Hinweis: Diese Rezension ist spoilerfrei!
Noch weniger als einen Monat ist es hin bis zur Premiere von Solo: A Star Wars Story. Um uns schon mal auf die Abenteuer des berüchtigten Schmugglers einzustimmen, ist am 17. April beim Verlag Century der Roman Last Shot von Daniel José Older erschienen. Der Roman stellt neben Han Solo auch seinen Kumpel Lando Calrissian in den Mittelpunkt.
Der Roman setzt circa zwei Jahre nach der Schlacht von Endor an. Han Solo lebt mit seiner Frau Leia und dem kleinen Ben auf Chandrila, während der stets geschäftstüchtige Lando auf Bespin mittlerweile in der Droiden-Produktion tätig geworden ist. Dort taucht jedoch eines Tages plötzlich ein mysteriöser Besucher auf und kurz darauf verwandelt sich ein harmloser Protokoll-Droide in einen Killer, welcher davon besessen ist, Lando zu töten. Schnell wird klar, dass dieser seltsame Vorgang mit Ereignissen aus Landos und Hans Vergangenheit zu tun hat, insbesondere mit einer Gerätschaft namens Phylanx Redux Transmitter. Die beiden alten Freunde machen sich auf, um das Rätsel um den Phylanx Redux Transmitter zu lösen und die Bedrohung durch plötzlich aufs Töten umprogrammierte Droiden abzuwenden. Dabei werden sie von dem/der geschlechtsneutralen Pilot(in) Taka, Landos Twi’lek-Geliebter Kaasha, der Ewok-Hackerin Peekpa und dem Ugnaught-Mechaniker Florx begleitet, welche ihr alle unten als Schattenfiguren abgebildet sehen könnt.
Die Geschichte spielt dabei nicht nur im „Jetzt“, sondern springt regelmäßig zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahre in die Vergangenheit zurück, um die Vorgeschichten von Han, Lando und dem Antagonisten Fyzen Gor zu beleuchten. In diesen Flashbacks treffen wir auch L3-37, Landos Droidin, die auch in Solo: A Star Wars Story zu sehen sein wird, sowie Sana Starros, die Comic-Lesern als Hans angebliche Frau aus der Star Wars-Reihe bekannt sein dürfte.
Zunächst einmal muss gesagt werden, dass Daniel José Older seine beiden Protagonisten, Han und Lando, unglaublich gut verstanden und getroffen hat, was ja nicht immer selbstverständlich ist, wenn Figuren aus den Filmen in Romanen auftauchen. Sowohl ihre Art zu handeln als auch ihre Art zu sprechen sind absolut authentisch. Dabei bleibt Older jedoch nicht dabei, den Schmuggler und den Spieler eins zu ein wie in den Filmen darzustellen, sondern zieht in Betracht, dass sie älter geworden sind, viel erlebt haben und sich nun in einer ganz anderen Lebensphase befinden. Han kämpft damit, seine Rolle als Vater angemessen auszufüllen, obwohl er sich nicht gerade als ein Vorbild sieht und oft den Drang versprürt, seine kleine Familienwelt hinter sich zu lassen und wieder Abenteuer zu erleben. Lando dagegen sitzt, was seinen Beziehungsstatus und seine Identität angeht, zwischen den Stühlen: Soll er es wagen, aus einer Affäre mehr werden zu lassen? Und welcher Lando ist er eigentlich: der Held der Rebellion, der sein Leben riskiert, um Millionen zu retten, oder der, der sich feige aus dem Staub macht, wenn es ernst wird? – Diese inneren Kämpfe, die beide Hauptfiguren auszufechten haben, erweitern nicht nur auf passende Art und Weise das, was wir von ihnen aus den Filmen wissen, sondern fügen sich auch gut in das übergeordnete Thema des Romans ein, welches Identität und Selbst- und Fremdbestimmung zu sein scheint. (Warum das das übergeordnete Thema ist, verrate ich nicht, da die Erklärung spoilerhaltig wäre.)
Auch sehr hervorzuheben ist die humorvolle Schreibweise des Romans, welcher mir beim Lesen viel Spaß bereitet hat. Dies hängt natürlich mit dem vorigen Punkt zusammen, dass Han und Lando so gut getroffen sind. Und wo die beiden auftreten, ist ein unterhaltsamer, witziger verbaler Schlagabtausch quasi vorprogrammiert, welcher durch die weiteren Figuren wunderbar ergänzt wird. Meine persönlichen humoristischen Highlights waren hierbei die Tatsache, dass Lando tatsächlich ein „cape closet“, also einen Schrank nur für Umhänge, besitzt, sowie eine lustige Szene mit einem Gungan, in der Han diesen in einer Art Jar-Jar-Sprache anspricht, woraufhin es sich herausstellt, dass der Gungan perfektes Basic spricht und sich von Hans Vorurteilen gegenüber seiner Spezies beleidigt fühlt. Diese Art des Humors erinnert mich positiv an die alten Legends-Romane, die sich auch teilweise nicht ganz so ernst nehmen.
Bei all der humorvollen Leichtigkeit hat mich dann aber doch gestört, wie wenig Substanz die Handlung eigentlich hat. Es macht Spaß, mit Han, Lando und ihrer Crew in die zwielichtige Welt der Verbrecher und Gangster abzutauchen, aber nach einiger Zeit sind die ständigen Schießereien und Action-Szenen in drei verschiedenen Zeitebenen dann doch ermüdend. Die Geschichte um den Phylanx Redux Transmitter ist nicht so komplex, rätselhaft oder interessant, dass es so einen komplizierten Aufbau mit ständigen Flashbacks gebraucht hätte. Auch fast 350 Seiten sind zu lang für die im Kern doch simpel gestrickte Handlungsidee. Mir ging es so, dass ich durch die spannende und Fragen aufwerfende Eröffnungsszene direkt in die Geschichte hineingezogen wurde. Allerdings wird recht schnell klar, was es mit dem Phylanx Redux Transmitter ungefähr auf sich hat, und er dient dann nur noch als McGuffin, hinter dem die Figuren herjagen, ohne dass das Gefühl einer imminenten Bedrohung entsteht (was vielleicht auch mit dem eher leichten, humorvollen Ton des Romans zu tun hat). Dadurch verlor ich im Mittelteil ziemlich das Interesse und die Lust, weiterzulesen. Erst gegen Ende wird es im finalen Showdown nochmals spannend und der Roman findet einen runden Schluss.
Ohne zu viel zu spoilern, muss ich auch sagen, dass mir die Ideologie des Antagonisten des Romans teilweise etwas zu abgedreht und unlogisch war. Ich mag es lieber, wenn man die Motive des Schurken auch nachvollziehen kann und sie irgendwie Sinn ergeben. Auch die aus dieser Ideologie entstehenden kleineren „Horror-Elemente“ gingen mir persönlich zu weit und sind nichts, was ich mir im Star Wars-Universum wünsche. Wenn man genauer darüber nachdenkt, ist zwei Jahre nach Endor eigentlich auch die Existenz einer supergenialen Ewok-Hackerin, so witzig die Vorstellung auch ist, unlogisch. Ich gehe davon aus, dass die Ewoks eine recht primitiv lebende Spezies ohne Raumfahrt sind, die vor der Schlacht von Endor kaum Interaktionen mit fortschrittlicheren Spezies und deren Technologie hatten. (Immerhin sehen sie C-3PO als Gott an.) Dass nun jemand aus einer Gesellschaft ohne Computertechnik innerhalb von nur zwei Jahren zur Super-Hackerin werden soll (ohne dabei zu lernen, Basic zu sprechen), halte ich für nicht möglich. Wobei dies wirklich nur ein kleiner Kritikpunkt ist, den ich aber nicht unerwähnt lassen wollte.
Der Roman punktet also vor allem durch seine sehr gute Figurendarstellung und seine humorvolle Schreibweise. Die recht dünne Handlung wird jedoch über zu viele Seiten ausgewalzt und durch die Flashbacks unnötig verkompliziert, was vor allem im Mittelteil stellenweise zu Langeweile führt. So ergibt sich mit drei Holocrons eine Bewertung im guten Mittelfeld. Für Fans von Han und Lando und für alle, die die kriminielle Unterwelt von Star Wars lieben, ist Last Shot auf jeden Fall empfehlenswert. In die Top-Riege der Kanon-Werke gehört der Roman meiner Meinung nach jedoch nicht.
Wir danken Penguin Random House UK und dem Century-Verlag recht herzlich für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!
Last Shot in der britischen Ausgabe von Century könnt ihr euch auf Amazon.de bestellen. Eine deutsche Ausgabe wurde noch nicht angekündigt, kann man wohl aber für ca. Sommer 2019 erwarten. Sobald wir mehr wissen, werdet ihr es hier auf der Webseite erfahren.
Was ist eure Meinung zu Last Shot?
Die Handlung war zwar nicht mega dicht, aber derart dünn fand ich sie auch nicht, und auch die Horrorelemente fand ich passend zu dem, was im Rogue One Visual Guide, Episode V und Kieron Gillens Comics bereits in der Saga etabliert wurde. Bei mir würde das Buch deswegen und vor allem wegen der erstklassigen Charakterarbeit bei alten und neuen Figuren knapp auf 4 Holocrons kommen.
Ich hoffe jetzt einfach, dass wir Kaasha und Taka bald wiedersehen werden. Die fand ich beide super. 🙂