Rezension: Solo: A Star Wars Story: Expanded Edition von Mur Lafferty

Solo: A Star Wars Story: Expanded Edition (04.09.2018)
Solo: A Star Wars Story: Expanded Edition (04.09.2018)

Mehr als drei Monate ist es jetzt schon her, dass Solo: A Star Wars Story in die Kinos kam. Diese Woche erschien nun beim britischen Verlag Century auch der Roman zum Film, welcher aus der Feder von Mur Lafferty stammt. Wie auch schon der Roman zu The Last Jedi, hat auch der Solo-Roman wieder den Titelzusatz Expanded Edition, welcher darauf hinweisen soll, dass die Handlung des Buch im Vergleich zum Film um ein einige Szenen erweitert wurde.

Da die Handlung des Filmes als hinreichend bekannt vorausgesetzt werden kann, kommen wir direkt zur Bewertung des Romans und zur entscheidenden Frage: Bietet Mur Laffertys Adaption einen echten Mehrwert gegenüber dem Film?

Zunächst muss natürlich gesagt werden, dass auch Solo: A Star Wars Story: Expanded Edition, wie schon die zuvor erschienenen Filmromane für Erwachsene, eine sehr akkurate und kompetent geschriebene Nacherzählung des Films bietet. Mir ist nicht aufgefallen, dass etwas fehlen würde, oder dass Originaldialog verändert wurde. Ergänzt wird dies durch immer wieder eingestreute kurze Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelt der Figuren. Dabei nehmen wir naturgemäß meistens Hans Perspektive ein, denn schließlich ist es seine Geschichte. Aber szenenweise erleben wir die Handlung auch aus Sicht von Qi’ra, Lando, Chewie, Beckett, Val, L3-37 oder anderen Nebenfiguren, was durchaus interessant ist und neue Sichtweisen eröffnet. Spannend fand ich hier beispielsweise, wie die Grenzkontrolleurin auf Corellia und ihre Motivation, Bestechungsgüter anzunehmen, dargestellt wurden. Wenn ein Roman es schafft, Nebenfiguren aus dem Film plastisch und zu echten Persönlichkeiten werden zu lassen, ist dies immer ein gutes Zeichen.

Doch was bieten die zusätzlichen Szenen? Mur Lafferty nutzt ihren Roman, um die Corellia-Sequenz zu Beginn um den Diebstahl des Coaxiums und eine verlängerte Fluchtszene zu erweitern. Außerdem erfahren wir ein wenig mehr über Hans Zeit beim Imperium und darüber, was Qi’ra passiert ist, nachdem sie auf Corellia gefangen genommen wurde. Auch der Einbau L3s in den Falken und wie es der rebellischen Droidin damit geht, wird ausführlich behandelt. Am Ende gibt es, wie schon in einer Leseprobe vorab verraten wurde, noch einen kurzen Gastauftritt von Figuren aus einem anderen Film.

Phoebe Waller-Bridge als L3-37
L3-37

Vor allem, was die Droidin L3-37 angeht, leistet der Roman gute Arbeit und gibt Antworten auf Fragen, die sich viele Zuschauer im Kino gestellt haben: Inwiefern hat der Falke nach dem Einbau von L3 nun ihren Charakter oder ihr Bewusstsein? Empfindet es Lando, der L3 immer als Person behandelt hat, nicht als grausam, sie nach ihrem Tod so zu zerlegen und als Ersatzteillager zu missbrauchen? Was hält L3 davon, dass sie ohne ihr Wissen einfach in ein Schiff eingebaut wurde? Kann L3 durch den Falken kommunizieren? Sollte Lando nach dem Einbau von L3 nicht noch mehr am Falken hängen und ihn nicht zu leichtfertig verspielen? – All diese Fragen beantwortet der Roman nachvollziehbar und so, dass man als Leser mit L3 mitfühlen kann, aus deren Sicht einige Szenen geschrieben sind. Wer also L3 besonders mochte, sollte sich den Roman nicht entgehen lassen.

Einige der anderen zusätzlichen Szenen zeichnen sich vor allem durch meiner Meinung nach ziemlich gut gelungenen Humor aus, der mich immer wieder zum Schmunzeln gebracht hat. So kommt es beispielsweise zu einer romantischen Annäherung Hans an Qi’ra, als sich beide an einem ziemlich unpassenden und unromantischen Ort befinden. Und auch Landos und Chewbaccas Unterhaltung über Haarpflegeprodukte ist wirklich absurd-lustig zu lesen.

Eher enttäuschend wird der Roman aber, wenn es darum geht, die Lücke von mehreren Jahren zu füllen, die im Film besteht. Hier hätte der Roman am meisten frei erzählen und punkten können und auf auf eben diese Abschnitte hatte ich mich am meisten gefreut. Nun ist es aber leider so, dass genau diese interessanten Stellen recht knapp ausfallen und auch ziemlich lieblos gestaltet sind. So wird uns nicht erzählt, wie Han von Anfang an bei den imperialen Streitkräften zurechtkommt, sondern wir springen mitten seine Zeit beim Imperium hinein. Dabei wird erwähnt, dass Han einen Kumpel in seiner Fliegerstaffel hat, und dieser nimmt auch eine recht zentrale Rolle bei Hans Entscheidungen ein, aber er tritt nie selbst auf. Da wir als Leser die Freundschaft der beiden nicht miterleben, wirkt die gesamte Situation sehr unpersönlich, generisch und unausgearbeitet. Hier wäre viel mehr rauszuholen gewesen. Selbst der Cameo von Tag und Bink, der in diesem Abschnitt stattfindet, ist echt lahm und besteht quasi nur aus: „Da standen zwei Wachen. Es waren Tag und Bink. Han kannte sie und wusste, dass sie nur Mist bauten.“ So funktioniert doch kein Cameo!

Qi’ra und Han Solo

Ähnlich mau sieht es auch bei Qi’ra aus, von der wir nur extrem bruchstückhaft erfahren, was sie in ihrer Zeit bei Crimson Dawn erlebt hat. Die dunklen Ecken dieser Vergangenheit, auf die Buch und Film immer wieder anspielen, bleiben aber unberührt. Auch nach der Lektüre dieses Romans wissen wir nicht, was Dryden Vos ihr Schlimmes angetan hat, obwohl gerade ein Roman das richtige Medium wäre, um so etwas zu behandeln. Nach den Erfahrungen, die wir schon mit Rogue One und dem Begleitmaterial machen konnten, befürchte ich nun, dass Qi’ras Zeit bei Crimson Dawn, ebenso wie schon Cassian Andors Jugend, zu den Dingen gehören wird, die wir nie in einem Roman aufgearbeitet sehen werden. Der Fokus der Romane wird sehr schnell wieder von Solo wegschwenken und sich auf das nächste große Film- oder Serienprojekt konzentrieren, ohne dass die offensichtlichsten und spannendsten Ansatzpunkte für einen Roman genutzt wurden. Wirklich schade!

Mein größter Kritikpunkt an diesem Roman liegt aber außerhalb der Verantwortung von Mur Lafferty und dreht um den Zeitpunkts der Veröffentlichung und die Frage der Sinnhaftigkeit von Filmromanen. Nach The Last Jedi ist Solo nun der zweite Filmroman, der nicht mehr pünktlich zum Kinostart erscheint, sondern Monate danach. Meiner Meinung nach ist das ein kapitaler Fehler seitens Lucasfilm, welcher den Filmroman beinahe komplett nutzlos macht. Während ich die Romane zu The Force Awakens und Rogue One noch direkt nach dem Kinobesuch verschlang und jedes Detail in mich aufsaugte, weil das alles noch neu war, muss ich sagen, dass mich die letzten beiden Filmromane ziemlich langweilten und ich mich regelrecht zwingen musste, sie zu lesen. Warum? Weil ich drei Monate nach Kinostart den Film mehrfach gesehen und in Diskussionen mit anderen Fans bis ins kleinste Detail auseinandergenommen habe. Wenn nun 95% eines Filmromans nur aus einer Nacherzählung des Films bestehen und diese Nacherzählung vier- bis fünfmal so lang dauert wie der Film (Laufzeit des Hörbuchs: 10 Stunden; Laufzeit des Films: 2 Stunden, 15 Minuten), dann zieht sich das Buch wie Kaugummi. Man sieht vor seinem inneren Auge den Film in „Slow Motion“ ablaufen und das wird sehr schnell langweilig. Und natürlich fragt man sich dann: Warum schaue ich nicht stattdessen in einem Bruchteil der Zeit einfach nochmals den Film? Der wird ja schon in wenigen Tagen fürs Heimkino verfügbar sein.

Han Solo und Chewbacca

Meiner Meinung nach gibt es für Filmromane nur zwei Optionen: Entweder sie erscheinen wieder pünktlich zum Filmstart (oder gar vor dem Filmstart, wie es in den guten alten Zeiten vor der Spoiler-Hysterie war!) und liefern uns Fans damit Futter in der Hochphase des Hypes um den Film. Oder die Filmromane müssen an sich den Anspruch haben, mehr als eine Nacherzählung mit ein paar Alibi-Zusatzszenen zu sein. Dann sollte man sich zukünftig ein Beispiel an Matthew Stovers genialem Roman zu Die Rache der Sith nehmen. Filmromane könnten dann wieder mehr sein als nur Sklaven des Films. Sie könnten sich L3-37 zum Vorbild nehmen und den Aufstand wagen, um wieder zu eigenständigen Büchern zu werden, die weit über ihren Film hinausgehen und sich die ihnen zustehenden Freiheiten nehmen.

Solange Star Wars-Filmromane aber Romane mit Haltebolzen sind, werden sie mich als Fan nicht mehr begeistern können, vor allem, wenn sie so lange nach dem Kinostart erscheinen. Daher bekommt Mur Lafferty für ihre kompetente Umsetzung von Solo: A Star Wars Story: Expanded Edition vier von fünf Holocrons von mir. Es gibt jedoch ein Holocron Abzug für die schlechte Veröffentlichungspolitik dieses Filmromans und seine nicht genutzten Chancen, für die die Autorin sicher nicht verantwortlich ist. Wirklich empfehlen würde ich den Roman nur L3-Fans und Leuten, die aus irgendeinem Grund den Film noch nicht gesehen haben.

Der Rezensent vergibt 3 von 5 Holocrons!
Die Rezensentin vergibt 3 von 5 Holocrons!

Wir danken Penguin Random House UK und dem Century-Verlag recht herzlich für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

Solo: A Star Wars Story: Expanded Edition in der britischen Ausgabe von Century könnt ihr euch auf Amazon.de¹ bestellen. Wer die deutsche Übersetzung lesen will, muss sich noch bis zum 10.12.2018 gedulden; sie kann aber bereits auf Amazon.de¹ vorbestellt werden.

Was ist eure Meinung zu Solo: A Star Wars Story: Expanded Edition?

2 Kommentare

  1. Ich stimme dir in weiten Teilen zu – gerade den Absatz zur Veröffentlichungspolitik unterschreibe ich von ganzem Herzen.

    Einziger (teilweiser) Widerspruch kommt in Sachen Qi’ra: Der Roman bleibt zwar in einigen Dingen vage, aber Lafferty lässt die Figur durch interne Handlung und ein wunderbares erweitertes Gespräch mit L3-37 sehr plastisch wirken und ich kann sie viel besser nachvollziehen als im Film. Zusammen mit Most Wanted ergibt sich da ein schlüssiges Gesamtbild und wir erfahren zumindest grob, welche Erlebnisse sie während des Zeitsprungs geformt haben und wo sie aktuell emotional steht. Dass das noch ausführlicher ginge steht aber außer Frage, würde aber wohl auch den Rahmen des Filmromans etwas sprengen. Genau wie bei Cassian bin ich da voll bei dir – das braucht einen eigenen Roman!

    Die Kadettenjahre sind inhaltlich auch mein einziger größerer Kritikpunkt an dem Buch. Das war einfach halbherzig. Das hätte man um einiges besser ausbauen können und ich bin immerhin froh, dass Marvel da mit der passend betitelten Comicreihe Han Solo: Imperial Cadet etwas Nacharbeit leisten wird.

    Das hat mir schon im Film gefehlt. Die Kadettenzeit verschiedener Figuren haben wir in Romanen ja bereits zur Genüge erlebt (besonders ausführlich in Lost Stars und Servants of the Empire), und dank Thrawn und Lost Stars haben auch Comics/Mangas schon genug davon gesehen, aber in Live-Action wäre das schön gewesen.

    Genau wie bei The Force Awakens hat der Roman zu Solo aber für mich auch ein paar Schwachstellen des Films deutlich offengelegt, z.B. die sehr episodische Handlung. Als die Coaxium-Quest mit Lando, Qi’ra, Beckett & Co. losgeht, war ich bereits über der Hälfte des Romans. D.h. über die Hälfte der Geschichte handelt von Figureneinführungen und anderen Formen der Exposition, um die Akteure in Position zu bringen. Ein Teil von mir wünscht sich fast, man hätte zwei Filme daraus gemacht (z.B. Jugendjahre + Kadettenzeit und im zweiten Teil dann Desertion + Kessel Run), aber natürlich musste man unbedingt bereits Chewie und Lando und den Falken dabei haben. Das Episodenhafte ist dabei aus meiner Sicht nicht mal unbedingt schlecht, aber irgendwie auch nicht der Sinn eines über zwei Stunden langen Films. Solo hätte als Fernsehserie oder Buchreihe besser funktioniert, da diese Medien ja von episodischer Erzählweise leben.

    Alles in allem aber ein spaßiges Buch. Da ich Solo „nur“ zweimal im Kino gesehen habe, war es immerhin ein netter Auffrischer, und die Bonusszenen – insbesondere die mit Qi’ra/L3 und der Epilog mit den Figuren aus dem „anderen Film“ 😉 – fügen sich wunderbar ein.

    Wer Filmromane mag oder sich für die Welt von Solo und die Figur des Han Solo im Besonderen interessiert, sollte hier zugreifen.

  2. Ja stimmt, das Gespräch zwischen L3 un Qi’ra hat mir auch sehr gefallen. Das hätte ich auch durchaus noch erwähnen können. Ja, Qi’ra wird durchaus ein wenig nachvollziehbarer, aber ich hätte einfach gern ein bisschen brutaleres Zeug aus ihrer Vergangenheit gehabt.

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