Rezension: Die Hohe Republik, Band 1: Das Gleichgewicht der Macht

Mit Das Gleichgewicht der Macht erscheint bei Panini der erste Sonderband zur zweiten Phase der Hohen Republik, der die ersten fünf Ausgaben der Marvel-Hauptreihe sammelt. Darin verschlägt es die Jedi nach Jedha, wo zahlreiche Machtkulte um die Deutungshoheit streiten, Straßendiebe mehr sind als sie vorgeben zu sein und ein gewisser Pfad der Offenen Hand seine an selbiger Hand befindlichen Finger in den aufbrodelnden Unruhen hat. Wieso das alles spannend klingt, manchmal aber etwas zu orientierungslos wirkt, erfahrt ihr in dieser Rezension!

Ich Mac dich nicht

Das große Problem der Reihe, welches mir direkt in der ersten Ausgabe ins Auge sprang, ist der mir unsympathische Hauptcharakter Vildar Mac. Natürlich hat er eine gewisse Vergangenheit – die aber in den ersten fünf der insgesamt zehn Ausgaben noch nicht zur Gänze auserzählt wird – und daher vielleicht auch etwas untypisch für einen Jedi ist. Doch seine impulsive Art, die er erst im Verlauf der Realisation seiner Handlung abstreift, wirkt nicht passend für einen Jedi, der eigentlich zur Frontlinie des Togruta-Konfliktes hätte entsandt werden sollen.

So wirklich stört mich diese unsympathische Ader aber erst im Kontrast beziehungsweise in der Interaktion mit der nicht-Jedi-Figur Tey. Denn wir als Leser wissen direkt, dass diese Figur eine Art Sympathieträger werden wird und nicht so böse zu sein scheint, wie man es uns glauben machen will, während die Jedi aber in den ersten beiden Ausgaben damit beschäftigt sind, gegen ihn vorzugehen. Das lässt mich nicht so wirklich mitfiebern und eher darauf hoffen, dass noch ein wirklicher Konflikt ins Haus steht. Das Problem mit Wünschen ist jedoch, dass sie fast überkompensiert in Erfüllung gehen werden, doch dazu gleich mehr.

Ansonsten rundet das Ensemble noch Matty ab, eine junge Padawan-Schülerin von Meisterin Leebon, die Vildar als Local Guide an die Seite gestellt wird und die nicht so wirklich darin brilliert, sich aus Konflikten rauszuhalten. Ihre gesprächige Art und ihre etwas unsicheren Handlungen haben mir gut gefallen und definitiv die Stimmung hier und da zusätzlich aufgelockert. Ich freue mich, dass sie in Der Pfad der Rache auch in Romanform vertreten sein wird.

Ein gefährliches Pflaster

Der Hauptspielort der Handlung ist Jedha und das in all seinen Facetten und Konflikten. Die Bar namens „Erleuchtung“, die von Kradon geführt wird und die einige sicherlich schon aus The Battle of Jedha oder den Kurzgeschichten der zweiten Phase kennen, kommt hier nur kurz vor, stattdessen stehen sowohl der Tempel des Kybers von den Wächtern der Whills als auch die Synode der Macht im Fokus. Die Zeichnungen von Ario Anindito sowie Andrea Broccardo, mit Farben von Frank William und Tusche von Mark Morales sind dabei fast immer auf einem hohen Niveau und fangen das geschäftige Treiben auf den Straßen dieser heiligen Stadt gut ein.

Und das ist auch wichtig, denn an jeder Ecke steht ein anderer Machtkult, wird man angerempelt oder muss um sein Hab und Gut fürchten. Das entspricht durchaus der Darstellung in Rogue One, aber hat mir manches Mal die Orientierung etwas erschwert. Kein Wunder also, dass unsere Jedi genug zu tun haben. Die Handlung dreht sich primär um die Wiedererlangung von Machtartefakten und das ohne so wirklich – bis jetzt zumindest – eine eindeutige Antwort auf Verantwortlichkeiten zu erhalten. Natürlich wissen wir, dass der Pfad da involviert ist, aber das führt mich auch schon zu meinem Hauptkritikpunkt an der bisherigen Reihe.

Sie fühlt sich teilweise wie ein Zusatzwerk zur Kombi aus YA-Romanen und Hörspiel an und könnte deshalb gerade für Deutschleser etwas schwieriger zu verstehen sein, da Die Schlacht von Jedha erst nächstes Jahr bei Blanvalet als Skriptbuch erscheint. Doch diesen Status dürfte das Werk ja ruhig haben, wenn das eigentliche Problem der fehlenden Kontextualisierung nicht wäre. Es fehlt schlicht ein wirklicher roter Faden, der auf dieses Werk beschränkt ist. Geht es nun um Tey und die Beziehung zu den Jedi/Whills? Geht es um die Präsenz der Jedi auf dem Planeten? Geht es um den in Ausgabe vier plötzlich auftauchenden Herold des Pfades? Oder geht es am Ende um Vildar Macs Traumata? So wie auf Jedha alles wie in einem melting pot of force cults zusammenläuft, so laufen auch viel zu viele Handlungen ineinander, was auch in der Konsequenz spürbar ist, dass Jedi-Teams ständig neu zusammengewürfelt werden und die vermeintlichen Hauptfiguren – wie eben Tey – teilweise ganze Ausgaben lang kaum auftreten.

Alles brennt

All das resultiert in der Spirale der Eskalation, die mit Ausgabe vier und fünf ins Haus stehen und das Ende des Sonderbandes bilden. Die komplette fünfte Ausgabe besteht quasi nur aus der Schlacht von Jedha, wie es auch im gleichnamigen Hörspiel der Fall ist. Doch auch hier: Die Pfadmitglieder stehen teilweise kontextlos im Irgendwo und schauen bedeutungsschwanger in die „Kamera“, aber der Hintergrund fehlt uns als Lesenden genauso wie den handelnden Figuren. Stattdessen explodieren Gebäude, fallen Statuen und erinnern sich Jedi an ihre Kindheit, ohne, dass das intrinsisch aus der Handlung hervorgeht, sondern in anderen Medien etabliert oder zu Ende gebracht werden wird.

Zeichnerisch jedoch beeindruckt gerade die fünfte Ausgabe, da mit all den Schauplätzen, wo der Konflikt droht, gute Szenen eingefangen werden. Allen voran natürlich das doppelseitige Panel direkt zu Beginn der Ausgabe mit vielen Vertretern anderer Machtkulte in Aktion. Die Figuren bleiben dabei immer gut erkennbar und die Hintergründe sind immer angemessen umfangreich in Szene gesetzt. Gerade bei der Fülle an verschiedenen Spezies, Handlungsorten und auch handelnden Figuren gebührt Andrea Broccardo Respekt für diese Leistung!

Der spannende Lichtblick

Der Sonderband endet leider sehr abrupt mitten in der Schlacht von Jedha und vertröstet uns damit auf den zweiten Sammelband, der noch nicht angekündigt ist. Trotzdem möchte ich nach all den Kritikpunkten noch meine Begeisterung für die Figur Tey zum Ausdruck bringen. Da diese Rezension ja spoilerfrei sein soll, sei hier nur verraten, dass es auch Rückblicke gibt und sich gerade der Mittelteil des Sonderbandes (ursprünglich Ausgabe drei) sehr stark mit der Figur beschäftigt und ihm auch eine gut nachvollziehbare Hintergrundgeschichte gibt, die seine Robin Hood-Attitüde auf nachvollziehbare Beine stellt. Auf die weitere Handlung rund um seine Figur und seinen Weg freue ich mich daher aktuell in den kommenden fünf Ausgaben am meisten, da es auch die Handlung ist, die am eindeutigsten aus diesem Comic hervorgeht und in diesem auch zu einem Ende gebracht werden könnte.

Der Bonus-Comic Friede und Einheit

Am Ende der ersten Ausgabe der ursprünglichen Marvel-Comics erhalten wir noch einen zehnseitigen Comic rund um die später auch in der Hauptreihe dazustoßende Jedi Oliviah. Dieser dient vor allem dazu, die Figur und die Machtkulte vorzustellen, die sich auch direkt in den Haaren haben und der Jedi wirklich einiges an Geduld abverlangen, die sie nicht immer aufbringen kann. Er verdeutlicht sehr gut die angespannte Stimmung auf Jedha, noch bevor wir im Rahmen der Hauptreihe später auf den Rat treffen, und deutet auch schon die Involvierung des Pfades an, indem Sunshine Dobbs am Ende die Bühne betritt. Insgesamt also ein netter Einblick, der aber nicht wirklich viel zur Charakterisierung von Oliviah beiträgt, auch wenn er sie sympathischer zeigt als in der eigentlichen Hauptreihe, wo sie vor allem gegenüber Matty immer etwas unfreundlich erscheint.

Fazit

Cavan Scott liefert mit der Marvel-Hauptreihe im Zeitalter der Hohen Republik weiterhin solide Arbeit ab, die über vieles hinausgeht, was ansonsten an Comics erscheint. Doch ein wesentlich weniger entwickelter Cast an Figuren sorgt für weniger Sympathie diesen gegenüber und versetzt sie deshalb – gerade im Vergleich zu Keeve Trennis aus Phase 1 – in eine schwierigere Ausgangslage. All das mischt sich dann noch mit einem Fokusproblem, weshalb der rote Faden nicht so wirklich erkennbar sein will und zu viele Konflikte gezeigt werden. Dass diese existieren ist zweifellos der Fall, aber mehr Beschränkung auf eine klare Handlung hätte der Reihe – zumindest bisher – gut getan. So ist die Verschmelzung mit den YA-Romanen Der Pfad der Täuschung und Der Pfad der Rache sowie dem Hörspiel The Battle of Jedha am Ende also gerne gesehen, steht aber zu sehr für sich allein und mindert unter Umständen etwas das Alleinstellungsmerkmal des Comics, da die Figuren – bis auf Teys Geschichte – nur als Trittbretter für die größere Handlung fungieren, ohne selbst wirklich einen merklichen Einfluss darauf zu nehmen.

Wir danken Panini für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

Star Wars: Die Hohe Republik ist ein mehrjähriges Buch- und Comicprogramm, dessen zweite Phase 380 Jahre vor Episode IV spielt und einen neuen Einstiegspunkt bietet. Weitere Infos, News, Podcasts und Rezensionen gibt es in unserem Portal und in der Datenbank. Beachtet auch unsere Guides zur Lesereihenfolge von Phase I und Phase II.

Gewinnspiel [BEENDET]

Mit freundlicher Unterstützung von Panini verlosen wir 1x Die Hohe Republik, Band 1: Das Gleichgewicht der Macht.

Um am Gewinnspiel teilnehmen zu können, müsst ihr nur die nachfolgende Frage beantworten und das unten stehende Formular ausfüllen:

Wie heißt die Bar auf Jedha, die von Kradon geführt wird?

Das Gewinnspiel ist beendet!

  • Der Preis wird unter allen Einsendungen mit der richtigen Antwort verlost.
  • Nur eine Einsendung pro Person/Familie/Haushalt!
  • Einsendeschluss ist Sonntag, der 17.09.2023, um 23:59
  • Der Preis wird nur innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, Österreich und der Schweiz versendet!
  • Sämtliche gesammelten Daten dienen nur dem Zweck des Preisversands und werden nach dem Ende des Gewinnspiels und dem Versand des Preises wieder gelöscht.
  • Alle Angaben ohne Gewähr! Eine Barauszahlung des Gewinnes ist ausgeschlossen.

In diesem Sinne: Möge die Macht mit euch sein!

Update 18.09.2023 10:23: Die Auslosung

Erleuchtung (engl. Enlightenment) heißt die von Kradon auf Jedha geführte Bar! Von den Einsendungen mit der richtigen Antwort wurden folgende:r Gewinner:in aus dem Lostopf gezogen:

  • Magnus K. aus Hohenberg

Herzlichen Glückwunsch und viel Spaß mit dem Comic!
Und vielen Dank an Panini für die Bereitstellung des Preises!

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