Viel war nicht mehr übrig vom Widerstand, als der Abspann von Episode VIII über die Bildschirme lief. Der Millennium Falke und irgendwo noch die Schwarze Staffel von Poe Dameron – das war alles, was noch geblieben ist. Wie gelang es also, wieder Fuß zu fassen und neue Leute zu rekrutieren, um in Episode IX wieder eine Chance zu haben? Einen Teil der Antwort liefert uns der Roman Der neue Widerstand von Rebecca Roanhorse, der nun auch nach knapp 3 Jahren am 17. August 2022 auch auf Deutsch erschien, nachdem das englische Original namens Resistance Reborn bereits vor Kinostart von Episode IX erschien und damit als Bindeglied noch besser funktioniert hat. Wie sieht es nun aber mit der deutschen Version aus? Ist das Werk einen Blick wert oder verliert es durch die Filmhandlung jegliche Relevanz? Fragen, die ich mit dieser Rezension gerne beantworten möchte.
In »Die letzten Jedi« wurde der Widerstand beinahe besiegt. Doch der Krieg der Sterne geht weiter!
Der Widerstand gegen die Erste Ordnung liegt in Trümmern. Nach ihrer Flucht ist von der einstigen Armee nur noch eine Handvoll verwundeter Helden geblieben. Finn, Poe, Rey, Rose, Chewbacca, Leia Organa – ihre Namen sind berühmt in den unterdrückten Welten, für deren Befreiung sie kämpfen. Aber mit Namen allein kommt man nicht weit. Wenn die Hoffnung überleben soll, muss sich der Widerstand in der Galaxis verbreiten und weitere Unterstützer finden. Schlachten werden geschlagen sowie Allianzen geschmiedet – und der Widerstand wird wiedergeboren!
Klappentext Der neue Widerstand von Blanvalet
Die Ironie des Respekts
Das Buch stellt für mich ein sehr amüsantes Beispiel für die allgegenwärtige Kritik dar, dass Bücher rund um die Sequels, solange diese noch nicht beendet waren, kaum Relevanz haben. Das stimmt leider in gewisser Weise auch hier: J.J. Abrams hat sich wenig für die Ideen der Autorin interessiert und in den Film selbst hat es auch kaum etwas davon geschafft. Ein Beispiel, welches auch unabhängig von dem Roman Aufsehen erregte, war die Tantive IV, die zu dieser Zeit aber eigentlich schon zerstört war. In der Enzyklopädie zum Film war dann die Rede von einer reinen Behauptung, dass sie in einem Meteorschauer zerstört wurde, um unangenehme Fragen zu vermeiden. Tatsächlich hat sie ein Senator zufällig in einem abgelegenen Hangar entdeckt. Im Roman hingegen findet man wesentlich organischer ein ähnliches Schiff der CR90-Klasse auf Corellia und akquiriert dieses für den Widerstand. Nur leider wollte man eben die Nostalgie noch mehr bedienen und so konnte man nicht diese Vorlage nehmen, sondern es musste für Abrams die einzig wahre Tantive IV sein und dafür in der Enzyklopädie lieber noch etwas dazu gedichtet werden. Dieses lange Beispiel soll zeigen, dass es möglich gewesen wäre, sich abzustimmen, und dies Roanhorses Roman dabei sogar noch hervorragend zugespielt hätte. Aber wo kein Wille, da kein Weg. Das klingt jetzt alles mehr oder weniger negativ, aber das ist natürlich nicht dem Buch anzukreiden und genau hier kommt die Ironie ins Spiel.
Während Abrams und Co. andere Autoren nämlich nicht egaler sein konnten, ist Rebecca Roanhorse der Kanon heilig und so wird dieser Roman zu einem Glanzbeispiel, was ein gemeinsamer Kanon schaffen kann. Es wurden rund um die Sequels so viele neue Figuren und auch lose Enden aufgemacht, die Roanhorse hier aufgreift und auch in Teilen schließt. Ein Beispiel, das recht früh im Roman vorkommt, sind Zay Versio und Shriv Suurgav. Beide Figuren sind aus der Kampagne zum Videospiel Battlefront II bekannt und Zay wurde sogar erst in einem DLC als Tochter von Iden Versio eingeführt, das parallel zu Episode VII spielte. Nun sind die beiden weiterhin im Dienste des Widerstandes, wie schon im DLC, und Roanhorse greift sie nicht nur als Sidekick auf, sondern macht Shriv sogar zeitweise zu einem PoV-Charakter und baut die Beziehung zwischen Zay und Onkel Shriv weiter aus. Damit nutzt sie viel frühere und von anderen Autoren aufgebaute Grundlagen, um ihre Geschichte zu erzählen, statt wieder neue Charaktere einzuführen, nur damit diese dann trotzdem nicht in den Filmen auftreten. Dann lieber dieser Weg und damit eine Freude für Leser und Fans anderer Medien als den Filmen. Neben Battlefront II werden auch Figuren aus Romanen wie Blutlinie, der Aftermath-Reihe oder auch den Poe Dameron-Comics aufgegriffen und auch hier nicht selten in führenden Rollen, was uns direkt zur nächsten Stärke des Romans bringt.
Kein zwanghafter Fokus auf Filmhelden
Spielen Romane zwischen zwei Filmen, bei denen die Handlung der Figuren noch nicht vollendet ist, läuft man Gefahr, in Plattitüden abzurutschen und den Figuren kaum Gedanken zu geben. So empfand ich es leider bei Der Funke des Widerstandes. Rose oder Rey als Protagonistinnen waren einfach zu unsicher, um sie wirkliche Gedanken durchspielen zu lassen, ohne zu wissen, was die Filmautoren mit ihnen vorhaben. So kann Rey ja nicht in ihren Gedanken mit dem Aufbau eines neuen Jedi-Ordens beginnen, nur um dann in Episode IX alle Hoffnung zu verlieren. Leider merkt man selbst den wenigen Szenen, in denen Rey auftritt, an, dass sie wie ein unmenschlicher Roboter agiert, aber Roanhorse hat es auf das absolute Minimum reduzieren können und gänzlich ignorieren kann man sie als Teil der Besatzung des Falken nun mal auch nicht.
Stattdessen nutzt Roanhorse gefestigte Figuren oder solche, die in den Filmen keine wirklichen Charakterreisen durchmachen. So sind nur Leia und Poe wirkliche Filmfiguren, die PoV-Status einnehmen. Leia hat ihr Leben der Sache verschrieben und kann natürlich in Gedanken gut mit ihrem Erbe – auch in Rückgriff auf Blutlinie – und ihren Verlusten charakterisiert werden (auch wenn hier und da ein Gedanke an den Angriff ihres Sohnes auf die Brücke noch nett gewesen wäre). Bei Poe bringt die Autorin sogar noch eine Auseinandersetzung mit seiner Meuterei in Episode VIII ins Spiel, die in den Filmen so nicht wirklich aufgeworfen wurde, der Figur aber eine glaubwürdige Entwicklung hin zum General verschafft, zu dem er dann schließlich in Episode IX wird. Poe ist auch darüber hinaus eine gut dargestellte Figur in diesem Roman, der in den richtigen Momenten den richtigen Wink bekommt, um dem Widerstand die nötige Hoffnung zurückzugeben. Umso schöner kommt das in Verbindung mit Leias Zurückhaltung in solchen Momenten zur Geltung, was die Abgabe des Staffelstabs an die nächste Generation gut einfängt. Außerdem rechne ich der Autorin hoch an, dass sie die Freundschaft zwischen Poe und Finn nicht nur einmal deutlich dargestellt hat und wohl noch mehr hätte einbringen wollen, wenn es im Filmkorsett möglich gewesen wäre.
Doch neben den beiden Filmfiguren Leia und Poe kommen auch viele Charaktere zur Geltung, die nicht auf der Leinwand zu sehen waren. So erhält der bereits angesprochene Shriv mehrere PoV-Kapitel, aber auch zurückkehrende Legenden der Rebellion (auch wenn dieser streng genommen 2 Sekunden im Bild war) oder eine der wenigen neuen Figuren, Winshur Bratt. Dieser ist dann aber auf Seiten der Ersten Ordnung zu finden und ein wirklich verabscheuungswürdiger Antagonist, dessen Arroganz und Fall man sehr gerne verfolgt. Allgemein ist der Antagonisten-Status einer, den man in diesem Roman lange suchen muss. Es schwebt vielmehr über allem das Damoklesschwert der Ersten Ordnung, aber das Ensemble muss sich keine Sorgen um einen großen Bösewicht machen, der dann auch nie eine Rolle in den Filmen haben würde oder nach dem Roman vergessen ist. Etwas, das diesen Roman erneut von Der Funke des Widerstands mit seinem plakativen Bösewicht abhebt. (Zugegeben, dieser wendet sich auch an eine andere Alters-/Zielgruppe).
Der Funke des Widerstands
Eine weitere Ironie ist, dass dieser Roman den Titel Der neue Widerstand (Resistance Reborn) erhielt und nicht Der Funke des Widerstands (Spark of the Resistance) genannt wurde. Denn genau darum geht es in diesem Roman. Das was nach Episode VIII übrig war, muss nun wieder zu einer schlagkräftigen Truppe werden und dazu braucht es den Funken und die Hoffnung. Auch das transportiert die Autorin hervorragend. Die kleine, beinahe hoffnungslose Gruppe besinnt sich auf das, was sie damals schon stark gemacht hat: auf Freundschaft, Familie und das Versprechen, eine bessere Zukunft zu schaffen. So werden auch hier alte Bekanntschaften aus anderen Werken sinnvoll eingebunden und eine Geschichte erzählt, die stark im ganzen Kanon verankert ist, was man jeder Seite auch anmerkt. Immer wieder kommen neben den großen Ensemble-Momenten auch Details ans Licht, die diesen Respekt vor dem Kanon verdeutlichen. Welten wie Bracca, die zur ungefähr gleichen Veröffentlichungs-Zeit in Star Wars Jedi: Fallen Order eine Rolle spielte, werden sehr passend eingebunden und auch auf Ereignisse aus langer Vorzeit wie bei der Skystrike-Akademie wird Bezug genommen.
Die ProtagonistInnen in diesem Roman entzünden im wahrsten Sinne des Wortes den Funken neu und sind dafür auch bereit, Opfer zu bringen – etwas, das auch wesentlich besser funktioniert, wenn man nicht schon vorher weiß, dass die Figuren sowieso überleben werden, wie es bei Filmfiguren der Fall ist. Es macht Spaß bei den vielen verschiedenen Aktionen des Widerstandes zuzusehen, die vollbracht werden, um sich wieder eine Truppe zusammenzustellen, es ringt aber auch massiven Respekt für all die Figuren ab, die sich trotz dieser Aussichtslosigkeit dem Kampf um die Hoffnung verschreiben. Das liegt zum einen an der Lage, in die Rian Johnson den Widerstand am Ende von Episode VIII bugsierte, was ich als eine der wenigen guten Ideen des Films empfand, aber auch vor allem an der Art, wie die Autorin jede vermeintliche Nebenfigur auch mit Leben füllt und ihr eine Motivation, gibt diesen Kampf zu wählen. Von der ehemaligen Imperialen über den traumatisierten Jungspund bis hin zur ausschweifenden Journalisten-Pilotin ist alles vertreten.
Somit schafft der Roman durch seine zahlreichen Guerilla-Aktionen und Ambitionen zum Wiederaufbau des Widerstandes in Zusammenspiel mit starken und gut fortgesetzten Figurenmomenten eine beinahe perfekte Mischung aus Handlungs- und Charakterroman.
Fazit
Rebecca Roanhorse hat zwischen Episode VIII und IX damals dafür gesorgt, dass ich Hoffnung auf das Finale der Sequels hatte, und das hat sie vor allem dadurch erreicht, was ihrer sie einschränkenden Spielwiese bisher fehlte: Durch den Respekt vor dem Kanon. Doch statt resigniert die Unberechenbarkeit der Filmautoren hinzunehmen, hat sie die Schwäche der Sequels ausgenutzt. Durch die fehlende Repräsentanz der Figuren aus all den anderen Begleitwerken auf der Leinwand, konnte sie diese Figuren nutzen und ihre Geschichten fortführen, beenden und ausbauen, ohne Gefahr zu laufen, mit einem Film zu konkurrieren, wie es bei einem Fokus nur auf die Filmfiguren der Fall gewesen wäre. Genau deshalb kann man auch heute – vor allem als Kanon-Leser – den Roman nur wärmstens empfehlen, da er all die Figuren vereint und liebevoll fortführt, die ansonsten nie wieder aufgegriffen worden wären. Genau daraus zieht der Roman seine größte Stärke und hebt sich – neben einer spannenden Story rund um den Wiederaufbau des Widerstandes – dadurch auch am meisten von den Filmen ab.
Wir danken Blanvalet für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!