Rezension: Scum and Villainy von Pablo Hidalgo

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Anfang dieser Woche erschien bei Epic Ink ein neues Sachbuch von Story-Group-Mitglied Pablo Hidalgo, in dem sich alles rund um Abschaum und Verkommenheit der Galaxis dreht. Es trägt den volltönenden Titel Scum and Villainy – Case Files on the Galaxy’s Most Notorious und fasst nahezu 70 Jahre galaktischer Geschichte – von Episode I bis VII bzw. VIII – aus der Sicht einer Polizistenfamilie zusammen, deren Mitglieder jeweils unter der Republik, dem Imperium und der Neuen Republik im Dienst waren. Mit freundlicher Unterstützung von Quarto/Epic Ink kann ich euch heute meine Rezension präsentieren.

Mit Star Wars Propaganda hat sich Pablo Hidalgo schon einmal an einem In-Universe-Sachbuch mit einem konkreten Erzähler versucht, der die Schilderungen mit seinen Meinungen einfärbt. In Scum and Villainy ist dies die Familie des aus The Clone Wars bekannten Inspektors Tan Divo, dessen Enkel Exantor, der Polizist in der Neuen Republik ist, nun kurz vor Das Erwachen der Macht eine Chronik der galaktischen Unterwelt zusammenstellt. Diese Chronik ist in drei Abschnitte unterteilt – Republik, Imperium, Neue Republik – und basiert jeweils auf den Notizen von Tan Divo, seiner Tochter, der ISB-Agentin Andressa Divo, und Exantor Divo selbst, der über alle Abschnitte hinweg auch seine Meinungen zu den dargstellten Verbrechern und Anekdoten aus seiner Familiengeschichte liefert.

Jede Seite von Scum and Villainy besteht aus einem großformatigen Bild – oftmals Überwachungsaufnahmen, Fahndungsplakate oder Fotos von Beweismitteln – und darunter finden sich dann Exantors Schilderungen des jeweiligen Falles mit Zitaten aus den Memoiren seiner Verwandten. Die Illustrationen, die von einer Riege sehr talentierter Künstler geschaffen wurden, deren Namen ihr unten im Infoblock nachlesen könnt, teilen einen semirealistischen Stil, wie er oft in Rollenspielbüchern oder gelegentlich auch auf Comic-Covern zu finden ist. Es finden sich keinerlei Filmfotos in diesem Buch; alles wurde neu illustriert und nur sehr wenige Einträge nehmen überhaupt Bezug auf Ereignisse aus Filmen oder Serien. Ausnahmen bilden da z.B. der Mord an Nack Movers aus The Clone Wars oder die Jagd der Imperialen auf Leia Organa, die natürlich Anspielungen auf Rebels, Rogue One und Episode IV enthält. Ansonsten stellt das Buch viele neue Fälle und Verbrecher vor oder beleuchtet bekannte Ecken der kriminellen Unterwelt aus einem neuen Winkel.

Scum and Villainy ist kein Essential Guide to the Underworld – dieses Buch bleibt nach wie vor in der Versenkung verschwunden. Es werden nicht alle Verbrecher der Saga im Detail mit kompletten Lebensläufen und Organigrammen ihrer Syndikate abgearbeitet. Wer darauf gehofft hat, riskiert, enttäuscht zu werden. Das ist aber auch gar nicht das Ansinnen des Buchs – hier werden nur Fälle geschildert, in denen Gestalten wie Dryden Vos, Hondo Ohnaka oder Sebulba die Aufmerksamkeit der Ordnungshüter auf sich gezogen haben – und das teils eben auch nur kurzzeitig, weil Fälle aus Polizistensicht eben auch gerne mal im Nichts verlaufen. Das finde ich auch gut so, denn den Rest – wie es mit diesen Personen ausging oder was sie sonst so angestellt haben – kennen wir Fans ja bereits zur Genüge. Auch Verbrecher aus der Welt der Bücher – Rinnrivin Di oder die Amaxine-Krieger aus Blutlinie – erhalten hier neue oder erweiterte Hintergrundgeschichten sowie oftmals auch erstmalige Illustrationen. Somit ist der Anteil an neuen Informationen und detailreichem Worldbuilding in diesem Buch außergewöhnlich hoch. Pablo lässt es sich aber auch nicht nehmen, bisher namenlose Figuren zu benennen und Legends-Anspielungen aus RPG-Quellen oder der klassischen Han-Solo-Trilogie von Brian Daley einfließen zu lassen, um aufmerksame Leser zu belohnen.

Genau wie das Buch Star Wars Propaganda, in welchem Pablo den Wandel der Gesellschaft aus der Sicht eines Künstlers schilderte, beleuchtet Scum and Villainy das galaktische Geschehen aus der Sicht von Polizisten verschiedener, teils konträrer Regierungen und Regimes. Dies geschieht dann oft auch auf sehr persönliche Art, wenn diese Ereignisse das Schicksal der Divo-Familie formen. Wie sah ein Polizist der Alten Republik die Rolle der Jedi als Friedenshüter? Wie nahm er den Wechsel von Republik zu Imperium wahr? Wie steht eine ehemalige ISB-Agentin zur Neuen Republik? Wie unterscheidet sich die Rolle der Polizei in der demokratischen Republik von der Rolle der Ordnungshüter im totalitären Imperium? Welche neue Wege hat die Neue Republik beschritten, um aus den Fehlern der beiden Vorgängerstaaten zu lernen – oder hat sie überhaupt gelernt? Was definierten diese verschiedenen Regierungen überhaupt als Verbrechen? Das Buch liefert spannende Antworten auf diese Fragen und so ist es doch interessant, in einem Buch über „Abschaum und Verkommenheit“ plötzlich auch eine so durch und durch moralische Figur wie Leia Organa oder Rebellenhelden wie Crix Madine und Han Solo nebst gesuchten Verbrechern Doktor Aphra, Cornelius Evazan oder Boba Fett zu sehen, weil das Imperium mehr Interesse an der Jagd nach Dissidenten als an der Ausmerzung der kriminellen Unterwelt hatte.

Pablo lässt es sich außerdem nicht nehmen, erneut ein neues Datierungssystem einzuführen, für dessen Erklärung ein kurzer Exkurs nötig ist. Pablo führt seine privaten Timelines seit Jahren nicht mit VSY/NSY, sondern mit realen Jahreszahlen, wobei das Datum der Schlacht von Yavin der 25. Mai 1977 (d.h. der US-Start von Episode IV) ist. Diese Jahreszahlen hat er nun in die weit, weit entfernte Galaxis übertragen, indem er die Jahreszahlen entfremdete – aus 1977 wurde kurzerhand 7977. Diese Jahreszahlen, die einem nicht näher erläuterten Datierungssystem namens „CRC“ entspringen, sind auf jeder Seite dem Aktenzeichen der dargestellten Illustration vorangestellt. Man darf gespannt sein, ob dieses System nochmal irgendwo auftauchen wird, oder ob es einfach eines von vielen beliebigen Datierungssystemen sein wird, die in Star Wars Anwendung finden. Mein einziger wirklicher Kritikpunkt an diesem Buch ist, dass die Akten nicht auch chronologisch nach diesem System präsentiert wurden, sondern innerhalb der jeweiligen Ära immer alles kreuz und quer angeordnet ist, ohne dass diesem Chaos ein wirklicher Mehrwert zu entnehmen ist.

Nennenswert ist auch das Buchdesign, denn als erstes Star Wars-Buch in meiner Sammlung kommt dieses Werk in einem Plastikschuber. Somit ist das Hardcover einerseits doppelt geschützt, andererseits hat man sich auch einen Spaß mit dem Titelbild erlaubt, denn der Schriftzug „SCUM AND VILLAINY“ prangt nicht etwa auf dem Cover des eigentlichen Buches, sondern nur auf dem halbdurchsichtigen Schuber. Dasselbe gilt für das Star Wars-Logo. Wenn man das Buch aus dem Schuber nimmt, hat man also einen ungehinderten Blick auf die Gesamtheit des Titelbilds; lediglich der Schriftzug „Case Files from the Galaxy’s Most Notorious“ befindet sich auf dem Buch selbst. Ich fand das zunächst etwas befremdlich, freue mich aber im Nachhinein auch über diese kreative Lösung, die bei diesem bildgewaltigen Band auch das Titelbild würdigt. Der Klappentext auf der Rückseite wurde ebenfalls auf die Plastikhülle verbannt; lediglich Verlagslogos, Preis und Barcode finden sich auf der Rückseite, die ansonsten nur eine Illustration von IG-88 ziert. Betrachtet man das Buch seitlich, so sind anhand verschiedener Seitenfarben die Sektionen zu Republik, Imperium und Neuer Republik hervorgehoben und somit leicht erkennbar, bevor man das Buch überhaupt öffnet. Scum and Villainy erhält also auch einen Bonus für kreatives, stimmiges Design.

Scum and Villainy hätte sicher noch um einiges dicker ausfallen können, aber dann wäre es auch irgendwann unglaubwürdig geworden, dass all diese Fälle auf dem Schreibtisch der Divos gelandet sind. Das, was wir bekommen haben, ist aber ein sowohl kurzweiliges als auch hochinteressantes und detailreiches Sachbuch, in dem neue und alte Charaktere, Schauplätze und Verbrechersyndikate aus einer Sicht betrachtet werden, die es so noch nicht gegeben hat. Pablo Hidalgo und die Künstlern, die dieses Buch illustriert haben, haben es geschafft, die Saga auf eine komplett neue Art und Weise zum Leben zu erwecken, und es wäre durchaus denkbar, eines Tages einen Nachfolger aus der Sicht einer weiteren Divo-Generation – oder eines anderen Ordnungshüters – zu verfassen, der die Geschichte weiterspinnt. Ich bin indes gespannt, welches Themas sich Pablo als Nächstes annimmt, und spreche eine Kaufempfehlung aus!

Wir danken Quarto herzlich für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. Bilder via StarWars.com.

Weitere Infos zum Buch gibt es auch in diesem Autoren-Interview.

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