Mit Der Sammler liefert uns Panini knapp 2 Monate nach der Veröffentlichung im Egmont-Verlag und einen Monat nach der Veröffentlichung bei Disney-Lucasfilm Press die deutsche Übersetzung von Force Collector. In diesem Roman von Kevin Shinick begibt sich der Protagonist Karr auf eine Reise durch die Galaxis, um mehr über die Macht, die Jedi und letztlich sich selbst zu erfahren. Die englische Ausgabe hat Florian bereits letztes Jahr für euch rezensiert.
Karr ist ein Teenager wie viele andere in der Galaxis. Er geht zur Schule, unterstützt seine Familie bei der täglichen Arbeit und steht auf schnelle Gleiter und Droiden.
Doch er hütet auch ein Geheimnis, denn wenn er bestimmte Gegenstände berührt, bekommt er gemeine Kopfschmerzen und hat Visionen von Leuten, die er noch nie zuvor gesehen hat.
Während seine Eltern sich große Sorgen machen, ist seine Großmutter davon überzeugt, dass die Macht zu dem Jungen spricht. Doch es ist Jahre her, seit man das letzte Mal von den Jedi oder dem legendären Luke Skywalker gehört hat. Zusammen mit der vorwitzigen Maize und seinem Droiden-Kumpel RZ-7 macht sich Karr auf den Weg, um Antworten zu finden, und stößt dabei auf das größte Abenteuer seines Lebens …
Klappentext von Der Sammler
Die Handlung
Die Erzählung beginnt sehr ungewöhnlich für einen Star Wars-Roman. Wir bekommen zunächst den Eindruck, es mit einem ganz normalen Jugendlichen zu tun zu haben, der zur Schule geht und mit Mobbing zu kämpfen hat, aber dann eben auch über eine eher unübliche Verbindung zur Macht verfügt. Er ist kein Jedi, noch scheint er einer werden zu können und trotzdem besitzt er die Fähigkeit, die Vergangenheit von Objekten – ähnlich wie Quinlan Vos in The Clone Wars oder Cal im Videospiel Jedi: Fallen Order – bei einer Berührung sehen zu können. Nachdem er erfährt, dass seine Eltern ihn aus Angst vor seiner Gesundheit von der Schule nehmen wollen, beschließt er kurzerhand, auf eine Reise durch die Galaxis zu gehen, um selbst mehr über seine Fähigkeiten, und jene, die diese vor ihm hatten, zu erfahren.
Die Handlung von Der Sammler war für mich eine der besten eines Jugendromans der vergangenen Jahre. Mein absoluter Favorit ist und bleibt zwar Verlorene Welten, aber wenn mich jetzt jemand fragen würde, welcher Roman perfekt für den Einstieg in die Literatur rund um Star Wars wäre, würden sich beide Werke einen harten Kampf liefern müssen. Die anfängliche Skepsis meinerseits schwand schnell, als Karr den ersten Planeten und ersten Gegenstand auf seiner Reise findet und ich zufrieden feststellen konnte, dass wir es hier eben nicht mit einem reinen Nacherzählen der Filmhandlung zu tun haben, sondern mit einer eigenständigen Story, die auch in einem ganz neuen Ausmaß die bisherigen Filme vor Episode VII einbezieht. So kam es dazu, dass ich den Roman wirklich nicht mehr aus den Händen legen konnte und immer wieder darüber nachgedacht habe, welche Hinweise Karr nun im folgenden Ablauf zu welchen Erkenntnissen bringen und wie ihm diese auf seiner Reise helfen werden.
Große Freude empfand ich auch dabei, dass nicht nur die Filmhandlungen als Visionen durch Karr erspürt werden, sondern auch Ereignisse aus Serien wie Star Wars Rebels oder vor allem The Clone Wars mit in die Reise Karrs eingeflochten wurden. Selbst der nun obligatorisch gewordene Ausflug nach Batuu hat sich in diesem Roman nicht so angefühlt, als wäre er erzwungen, und hat sogleich auch noch eine wichtige Frage für Episode VII geklärt. Allgemein ist die Detailverliebtheit in diesem Roman meiner Meinung nach fast unerreicht. So baut der Autor lange bekannte Figuren ein, die beispielsweise in der Cantina-Szene zu sehen waren, und sich in dieser auffällig in die Kamera drehten, als Ben Kenobi Chirurg spielte. Doch nicht nur Figuren spielen eine besondere Rolle, auch Gegenstände und Raumschiffe werden so intelligent eingebaut, dass man sich nur darauf freuen kann, wohin Karr die damit verbundenen Hinweise als nächstes verschlagen werden. Mit dieser Erzählstruktur schafft es der Roman auch sehr gut, ein angenehmes Pacing aufrecht zu erhalten, das nur am Ende durch die persönliche Geschichte Karrs etwas unterbrochen wird. Trotzdem war gerade das Ende des Romans eine schöne Idee, um die weiteren Aufgaben des Hauptcharakters für die Zukunft in Stellung zu bringen und gleichzeitig eine andere Perspektive auf bereits bekannte Ereignisse zu eröffnen.
Auch wenn mir die Richtung gefällt, muss ich zugeben, dass der Roman – wie gerade schon angesprochen – an vielen Stellen vor allem an der persönlichen Geschichte des Hauptcharakters scheitert. Kevin Shinick hat es meines Erachtens sehr gut geschafft, bekannte Szenen neu zu beleuchten, während er bei der eigenständigen Geschichte Karrs vor allem gegen Ende des Romans, deutliche Schwächen aufweist. Trotzdem ist die Story im Gesamtblick fesselnd und macht – durch die Fähigkeit Karrs – Lust auf mehr.
Dabei sei auch erwähnt, dass der Roman keine konstruierte Kampfsequenz eingebaut hat, die nur dazu da ist, um sie zu haben. Ich erinnere dabei unter anderem an den Roman Blutlinie, in welchem die am Ende stattfindende Mission von Leia meiner Meinung nach überhaupt nicht in das sonst so gut geschriebene politische Setting passte.
Die Figuren: Karr, Maize und RZ-7
Karr ist als Hauptcharakter eine eher beliebige Figur, die – wie in einem Jugendroman üblich – primär mit sich selbst hadert und seinen Platz in der Galaxis sucht. Durch seinen persönlichen Verlust fühlt er sich allein gelassen und die Angst seiner Eltern, die nicht an eine Machtfähigkeit seinerseits, sondern an eine Krankheit glauben wollen, treibt ihn schließlich dazu, sich mit Maize auf eine Reise durch die Galaxis zu machen, um die Pfade der mysteriösen Jedi – die kaum noch jemand zu kennen scheint – zu ergründen. Karr ist dabei der typische Anknüpfungspunkt für den Leser, was auch gut funktioniert. Ich habe diese Figur gern auf ihren Reisen begleitet und selbst wenn er erst 17 Jahre alt ist, so agiert er nicht wie ein klassischer, kindlicher Tollpatsch – ein Prototyp, der im Star Wars-Universum bekanntlich in Serien sehr beliebt ist. Im Gegenteil: Karr besticht durch seine ironische und teilweise fast schon zynische Art, was zu einem sehr guten Teil des Romans führt, welchen ich später noch extra erläutern möchte: dem Humor.
Mit Maize wird Karr ein spannender Charakter an die Seite gestellt, der aber überraschend im Hintergrund bleibt. Bei ihr ist vor allem ihre Familiengeschichte interessant, da ihr Vater ein hoher Bürokrat der Ersten Ordnung ist, was direkt auch mit Karrs Bestrebungen verknüpft wird. Auch hier kann ich die Handlung nur loben, da sie nahezu perfekt mit den Ambitionen der einzelnen Figuren arbeitet und alle Handlungen nachvollziehbar erscheinen. Auch Maizes Vater ist in meinen Augen eine sehr gute Kreation. Ich war mir beim Lesen nie sicher, ob er nun ein Unwissender in den Reihen der Ersten Ordnung ist oder er sein Wissen so tief als ideologisch richtig verankert hat, dass er gar keinen Anlass darin sieht, sein Wirken für die Erste Ordnung irgendwie als schlecht anzusehen oder zu hinterfragen. Eine Szene im Buch hat mich beispielsweise erschreckend an Aufnahmen vom Obersalzberg erinnert, in welchen NS-Offiziere oft als ganz normale Väter auftraten, während sie nach dem Abendessen die nächsten Kriegsverbrechen planten. Ich würde mich freuen, über diese Familienkonstellation noch mehr zu erfahren!
RZ-7 als der obligatorische Droide in Der Sammler ist keineswegs nur da, um einen Droiden zu haben, sondern trägt die Handlung hervorragend mit. Als eine Kreation von Karr besteht er aus dem Schaltkreis eines Protokolldroiden, der Festplatte eines Astromechs und dem Körper eines Medizindroiden. Seine Persönlichkeit ist wunderbar eingefangen und hat mich sehr an K-2SO aus Rogue One erinnert. So ist der Droide aber nicht nur ein lustiger Stichwortgeber, sondern auch ein tatsächlicher Freund für Karr, mit dem längere Konversationen geführt werden und der auch Ideen und Erfahrungen mit ihm teilt. Somit ist er weniger ein stiller Begleiter, sondern ein fundamentaler Teil der Geschichte und hat fast den Rang eines menschlichen Begleiters (wenn man bedenkt, dass Droiden bisher eher weniger Einfluss auf die Handlungen der Hauptfiguren gehabt haben).
Der Humor
Ich habe selten einen so guten Humor in einem Star Wars-Roman lesen können. Er ist pointiert und keinesfalls aufdringlich wie in manchem Star Wars-Film der jüngeren Generation oder gar einigen Marvel-Produktionen. In diesem Roman profitiert der Humor vor allem von den Charakterinterdependenzen zwischen Maize und Karr sowie Karr und RZ-7!
Karr: „Danke Erzett! Für einen Droiden bist du ausgesprochen weise.“
RZ-7: „Danken Sie nicht mir. Danken Sie meinem Erbauer – blinzel, blinzel.“
Karr lachte: „Darauf, das mit dem Blinzeln zu sagen, bist du eigentlich gar nicht programmiert.“
RZ-7: „Nun, auch das sollten Sie mit meinem Erbauer klären. Immerhin ist er derjenige, der mir keine Augenlider gegeben hat.“
Der Sammler, Seite 207
Das Konzept
Die Idee, bereits bekannte Ereignisse als Rahmenhandlung des Romans zu nehmen, hat mir anfangs einige Zweifel beschert. Doch der Autor schafft es hervorragend, diese bekannten Ereignisse so kurz darzustellen, dass alle Leser (vorausgesetzt sie haben die Filme gesehen) sofort wissen werden, um was es sich handelt und wieso manche Orte verwaist sind und andere eben nicht. Dabei fügt er außerhalb der Visionen den jeweiligen Orten noch einiges an Lore hinzu oder packt bereits erfundenes Zusatzwissen zu Orten aus Enzyklopädien oder ähnliches in den Roman, wodurch man bei allen Handlungsorten einen Mehrwert hat, der über die interessante Geschichte rund um Karr hinausgeht!
Zuletzt möchte ich noch ein paar Worte zum Ende des Romans beziehungsweise seine Implikationen verlieren. Ich werde dabei darauf achten auf Spoiler zu verzichten! Ich bin optimistisch, dass das Ende des Romans keine seltsame Meta-Bedeutung hat, sondern lediglich der Aufhänger für Karrs weitere Geschichte ist, in welcher er dazu beiträgt, die Bibliotheken der Galaxis zu füllen… (ich hoffe das war allgemein genug).
Die Relevanz
In Florians Rezension kam der Punkt auf, dass der Roman wenig Mehrwert hat und „das meiste daraus bestimmt bald wieder vergessen“ sein wird. Dem kann ich in gewisser Weise sogar zustimmen. Aber leider kann ich diese Kritik auch auf Werke anwenden, die für sich proklamieren Relevanz zu haben. So kam in meiner Rezension zu Der Funke des Widerstands der Kritikpunkt zum tragen, dass der Roman zwar bekannte Figuren aus der Sequel-Trilogie behandelt, diesen aber keinerlei Entwicklung zugesteht und auch die Story komplett von anderen Werken entkoppelt ist. Auch sehr gute Werke wie Resistance Reborn mussten sich am Ende mit dem Stempel weniger Relevanz versehen lassen, da der Film diese nicht zuließ. Dieser Roman hier versucht erst gar nicht Relevanz für kommende Werke vorzuspielen und erzählt in meinen Augen trotzdem eine spannende Geschichte, die bekannte Ereignisse in ein teilweise neues Licht rückt. So endet der Roman zwar vor Episode VII, kann aber auch von sich behaupten, seinen Figuren – die losgelöst von einem Filmcast sind – wirkliche Erlebnisse zugestanden zu haben. Das große zugrunde liegende Problem ist und bleibt natürlich die Degradierung der Romane zu reinen Begleitwerken, die den Filmen zuarbeiten sollen, sie aber nicht stören dürfen. Deshalb habe ich mehr Spaß an einem solchen Roman, der das alles erst gar nicht versucht, sondern direkt rückwirkend auf bereits bekannte Filmhandlungen blickt und darum eine Geschichte entspinnt.
Fazit
Der Sammler ist für mich ein sehr guter Jugendroman, der die Geschichte, die er erzählen will, trotz bekannter Fahrwasser um die ein oder andere Böe ergänzt und damit den Leser trotz des Konzepts nicht nur an bekannte Ufer führt. Man fühlt sich ans Werk gefesselt und will erfahren, wie Karr auf bekannte Ereignisse reagieren wird, wie er sie deuten wird und wohin ihn diese führen werden. Dabei liefert uns der Roman auch noch sympathische Charaktere und einen der best-geschriebenen Droiden in der bisherigen Star Wars-Literatur! Aus diesem Grund kann ich dem Werk nur 4,5 von 5 Holocrons geben.
Wir danken Panini für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares.
Dein Punkt mit der Raumschlacht im Bezug zum Buch Blutlinie ist falsch.
Die „Schlacht“ war erstens keine Schlacht, nur eine kleine Auseinandersetzung, bei dem effektiv nicht mal 5 Schiffe beteiligt waren und zweitens hat diese „Schlacht“ nicht nur existiert um den Millennium Falken zu zeigen, weil der Falke gar nicht vorkam, da er zu diesem Zeitpunkt schon Han geklaut worden war.
Verzeihung. Du hast vollkommen recht. Die Lektüre ist jetzt auch schon wieder 4 Jahre her und aufgrund von Hans Auftauchen habe ich wohl irgendwie den Falken abgespeichert. Entschuldigung dafür. Trotzdem fand ich die Auseinandersetzung am Ende etwas unpassend, was nicht nur den kurzen Kampf in der Luft, sondern Leias komplette Mission dahin betrifft. Für mich fühlte sich das an, als sollte Leia zum Finale hin mal mehr in „Aktion“ treten, obwohl sie das den ganzen Roman über schon getan hat, nur eben als Politikerin.