Rezension: Andor 1×08-10: „Narkina 5“-Dreiteiler

Lieber sterbe ich bei dem Versuch, sie zu vernichten, als dabei, ihnen zu geben, was sie wollen.

Mit etwas Verspätung, aber nicht weniger Begeisterung erscheint nun in gesammelter Form und kurz nach dem großen Finale der ersten Staffel, dessen Rezension von Tobias auch noch heute erscheinen wird, noch ein Blick auf die Andor-Episoden „Narkina 5“, „Niemand hört zu“ („Nobody’s Listening“) und „Ein Weg raus“ ( „One Way Out“). Verantwortlich für diesen direkt zusammenhängenden Dreiteiler sind hauptsächlich Beau Willimon als Autor, Toby Haynes als Regisseur – der diesen Posten auch schon für die ersten drei Folgen der Serie bekleidete – sowie selbstverständlich Tony Gilroy als Showrunner der gesamten Serie.

Wie immer sind diese Rezensionen nicht spoilerfrei und gehen genauer auf die Inhalte ein.

Nachdem er am Ende von Folge 7 verurteilt wurde, landet Cassian nun in der Strafkolonie auf Narkina 5. Ein sehr schönes EU-Detail, dass auf dem Weg dorthin auch der Gefängnisplanet Belsavis, der The Old Republic-Spielenden vertraut sein dürfte, als Ziel anderer Gefangener erwähnt wird. Auf Narkina angekommen stellt Andor, der sich immer noch Keef Girgo nennt, fest, dass durch endlose Ozeane, über Nacht und zu Strafzwecken überhitzende und bei Bedarf gravitationsverändernde Fußböden sowie ein schreckliches Belohnungs- bzw. Bestrafungssystem an der Tagesordnung stehen. So werden die Gefangenen effektiv kontrolliert und ihr Wille gebrochen. Alle drei Folgen schaffen es dabei ausnahmslos, dieses bedrückende Setting und die Grausamkeit, die das Imperium hier anwendet, unfassbar gut einzufangen. Man spürt die ganze Laufzeit förmlich, wie es sein muss, in diesem Gefängnis leben zu müssen. Der Alltag, besser als die anderen Teams zu sein, eines Tages die Entlassung als einziger Hoffnungsschimmer in diesem tristen Leben – es wird für uns Zuschauende unglaublich greifbar.

Auf seiner Station 5-2-T angekommen warten gleich zwei Überraschungen auf uns: die erste ist der großartige Andy Serkis (verkörperte schon Snoke in der Sequel-Trilogie) in seiner zweiten Star Wars-Rolle als Schichtleiter Kino Loy. An dieser Stelle darf ich bereits vorwegnehmen, dass Serkis für mich in den drei Folgen unfassbar gutes Schauspiel abliefert. Mit seiner großen Ansprache in Folge 10 gehört ihm eines der Highlights der Staffel, sowohl vom Writing als auch vom Schauspiel her. Was in Loy vorgeht und welche Entwicklung er durch Cassians Erkenntnisse durchmacht, wird unglaublich gut vermittelt. Gilroy und Willimon schaffen so einen menschlichen Gegensatz zur kalten, klinischen Einrichtung und Kino Loy steht so stellvertretend für alle Gefangenen als schnell liebgewonnene und dabei so authentische Figur. Dazu ist es sein Wandel, der wiederum Andor selbst beeinflusst und ihn viel über das Imperium und sich lernen lässt.

„Warum erinnerst du dich nicht an mich?! War ich so sehr nur ein NPC für dich?“

Die andere große Überraschung ist sicher die Rückkehr von Duncan Pow als Ruescott Melshi. Dieser ist von Jyn Ersos Befreiung auf Wobani bis zur Schlacht von Scarif eine wichtige Nebenfigur in Rogue One, was allerdings den wenigsten noch bewusst gewesen sein dürfte. Ich verweise dabei gern auf unseren JediCast zu Folge 5-8, in dem wir kurz vor Schluss bemerkt haben, dass diese Figur nicht mehr allen geläufig war. Jedenfalls ergreift die Serie mit seiner Vorgeschichte und der Beziehung zu Cassian eine weitere wunderbare Chance, die Welt von Rogue One zu erweitern und einen noch größeren Blick auf ihre Figuren zu bieten.

Die ersten beiden Folgen nehmen sich schließlich alle Zeit, die sie brauchen, um Narkina 5 und das (Zusammen-)Leben dort zu präsentieren, ähnlich wie es schon der Aldhani-Mehrteiler getan hat. So kann sich in Folge 10 „Ein Weg raus“ alle Spannung entladen und die Gefangenen, die bisher Tag für Tag undefinierte Bauteile zusammenschrauben müssen, nach dem Tod des Älteren Ulaf, einer schockierenden Enthüllung auf Ebene 2 und einer von Cassian ermöglichten Gelegenheit die Kontrolle übernehmen und ausbrechen. Wie dieser Ausbruch inszeniert ist, steht meiner bisherigen Favoriten-Folge 6 „Das Auge“ in nichts nach. Wieder sind Musik, Kamera, Schauspiel und Schnitt perfekt eingesetzt, um Spannung zu erzeugen und mit den Charakteren mitfiebern zu lassen. Die Serie setzt die Erzählstruktur ihrer einzelnen Blöcke gekonnt um und erzeugt so ein spannendes Mehrteilerfinale nach dem anderen. Ich bleibe beim Fazit meiner bisherigen Rezensionen: Andor ist ganz großes Star Wars-Kino im Serienformat.

Möge das Deo auf Narkina 5 lange halten…

Es bricht einem das Herz, als Melshi und Andor fliehen können und Kino Loy zurückbleibt, weil er nicht schwimmen kann. Ich hoffe so sehr, dass er überlebt hat und wir zu späterer Gelegenheit mehr von ihm zu sehen bekommen, wäre aber auch nicht überrascht, wenn Gilroy uns in seiner grausamen, bedrückenden Vision der Galaxis unter der Herrschaft des Imperiums uns auf diese Frage die Antwort schuldig bleibt.

Auch wenn Andor wieder den Mammutanteil der Laufzeit ausmacht, so finden sich in den Folgen doch auch die Fortsetzungen ein paar anderer Handlungsstränge und ihrer Figuren. So treffen wir mit Rebellen-Netzwerker Luthen Rael, dem die ISB unter dem Codenamen „Axis“ auf der Spur ist, den wieder einmal von Forest Whitaker dargestellten Saw Gerrera. Ob in Rogue One, Rebels, Jedi: Fallen Order oder The Bad Batch, Saw ist bei audiovisuellen Geschichten zwischen Episode III und IV oft mit dabei. Ich muss allerdings ein sehr großes Lob für seine Darstellung in diesem kurzen Auftritt aussprechen. Cassian und Melshi wirken nicht wirklich wie fünf Jahre jünger als in Rogue One (ihre Schauspieler sind allerdings auch fünf Jahre älter, insofern…), Saw hingegen ist vom Look perfekt zwischen dem Flashback in Rogue One und seinem eigentlichen Auftritt getroffen. Auch spielt Whitaker ihn noch mit einer ganz anderen Vitalität als es seine körperlichen Gebrechen im Kinofilm zugelassen hätten.

Luthens Anliegen für seinen Besuch ist jedenfalls ein Überfall des Rebellen Anto Kreegyr auf ein imperiales Kraftwerk namens Spellhaus, für das er Luftunterstützung benötigt. Bemerkenswert, wie die Serie die Galaxis größer macht und es schafft, die weiteren Folgen hindurch den gesamten Handlungsstrang um Kreegyr und Spellhaus nur „Hinter den Kulissen“ zu zeigen und nur darüber zu sprechen, ohne je in der Handlung direkt dorthin zu springen. Gutes, atmosphärisches Worldbuilding, was sich als kreativer Segen erweist. So erfahren wir nur über Luthen, Saw und die ISB, was bei Spellhaus vor sich geht.

Saw Gerrera, der Wong des Star Wars-Kanons.

Apropos ISB: Bei unseren Antagonist*innen Dedra Meero und Syril Karn laufen währenddessen allmählich die Fäden zusammen und es bleibt spannend, zu sehen, wo diese „Symbiose“ des Bösen in Zukunft noch hinführen wird. Für Mon Mothma wird es unterdessen immer enger, während sie versucht, durch alte chandrilanische Kontakte weiter ihre verdächtigen Kontoaktivitäten zu verbergen. Das Ende von Folge 10 mit Luthens Monolog für seinen ISB-Kontaktmann Lonni Jung bringt uns auch endlich nicht nur Luthen als Charakter näher, sondern einen weiteren Highlightmoment der ganzen Serie. Luthen bringt auf den Punkt, was es bedeutet, die junge Rebellion aufzubauen, die die gesamte Galaxis verändern wird, aber auch, welchen Preis er dafür zahlt. Mit diesen Gedanken steht auch Luthen in der Tradition der tragischen Rogue One-Figuren, die durch ihre Taten und Opfer die Heldenreise von Luke, Han und Leia uns schlussendlich die Befreiung der Galaxis vom Imperium überhaupt erst ermöglichen, ohne die Freiheit je erleben zu können.

Ein Dreiteiler also, der an genau der richtigen Stelle zur Staffel steht. Er bringt die Figuren allmählich in Position für das zweiteilige Finale, zeigt das Imperium von seiner schlimmsten Seite, bleibt stets realistisch (soweit man einer Science-Fiction-Serie dieses Attribut verleihen kann), bringt Andor charakterlich auf den Pfad zur Rebellion und gibt uns starke (Charakter-)Momente. Es ist kein Geheimnis mehr, dass ich diese Serie wirklich liebe und nahezu perfekt finde. Das ist Star Wars, wie ich es gerne sehe und so gehen mir allmählich die Holocrons zum Vergeben aus.

Bewertung: 5 von 5 Holocrons
Bewertung: 5 von 5 Holocrons

3 Kommentare

  1. Die Folgen waren sehr cool und der Nebencharakter war mir auch nicht mehr geläufig. Was mich schockierte das ich Belsavis überhört haben muss O_O schließlich ist das mein Lieblingsplanet in SWTOR. 😱
    Saw ist wirklich gut getroffen für die Zeit in der es spielt :’D

  2. Für mich der stärkste Teil der Serie, die ich insgesamt eher mäßig fand. Aber beim Gefängnis-Arc hat wirklich alles gestimmt, das dystopische Setting war klasse ausgespielt und man konnte die beklemmende Atmosphäre wirklich in jeder Sekunde spüren, v.a. als die Gefangenen rausfanden, dass sie niemals wieder in Freiheit kommen werden, wenn es nach dem Imperium geht.

  3. War echt stark der Gefängnis-Teil. Schön dichte Kammerspielatmosphäre und toller Andy Serkis. Wie eine orwellsche Dystopie. An den Typ aus Rogue One konnt ich mich aber auch nicht mehr erinnern. Die Post-Credit-Szene am Ende von Folge 12 bringt in Verbindung mit Rogue One dann nochmal eine Schippe Tragik obendrauf.

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