Rezension: Padawan von Kiersten White hat das Herz am rechten Fleck

Mit Kiersten Whites Young Adult-Roman Padawan neigt sich die Flut an Obi-Wan-Kenobi-Geschichten so langsam dem Ende zu. Während wir in Mike Chens Brotherhood bereits einen erwachsenen Obi-Wan erleben durften, ihn im Comic Obi-Wan auf seine Vergangenheit zurückblicken sehen und in der Live-Action-Serie gegen Vader angehen erleben durften, widmen wir uns nun also einem jungen Obi-Wan mit zarten 16 Jahren. Wie Kiersten White der Einblick in die innere Entwicklung des jungen Jedi gelingt und wieso ihr Roman eine vorhersehbare, aber dennoch wertvolle Coming-of-Age-Geschichte bereithält, erfahrt ihr in dieser Rezension.

Padawan (26.07.2022)
Padawan (26.07.2022)

Die Handlung von Padawan beschränkt sich vor allem auf ihren Protagonisten Obi-Wan, der die perfekte Chance gewittert hat, dem Tempelleben für eine Mission zu entfliehen und auch ein so großartiges Abenteuer zu erleben, wie seine Freunde es tun. Doch am Morgen der Abreise taucht sein Meister Qui-Gon Jinn, mit dessen besonnenen Lehrstil Obi-Wan stark zu kämpfen hat, nicht auf. Kurzerhand beschließt er also, allein loszufliegen und den Planeten Lenahra auf eigene Faust zu erkunden, was sich aufgrund der seltsamen Natur des Planeten und der sonderbar machtsensitiven jungen Einwohnern alles andere als einfach gestaltet…

Die Leiden des jungen Padawan

Die größte Stärke von Padawan ist, wie der Roman sich mit den Gedanken und Gefühlen seines Protagonisten auseinandersetzt. Zu Beginn der Geschichte treffen wir auf einen emotional alles andere als ausgeglichenen Obi-Wan, der neben seinem Frust gegenüber Qui-Gon Jinn, der ihn nicht so unterrichtet, wie er es sich vorgestellt hat, auch noch von seinen Padawan-Freunden aufgezogen wird. Die am Anfang eingeführten Konflikte ziehen sich wie ein roter Faden durch das Buch und machen es leicht, Obi-Wans innere Reise mitzuverfolgen. Diese ist vor allem von Gefühlen der Unzulänglichkeit, des Neids und auch der Angst geprägt. Gerade zu Beginn ist diese Gedankenwelt jedoch sehr repetitiv – was natürlich einerseits eine akkurate Darstellung seiner sich immer wieder aufdrängenden Sorgen ist, gleichzeitig aber auch etwas nervt, wenn man nun zum wiederholten Male erfahren muss, was Obi-Wans Bedenken sind. Spannend wird es also besonders, wenn Obi-Wan mit all diesen Themen konfrontiert wird, anstatt lediglich über sie nachzudenken, denn hier zeigen sich die Merkmale des Jedi, den wir auch aus bisherigen Geschichten kennen: Er ist regelkonform und dennoch manchmal überraschend rebellisch, wobei eine gute Prise Sarkasmus nicht fehlen darf. So schafft es Kiersten White, Obi-Wan als sympathischen Helden der Geschichte auftreten zu lassen, mit dem man mitfühlen kann, den man aber auch aus einer distanzierteren Perspektive betrachten kann und dabei verstehen wird, was Obi-Wan im Kern ausmacht und wieso er zu einem der besten Jedi seiner Ära werden wird. Etwas ungünstig ist dabei, dass wir natürlich im Großen und Ganzen bereits wissen, wie die Geschichte enden wird. Wenn Obi-Wan sich also beispielsweise fragt, wie seine Zukunft als Jedi (wenn überhaupt!) aussehen wird, dann ist sein Konflikt zwar nachvollziehbar, reißt einen emotional aber weniger mit, als wenn diese Zukunft noch offen wäre. Die Fallhöhe seiner Reise ist insgesamt also eher gering, dadurch ergibt sich aber auch die Möglichkeit, ebendiese Zukunft bereits anklingen zu lassen, und Kiersten White nutzt dieses Potential geschickt aus. Besonders positiv ist mir an Padawan außerdem aufgefallen, wie leicht der Roman sich lesen lässt. Passagen voller Zweifel werden gut durch Humor aufgelockert und die innere sowie äußere Spannung über die Handlung hinweg stets aufrechterhalten.

Einen kleinen Kritikpunkt an Obi-Wans Darstellung habe ich aber doch, denn stellenweise wirkte Obi-Wan mit seinen 16 Jahren für mich etwas zu alt für den Konflikt mit seinem Meister. Sein Alter passt gut zu dem Abenteuer, dem er sich stellt, und den inneren Zwiespälten, in denen er sich befindet, doch in Bezug auf Qui-Gon wirkte es stellenweise so, als hätten diese sich gerade erst kennengelernt und würden sich erst seit wenigen Wochen und nicht bereits seit Jahren kennen.

Mehr als nur ein Charakterroman

Nicht nur Obi-Wan steht vor den existenziellen Problemen eines Jugendlichen. Im Laufe des Romans lernen wir auch die Einwohner des Planeten Lenahra kennen. Mit diesem Ort gelingt Kiersten White übrigens fantastisches Worldbuilding, das Sehnsucht nach den Konzeptzeichnungen, wie man sie aus der Hohen Republik kennt, weckt. Dieser wundervoll mystische Planet transportiert durch seine seltsamen Gegebenheiten, die bunte Umgebung und die einzigartigen Lebewesen ein wundersames Star Wars-Gefühl weit entfernter Galaxien. Und er stellt außerdem ein Thema in den Vordergrund, das der Erde nicht allzu fremd ist. Ohne zu viel vorwegnehmen zu wollen, erwähne ich an dieser Stelle also nur, dass es mir besonders gut gefallen hat, wie das Roden der Natur aufgegriffen wird und wie nachvollziehbar und erschreckend real – trotz der Sci-Fi-typischen, außerweltlichen Erklärungen – die Folgen davon auf die Einwohner und den Planeten wirken.

Auch durch die Bewohner Lenahras werden viele wichtige und interessante Konflikte aufgegriffen. Zunächst einmal begegnen sie natürlich Obi-Wan, der ihnen als Außenstehender versucht, die Welt zu erklären und ihnen bei etwas zu helfen, wobei sie gar keine Hilfe wollen. Kiersten White gelingt es hier gut, eine Balance aus den wohlwollenden, aber auch selbstwertmotivierten Intentionen Obi-Wans zu finden und dabei die tatsächlichen Probleme der Einwohner Lenahras nicht aus den Augen zu verlieren. Die wichtigsten dieser Bewohner sind für die Geschichte Audj, die Anführerin der Gruppe, Casul, ihr skeptischer Bruder, und Zae-Brii, ein*e nicht-binäre*r Changeling, welche*r den moralischen Kompass der Gruppe symbolisiert. Diese Gruppe an Teenagern steht vor allem vor einem Generationenkonflikt und durch sie vermittelt Kiersten White bedeutungsvoll die Botschaft, dass der vorgefertigte Weg und die Erwartungen der Eltern manchmal fehlgeleitet sind und nicht den für einen selbst richtigen Weg darstellen. Somit spiegelt sich Obi-Wans Verlassen der behüteten Heimat auch in den Kindern Lenahras wider.
Durch die Gruppe der Lenahra-Bewohner werden außerdem queere Charaktere in die Geschichte eingearbeitet, ohne dass dies großartig zum Thema wird oder je unnatürlich wirkt. Sie sind einfach ein Teil der Geschichte, wie auch queere Menschen Teil unseres Lebens sind – dadurch schafft Kiersten White für queere Lesende einen sicheren Hafen, an dem keine Gefahr aufgrund ihrer Identität lauert. Und auch was Obi-Wan betrifft, findet man die eine oder andere interessante Passage.

Etwas missfallen an der Geschichte hat mir lediglich der Antagonist des Romans. Zunächst wird die gegnerische Seite noch durch den Planeten verkörpert – eine spannende und neue Idee, die völlig neue Möglichkeiten eröffnet, die auch genutzt werden. Dennoch übernimmt später wieder eine humanoide Person die Rolle des Bösewichts, deren Darstellung ich leider sehr vorhersehbar und stereotypisch fand. Eventuell haben gewisse Einschübe im Roman für mein Empfinden zu schnell zu viel verraten, aber letztendlich kann man das Rad wahrscheinlich nie neu erfinden und so hat am Ende auch diese Rolle ihren Zweck in der Geschichte erfüllt.

No one‘s ever really gone

Besonders begeistert hat mich an Padawan, dass Kiersten White Charaktere und zugehörige Konzepte auftreten lässt, die man in dieser Ära wohl kaum erwarten würde. Aus Spoiler-Gründen gehe ich darauf an dieser Stelle nicht weiter ein, dennoch ist es erwähnenswert, wie natürlich und passend sich diese Person hier eingliedert. Ganz nach dem Motto „no one’s ever really gone“, ist dieser Auftritt bittersüß und freudig zugleich.

Doch nicht nur auf Vergangenes wird Bezug genommen, auch Bevorstehendes kommt nicht zu kurz. Wie oben bereits erwähnt nutzt Kiersten White die Möglichkeiten, die sich ihr bezüglich Foreshadowings bieten, und baut dabei auch die eine oder andere ikonische Aussage mit ein. Auch ein bestimmter Gastauftritt sollte Obi-Wan-Fans freuen. Und obwohl es insgesamt ziemlich viele dieser Anspielungen gibt, nehmen diese nie überhand oder wirken zu sehr nach Fanservice, sondern sind passend eingearbeitete Momente, die einen beim Lesen freuen.

Fazit

Kiersten White greift in ihrem Roman Padawan zentrale Themen des Erwachsenwerdens auf und arbeitet Konflikte in die Handlung ein, mit denen sich Lesende aus der Young-Adult-Altersgruppe sicherlich problemlos identifizieren können werden. Selbst für ältere Lesende bietet sich eine Menge spannender und trotz entferntem Setting realitätsnaher Themen, die einen zum Nachdenken anregen. Padawan erfindet das Rad nicht neu und ist insgesamt eine eher vorhersehbare und zentrierte Geschichte, hat jedoch genau wie ihr Protagonist das Herz am rechten Fleck. Für jeden Obi-Wan-Fan gibt es eine ganz klare Leseempfehlung!

Wir danken Disney-Lucasfilm Press für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

Freut ihr euch schon auf Padawan? Was erwartet ihr vom Roman oder habt ihr ihn vielleicht bereits gelesen? Lasst es uns gerne wissen!

10 Kommentare

    1. Oh wow, meine vorbestellte Ausgabe kam sogar eine Woche vor Erscheinungstermin an. Hoffentlich erreichen eure Bücher euch bald!

    2. Also meine über Thalia bestellte Ausgabe ist gestern hier angekommen. Aber angesichts der schwierigen Weltlage ist das in den letzten Jahren echt ein Glücksspiel, wann man englische Bücher geliefert bekommt – und das meiner Erfahrung nach auch unabhängig vom Zeitpunkt der Bestellung und vom konkreten Online-Händler. Hab teilweise auch lange vorbestellte Titel erst Wochen oder Monate später erhalten, mitunter dann bereits als Zweitauflage, weil die Erstauflage mutmaßlich wegen des Papiermangels kleiner war und ggf. bevorzugt in die USA geliefert wurde. Ich drücke jedenfalls jedem die Daumen, der auf diesen Roman oder andere aktuelle Bücher noch wartet!

    3. Heute Nacht habe ich eine Mail mit dem neuen voraussichtlichen Lieferdatum bekommen: 05.08-06.08.

      Das ist ja dann doch jetzt sehr überschaubar. Ich hoffe es bleibt dabei. 🙌🏻

    1. Gerne doch! 😀 es gibt doch nichts besseres als eine frische Star Wars-Geschichte, die den Erwartungen gerecht wird und einem darüber hinaus noch was mitgeben kann!

  1. Sehr gut gewählte Worte. Mich hat auch gerade die Charakterarbeit und die Darstellung der einzelnen Beziehungen unter den Charakteren überzeugen können. Zur Einbindung von Zae-Brii als Queere Figur möchte ich nur sagen dass mich die Bezeichnung als „Das Wesen“ doch ein wenig gestört hat da hätte ich mir lieber eine direkte Ansprache als Changeling gewünscht allerdings weiß ich nicht ob dies an der Übersetzung ins deutsche liegt. Alles im allem ein sehr gut zu lesendes Buch, was zu Anfang noch etwas kürzer hätte ausfallen können und dafür zum Abschluss noch gerne 1-2 Interaktionen zum „Abschied“ oder zur „Auflösung“ mehr hätte geben können.

  2. Habe das Buch nun endlich zuende gelesen.
    Durch die erste Hälfte hab ich mich echt durchgekämpft, die zweite Hälfte hab ich dann an einem Abend gelesen.
    Leider das schwächste Star Wars Buch für mich bisher, obwohl ich Obi-Wan-Fan bin, schade. Das Buch wurde für mich erst spannend als die Jugendlichen in die Höhle gingen um die Ernte zu holen, bis dahin war es sehr langwierig und etwas nervig. Leider konnte ich mich mit keiner Figur außer Obi-Wan und vielleicht noch Zae-Brii wirklich anfreunden. Zudem hat das Konzept der Macht auf Lenhara kaum zu meinem Machtverständnis gepasst, mit den seltsamen Kugeln die Kraft verleihen, das fand ich irgendwie komisch.
    Leider nicht mein Lieblingsbuch, aber ab der Hälfte doch ganz solide.
    Insgesamt 3/5 Holocrons

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