Wahrlich, eine neue Hoffnung! – William Shakespeare’s Star Wars von Ian Doescher ist eine hervorragende Adaption von Star Wars im Stil von Shakespeare. „Das ist ein Witz, oder?“, dachten bestimmt viele von euch bei der Ankündigung dieses außergewöhnlichen Buches. Wenn wir jedoch genauer hinsehen, werden hier zwei Dinge zusammengeführt, die zwar unterschiedlicher nicht seien können, in dieser Komposition jedoch großartig zusammenpassen. Dieses Buch ist trotz des stark ausgeprägten Humors jedoch keine Parodie. Ganz im Gegenteil: es ist die Verschmelzung einer epischen Geschichte mit einer interessanten Erzähltechnik.
Autor Ian Doescher wandelte den Dialog von „Eine neue Hoffung“ in den fünffüßigen Jambus um. Die archaische Grammatik und das Vokabular des sechzehnten Jahrhunderts werden hier so verwendet, dass dieser Schreibstil ein sehr authentisches Shakespeare-Gefühl wiedergibt; zur gleichen Zeit wird der Inhalt von „Eine neue Hoffnung“ gewahrt. Weiterhin verwendet der Autor Signaltöne und Pfeifen von R2-D2 und unübersetztes Kauderwelsch von Aliens, um den Text in das Blankvers-Schema zu bekommen – natürlich nur, wenn es nötig ist. Während Zusammenziehungen wie „Millen’um Falcon“ und „th’Imper’al Senat“ ungewohnt, um nicht zu sagen schrecklich, auf Papier aussehen, gibt es durch den fünffüßigen Jambus keine Chance, an solchen Begriffen vorbei zu kommen.
Die Konvertierung des Textes zum Blankvers stellt nur einen kleinen Teil der Änderungen dar: der Dialog kommt dem Leser „reicher“ vor. Teilweise gibt es auch Anspielungen und paraphrasierte Stellen aus anderen Shakespeare-Werken. In der Szene, in welcher die Rebellen auf Yavin den Angriff auf den Todesstern planen, paraphrasiert Luke Verse aus Henry V.
Weiterhin kommt der Humor in diesem Buch nicht zu kurz. Teilweise verwendet Ian Doescher Insider-Witze, die nur Star Wars-Fans verstehen dürften. Dazu zählt auch mein Lieblingsreimpaar in dieses Buch. Hierbei handelt es sich um die Szene, in welcher Han die Cantina nach seiner Konfrontation mit Greedo verlässt.
I pray thee, sir, forgive me for the mess
And whether I shot first, I’ll not confess.
Der Sandtrooper, der nach R2-D2 und C-3PO sucht, sagt in der originalen Fassung, dass die Tür verschlossen sei und sie weiter zur nächsten gehen sollen. In dieser Version wird dieser eine Satz in eine absurd grandiose Erklärung dessen umgestaltet, warum sie weiter gehen sollten. Sein Vater gab ihm eine Lebensweisheit mit auf dem weg, so kann er absolut sicher sein, dass sich nichts von Interesse jemals hinter dieser geschlossenen Tür verbergen würde.
This door is lock’d. And as my father oft
Hath said, a locked door no mischief makes.
So sure am I, thus, behind this door
Cannot be found the droids for which we search.
And thus we move on with conscience clear.
Der eher liberale Gebrauch der Erzähltechnik „Beiseitesprechen“ (engl.: (to talk) aside), bei der das Gesagte für das Publikum bestimmt ist und die anderen Charaktere auf der Bühne es nicht hören, schafft neue Motive im Kontext der Geschichte, da diese Nebenbemerkungen nicht auf die ursprünglichen Dialoge von Lucas Version gestützt sind. Außerdem werden dadurch weitere Motive beleuchtet, die in der originalen Version eher im dunklen blieben. So spielt Obi-Wan auf die Ereignisse von „Die Rache der Sith“ an und erklärt, warum er den größten Teil der Wahrheit vor Luke verbirgt.
Außerdem gibt Obi-Wan schon zu zeigen, dass er sein Schicksal im Kampf gegen Vader akzeptieren wird. Durch weiteres Verwenden dieses Beiseitesprechens, hat das Duell zwischen Vader und Obi-Wan einen völlig anderen Sinn. Das Beiseitesprechen von Han zeigt uns zum Beispiel, dass er sich zu einer edleren Existenz hingezogen fühlt.
Humorvoll ist auch das Beiseitesprechen von R2-D2. Am Anfang erklärt dieser direkt dem Publikum, dass er nur hupt und pfeift, wo andere Charaktere ihn hören können, weil er dazu bestimmt wurde, den Dummkopf zu spielen, so wird keiner vermuten, dass er mehr über die Situation weiß, als er ausplaudert. Ich bin sicher, dass Shakespeare genauso mit dem Charakter umgegangen wäre. Ein weiteres Beispiel für den Humor dieses Beiseitesprechens stellt Obi Wan zur Verfügung, der soeben wieder durch C-3PO unterbrochen wurde:
Why speaks’t he here when ‚tis my time to speak?
These droids of protocol are e’er uncouth
Of etiquette they know but little, troth!
Das Beiseitesprechen gibt auch namenlosen Charakteren eine Entwicklung, größtenteils den Stormtroopern, welche oft über ihre Situation nachdenken, bevor sie zum Beispiel erschossen werden.
Eine andere kluge Idee stellt der Gebrauch eines Chores dar, um die Handlung voranzubringen. Dieser Chor rezitiert am Anfang des Buches den berühmten Rolltext – selbstverständlich umgearbeitet in ein Sonett. Danach tritt der Chor im Buch auf, um Verbindungen innerhalb Szenen darzustellen, dies immer über reimende Vierzeiler. Größtenteils beschreiben sie oder fassen Szenen zusammen, die im Film völlig durch Effekte gezeigt werden, jedoch in einer Bühnen-Produktion nicht kopiert werden können. In gewisser Hinsicht appelliert dieser Chor an das Publikum, wieder ihre Einbildungskräfte zu verwenden – eine geniale Idee! Jedoch muss man anbringen, dass nicht in allen Shakespeare-Werken Chöre auftreten, aber hier ist es notwendig, und es ist auch die beste Lösung, solche effektreichen Elemente darzustellen.
Eine weitere Eingenschaft, die dieses Buch noch angenehmer macht, sind die vielen Illustrationen. Wahrlich sind dies keine Meisterwerke, aber es ist interessant, seine Helden im Zeichenstil des sechzehnten Jahrhunderts einschließlich einiger sehr stilisierter Kostüme zu sehen. So werden verschiedenste Rüstungen und Kluften in elisabethanische Gewänder verwandelt.
Abschließend erhält dieses Buch fünf von fünf Holocrons – das erste mal, dass ich die volle Holocronzahl vergebe. Doch dieses Buch überzeugt durch seine Außergewöhnlichkeit! Gerade für den geringen Preis stellt dieses Buch ein schönes und ausgefallenes Stück für die eigene Sammlung dar. Das Mischen von zwei Erzählstilen auf einer hohen Ebene ist hier wirklich sehr überzeugend gelungen. Deshalb hoffe ich, dass wir in nächster Zeit auch „Das Imperium schlägt zurück“ und „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ in dieser Form zu Gesicht bekommen. Dieses Buch ist intelligent, auf einem hohen Niveau und hat sich diese Holocronzahl verdient – wahrlich!
Wer sich William Shakespeare’s Star Wars von Ian Doescher zu Gemühte führen möchte, kann dies in einer Sitzung lesen, da dieses eher kleinere Buch nur 176 Seiten besitzt. Ihr könnt das Buch, welches am 02. Juli 2013 bei Quirk Books veröffentlicht wurde, unter der ISBN 978-1-59474-637-6 oder hier bestellen. Zurzeit gibt es nur die englische Version, Pläne zu einer deutschen Version liegen uns leider nicht vor.
Das kann man so nur unterschreiben, sehr schön ausgedrückt, Joshua!
Mich hat die ganze Shakespeare-Aktion ja schon im Prolog in der Tasche gehabt: „In time so long ago begins our play, / In star-crossed galaxy far, far away.“
Wirklich schöne Rezension, Joshua!
Eigentlich wollt ich mir ja diesen Monat kein Buch mehr zulegen, aber nach deiner Rezension konnt ich als Shakespeare-Nerd nicht widerstehen. Ich schick dir dann die Rechnung, ja? 😉
Ich wollte mal was neues ausprobieren und es hat sich gelohnt.
Als jemand für den Englisch (nach Latein und Spanisch) das schlimmste Fach in Schulzeiten war und der auch nie großes Interesse an Shakespeare hatte bin ich mit wenig Erwartungen an das Buch gegangen.
Ich habe es in der deutschen Version gelesen (Deutsch, ein weiteres Schulfach was mich früher gequält hat) und trotz anfänglicher Eingewöhnungsphase war ich spätestens auf Tatooine richtig im Geschehen drin.
Es war eine neue Interpretation von Star Wars und ich fand es super.
Anders als erwartet habe ich mich richtig an den Stil gewöhnt und mich ständig gefreut wenn mir irgendwas aufgefallen ist (Zitate, Referenzen, Stilmittel…).
Die Geschichte war nichts neues, aber ich denke, Star Wars kann man immer sehen oder lesen.
Ich hatte wirklich eine tolle Zeit und werde mir definitiv die weiteren Bände der Reihe kaufen, auch wenn man dafür irgendwann auf Englisch wechseln muss….