Habe ich schon erwähnt, dass ich ein schlechtes Gefühl bei dieser Sache habe? Denn… ich habe ein schlechtes Gefühl bei dieser Sache.
Lando Calrissian
Herbstzeit ist bevorzugte Lesezeit, zumindest laut zahlreichen Studien. Die Uhren sind umgestellt, die Tage werden kälter und kürzer, die Schatten immer länger. Genauso breitet sich der Schatten der Sith in einer Galaxis aus, die seit vielen Jahren glaubte, von der Dunklen Seite der Macht befreit zu sein. Manifestiert in der rücksichtslosen Jagd nach einer kleinen Familie und der Beteiligung der ehemaligen Rebellionshelden Luke Skywalker und Lando Calrissian, steht vor allem die ferne Welt Exegol und die Kontextualisierung der Hintergrundgeschichte von Episode IX: Der Aufstieg Skywalkers im Mittelpunkt von Adam Christophers Roman Im Schatten der Sith. Auf Deutsch erschienen am 17. Juli, bekommt man etwa zwei Jahre nach den US-Leser*innen auch hierzulande so die Möglichkeit, mehr über Rey und ihre Familie, Lukes Wissen um Exegol sowie den Sith-Jäger Ochi von Bestoon zu erfahren. Ines hat die englischsprachige Ausgabe Shadow of the Sith einst rezensiert, während ich dank der deutschen Ausgabe erstmals mit der Geschichte in Berührung kam. Wenn es euch genauso so geht, hilft euch die Verlagsseite oder direkt unten die ersten Kapitel als Leseprobe, um einen ersten Eindruck des zwischen Episode VI: Die Rückkehr der Jedi-Ritter und Episode VII: Das Erwachen der Macht angesiedelten Werks zu gewinnen.
Die fesselnde Vorgeschichte von Rey, der Heldin der Star Wars-Kinoblockbuster Episode VII bis IX.
Jedi-Meister Luke Skywalker erhält von seinem alten Freund General Lando Calrissian die Nachricht, dass die finsteren Sith nach dem Tod des Imperators wieder aktiv geworden sind: Sie haben Landos Tochter entführt. Ihre Spur verliert sich in den Weiten der Galaxis. Doch dann stoßen die beiden Freunde auf einen Sith-Assassinen, der eine junge Familie jagt. Er will um jeden Preis die kleine Tochter in die Finger kriegen, denn es handelt sich um Rey – die Enkelin des Imperators!
Klappentext
Geradebiegen von Sequel-Widersprüchen
Fünf Jahre nach ihrem Abschluss hat die Sequel-Trilogie der Skywalker Saga nach wie vor einen schwierigen Stand. In der breiteren Popkultur hat sie trotz ihres finanziellen Erfolgs außerdem keinen allzu bleibenden Eindruck hinterlassen und die Merchandise-Hersteller ignorieren sie weitgehend. Mit Im Schatten der Sith wagt Autor Adam Christopher nun trotzdem, den Filmen etwas mehr Kontext zu verschaffen, wichtige offene Lücken zwischen Episode VI und VII zu schließen sowie die Flashbacks und einzelne Dialogzeilen aus Episode IX mit Charakteren und Ereignissen aus der Originaltrilogie zu verbinden. Dass er dabei noch genau diese Flashbacks mit den kryptischen Hinweisen aus Episode VII: Das Erwachen der Macht und den nur noch bedingt zu ihnen passenden Informationen aus Episode VIII: Die letzten Jedi unter einen Hut bringen muss, ist eine schwere und undankbare Aufgabe, die er mutig auf sich nahm. Und siehe da: Es kommt tatsächlich ein gut lesbarer Roman dabei heraus.
Auf gigantischen 680 Seiten, die immerhin in jeweils kurz-knackige 67 Kapitel unterteilt sind, erzählt Christopher, wie im Jahr 21 NSY der Kult der Sith-Ewigen auf Exegol den in den neusten Darth Vader-Comics prominent eingesetzten Ochi von Bestoon entsendet, um den Klon-Sohn des Imperators und vor allem dessen machtsensitive Tochter zu finden. Durch Zufall erfährt Lando Calrissian von dieser Mission und wird an seine eigene vor Jahren entführte Tochter erinnert. Also ersucht er die Hilfe seines alten Freundes Luke Skywalker, der den Alltag im Jedi-Tempel unterbricht, um sich gemeinsam mit Lando auf die Suche nach der Familie quer durch die Galaxis zu begeben. Dabei werden sie von einer weiteren dunklen Präsenz verfolgt: eine mysteriöse, mit einem roten Lichtschwert ausgestattete Frau, die ihre ganz eigenen Motive hat, Exegol zu finden.
Damit sind alle Zutaten vorhanden, die Landos Erzählungen und den kurzen Blick auf Reys Eltern Dathan und Miramir aus dem Finale der Skywalker Saga vorgeben. Christopher versucht über diese Erzählungen hinaus, auf manche der – teilweise heftige Diskussionen ausgelösten – größten (oder vermeintlichen?) Logikfehler aus Episode IX einzugehen und sie mit seinen eigenen Erklärungen zu entkräften. Ein besonders haarsträubendes Beispiel im ersten Akt des Romans sei hier aus Spoilergründen nicht genannt, doch handelt es sich dabei allein aufgrund der aufeinandertreffenden Figuren um einen wirklich großen Moment, der in dieser Form Jahre auf sich warten ließ. Aus den großen Problemen der neuen Filme muss aber erstmal eine schlüssige Geschichte entwickelt werden, mit der Gefahr, dass in die Sequels durch Lukes und Landos Suche nach Reys Eltern noch größere Logiklöcher gerissen werden. Christopher gibt sich aber spürbare Mühe, dem in seiner Zusammenstellung doch ungewöhnlichen Duo Substanz zu verleihen und für alle Charaktere nachvollziehbare Motivationen zu entwickeln. Leider liegt genau hier aber eine der größten Schwächen des Romans, denn oft wirken vor allem die Motive zu gewollt und damit stellenweise unglaubwürdig, warum genau alle Charaktere jetzt so verbissen an den präsentierten Zielen dran sind.
Vorgegebener Fokus
Eine große Rolle dabei, ob einem der Roman gefällt, spielt die Erwartungshaltung. Man darf sich nämlich nicht zu viel davon versprechen, dass man die Sequels durch den neuen Kontext mit anderen Augen betrachten kann. Es werden keine allzu wichtigen Fragen beantwortet, lediglich – einer Notfallbehandlung gleich – plötzlich offenbarte Dinge mit anderen Werken verknüpft und so etwas fester und glaubhafter im Kanon verankert. Die erzählerischen Schwächen der Sequels selbst bleiben dabei unverändert – ob man sie nun selbst als solche betrachtet oder nicht. Einzig Reys Begegnungen mit Luke und Lando im Verlauf der Filme gewinnen durch die Geschichte deutlich mehr Substanz und emotionale Tiefe, die allerdings in den Filmszenen selbst nicht impliziert wurde. Kenner des Romans müssen fortan beim Schauen ihre Fantasie anstrengen, damit sich die potenzielle Wirkung auch entfalten kann.
Über die Geschichte der beiden auf der Suche nach Palpatines Nachkommen hinaus verbleibt der Roman nämlich mit seinem Fokus immer nur in genau diesem Tellerrand. Obwohl die Sequel-Trilogie vor Jahren endete, befällt auch diesen Roman das altbekannte Problem, den größeren Kontext der Galaxis oder gar den Aufenthalt anderer Figuren zu dieser Zeit gänzlich außen vor zu lassen, damit möglichst viel für hypothetisch künftige Geschichten offen bleibt. So treten Han und Leia zum Beispiel erst gar nicht in Erscheinung und wenn sie erwähnt werden, dann nur im Kontext bereits vergangener Ereignisse. Wo sie zum Zeitpunkt der Handlung sind und warum nicht zum Beispiel Han und Chewie bei der Suche nach der Familie helfen, bleibt ebenso unklar, wie der politische Zustand der Neuen Republik im Jahr 21 NSY.
Durch die vorgegebenen Umstände ist außerdem von Beginn an klar, dass die gesamte Mission zum Scheitern verurteilt ist und die künstlich aufrechterhaltene Spannung den Roman nicht trägt. Wir kennen das Schicksal jeder wichtigen Figur und der Weg dahin ist nicht spannend genug erzählt, um einen derart auf fast 700 Seiten aufgeblasenen Umfang zu rechtfertigen. Im Gegenteil, erst auf den letzten 80 Seiten passieren dann die aus Episode IX bekannten und für die Sequels relevanten Ereignisse und Lando darf kurz vor Schluss noch im Schnellschussverfahren seine Charakterentwicklung zum Auftritt im letzten Kapitel der Saga machen.
Detailverliebt = Detailverliert?
Was Adam Christophers ersten eigenen Star Wars-Roman von anderen Werken aber ganz eindeutig abhebt, ist der Grad an Detailverliebtheit. Settings, Nebenfiguren, Raumschiffe, technische Einrichtungen und vor allem die fremden neuen Welten werden ausnahmslos mit einem unglaublichen Ideenreichtum vorgestellt und über nicht enden wollende Absätze beschrieben. Dadurch entsteht beim Lesen im Kopf ein unglaublich klares und scharfes Bild der Handlung, der Lesegeschwindigkeit und der Dringlichkeit der immerhin aus einer einzigen großen Verfolgungsjagd mit mehreren involvierten Parteien bestehenden Geschichte wird damit allerdings kein Gefallen getan. Nicht selten dauert es, bis die Handlung voranschreitet, weil Christopher immer noch damit beschäftigt ist, die Bedingungen, in denen sie stattfindet, zu beschreiben. Fans von Enzyklopädien, die einfach nicht genug Infos über Welten, Spezies und Raumschiffe aus der weit, weit entfernten Galaxis bekommen können, haben bei seinem Schreibstil sicher ihre Freude. Wenn man eine flotte, kurzweilige und spannende Handlung bevorzugt, kann man sich über den einfach nicht endenden Roman auch ärgern. Es wird viel erklärt und beschrieben, Orte und Planeten dadurch unfassbar ausgearbeitet, der gezahlte Preis dafür ist aber ein insgesamt zähes Lesetempo trotz der sehr kurzen – manchmal etwas seltsam aufgeteilten – Kapitel.
Fest der Querverweise
Ein wahres Feuerwerk liefert der Roman dagegen ab, wenn es um Kanon-Verwebungen geht. Bei der Beteiligung von Ochi von Bestoon liegen dafür natürlich die aktuellen Darth Vader-Comics nah, aus denen, neben ohnehin zahlreichen Bezügen in den Ochi-Kapiteln, eine Szene in einem Flashback sogar aus einer neuen Perspektive neu erzählt wird. Aber auch aufgetretenen (scheinbaren) Widersprüchen der letzten Jahre nimmt sich Christopher an, wenn er zum Beispiel das eisige Tython aus der ersten Doktor Aphra-Serie mit der neuen Darstellung aus The Mandalorian durch ein paar Nebensätze geschickt zu verknüpfen weiß. So macht es Spaß, den Kanon zu lesen und zu erleben, welche wichtigen Details nicht in Vergessenheit geraten und noch im Vorbeigehen geradegebogen werden. So werden Charles Soules Lando-Comic, wichtige Elemente der Nachspiel-Trilogie und sogar die mit Vorsicht zu genießenden Informationen über Exegol aus Dunkle Legenden beachtet und in die Handlung prominent mit einbezogen. Es wird sogar eine – wohl aus der Enzyklopädie zu Episode IX entnommene, mir aber bis zu Im Schatten der Sith unbekannte – Brücke von Lando zu einem ganz bestimmten Legends-Comic geschlagen, der ironischerweise aus aktuellem Anlass demnächst von uns im Blog rezensiert werden wird. Selbst ich als Kanon-Leser und Legends-Laie erkannte diese Verbindung und war mehr als überrascht. Aber das bedeutet nicht, dass man weniger Spaß am Roman hat, sollte man all diese Werke nicht gelesen haben, da man alle relevanten Infos im Roman selbst erhält. Es ist lediglich eine zusätzliche Freude für langjährige Leser*innen, die zahlreichen und trotzdem organischen Anspielungen und Verknüpfungen zu entdecken.
Außerdem ist es ein Fest, endlich mal in einer kanonischen Geschichte Luke Skywalker als Jedi-Meister vor seinem selbstgewählten Exil auf dem Höhepunkt seiner Macht zu erleben – obwohl die dargestellte Stärke leider je nachdem, wie die Story es gerade braucht, extrem variiert, vor allem in einer Speeder-Verfolgungsjagd in der Mitte des Romans. Christopher ist sich dessen immerhin bewusst und liefert ausschweifende Erklärungen (was auch sonst?), warum sich Luke genau jetzt wieder einmal zurückhält, doch erinnern sie mehr an Fantheorien zur Abschwächung bereits erwähnter Logiklöcher, als an sich wie von selbst ergebende Gründe. Bei der Darstellung mancher Aspekte der Macht hat der Roman auch ein ungewohnt hohes Maß an Mystik zu bieten. Sobald Exegol näher thematisiert wird driftet der Roman teilweise gar in thematisch für Star Wars recht unverbrauchte Dark Fantasy-Elemente ab und erzeugt, scheinbar ganz bewusst und vor allem im dritten Akt, den ein oder anderen Der Herr der Ringe-Vibe, um die an Atmosphären und Referenzen ohnehin reiche Galaxis mit ein paar selteneren Aspekten zu erweitern.
Fazit
Damit geht die umfangreiche Rezension zu einem umfangreichen Roman zu Ende. Zwar bietet er weder Schadensbegrenzung noch eine allzu tiefe Kontextualisierung der Sequels, jedoch bekommt zumindest der Ausgang von Episode IX durch Im Schatten der Sith etwas mehr emotionales Potenzial, als sie der Film oder der Roman jeweils allein erzeugen könnten. Das gute und befreiende Ende der Geschichte entfaltet sich erst 14 Jahre später, wenn die in der neuen Geschichte erfolgten Handlungen endlich fruchten dürfen. Wer nach dem Lob an anderen Stellen mit der Erwartungshaltung an das Werk herangeht, dass die Sequels allein durch den Roman eine rundere Sache werden – so wie es The Clone Wars oder Legends-Literatur einst mit der Prequel-Trilogie geschafft haben – wird möglicherweise enttäuscht. Wer sich aber auf ein unterhaltsames, in der Ausführlichkeit seines schönen Worldbuildings manchmal viel zu langes Abenteuer von liebgewonnenen Filmfiguren auf dem Höhepunkt von Luke Skywalkers Macht erleben will, der wird mit einer Geschichte belohnt, die zumindest die neuste Trilogie mit zahllosen anderen Werken verknüpft und so den doch recht isolierten Platz der Filme im Kanon festigt. Mittelfristig wird der Roman bei mir aber wieder in Vergessenheit geraten.
Wir danken Blanvalet für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!
Gewinnspiel [BEENDET]
Mit freundlicher Unterstützung von Blanvalet verlosen wir 5x Im Schatten der Sith.
Um am Gewinnspiel teilnehmen zu können, müsst ihr nur die nachfolgende Frage beantworten und das unten stehende Formular ausfüllen:
In welcher US-Ausgabe der Darth Vader-Comicreihe entdecken der dunkle Lord und Ochi von Bestoon zum ersten Mal die Geheimnisse von Exegol?
Das Gewinnspiel ist beendet!
Der Preis wird unter allen Einsendungen mit der richtigen Antwort verlost.
- Nur eine Einsendung pro Person/Familie/Haushalt!
- Einsendeschluss ist Sonntag, 03.11.2024, um 23:59
- Der Preis wird nur innerhalb der Bundesrepublik Deutschland versendet!
- Sämtliche gesammelten Daten dienen nur dem Zweck des Preisversands und werden nach dem Ende des Gewinnspiels und dem Versand des Preises wieder gelöscht.
- Alle Angaben ohne Gewähr! Eine Barauszahlung des Gewinnes ist ausgeschlossen.
In diesem Sinne: Möge die Macht mit euch sein!
Update 04.10.2024 10:36: Die Auslosung
In Darth Vader #11: Into the Fire, Part 6 entdecken Darth Vader und Ochi zum ersten Mal die Geheimnisse von Exegol! Von den Einsendungen mit der richtigen Antwort wurde folgende Gewinnies aus dem Lostopf gezogen:
- Falko B. aus Isernhagen
- Colin B. aus Berghülen
- Anton S. aus Haarbach
- Marc W. aus Bremervörde
- Arina D. aus Mönchengladbach
Herzlichen Glückwunsch und viel Spaß mit dem Buch!
Und vielen Dank an Blanvalet für die Bereitstellung der Preise!
Noch ausführlicher und nicht spoilerfrei werden Ines und Tobias bei ihrer Besprechung zum Roman in der entsprechenden JediCast-Folge:
Nachdem ich es beim letzten Mal verpasst habe, soll mir das nicht noch einmal passieren und deshalb möchte ich mich ganz herzlich für den Cewinn und eigentlich noch mehr für eure immer gute und informative Arbeit bedanken. Macht weiter so!
Dankeschön! Über so eine nette Rückmeldung freuen wir uns immer sehr! Viel Spaß mit deinem Gewinn! 🙂
Da habe ich doch tatsächlich erstmalig bei einem Gewinnspiel gewonnen. Das Buch ist heute gut angekommen. Über das Lesezeichen von der Jedi-Bibliothek freue ich mich auch sehr. Vielen herzlichen Dank!