Captain Phasma – im Vorlauf zu Das Erwachen der Macht unendlich gehypet und dann für viele Kinobesucher eine herbe Enttäuschung. Da lässt sich diese angebliche Badass-Figur einfach einschüchtern, zur Kooperation mit dem Feind zwingen und anschließend in die Müllpresse stecken! Ihr Ruf war damit quasi ruiniert. Und nun bekommt gerade diese Figur im Rahmen der Journey to the Last Jedi nicht nur eine Comicserie, sondern auch ihren eigenen Roman: Phasma von Delilah S. Dawson, erschienen bei Century als Hardcover und als Ebook.
Ich persönlich konnte der Figur Phasma ja noch nie viel abgewinnen. Charakterlose, oberflächliche Figuren, die nur aufgrund ihrer coolen Rüstung bei gewissen Teilen des Fandoms Anklang finden, haben für mich keinerlei Reiz. Insofern hatte ich an den neuen Roman relativ niedrige Erwartungen. Gerade da Phasma ja ein „mysteriöser“ Charakter bleiben soll, befürchtete ich eine recht uninteressante Darstellung der Figur, da uns Einblicke in ihr Inneres wohl verwehrt bleiben würden.
Inhalt und Aufbau
Der Roman Phasma spielt irgendwann zwischen Blutlinie und Das Erwachen der Macht und ist in eine im Präsens geschriebene Rahmenhandlung und eine im Präteritum verfasste Binnenhandlung gegliedert. In der Rahmenhandlung begleiten wir die Widerstandsspionin Vi Moradi, welche in Gefangenschaft der Ersten Ordnung gerät. Dort wird sie von einem mysteriösen, rot gekleideten Offizier namens Captain Cardinal verhört und gefoltert. Schnell stellt sich heraus, dass dieser gar nicht im Namen seiner Vorgesetzten handelt, sondern ein rein privates Interesse verfolgt: Er will mehr über seine Konkurrentin Captain Phasma erfahren, um ihr mit möglichen dunklen Geheimnissen aus ihrer Vergangenheit schaden zu können. Diese Geschichten will er aus der über Phasma gut informierten Vi herauspressen.
Die Geschichten, die Vi Moradi im Laufe ihres Verhörs über Phasma erzählt, bilden die Binnenhandlung, welche neun bis 15 Jahre vor der Rahmenhandlung spielt und zumeist aus der Sicht der Kriegerin Siv, einer Clan-Genossin Phasmas, beschrieben wird. Wir erfahren hier, wie Phasma, die auf dem unwirtlichen Planeten Parnassos im Scyre-Clan aufgewachsen ist, auf Brendol Hux – Vater von Armitage Hux aus Episode VII – trifft, dessen Schiff auf dem Planeten abgestürzt ist. Phasma und einige ihrer Krieger, welche sich bei der Ersten Ordnung ein besseres Leben versprechen, machen sich auf, um gemeinsam mit Hux und seinen Soldaten das Wrack zu finden. Dabei zeigt sich, wie weit Phasma bereit ist zu gehen, um zu ihre eigene Zukunft zu sichern.
Die Figuren
Mit dem Einstieg in den Roman tat ich mir etwas schwer, was mit den Figuren zusammenhängt. Zunächst lernen wir nur Vi Moradi kennen, welche aber recht schnell in Gefangenschaft gerät. Für mich ist diese Figur jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht plastisch genug geworden und ich wusste zu wenig über sie und ihre Motivation, um direkt nach 12 Seiten schon in einer Folter-Szene mit ihr mitzufiebern, bei der ich nicht verstehe, warum sie ihre Informationen über Phasma nicht einfach preisgibt. Für meinen Geschmack hätte man die Charakterisierung der Figur noch ausbauen müssen, bevor man sie in die Foltersituation wirft. Ein paar faul dahingeworfene generische Informationen wie „strickt gern“ und „hat einen Bruder“ im Kapitel 1 sind mir einfach zu wenig.
Bei der Binnenhandlung verhält es sich zu Beginn ähnlich. Siv, die Vi die Geschichten über Phasma erzählt hat und aus deren Sicht diese Geschichten daher erzählt werden, tritt zunächst kaum als aktiv handelnde oder auch nur urteilende Figur in Erscheinung, sodass wir als Leser kaum wissen, was das eigentlich für eine Person ist, durch deren Augen wir Phasma sehen.
Phasma dagegen wird, bedingt durch die Erzählsituation, nur von außen beschrieben, sodass wir auch über ihre Motive im Dunkeln gelassen werden. Zu Beginn scheint es auch so, als würden die ganzen Erzählungen aus Phasmas Vergangenheit nur darauf hinauslaufen, dass diverse Situationen gezeigt werden, in denen Phasma eine coole Socke ist, beeindruckend kämpft und gewissenlos Gegner platt macht – ein Konzept, das mich verständlicherweise wenig überzeugen hätte können.
Es mangelt also zu Beginn des Buches an allen Ecken und Enden an Figuren, mit denen man sich als Leser identifizieren oder mit denen man mitfiebern könnte. Glücklicherweise ändert sich das aber im Laufe des Buches. Siv tritt mit der Zeit immer mehr als eigenständige Figur mit eigener Meinung hervor und entwickelt sich auch zur Sympathieträgerin im Gegensatz zu der unsympathisch gezeichneten Phasma.
Wer sich allerdings Aufschluss über Phasmas Inneres erhofft hatte, wird enttäuscht. Die Kriegerin der Ersten Ordnung bleibt blass und für mich weiterhin unverständlich. Ja, ich weiß jetzt mehr darüber, was sie in ihrer Kindheit geprägt hat, aber warum sie deshalb immer wieder maximal gewissenlose Entscheidungen trifft, wenn es meiner Meinung nach auch andere Möglichkeiten gegeben hätte, erschließt sich mir nicht. Mein Interesse an mehr Geschichten über Phasma hat der Roman jedenfalls nicht geweckt und ich finde die Figur nun unsympathischer als je zuvor. Falls der Roman also versucht haben sollte, Phasmas Coolness wieder herzustellen, dann ist das nicht gelungen.
Das macht aber gar nichts, denn der Roman hat eine viel bessere Figur zu bieten als Phasma: Captain Cardinal. Diese Figur gewinnt im Laufe der Handlung unglaublich an Profil. Als eines der von Brendol Hux auf Jakku aufgelesenen Kindern (siehe Aftermath: Empire’s End) ist er komplett indoktriniert und kennt kein anderes Leben als das im Dienst der Ersten Ordnung, wo er nun für die Ausbildung der jüngeren Rekruten verantwortlich ist, während Phasma die älteren betreut. Doch nach und nach regen sich in dem vorbildlichen, nichts hinterfragenden Offizier selbstständige Überlegungen, ein eigenes Gewissen und eigene Ideale, was unglaublich spannend zu verfolgen ist. Cardinal ist eindeutig das Highlight des Romans und ich hoffe sehr, dass wir ihn in anderen Geschichten vielleicht wiedersehen werden.
Spannungsaufbau
Wie bereits gesagt, beginnt Phasma etwas holperig. Zu Beginn springen wir relativ häufig zwischen den Erzählungen über Phasma und den Verhör-Szenen hin und her, wobei die Verhör-Szenen anfangs recht repetitiv sind: Cardinal fordert mehr und interessantere Informationen und Vi verspricht jedes Mal, sie ihm mit der nächsten Geschichte zu liefern.
Als dann jedoch die Geschichte mit der Reise zu Brendol Hux‘ abgestürztem Schiff beginnt, bleibt der Roman längere Zeit in dieser Erzählebene und liest sich dadurch flüssiger. Allerdings zieht sich diese Reise doch recht lange hin und nicht alles, was dabei passiert, trägt dazu bei, Phasma besser zu verstehen, was ja eigentlich der Fokus der Geschichte sein sollte. Die Binnenhandlung entwickelt also eine gewissen Eigendynamik, bleibt aber dennoch spannend. Denn da die Figur Phasma gar nicht so interessant ist, tut es der Geschichte an dieser Stelle sogar gut, die Spannung über andere Elemente aufzubauen. So finden wir beispielsweise immer mehr über die wechselhafte und mysteriöse Geschichte des Planeten Parnassos heraus, welche mich persönlich mehr fasziniert und interessiert hat als die Figur Phasma.
Zum Ende hin wird der Roman dann richtig spannend, da beide Handlungsstränge zusammenlaufen und sich alle Puzzlestücke zusammensetzen. Die Autorin liefert uns nun auch Szenen aus der Sicht von Cardinal und diese sind wahnsinnig eindringlich, emotional und schlichtweg klasse geschrieben. Während ich mich also zu Beginn mit dem Roman etwas schwer tat, konnte ich ihn am Schluss gar nicht mehr aus der Hand legen.
Informationsgehalt
Phasma liefert uns nicht nur mehr Informationen über seine Titelheldin, sondern vor allem auch über Brendol und Armitage Hux. Wer also wissen möchte, was mit dem Erfinder des Kinder-Indoktrinationsprogramms der Ersten Ordnung nach Diener des Imperiums und der Nachspiel-Trilogie passiert, für den ist dieses Buch ein absolutes Muss. Seine Denkweise und Ideologie wird hier, als er in einer unbequemen Situation mitten auf einem fremden Planeten festsitzt, nochmals klarer. Auch seine Beziehung zu seinem Sohn wird auf eine interessante und überraschende Art ausgebaut.
Des Weiteren bekommen wir durch Cardinal, der als Ausbilder bei der Ersten Ordnung tätig ist und als Kind auch selbst diese Ausbildung durchlaufen hat, einen tieferen Einblick in die Indoktrinationsmaschinerie der Ersten Ordnung. Auch dieser Aspekt ist ziemlich interessant und dürfte gerne in weiteren Romanen, die in der Ersten Ordnung spielen, vertieft werden.
Fazit
Insgesamt hat mich Phasma durchaus positiv überrascht. Seine uninteressante und unsympathische Titelheldin kann der Roman zwar nicht rehabilitieren, aber er bietet dennoch jede Menge Spannung, großartig geschriebene Figuren und interessante Informationen zur Ersten Ordnung. Daher vergebe ich vier von fünf Holocrons.
Wir danken Penguin Random House UK und dem Century-Verlag recht herzlich für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!
Phasma in der britischen Ausgabe von Century könnt ihr euch auf Amazon.de bestellen. Eine deutsche Übersetzung des Romans ist vermutlich nächstes Jahr bei Blanvalet zu erwarten. Wenn Näheres bekannt wird, erfahrt ihr es natürlich bei uns.
Was ist eure Meinung zu Phasma?