Rezension: The Rise of Skywalker: Expanded Edition von Rae Carson

Vor etwa drei Monaten durften wir in den Kinos das Ende der Skywalker-Saga in Form von The Rise of Skywalker sehen. Jetzt erscheint auch endlich für alle Freunde des gedruckten Wortes der Roman zum Film beim britischen Verlag Century. Die von Rae Carson geschriebene Adaption wird, wie schon die vorigen Filmromane, als Expanded Version vermarktet, was nichts anderes bedeutet, als dass das Buch über den Film hinausgehende Szenen enthält. Doch wie gut fängt der Roman die Essenz des Films ein? Kann er Lücken füllen und Fragen beantworten, die im Film nicht thematisiert wurden? Und darf Carson vielleicht nun, da die Trilogie beendet ist, etwas tiefer in die Gedankenwelt der Figuren eintauchen, die bisher immer geheimnisvoll bleiben mussten, um den Filmen nichts vorwegzunehmen?

Um erstere Frage direkt zu beantworten: Wie die allermeisten Star Wars-Filmromane, ist auch The Rise of Skywalker wieder eine kompetent umgesetzte Adaption, welche den Film originalgetreu nacherzählt. Allerdings könnte man fast schon sagen, dass der Roman in einem Punkt zu originalgetreu ist: nämlich was das gehetzte Feeling angeht, das der Film vermittelt. Dieser will, wie ich in meiner Filmkritik schon zu beschrieben hatte, zu viele Ideen in zu wenig Zeit packen. Das Medium des Romans hat allerdings nicht dieselbe Beschränkung wie ein Kinofilm, der nunmal aus wirtschaftlichen Gründen nicht zu lang werden darf, damit eine gewisse Anzahl an Vorstellungen am Tag umsetzbar sind. Da verwundert es umso mehr, dass Rae Carsons Umsetzung als einer der kürzesten Erwachsenenromane im Star Wars-Kanon daherkommt. Mit nur 247 Seiten ist der Roman auffallend schlank geraten. Ich habe das Gefühl, dass ein paar Seiten mehr vielleicht gut getan hätten, denn über weite Strecken beschränkt sich der Roman dann doch auf ein rein deskriptives „Abschreiben“ dessen, was auf dem Bildschirm passiert, ohne allzu viel Eigenes hinzuzufügen.

Von den eigenen Beiträgen, die der Roman leistet, möchte ich zwei besonders erwähnen. Erstens schafft es Rae Carson sehr gut, die im Film recht ungelenk wirkenden Leia-Szenen in ein besseres Licht zu rücken. Aufgrund von Carrie Fishers Tod waren die Szenen mit Leia, die für den Film zur Verfügung standen, ja sehr beschränkt. Deshalb wirken ihre Dialoge oft recht gezwungen und wenig authentisch. Das Tolle am Romanformat ist, dass es durch Fishers Tod überhaupt nicht beeinträchtigt wird. Rae Carson macht das einzig Richtige: Sie gibt Leia mehr Raum, mehr Dialog und mehr Platz, uns ihre Gedanken mitzuteilen. Das macht die Figur so viel plastischer und authentischer als die Dialogfetzen, die sie im Film von sich gibt. Allein für diese Verbesserung lohnt es sich schon, den Roman zu lesen.

Der zweite Schwerpunkt, den der Roman schön ausarbeitet, ist die Beziehung zwischen Chewbacca und Ben Solo. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich mir über diese Konstellation bis jetzt wenig Gedanken gemacht habe – vielleicht auch weil die Filme sie so sträflich vernachlässigen. Carson leistet hier tolle Arbeit und zeigt uns bei einer gemeinsamen Szene der beiden, wie sehr Chewbacca den kleinen Ben doch geliebt hat und wie eifersüchtig Kylo Ren auf Rey ist, die ihm seinen Platz im Herzen von „Onkel Chewie“ streitig zu machen scheint. Ein wirklich schöner Zusatz, von dem ich erst jetzt gemerkt habe, dass er den Sequels sehr gefehlt hat.

Leider überzeugen mich aber nicht alle zusätzlichen Szenen und Einblicke so sehr wie die beiden genannten. Der Roman setzt oft an, eine zusätzliche Geschichte zu erzählen, zieht es dann aber nicht durch – wahrscheinlich, um nicht zu sehr vom Film-Plot abzuweichen. Beispielsweise wird uns Lando auf Pasaana ausführlicher vorgestellt und wir erfahren ein wenig darüber, was er seit seinem letzten Film-Auftritt getrieben hat. Allerdings fehlt dann meiner Meinung nach Landos Suche nach den Verbündeten. Da die Unterstützer des Widerstandes am Ende des Films sehr unvermittelt als Deus ex machina auftauchen, hätte ich gedacht, dass deren Zusammentrommeln definitiv etwas ist, was der Roman näher erklären und zeigen würde. Leider Fehlanzeige.

Ähnlich erfolglos versucht Rae Carson, Zorii Bliss zu einem vollwertigen Charakter auszubauen, indem sie ihr einige zusätzliche Szenen gibt. In diesen flieht Zorii von Kijimi, rettet Babu Frik und wir bekommen eine weitere wichtige Person aus ihrem Leben vorgestellt. Allerdings wirkt dieser ganze Nebenplot sehr aufgesetzt und gewollt auf mich und er führt auch nirgendwo hin. Zorii bleibt weiterhin unwichtig und taucht nur am Ende in der Schlacht wieder auf. Die zusätzlichen Szenen mit ihr konnten mein Interesse an der Figur jedenfalls nicht wecken.

Der Roman versucht natürlich auch, wichtige Fragen, die im Film offen blieben, zu klären. Beispielsweise wird es im Roman deutlicher als im Film, was Finn Rey sagen wollte. Auch Palaptines und Reys Verwandtschaftsverhältnis wird etwas näher beleuchtet, wobei etwas Überraschendes enthüllt wird, das im Film nicht klar wurde. Allerdings bleibt Carson hier so vage, dass meine Fragezeichen zu diesem Punkt nicht wirklich beseitigt werden konnten beziehungsweise neue entstanden sind.

Die letzte meiner eingangs gestellten Fragen war, ob wir endlich mehr Einblick in die geheimnisvollen Figuren der Sequels bekommen, die bisher so sehr unter Verschluss gehalten wurden, dass man kaum etwas über ihre Gedankenwelt erfahren durfte. Wie bereits erwähnt, ist dies bei Kylo Ren recht gut gelungen. Gerade in den Szenen mit Figuren aus seiner Vergangenheit, also Leia, Han und Chewie, bekommen wir einen guten Eindruck von Kylo Ren bzw. Ben Solo. Dieser hat nun auch schon The Rise of Kylo Ren ein wenig mehr Hintergrundgeschichte erhalten und ist mittlerweile ein ausgearbeiteterer Charakter geworden.

Eine große Enttäuschung ist leider nach wie vor Rey. Ich muss sagen, dass ich bisher immer noch keinen Roman gelesen habe, in dem sie mich überzeugt hätte. Meine Hoffnung war eigentlich, dass man jetzt, wo ihre mysteriöse Familiengeschichte enthüllt ist, etwas mehr in die Tiefe gehen könnte, um Rey näher kennenzulernen und sie zu verstehen. Leider bleibt aber auch der Filmroman The Rise of Skywalker, was Rey angeht, absolut oberflächlich. Was will sie eigentlich? Warum tut sie das, was sie tut? Wie stellt sie sich ihre Zukunft vor? Was findet sie eigentlich so toll an Ben Solo? – Auf keine der Fragen habe ich bis jetzt eine Antwort gefunden und auch der Roman konnte sie mir nicht liefern. Rey bleibt eine von den Notwendigkeiten der Handlung getriebene Marionette ohne Eigeninitiative und in der Geschichte, die eigentlich ihre sein sollte, die schwächste Figur. Das ist allerdings wohl nicht der Fehler des Romans allein, sondern der Sequels als Ganzem.

Insgesamt ist The Rise of Skywalker ein ganz solider Filmroman, der Freunde dieses Genres sicher nicht enttäuschen wird. Einige Ideen werden hier schön erweitert und ausgearbeitet, sodass es sich lohnt, das Buch zu lesen. Meiner Meinung nach hätte es aber noch viel mehr Ansatzpunkte für einen solchen Roman gegeben, die nicht genutzt wurden. Daher vergebe ich drei von fünf Holocrons.

Der Rezensent vergibt 3 von 5 Holocrons!
Bewertung: 3 von 5 Holocrons

Wir danken Penguin Random House UK und dem Century-Verlag recht herzlich für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

The Rise of Skywalker: Expanded Edition in der britischen Ausgabe von Century könnt ihr euch auf Amazon.de¹ bestellen. Wer die deutsche Übersetzung lesen will, muss sich noch bis zum 27. Mai 2020 gedulden; sie kann aber bereits auf Amazon.de¹ vorbestellt werden.

Was ist eure Meinung zu The Rise of Skywalker: Expanded Edition ?

4 Kommentare

  1. Ich kann mich Ines weitgehend anschließen. Das Buch rettet den Film nicht – kann es auch nicht – aber liefert an ein paar Stellen (gerade bzgl. Palpatine) interessante Zusatzinfos. Rae Carson hat einen sehr angenehmen Stil und ich würde mir nach Most Wanted und The Rise of Skywalker: Expanded Edition mehr von ihr wünschen, gerne auch unabhängig von Filmen, aber selbst das rettet das Buch nicht. Genau wie Ines beschreibt hat man das Gefühl, dass ihr – gerade bei Rey, aber auch andernorts – die Hände noch viel zu gebunden waren als dass sie da etwas Tiefgehenderes hätte liefern können. Also gerade bei der Palpatine-Enthüllung hätte ich mir eine Reihe Rückblenden in ihren Gedanken gewünscht, wie sie sich an ihre Kindheit erinnert und dieses neue/wiederentdeckte Wissen mit ihrem Selbstbild integriert. Der Moment mit der „You’re a Palpatine“-Enthüllung wirkt zwar nicht so komisch wie im Film (ich musste damals wirklich lachen, dabei sollte es dramatisch sein!), viel besser wird er aber auch nicht.

    An den Stellen wo Carson dem Untertitel „Expanded Edition“ gerecht wird, macht das Buch wirklich Spaß, gerade z.B. wenn die „Just People Fleet“ über Exegol ankommt, aber ansonsten ist der Mehrwert gering.

    Abschließend plädiere ich dafür, künftig einfach keine Filmromane mehr zu machen, sondern nur 40 Jahre (oder 5… oder 10…) nach dem Film eine Anthologie im Stile von „From A Certain Point of View“ zu veröffentlichen. Das hätte mehr Mehrwert. Das Genre der „Novelisations“ an sich hat heutzutage einfach keinen Sinn mehr, insbesondere, wenn immer noch der Mantel der Geheimhaltung und der Schleier der vagen Verzerrung über die Figuren geworfen werden.

    1. Au ja, bei der Forderung bin sofort dabei! „From a Certain Point of View“ hat 1000 Mal mehr Mehrwert als alle Filmromane zusammen. Ich bin ja auch für eine Abschaffung dieses Genres und halte es generell für verschwendete Lebenszeit.

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