Kurz vor dem 4. Mai bescherte uns Lucasfilm dieses Jahr zwei Romane, die den Hintergrund von Figuren aus Rogue One näher beleuchten: Rebel Rising über Jyn Ersos Jugend und Guardians of the Whills über Bazes und Chirruts Vorgeschichte. Um ersteren Young-Adult-Roman von Beth Revis soll es in dieser Rezension gehen. Bevor ich den Roman in die Hand nahm, hatte ich an ihn die Erwartung, mehr über Jyns Zeit bei Saw Gerrera und ihre Entwicklung zu einer ziemlich desillusionierten jungen Frau zu erfahren und generell etwas mehr in ihre Gedankenwelt einzutauchen. Kann Rebel Rising dies leisten?
Hinweis: Diese Rezension enthält leichte Spoiler!
Inhalt und Aufbau
Zu Beginn des Buches treffen wir Jyn Erso im Gefangenenlager auf Wobani an, wo sie zunächst einmal nur wegen Fälschung imperialer Dokumente und Widerstand gegen die Festnahme ihre Strafe absitzt. Von dort aus springt die Geschichte dann zurück in Jyns Kindheit, und zwar zu dem Moment, als sie im Alter von acht Jahren nach dem Tod ihrer Mutter allein und verängstigt in der Höhle wartet, wo Saw sie schließlich auffindet und bei sich aufnimmt. Der Roman verweilt dann aber nicht sehr lange bei der achtjährigen Jyn, sondern springt ein paar Jahre voran, bis Jyn 14 Jahre alt ist. Jyn begleitet nun Saws Truppe bei verschiedenen Einsätzen und dient vor allem als Fälscherin von imperialen Codes. Doch sie ist auch in ständiger Gefahr, von Saws Mitstreitern als Galen Ersos Tochter enttarnt zu werden.
Ungefähr in der Mitte des Romans lässt Saw Jyn während einer Mission allein zurück und wir erfahren, wie Jyn sich weiter allein durchschlägt, eine neue Heimat und Familie findet, aber selbst im Äußeren Rand nie den unerbittlichen Eroberungsfeldzügen des Imperiums entkommen kann. Immer wieder gerät sie auch zwischen die Fronten von Imperium und Rebellen, sodass sie eine Abneigung gegen beide Seiten entwickelt. In Zwischenkapiteln springen wir immer wieder zu der im Arbeitslager auf Wobani gefangenen Jyn, wobei die Liste ihrer Verbrechen jedes Mal länger wird (Besitz verbotener Waffen, schwere Körperverletzung, etc.). Rebel Rising endet schließlich mit Jyns Befreiung durch die Rebellen zu Beginn von Rogue One und ihrem Einverständnis, der Allianz zu helfen.
Spannung
Wie schon einige andere Romane des neuen Kanons lässt Rebel Rising ein wenig den roten Faden vermissen. Das einzige verbindende Element in der Geschichte ist Jyn Erso. Wir folgen ihr durch ihre Lebensgeschichte und sehen zu, wie sie mal dies, mal das tut. Hierbei entstehen einzelne kleinere Spannungsbögen, aber ein übergreifender, großer Spannungsbogen kommt nicht zustande. Es passiert auch wenig Überraschendes, da wir die meisten Stationen in Jyns Leben sowie den Ausgang ihrer Geschichte schon kennen. Teilweise fühlt sich der Roman daher ein wenig an, als würde er nur „plot points“ abarbeiten. Einen richtigen Höhepunkt der Geschichte gibt es nicht, da das gesamte Buch immer auf demselben Spannungsniveau verharrt. Ich finde es ein bisschen schade, dass man hier wieder, wie schon bei Thrawn (siehe meine Rezension), versucht hat, eine sich über Jahre erstreckende, episodische Lebensgeschichte zu erzählen, statt sich einen interessanten Handlungsstrang auszusuchen und diesen zu einer Geschichte auszubauen, die allein einen Roman wert ist. Ich persönlich möchte nicht immer nur informative Biografien lesen, sondern auch mal wieder in eine Star Wars-Geschichte eintauchen, die mich mit ihrer Spannung fesselt.
Die Figur Jyn Erso
Zunächst einmal muss ich sagen, dass Beth Revis, was die Kanon-Einbettung ihres Romans und der Figur Jyn Erso angeht, durchaus ihre Hausaufgaben gemacht hat. An diversen Stellen streut sie geschickt Anspielungen auf James Lucenos Catalyst und Alexander Freeds Filmroman zu Rogue One ein, sodass sich Jyn Ersos Gedanken- und Gefühlswelt über die drei Romane hinweg verknüpft und konsistent anfühlt.
Allerdings enttäuscht mich die Darstellung der Jyn Erso auch in zweierlei Hinsicht:
Erstens hatte ich mir unter Rebel Rising, wie oben erwähnt einen Roman vorgestellt, der Jyns Entwicklung darstellt und klar macht, was es für so ein kleines Mädchen bedeutet, unter rücksichtslosen Kriegern bzw. Terroristen wie Saw Gerrera und seinen Partisanen aufzuwachsen. Ich hätte gerne dabei zugesehen, wie die bis zum Einmarsch von Orson Kennic auf Lah’mu doch recht behütet aufgewachsene Jyn langsam abstumpft. Doch leider stellt der Roman die achtjährige Jyn für ein Kind in diesem Alter, das eben seine Eltern verloren hat, schon als ziemlich abgebrüht dar, und lässt kaum noch Spielraum für Entwicklung. Jegliche Entwicklung, die noch hätte stattfinden können, wird ausgelassen, da Rebel Rising Jyns Leben zwischen dem Alter von acht und 14 Jahren auslässt. Schade! Hier wurde extrem viel Potential verschenkt.
Zweitens ist mir Jyn in Rebel Rising zu nett und weichgespült. Wir lernen sie in Rogue One kennen als jemand, der anderen Leuten zuerst eine reinhaut und dann erst fragt, ob sie Freund oder Feind sind. Saw stellt sie uns als eine junge Frau vor, die schon mit 16 Jahren die beste Soldatin seiner Truppe war. Da scheint es schon ein wenig seltsam, dass diese beste Soldatin in Rebel Rising unter Saws Führung kein einziges Wesen tötet. Im Gegenteil hat sie extreme Skrupel, in echten Kampfsituationen auf jemanden zu schießen. Auch später, als sie allein unterwegs ist, tut sie meiner Meinung nach viel zu wenig moralisch Fragwürdiges oder Kriminelles, sondern entscheidet sich immer dafür, „das Richtige zu tun“. Wenn sie einmal etwas Verachtenswertes tut, dann nur unter Druck von außen. Selbst die beeindruckende Liste ihrer Verbrechen, die im Rogue One-Trailer verlesen wurde, um sie als „badass“ hinzustellen, und die hier in den Kapiteln auf Wobani wieder aufgegriffen wird, wirkt nach dem Lesen von Rebel Rising reichlich unspektakulär. Jyn, wie sie hier dargestellt wird, hat viel weniger kriminelle Energie und ist viel weniger aggressiv und egoistisch als ich dachte. Auch das ist schade, da Jyn als „grauere“ und stärkere Figur interessanter gewesen wäre. So wird in Rebel Rising all das Dreckige und wenig Heldenhafte, das viele Fans an Rogue One so sehr mochten, zumindest für die Figur Jyn etwas verwässert, was ich mir anders gewünscht hätte.
Die Nebenfiguren
Stärker dagegen fand ich die Darstellung von Saw Gerrera. Beth Revis schafft es sehr gut, ihn als abgehärteten Krieger darzustellen, der mit einem Kind eigentlich nichts anfangen kann, aber doch ein Herz für Jyn hat. Auch seine Überzeugungen und Ideale bekommen in dem Roman mehr Platz eingeräumt, als es bei seinen bisherigen Auftritten im Film, dem Filmroman, Catalyst und Rebels war. Und endlich wird hier auch mal nicht nur behauptet, dass Saw ein Extremist sei, sondern er darf hier auch extremistische Taten sprechen lassen und eine Menge unschuldiger Wesen mit dem Star Wars-Äquivalent von Splitterbomben töten. Hier sieht man wirklich, wie weit Saw bereit ist zu gehen.
Die sonstigen von der Autorin geschaffenen Nebenfiguren bleiben leider ziemlich blass. Dies liegt hauptsächlich daran, dass ihnen sehr wenig Platz eingeräumt wird und sie meist nach einem kleineren Handlungsstrang wieder in der Versenkung verschwinden. Selbst Jyns „love interest“ scheint mir vergleichsweise wenig ausgearbeitet und die (für einen Young-Adult-Roman wohl verpflichtende) Liebesgeschichte wirkt ein wenig erzwungen. Was Jyn an dem jungen Mann findet, bleibt recht schleierhaft.
Das Imperium
Positiv hervorheben möchte ich aber noch die Darstellung der Ausbreitung des Imperiums im Roman. Hier erlebt man wirklich, wie sich dieses Regime langsam durch die Galaxie vorarbeitet und vor keinem Planeten Halt macht, sich überall nimmt, was es gerade braucht. Von Anfang bis Ende herrscht in Rebel Rising das beklemmende Gefühl, dass man dem langen Arm des Imperiums nirgends entkommen kann und dass sich die Schlinge immer enger zieht. Auch interessant sind die von diversen Figuren vertretenen unterschiedlichen Ansichten, wie man auf diese Situation zu reagieren hat: die Augen vor der Wahrheit verschließen, einfach stillhalten oder offen rebellieren?
Fazit
Insgesamt hatte ich mir von Rebel Rising mehr erhofft. Jyns Entwicklung und eine durchgehende spannende Handlung kommen mir hier zu kurz und Jyn zeigt mir hier zu wenig Ecken und Kanten. Um einen Einblick in Jyns Vorgeschichte und Saws Guerrilla-Truppe zu bekommen, eignet sich der Roman ganz gut, aber eine Pflichtlektüre ist er aus meiner Sicht nicht. Da Rebel Rising über das Mittelmaß nicht hinauskommt, vergebe ich drei von fünf Holocrons.
Rebel Rising erscheint am 19. September 2017 in deutscher Sprache bei Panini und kann bereits bei Amazon vorbestellt werden.
Was ist eure Meinung zu Rebel Rising?
Die Star Wars Romane, welche nur eine Haupthandlung haben, und keine „Episoden“ sind aber nicht immer besser. Vor allem bei „Ahsoka“fehlt einfach die Relevanz der Handlung, es passiert einfach nichts, was die Galaxis großartig verändert. Bei „Thrawn“ spielt sich wenigstens ein großer Teil der Handlung im Kern ab, den der Outer Rim als Schauplatz wird schon langsam langweilig.
Mir wird es auch langsam langweilig, dass sich so viele Romane darum drehen, dass irgendein Planet aufgrund des Todesstern-Baus vom Imperium übernommen, ausgebeutet, seiner Rohstoffe beraubt und zerstört wird. Das hatten wir jetzt oft genug, ich bin mir der Problematik bewusst. Können wir jetzt zu einem neuen Thema kommen? 😉
Ich fände ja mal eine Geschichte innovativ, die davon erzählt, wie Vader nach Order 66 einen überlebenden Jedi zur Strecke bringt.
Danke für die sehr treffende Rezension. Hab das Buch auch genau so empfunden.