fears most—the judgment of Santari Khri.“

Einleitungstext zu Dagan Gera (Seite 50)

Willkommene Einblicke

Hier und da blitzen dann aber doch mal Einblicke hinter den Entwicklungsprozess und Designentscheidungen hervor, die ich sehr gerne noch häufiger in dieser Art und Weise gesehen hätte. Ein paar Beispiele wären da die Inspiration für die Bedlam Raiders aus den Lebensweisen tibetanischer Nomaden oder die Herausforderung, eine „alien-accessible Star Wars toilet“ (139) zu designen, die in Pyloons Saloon steht. Auch die Aussage, dass Turgle ein direkter Treffer war, der vom Konzept so direkt übernommen wurde, ist ein spannender Fakt: „Sometimes the design process takes countless iterations, but sometimes it just works on the first attempt. That’s what happened here, with Turgle (the frog-like alien), who emerged fully formed as he was being drawn for the first time” (144).

Generell sind diese Einblicke in der zweiten Hälfte des Werkes, wenn es eher um die Landschaften geht, doch auch häufiger vertreten. So gefiel mir vor allem die Bezugnahme zum Pilgrims Path auf Jedha, der auch historisch orientiert erstellt wurde. So beginnt er bei neueren Anlagen/Klöstern und geht gen Ziel immer mehr zu älteren und historischeren Stätten, wo seit jeher der Pilgerpfad endete. Er wurde nur eben immer weiter nach vorne verlängert und bebaut, während das Ziel gleich blieb. Und tatsächlich fällt einem das auf, wenn man sich die entsprechenden Stellen im Spiel noch einmal anschaut. Modernere Rundbauten wechseln sich immer mehr mit in Sandstein gehauenen Stätten ab, bis man endlich zum Tempel vorgedrungen ist.

Cal would have to follow a “pilgrim’s path” to reach the final temple. The artists used historical layering to demonstrate his progress, starting Cal’s journey in the architecturally softer environment of the domed and curved monastery from a later period and resolving it at the more angular and monumental temple from a much earlier point in the planet’s history.

Idee zum Pilgerpfad auf Jedha (Seite 164)

Mein Lieblingsabschnitt ist der zur ISB-Basis auf Nova Garron, die mir bereits im Spiel als Design besonders gut gefallen hat und hier sehr viel – wenn auch nicht genug in meinen Augen – Kontext erhält. Wo wechselt sich die architektonische Brutalität in Weiß, die charakteristisch für den ISB und die Philosophie ist, dass nichts verborgen werden kann, mit den eher schwarzen Korridoren von Raumstationen und Sternzerstörern ab? Wie wurde versucht die kühle Atmosphäre an Bord in den Quartieren eines gewissen Spions gemütlicher zu gestalten? All das sind interessante Einblicke, die mir vor allem bei dieser Mischung aus bekannten Örtlichkeiten mit neuen Gedanken der Designer aufgefallen sind.

Am Ende widmet sich das Werk dann noch dem UI-Design, welches an einem 80er-Look und „NASA manuals“ orientiert ist und in dem die Spiel-Datenbank an eine klassische Jedi-Bibliothek angelehnt wurde. Ebenfalls finden sich am Ende noch verworfene Konzepte, wie etwa ein Podrennen, an dem Cal teilnimmt. Leider sind diese Einblicke etwas verkürzt, was aber auch daran liegen kann, dass man manche Konzepte noch für den dritten Teil der Spielereihe zurückhalten will.

Die Deluxe Edition

Wie auch schon sein Vorgänger erschien das Artbook in einer auf $50 angesetzten Standard-Edition und einer für $100 ausgerufenen Deluxe Edition. Als Fan der Spiele habe ich mir natürlich zweitere geholt und muss sagen, dass sie sich sehr gut mit der vorherigen – damals noch als Limited Edition bezeichneten – Version im Regal sehen lässt. Dieses Mal hat man das Design einfach umgekehrt. Der Schuber ist nun in hellem Weiß gehalten, während das Buch in dunklem Grau eingebunden ist und im Buchschnitt noch golden besprühte Seiten hat. Bei der vorherigen war es noch genau andersherum. Als Kunstdruck ist dieses Mal wieder eine Bosskampfszene gewählt worden, in der Cal auf den wartenden Rayvis zustürmt. Weiter unten könnt ihr beide Aufmachungen miteinander vergleichen. Die Frage, ob eine solche Version das doppelte Geld wert ist, obwohl der relevante Inhalt sowohl formattechnisch als auch qualitativ der gleiche ist, kann man natürlich nicht mit rationalen Argumenten beantworten. Aber das ist ja auch nicht nötig. Als Fan macht man mit dieser Edition, die wieder von den Sternenlinien und UI-inspirierten Designs geschmückt wird, in keinem Fall etwas falsch. Wenn es einem aber nur um den Inhalt geht, reicht in jedem Fall auch die Standard-Ausgabe!

Fazit

Was bleibt am Ende also als Gesamtfazit? In meinen Augen ist dieses Artbook allein deshalb etwas schwächer, weil es für ein reines Artbook zu spät erschienen ist. Konzeptzeichnungen entstehen zu Beginn der Entwicklung und es gibt keinen plausiblen Grund, wieso es dieses Mal fast ein Jahr gedauert hat, um dieses Buch herauszubringen – abseits von Liefer- und Druckkapazitäten natürlich. So verliert sich die Magie, dass man kleine Details in Konzepten erkennt, da die finalisierten Versionen aus dem Spiel nicht mehr präsent genug sind. Darüber hinaus prägt das Buch ein wechselnder Zustand von entweder fehlendem Kontext zu Artworks bis hin zu spannenden Einblicken in die Entwicklung und Details. Ich kann am Ende also nicht sagen, dass das Buch einem nichts oder nicht genug beantwortet hat, sondern es hängt immer davon ab, um was es geht. Hier wäre also ein kohärenteres Bild mit gleichbleibend erleuchtenden Infos wünschenswert gewesen. Trotzdem hat es mir Spaß gemacht, noch einmal die Reise Cals aus Jedi: Survivor in Form von Konzepten nachzuverfolgen, nur eben nicht so sehr wie beim Artbook zu Jedi: Fallen Order.

Wir danken Dark Horse für die Bereitstellung des digitalen Rezensionsexemplars.

7 Kommentare

    1. Habs bei Amazon und Thalia vorbestellt und Thalia hat es einen Tag nach offiziellem Release versendet. Hat mich auch extrem gewundert, aber war natürlich positiv überrascht.
      Die zum ersten Spiel hab ich damals noch aus UK bestellt, weil sie bei uns so lange nicht verfügbar war.

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