Rezension: The Odyssey of Star Wars wagt ein interessantes Experiment

Ian Doescher hat uns die Frage beantwortet, wie Star Wars klingen würde, wenn es von William Shakespeare geschrieben worden wäre. Nun ist Jack Mitchell an der Reihe und wagt ein weiteres interessantes literarisches Experiment: Was, wenn Star Wars ein antiker Mythos wäre, erzählt in der Form eines epischen Gedichts? – Sein Werk The Odyssey of Star Wars: An Epic Poem erschien bereits im September 2021 bei Abrams Books.

Der Inhalt des Werks ist leicht zusammengefasst: Jack Mitchell nimmt sich gleich die gesamte klassische Trilogie vor und erzählt diese, unterteilt in zehn Kapitel, genannt „Bücher“, nach. Diese Bücher sind meist nach den Handlungsorten benannt, z.B. „Yavin“ oder „Hoth“, manchmal aber auch nach ihrem Inhalt, z.B. „The Rescue of Han Solo“ oder „The Choice of Vader“. Die gesamte Geschichte wird dabei in Versform erzählt, und zwar durchgehend im Blankvers, d.h. einem reimlosen fünfhebigen Jambus.

Hier zeigt sich schon, dass man das im Klappentext genannte Ziel, hier ein antikes Heldenepos nach dem Vorbild von Homers Odyssee oder dem altenglischen Gedicht Beowulf erzählen zu wollen, nicht allzu eng sehen darf, zumindest was die äußere Form angeht. Die Odyssee unterteilt sich in 24 „Gesänge“, nicht „Bücher“, und wurde darüber hinaus in daktylischen Hexametern verfasst. In Beowulf dagegen findet sich der Stabreim, d.h. in einem Vers beginnen mehrere Wörter mit demselben Laut (Alliteration). Der in The Odyssey of Star Wars verwendete Blankvers wurde erst in der frühen Neuzeit populär, vor allem durch Shakespeare und seine Zeitgenossen, passt also eigentlich nicht in die angepeilte Epoche. Wahrscheinlich wurde die Entscheidung für den Blankvers getroffen, weil er in unseren heutigen Ohren schlicht geläufiger und angenehmer klingt. Es geht hier also weniger darum, die Form der antiken Dichtung eins zu eins abzubilden, sondern mehr darum, Star Wars in Versform und eine poetische Sprache zu bringen.

Und dieses Unternehmen gelingt Jack Mitchell eindeutig. Am Anfang jedes Buches wird uns eine Illustration von Jessica Benhar im Stil von antiker Terracotta-Kunst präsentiert, welche uns auf das Thema des kommenden Kapitels einstimmt. Zu Beginn des Textes eines jeden Buches erfolgt stets eine Musenanrufung, die in der antiken Dichtung üblich war, um sich und sein Werk unter den Schutz dieser Göttinnen zu stellen. In The Odyssey of Star Wars wird diese Anrufung an zwei Stellen auch gleichzeitig als Gedenken an Alderaan bzw. die verstorbenen Bothaner genutzt, was ich sehr passend und kreativ finde. Damit ihr eine Vorstellung bekommt, wie so eine Anrufung klingt, hier die Klage um Alderaan aus dem 2. Buch:

Spirit of learning, angel of the Force,

In grief, in longing for your tender touch,

I call you by my side: let sorrow cease,

Let not my singing stagger in despair:

For Alderaan ist lost, but we remain

To learn from loss. Instead provoke my thought

With tales of reckless daring, how Luke came

To search the Death Star, how the Princess fought,

How both beheld your servant’s sacrifice.

Mitchells poetische Sprache liest sich generell sehr angenehm und strotzt vor Kreativität. An einer Stelle wird beispielsweise die Macht metaphorisch als Musik dargestellt, was natürlich direkt an The High Republic und Avar Kriss erinnert. Blumige Vergleiche nutzt der Autor auch immer gleichzeitig, um Worldbuilding zu betreiben bzw. Star Wars-Wissen einzubringen. (Nicht umsonst erwähnt er in den Danksagungen Wookieepedia!). Gerade diese gelungenen In-universe-Vergleiche bieten jede Menge Easter Eggs für Fans, die nicht nur die Filme kennen. So werden beispielsweise der Bendu und Atollon aus Rebels und der legendäre Planet Tython erwähnt, oder auch der Edelstein, der Teil von Padmés Kopfschmuck ist und erstmals in Forces of Destiny als „Zenda“ benannt wurde. Der Vergleich mit dem Edelstein wird dafür benutzt, um herauszustellen, mit welcher kindlichen Freude Yoda Lukes Taschenlampe an sich reißt, als ob sie etwas sehr Wertvolles wäre:

As when a tiny child unwraps a toy

of no great worth to others, but to her

As prized as kyber, fabulous indeed

As Zenda’s scarlet jewel, and cries of joy

Track her about the playground of her home,

Just so the agèd creature laughed to shake

The flashlight; to Luke’s protest he replied:

Generell schafft es Mitchell, so viel mehr in die Geschichte reinzupacken, als nur die reine Handlung der klassischen Trilogie. Immer wieder gibt es kleine Rückblicke auf die Prequels, auf Rogue One und auf Solo, und auf The Clone Wars, sodass es wirklich den Anschein macht, als würde die Geschichte in einer Welt erzählt, in der Helden wie Qui-Gon Jinn, Mace Windu oder Jyn Erso jedem ein Begriff sind, und als ob hier nur kurz Bezug genommen wird auf Geschichten, die wohl schon in anderen Heldenmythen ausführlich erzählt wurden. So wird beispielsweise gleich zu Beginn Rogue One aufgearbeitet:

Yet new hope beckoned: From the lofty vaults

Atop the soaring spire of Scarif’s base

Jyn Erso stole the secret, slipping down,

Daring with her indomitable band

To infiltrate, encircle and assault

The Empire’s archive: so it was Jyn claimed

Her birthright…

So that the Death Star, perfect and immense,

Might shatter at the prickle of a pin.

Alas that you, poor Galen, never saw

Its end, as, bombed and broken in the rain

Of Eadu, you, with dying breath, bequeathed

The secret to your daughter…

Generell habe ich es sehr genossen, wie frei The Odyssey of Star Wars mit den Filmen umgeht. Bei Filmromanen kritisiere ich ja gern, wenn sie zu sklavisch das Geschehen auf der Leinwand abschreiben, und auch bei Shakespeare’s Star Wars fand ich es, zumindest bei den Sequel-Ausgaben, oft schade, dass man sich so strikt an den Ablauf der Szenen aus dem Film hielt und es so zu ständigen Szenenwechseln kam, die nicht mehr zum Stil eines klassischen Dramas passen. Jack Mitchell dagegen emanzipiert sich von den Filmen und erzählt die Geschichte so, wie sie in die Form eines Heldenepos passt, auch wenn er sie dafür etwas anpassen muss. Unwichtige Szenen werden weggelassen, ebenso wie Humor, der nur auf dem Bildschirm funktioniert. Wenn es mehrere Handlungsstränge gibt, fasst Mitchell diese oft zusammen. So wird beispielsweise in Episode V nicht ständig zwischen Luke und Yoda und Han und Leia hin und her gesprungen, sondern es wird zuerst im Buch „Dagobah“ alles über Lukes Training erzählt, dann im Buch „The Pursuit of the Falcon“ Han und Leias Abenteuer. Alternativ erzählt eine Figur im Nachhinein ihre Abenteuer. So bleiben wir beispielsweise zu Beginn von Das Imperium schlägt zurück die ganze Zeit bei Han, der auf der Suche nach Luke ist. Als Luke schließlich aufgefunden wird, erzählt er während der Nacht im Zelt Han von der Begegnung mit dem Wampa und dem Geist von Obi-Wan. Dieses Stilmittel wird mehrfach angewendet und trägt stark dazu bei, dass das die Form des epischen Heldengedichts glaubhaft bleibt. Hätte hier jede Seite ein Szenenwechsel mit den Worten „Meanwhile on Dagobah“, o.a. stattgefunden, hätte das das Leseerlebnis doch stark getrübt. Insofern ein großes Lob für den Mut, in sinnvoller Weise Hand an die klassische Trilogie zu legen!

Trotz dieses Lobes muss ich sagen, dass ich alles in allem mit Shakespeare’s Star Wars wesentlich mehr Spaß hatte als mit The Odyssey of Star Wars. Ian Doescher lieferte fantastische Wortspiele, dachte sich für bestimmte Charaktere wie Yoda oder R2 besondere Sprechweisen aus, ließ AT-ATs und das Wampa sprechen, erfand lustige Easter Eggs wie die Tatsache, dass Mace Windu ständig Filmtitel mit Samuel L. Jackson zitiert, und versteckte sogar John Williams‘ „Star Wars Main Theme“ im Text mithilfe von „o“s an den richtigen Stellen. Es gab einfach immer etwas zu entdecken. Wahnsinn! Fast all diese tollen Gimmicks fehlen in The Odyssey of Star Wars, das sich selbst dann doch eine ganze Ecke ernster nimmt. Daher ist das Leseerlebnis trotz wunderschöner Sprache im Vergleich nicht ganz so spannend, interaktiv und lustig.

Insgesamt gelingt Jack Mitchell eine stimmige und kreative Umsetzung des Konzepts „Star Wars als Heldenepos“, die aber leider mit dem Unterhaltungswert von Shakespeare’s Star Wars nicht mithalten kann. Daher vergebe ich dafür 4 von 5 Holocrons.

Bewertung: 4 von 5 Holocrons
Bewertung: 4 von 5 Holocrons

Wir danken Abrams Books herzlich für die Bereitstellung eines Rezensionexemplars.

Schreibe einen Kommentar