Rezension: Moving Target – A Princess Leia Adventure von Cecil Castellucci & Jason Fry

Moving Target: A Princess Leia Adventure (04.09.2015)
Moving Target: A Princess Leia Adventure (04.09.2015)

Moving Target – A Princess Leia Adventure ist ein Jugendroman aus der „Journey to Star Wars: The Force Awakens“, der von der Autorin Cecil Castellucci mit Unterstützung von Jason Fry geschrieben wurde. Das Buch, das Hinweise auf den Film Star Wars: Das Erwachen der Macht enthält, erscheint im Original bei Disney-Lucasfilm Press und auf Deutsch unter dem Titel Bewegliches Ziel bei Panini. Prolog und Epilog des Buches spielen dabei direkt vor Das Erwachen der Macht und zeigen uns, welche Position Leia Organa zu diesem Zeitpunkt bekleidet, während die Haupthandlung, die Leia als Teil ihrer Memoiren einem Droiden diktiert, die Brücke von Das Imperium schlägt zurück zu Die Rückkehr der Jedi-Ritter schlägt.

Prinzessin Leia: Erlaubt mir, an dieser Stelle nochmal ein Wort über die Marvel-Comicserie Princess Leia zu verlieren. Abgesehen von der suboptimalen künstlerischen Komponente wies diese eine oft seltsame Charakterisierung unserer Lieblingsprinzessin auf. Teils war Leia zu rücksichtslos im Bezug auf andere, teils war ihre aufbrausende Art zu stark oder zu schwach dargestellt (das variierte), teils war die Handlung an sich auch nicht nachvollziehbar. Kurzum: Ich war nicht zufrieden mit Leias Darstellung. Die Darstellung erweckte kaum Sympathie mit der Hauptfigur, die wir beim Lesen aber eigentlich alle mögen sollten. Fans der Reihe warfen den Kritikern vor, einfach keine Leia-Geschichten ohne Han an ihrer Seite verkraften zu können. Ich dachte mir: „Kann es das wirklich sein? Kann ich Leia nur im Zusammenspiel mit Han Solo genießen?“ Ich hätte diese Frage zwar schon instinktiv mit einem „Nein“ beantwortet, aber nachdem ich Moving Target gelesen habe, kann ich aus diesem instinktiven, noch etwas zaghaften „Nein“ ein kräftiges, entschiedenes „NEIN!“ machen. Denn Prinzessin Leia ist eine starke Figur, die in den Händen der richtigen Autoren ihr volles Potenzial entfaltet und auch unabhängig von schurkischen Schmugglern eine Geschichte tragen kann.

Leia in 3D: Die Charakterzeichnung von Leia gestaltet sich differenziert und vielschichtig – mal ist sie einfühlsam, mal knallhart und immer aktiv im Geschehen. Also so, wie wir sie aus der klassischen Trilogie kennen. Leia ist niemand, der sich herumschubsen lässt, aber auch niemand, der irrational durchs Weltgeschehen springt. Castellucci und Fry verstehen es, in den richtigen Momenten die richtigen Facetten von Leia zum Vorschein kommen zu lassen. Sie weist eine komplizierte und gut ausgearbeitete Gefühlswelt auf, in der sich alles wiederfindet, was man in einer Leia-Geschichte in dieser Ära finden möchte: Ihr Pflichtgefühl bezüglich der Rebellion, ihr Verlustgefühl bezüglich Alderaan und auch ihre Sorge um den in Karbonit eingefrorenen Han Solo. Das ganze Buch hindurch werden die Wechselwirkungen zwischen diesen drei Hauptmotivatoren von Leias Persönlichkeit erkundet, da Leia als eine der Anführerin der Rebellion auch Prioritäten setzen muss. Besonders stark fand ich sie in einer Szene mit der Allianz-Kanzlerin Mon Mothma, in der all diese Facetten zum Tragen kommen und die sonst so blasse Kanzlerin selbst auch ein bisschen Persönlichkeit erhält.

Komplexität: Das Buch ist nicht in allen Belangen komplex – Leias Besuche auf diversen Planeten, auf denen sie eine Ablenkungsmission koordiniert (Leia spielt ein „bewegliches Ziel“, das imperiale Aufmerksamkeit auf sich lenken soll), während die Rebellion den Angriff auf Endor vorbereitet, folgen einer recht simplen Struktur. Die Nebenfiguren des Romans sind zwar auch klar charakterisiert, allerdings orientieren sich die Autoren hier doch etwas stark an Stereotypen, von Major Lokmarcha einmal abgesehen. Nien Nunb, der auch in Vorbereitung auf den neuen Film wieder eingeführt wird, ist in manchen Belangen eine sullustanische Version von Han Solo. Die anderen Charaktere leiden also ein bisschen unter dem starken Fokus auf Leia, der ja das Grundkonzept des Romans ist, sind aber immerhin ausgearbeitet genug, dass man sich für sie interessiert, und hinsichtlich Spezies, Geschlecht und Persönlichkeit sehr divers. Es wird auch angedeutet, dass diese Figuren auch ein Leben haben, wenn sie gerade nicht mit Leia in einer Szene sind, und das hilft hier enorm. Moving Target ist übrigens das längste der „Journey“-Jugendbücher (von Lost Stars abgesehen) und allein deswegen schon etwas komplexer aufgebaut als die Bücher zu Han/Chewie und Luke.

Erwachsene Elemente: Das Buch ist zwar ganz klar für Jugendliche geschrieben, aber das heißt nicht, dass es bisweilen nicht etwas düster oder „erwachsener“ wird. Die Figuren beschäftigen sich mit der Frage „Warum kämpfen wir gegen das Imperium?“ und – ganz im Sinne des Blicks auf die Zeit nach Episode VI – auch damit, wie es nach einer möglichen Niederlage des Imperiums weitergehen soll. In diesem Kontext spielt eine Figur sogar auf die Nürnberger Prozesse an, als sie den Vorschlag einbringt, nach dem Sieg der Rebellen einfach Tribunale abzuhalten und die imperialen Funktionäre massenweise zu exekutieren. Diese Direktheit hat mich dann doch etwas schockiert – und direkt an Jason Frys Diener des Imperiums-Reihe erinnert, deren Motive hier wohl indirekt fortgesetzt werden. Außerdem gibt es ein paar gruslige bzw. eklige Szenen in einem Höhlensystem, die in diesem Buch zwar etwas deplatziert wirken, aber dennoch für Spannung sorgen. Beklemmende Szenen gibt es in dem Buch zwar einige und man spürt die eiserne Faust des Imperiums, aber getreu Leias Charakter ist ein Hauch Optimismus immer anwesend, auch wenn er nicht immer im Zentrum des Geschehens steht. Man sieht, dass Leia fest an die Ideale der Rebellion glaubt, und man fiebert mit ihr mit.

Brückenschlag: Dieses Buch ist das erste Kanonwerk zwischen Episode V und VI und jeder Fan hat bestimmt Erwartungen daran, was in dieser Zeitspanne geschehen muss. Die Rebellen müssen die Fähre Tydirium kapern, von bothanischen Spionen über die Existenz des Zweiten Todessterns informiert werden, den Angriff auf Endor planen und auch die Mission zur Rettung Han Solos auf Tatooine vorbereiten. Luke muss sich mit der Identität seines Vaters auseinandersetzen und ein neues Lichtschwert bauen. Dieses Buch konzentriert sich natürlich vornehmlich auf die Elemente, an denen Leia selbst direkt beteiligt ist, aber wir erfahren gleichzeitig in Nebensätzen, was die anderen Figuren (z.B. Luke, Lando und Chewie, aber auch die restliche Rebellion) parallel zu diesen Ereignissen unternehmen. Diese Offscreen-Ereignisse wird Marvel dann eines Tages weiter ausbauen können. Es gibt zudem Querverweise auf Das Erwachen der Macht (vornehmlich im Prolog und Epilog, doch auch in der Hauptgeschichte werden Figuren eingeführt, die im neuen Film vorkommen werden), auf Smuggler’s Run – A Han Solo Adventure und auch auf Marvels Miniserie zu Leia. So bekommt man das Gefühl, dass dieses Buch wirklich Teil eines größeren Kanons ist.

Fazit: Von den drei Jugendromanen zu den klassischen Helden hat mir dieser hier am besten gefallen. Wir bekommen eine fast durchweg spannende Geschichte mit einer gut ausgearbeiteten Protagonistin und interessanten Entwicklungen nicht nur hinsichtlich Das Erwachen der Macht, sondern auch hinsichtlich des Kanons zwischen Episode V und VI. Wer ein zweites Schatten des Imperiums erwartet, wird wohl enttäuscht (oder, je nach Einstellung dazu, froh sein, dass es nicht wiederholt wird), aber zumindest ich freue mich auf weitere Geschichten zwischen Episode V und VI – eine Zeit, die in meinen Augen weitaus interessanter ist als die zwischen Episode IV und V, die derzeit von Marvel so ausgetreten wird. Ich bin wirklich versucht, diesem Buch 5 von 5 Holocrons zu geben, aber die in dieser Rezension aufgezeigten Schwächen hindern mich daran, sodass ich es bei vier von fünf und einer ausdrücklichen Leseempfehlung belassen werde.

Infos zur deutschen Ausgabe gibt es hier.

Wie hat euch der Roman gefallen?

4 Kommentare

  1. Ich stimme mit dieser Rezension in allen Punkten überein. Die Szene im Kamin fand ich okay, Monster in SW müssen nicht immer groß und Erfolglos sein, sie können auch mal anders. 🙂

    Es ist wirklich überraschend, dass man in einem Jugendbuch die bislang substanziellsten Beiträge für den Haupthandlungsstrang zwischen E5 und E6 geliefert bekommt.

    1. Naja, zwischen E5 und E6 gibt es im Kanon bisher ja noch nichts… 😉 Es wurden aber so viele Anspielungen darauf gestreut, was Lando und Luke währenddessen machen, dass wir uns sicher sein können, dass Marvel das in der „Star Wars“-Reihe thematisieren wird, sobald sie Episode V hinter sich lässt.

    1. Ja, ich war auch überrascht, wie viel das Buch wenn schon nicht selbst direkt abdeckt, dann zumindest durch Erwähnungen festlegt. Aber naja, zwischen V und VI verging auch nicht so viel Zeit, von dem her passt das – auch wenn es hinsichtlich Charakterentwicklung (besonders bei Luke) meines Erachtens nach die interessantere Zeit ist.

Schreibe einen Kommentar