Rezension: Tales of Light and Life holt Fans beider Phasen ab

… und bereitet die dritte vor, könnte man noch hinzufügen, denn die Young Adult-Anthologie umfasst sogar Geschichten vor Phase II und nach Phase I. Das klingt zunächst erstmal ganz schön verwirrend, ist es durch den chronologischen Aufbau des Buches aber gar nicht. Bevor im Oktober also die dritte Phase der Hohen Republik startet, liefern die Kreativen hinter dem Projekt uns ab dem 5. September in Print zunächst noch ein kollaboratives Werk. In Tales of Light and Life erwartet die Lesenden je eine Young Adult-Kurzgeschichte aller Mitglieder des Autor*innen-Teams, wobei beide bisherigen Phasen und sowohl bekannte als auch neue Charaktere vertreten sind. Wie die Kurzgeschichten in das Gesamtbild der Hohen Republik passen und ob sie sich lohnen oder nur ein nice-to-have sind, erfahrt ihr in dieser spoilerfreien Rezension.

Eine kurze Anmerkung vorab: Bei dem rezensierten Werk handelt es sich um die Standardausgabe, sodass keine Meinung zur Kurzgeschichte von Alyssa Wong, welche exklusiv in der US-amerikanischen Barnes & Noble-Ausgabe abgedruckt ist, geteilt werden kann. Auch wenn mich die Existenz einer solchen Sonderausgabe natürlich für die Amerikaner mit Zugang dazu freut, finde ich die Veröffentlichungsstrategie dahinter etwas fragwürdig. Eine ganze Geschichte als exklusives Extra zu behandeln, erscheint mir sowohl dem internationalen Publikum als auch Autor*in Alyssa Wong gegenüber nicht gerecht und eine alternative Beilage wie zum Beispiel ein Poster oder Lesezeichen wären hier angebrachter gewesen.

The Queen’s Bloom von Zoraida Córdova

In The Queen’s Bloom von Convergence-Autorin Zoraida Córdova geht es um Axel Greylark zu Studierendenzeiten. Viel mehr zum Inhalt werde ich bei 30 bis 45 Seiten Geschichte nicht vorwegnehmen, um euch die Handlung selbst entdecken zu lassen. Die erste Kurzgeschichte des Buches hat mir insgesamt gut gefallen, wenngleich sie etwas gebraucht hat, um richtig in Fahrt zu kommen. Besonders mochte ich die Charakterisierung des Protagonisten und dass wir einen direkten Einblick in seine Gedanken und Gefühle bekommen. Die Geschichte blieb angenehm auf seine innere Welt fokussiert und konnte mich mit einer spannenden Wendung überraschen. Sie macht Axel Greylark zu einem runderen und vielschichtigeren Charakter, als er es bisher sein durfte, was sowohl ihm als auch Zoraida Córdova und dieser Kurzgeschichte sehr zugute kommt.

A Closed Fist Has No Claws von Tessa Gratton

Tessa Gratton ist mein persönlich liebster Neugewinn für das Projekt – und beweist dies auch mit ihrer Geschichte über Marda Ro, in der sie mit der für Star Wars typischen Erzählweise aus der dritten Person bricht und stattdessen auf die Ich-Perspektive setzt. Um was genau es sich bei dieser Geschichte handelt, bleibt tatsächlich bis zum Ende weitestgehend unklar. Ein Tagebucheintrag? Ein Holovideo? Eine epische Rede? Auch wer angesprochen wird, bleibt in weiten Teilen ein Mysterium, wodurch man sich als Lesende teilweise selbst angesprochen fühlt. Dies sorgt nicht nur einmal für Gänsehaut. Tessa Gratton erzählt von einer Reise, die einen ganzen Roman hätte füllen können und mehr Fragen beantwortet, als es die gesamte zweite Phase geschafft hat. Mardas Geschichte ist nicht länger die tragische Erzählung einer manipulierten, gutgläubigen Frau, sondern die einer angsteinflößenden Bösewichtin ohne Skrupel. Eine geschlossene Faust mag keine Krallen haben, Tessa Grattons Kurzgeschichte jedoch schon!

Shield of the Jedi von George Mann

Zur Beruhigung der Emotionen aus der Ro-Geschichte wechseln wir lieber wieder zurück zu den Jedi. George Mann schreibt in seiner Geschichte über Silandra Sho und Rooper Nitani, ein Meister-Schülerin-Gespann, welches er in seinem ersten The High Republic-Roman einführte. Dies trägt dazu bei, dass die Charaktere trotz Zwischengeschichte von Tessa Gratton und einigen Jahren Zeitsprung weiterhin konsistent handeln und man vor allem Roopers Gedankenwelt leicht folgen kann. Shield of the Jedi ist keine lebensverändernde Geschichte, doch sie hält eine schöne Lektion für ihre Protagonistin Rooper bereit, die mich mit einem warmen Gefühl zurückgelassen hat und mich mit der letzten Zeile zu Tränen rühren konnte. Besonders Fans der beiden Frauen sowie des Schutzschild-Symbolismus werden viel Freude an dieser Geschichte haben.

The Lonely Traveler is Home von Daniel José Older

Fans von Phase I werden aufatmen – wir sind wieder zuhause. Im Gegensatz zum Hauptcharakter aus Daniel José Olders Geschichte zumindest. Denn Ram Jomaram ist auf Starlight Beacon weit weg von seiner Werkstatt auf Valo, und tut doch alles dafür, dass nicht seine Gefühle, sondern die seiner Freundin Zeen Mrala im Vordergrund stehen. Daniel José Older hat es wieder einmal geschafft, mich innerhalb weniger Seiten durch die verschiedensten Emotionen zu führen. Ihm gelingt es durch kaum einmal zwei Sätze, das Setting Starlight Beacon zum Leben zu erwecken und Lesende in die geschäftige Atmosphäre der Raumstation zu entführen. Ich habe nicht nur laut gelacht, sondern auch ein paar Tränen vergossen und selbst Botschaften aus der Geschichte mitnehmen können. Ihr könnt typisches Older-Feelgood gepaart mit der richtigen Mischung ernster Emotionen und Weisheiten erwarten. Wer lächeln möchte, ist hier richtig aufgehoben.

After the Fall von Claudia Gray

Claudia Gray erzählt die erste Geschichte der Anthologie, die über Phase I hinausgeht. Einen Tag, eine Woche und einen Monat nach dem Fall von Starlight Beacon angesiedelt, verfolgen wir in dieser vor allem Affie Hollows Gefühlslage. Nach eher ernüchternden Geschichten von Claudia Gray in der letzten Zeit (sowohl The Fallen Star als auch ihre zwei Comic-One-Shots konnten mich nicht überzeugen) findet sie hier nun langsam wieder zu alter Stärke zurück. Claudia Gray gefällt mir einfach am besten, wenn sie bei einem Charakter bleibt, und dass ihr dies auch am meisten liegt, hat sie mit dieser Story bewiesen. Durch ein paar kleinere Cameos und eingesprenkelte Informationen zum Status der Galaxis bekommt man beim Lesen das Gefühl, sich tatsächlich in einer realen Welt mit echten, nachvollziehbaren Emotionen und Reaktionen der Tragödienbetroffenen zu befinden. Emotional wirkungsvolle Passagen kommen auch nicht zu kurz. Richtung Ende driftet die Geschichte dann in eine meiner Meinung nach eher unglaubhafte und insgesamt zu unkomplizierte Lösung eines Konflikts ab, da wir es hier aber mit einer Kurzgeschichte zu tun haben, kann man ihr dies verzeihen. Auf eine weitere Armada Geode-Witze kann ich in Zukunft jedoch verzichten.

The Force Provides von Justina Ireland

… ist nicht mehr nur eine Sekten-Floskel, sondern, auf die richtige Art und Weise interpretiert, sogar eines jeden Jedi Wahrheit. Bei den nach Phase I angesetzten Geschichten ist es gar nicht mal so leicht, sinnvoll ohne Spoiler über den Inhalt zu berichten. Deswegen belasse ich es bei meinem Eindruck: The Force Provides schafft es, einen emotional zu packen, auch wenn man sich genau wie ihre Protagonistin manchmal fragt, warum man sich überhaupt auf genau diese Reise begeben hat. Insgesamt dient diese Geschichte vermutlich eher als Erklärung für den Aufenthaltsort Vernestra Rwohs und liefert zudem Antworten über das Schicksal so mancher Charaktere. Justina Ireland stellt Schmerz und Verlust dabei ganz anders dar als Claudia Gray vor ihr und lässt einen beim Lesen dieser Kurzgeschichte gleichzeitig verloren und dennoch entschlossen fühlen. Und am Ende stellt man wie so oft im Leben fest: Vieles mag sich im Moment sinnlos anfühlen, um einen schlussendlich dann doch an den richtigen Ort zu bringen.

All Jedi Walk Their Own Path von Charles Soule

In Charles Soules Geschichte über Bell nach dem Fall von Starlight Beacon ist der Name Programm. Die mit Flashbacks arbeitende Story erzählt nicht nur von Bells Suche nach Burryaga, sondern auch von einer Mission von Bell und seinem einstigen Meister Loden Greatstorm. Soule gelingt es dabei, die Fäden beider Handlungen geschickt miteinander zu verweben und die Moral – oder auch den Titel – der Geschichte in zwei herzerwärmende Momente aus Bells Leben zu verwandeln. Etwas schade ist, dass die The High Republic Show das Schicksal von Burryaga bereits verraten hat, wodurch diese Geschichte deutlich an Spannung verlor, dennoch konnte sie mich durch die tolle Aufarbeitung von Bells Vergangenheit und seinen inneren Kämpfen überzeugen.

Light in the Darkness von Cavan Scott

Auch Cavan Scott hat sich dazu entschieden, seine Geschichte über die zwei Geschwister Kian und Hoi aus der Ich-Perspektive zu schreiben. Wie auch schon Tessa Gratton schafft er es dadurch, sofort Nähe zu seiner Protagonistin aufzubauen, wobei diese definitiv angenehmer ist als jene von Marda Ro. So richtig warm geworden bin ich mit den Geschwistern allerdings leider nicht, dennoch erzeugt Cavan Scott effektiv Spannung und kontrastiert die Angst von Kian im Gegensatz zu Hois Mut wirkungsvoll. So richtig ergriffen hat mich die Geschichte erst, als bekannte Charaktere die Szene betreten, was den neuen Charakteren gegenüber etwas schade ist, aber letztendlich sind wir ja vor allem aufgrund unserer alten Bekannten auf diese Young Adult-Anthologie gespannt gewesen. Dass ich mit meinen Lieblingen mehr mitfiebere als mit „einfachen“ galaktischen Einwohnern, ist da nicht überraschend. Cavan Scott bringt in seiner Geschichte außerdem wieder die Hutten mit ins Spiel, ein interessanter Konflikt in der momentan chaotischen Galaxis, welcher Teasern zum Comic zufolge auch nochmal aufgegriffen werden wird. Tränen sind mir gegen Ende dann aber vor allem aufgrund einer bekannten Figur und ihrer Weisheiten gekommen, welche ich so schnell nicht vergessen werde.

The Call of Coruscant von Lydia Kang

Den Ruf Coruscants beschreibt Lydia Kang gleich auf zwei Ebenen. Zum einen ist da der tatsächliche Rückruf der Jedi in den Tempel des Hauptstadtplaneten, zum anderen aber auch der Reiz der Stadt selbst. In Lydia Kangs Geschichte lernen wir zwei neue Charaktere kennen, die mir direkt ans Herz gewachsen sind. Im Gegensatz zur vorherigen Geschichte wirken sie weniger wie Figuren, die eine Funktion zu erfüllen haben, sondern etwas vielschichtiger und runder. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass ich mich mit den Themen, die Padawan Amadeo Azzazzo und Meister Mirro Lox beschäftigen, besser identifizieren konnte. Während Amadeo sich zum ersten Mal in seinem Leben mit einer Wahl bezüglich seiner Zukunft konfrontiert sieht, wird Mirro die Vergänglichkeit des Lebens bewusst. Zwar bekommen wir nur einen kurzen Einblick in diese Gefühlswelten, dieser reicht für mich jedoch bereits aus, um in Phase III mehr von diesen Charakteren sehen zu wollen. Zudem gibt Lydia Kang auch der Stadt Charakter und schafft damit eine angenehme Abwechslung aus inneren Konflikten und der Umgebung, die diese Konflikte unterstreicht. Für mich ist dies überraschenderweise eine der besten Geschichten aus diesem Band!

Das Gesamtwerk Tales of Light and Life

Alles in allem kann ich die Anthologie Tales of Light and Life nur empfehlen. Wer Spaß an Phase II hatte, wird sich über ein paar kleine Einblicke in die Vergangenheit und Zukunft einiger Charaktere freuen, wer Phase I liebt, wird sich in diesem Buch fühlen, als würde man nach Hause kommen. Und wer beide Phasen mag, sollte nun schleunigst in den (digitalen) Buchhandel und die Geschichten verschlingen. Zugegeben, das Fehlen von Alyssa Wongs Geschichte hinterlässt einen etwas faden Beigeschmack. Gerne liefere ich eine kurze Rezension dazu nach, wenn diese dank Freunden im Herbst bei mir ankommt oder vielleicht doch noch digital verfügbar gemacht wird. Dennoch macht die Young Adult-Anthologie auch jetzt schon riesig Spaß. Es sind allerlei Emotionen dabei: von Freude und Wohligkeit über Angst und Schauder bis zu Trauer, Verlorenheit und Hoffnung – weder diese Gefühle noch die Charaktere kommen hier zu kurz. Sicherlich sind einige Geschichten relevanter als andere, aber auch ein Lückenfüller kann Spaß machen und lässt diese Ära noch expansiver, vielschichtiger und voller werden. Ich persönlich mochte A Closed Fist has No Claws von Tessa Gratton, The Lonely Traveler is Home von Daniel José Older und The Call of Coruscant von Lydia Kang am liebsten, habe jedoch bei jeder Kurzgeschichte mitfühlen können und teilweise sogar Tränen vergießen müssen. Keine einzige Geschichte ist schlecht oder versinkt im Mittelmaß, und je nach Lieblingscharakter, -phase oder -setting wird hier jeder etwas Passendes für sich finden und die eine oder andere Botschaft für sich mitnehmen können. Insgesamt ist das vor allem diese: For Light and Life!

Auf welche Geschichte aus der Anthologie freut ihr euch am meisten? Habt ihr diese bereits gelesen, und wenn ja, was war eure Lieblingsstory? Lasst es uns gerne wissen!

Bewertung: 5 von 5 Holocrons
Bewertung: 5 von 5 Holocrons

4 Kommentare

  1. Moin,
    da es sich hier um Young Adult Geschichten handelt, ist im Deutschen dann mit einer Veröffentlichung bei Panini zu rechnen? Oder werden die Geschichten eher einzeln im Magazin abgedruckt? Oder besteht die Gefahr, dass das gar nicht übersetzt wird?

  2. Ich dachte, dass die exklusive Barnes & Noble Edition sogar noch mehr zusätzliche Kurzgeschichten beinhaltet.

    Ich hasse diese Veröffentlichungsstrategie. Wie der Zufall allerdings spielt, bin ich im September in den USA und habe schon einen Barnes & Noble Laden im Visier. Ich hoffe mal, dass es nicht zu einer Verschiebung des Veröffentlichungsdatums kommt.

    Trotzdem verstehe ich dieses Vorgehen einfach nicht. Es ist ja nicht das erste Mal. Die Autoren der exklusiven Kurzgeschichten können ihr Werk nur von einem Bruchteil der Fans lesen lassen, die Fans an sich sind sauer etc. Einfach nur ärgerlich. Auch wenn ich da an den Con-exklusiven Jaxxon Comic denke, der bald erscheint. Ich hoffe, dass das nicht endgültig Schule macht.

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