Rezension: Die Hohe Republik: Mitternachtshorizont von Daniel José Older

Es gibt Rezensionen, die aus unterschiedlichen Gründen eine Weile auf sich warten lassen. In seltenen Fällen werden diese dann auch an andere Kolleg*innen aus dem Team abgegeben, im Falle dieser späten Besprechung des Finales der ersten Phase der Hohen Republik in Romanform sogar gleich mehrfach. Da ich aber in den letzten Tagen erst Paninis Veröffentlichung von Daniel José Olders Mitternachtshorizont gelesen und mir eine recht unpopuläre Meinung dazu gebildet habe, bot ich den Kolleg*innen an, die noch ausstehende Rezension einfach zu übernehmen. Wer hätte denn gedacht, dass mein persönlicher großer Rückstand bei der Hohen Republik – von der ersten Phase fehlen mir jetzt nur noch Cavan Scotts jüngst auf deutsch erschienenes Hörspielskript Orkanläuferin, gefolgt von Charles Soules Comic Das Auge des Sturms, bevor ich endlich und hoffentlich flott Phase II durchlesen werde – einmal einen derartigen Nutzen haben wird.

Andreas Kasprzaks und Tobias Toneguzzos deutsche Übersetzung von Mitternachtshorizont wurde – wie bereits erwähnt vor geraumer Zeit – am 28. Juni 2022 als großformatiges Taschenbuch mit Klappen veröffentlicht, passend zu den ersten beiden Young-Adult-Romanen des großen Literaturprojekts. Die englische Ausgabe Midnight Horizon erschien nur ein paar Monate früher, nämlich vor etwas mehr als zwei Jahren am 1. Februar 2022 bei Disney-Lucasfilm Press. Meine von der Hohen Republik begeisterte Kollegin Patricia rezensierte damals die Originalausgabe und war sehr angetan. Sie sprach sogar vom besten Roman der dritten Welle, in deren Zentrum Der gefallene Stern stand. Warum ich diese Meinung nicht teile, aber was ich dem Roman gleichzeitig auch alles abgewinnen kann, erfahrt ihr in dieser Rezension.

NUR NOCH EIN SCHRITT BIS ZUM SIEG … … ODER IN DEN ABGRUND?

Nach einer Serie verheerender Verluste scheint die Republik die marodierenden Nihil endlich in die Flucht geschlagen zu haben. Doch dann erreicht die Jedi die Nachricht über einen mutmaßlichen Nihil-Angriff auf den Industrieplaneten Corellia, direkt im galaktischen Kern. Die Jedi Cohmac Vitus und Kantam Sy werden zusammen mit ihren Padawanen Reath Silas und Ram Jomaram damit beauftragt, der Angelegenheit auf den Grund zu gehen – doch sie alle haben nach Monaten der ständigen Bedrohung längst ihre ganz eigenen Kämpfe in ihrem Inneren auszutragen …

Klappentext

Das vorläufige Finale des „Older-Verse“

Als einer der fünf ursprünglichen Architekt*innen von Die Hohe Republik ist Daniel José Older von Anfang an dabei gewesen, in erster Linie als Autor der für ein jüngeres Publikum geeigneten Comicreihe Die Hohe Republik – Abenteuer. In Mitternachtshorizont schickt er nun einige seiner dort eingeführten Charaktere gemeinsam mit denen aus seinem Jugendroman Kampf um Valo auf eine Mission nach Corellia, um parallel zu den Ereignissen von Der gefallene Stern einer dortigen Nihil-Spur nachzugehen, für die sie die Starlight-Station noch vor der dortigen Katastrophe verlassen. Dabei werden in Olders vorherigen Werken begonnene Charakterentwicklungen weiter- und zu einem vorläufigen Ende geführt, die interessante Vergangenheit des ein oder anderen Charakters aus seiner Feder näher beleuchtet und einige Weichen für die inzwischen bereits begonnene dritte Phase gestellt. Im Gesamtpaket betrachtet ist Mitternachtshorizont also ein wichtiges Puzzlestück vor allem für die Entwicklung zentraler Charaktere der Hohen Republik und rein inhaltlich eine wichtige Lektüre, um herauszufinden, was das Ende der Phase nach ihrer Einführung in In die Dunkelheit für das Schicksal von Cohmac Vitus und seinen Padawan Reath Silas bereithält. Das selbe gilt für alle Leser*innen von Die Hohe Republik – Abenteuer, dessen Cast während dem Fall der Starlight getrennt wurde und sich teils ebendort, teils auf Corellia befindet.

Crash-kurs im Romanschreiben

Ein neuer Charakter, der in einer Geschichte in Die Hohe Republik – Abenteuer, Band 3 kurz eingeführt wurde und nun in Mitternachtshorizont eine zentrale Rolle einnimmt, ist Alys Ongwa, genannt Crash. Sie und ihr im Personenschutz tätiges Unternehmen bieten ein frisches Element im Star Wars-Kosmos und stehen außerdem im Kontrast zur sonst sehr Jedi-lastigen Perspektiven von Figuren in Die Hohe Republik. Durch sie und ihr Team gibt es endlich eine Perspektive mehr oder weniger „normaler“ Bürgerinnen und Bürger der Republik auf die galaxisweiten Entwicklungen bei einer Hauptfigur mit POV-Kapiteln. Leider empfand ich persönlich sie aber zu Beginn noch als recht nervig und konnte erst nach und nach Sympathien für sie gewinnen. Nichtsdestotrotz waren das keine guten Startvoraussetzungen dafür, dass der Roman Fahrt aufnehmen konnte, weil vor allem das erste Drittel unfassbar Crash-lastig ist.

The High Republic: Midnight Horizon (Walmart Exclusive Edition) (01.02.2022)
The High Republic: Midnight Horizon (Walmart Exclusive Edition) (01.02.2022)

Was mir darüber hinaus leider überhaupt nicht zusagt – auch wenn ich nur die deutsche Übersetzung vorliegen habe und bewerten kann – ist Olders Schreibstil. Ich fand es unglaublich zäh, mich durch das Buch zu arbeiten, obwohl seine gut 480 Seiten in ganze 67 sehr knappe Kapitel unterteilt sind. Vor allem die aus Reaths Perspektive stechen heraus, da seine Kapitel fast ausnahmslos lediglich drei bis vier Seiten lang sind. In den Absätzen merkt man Older an, dass er bisher bei Die Hohe Republik hauptsächlich für die jüngere Leserschaft schrieb und oft sehr einfache Satzstrukturen verwendet, die es dabei aber nicht schaffen, die Handlung flüssig voranzubringen. So entsteht ein seltsames Sammelsurium von Gedanken der Figuren, Handlungen und Dialogen, die für mich im Leseflow selten zueinander passen und willkürlich in ihrer Gestaltung wirken. Oft hatte ich auch das Gefühl, dass Older bei der Atmosphäre und den Beschreibungen von Orten spart, dann aber wilde Actionszenen dort geschehen lässt und die Lesenden dabei aber vor vollendete Tatsachen stellt, was die örtlichen Gegebenheiten angeht.

So kam es häufiger vor, dass ich ein großes Fragezeichen beim logischen Ablauf mancher Szenen hatte und einfach hinnehmen musste, dass der Ort jetzt eben so aufgebaut ist, wie es der nächste Machtsprung benötigt. Interessanterweise ging es mir schon bei Kampf um Valo genauso, den ich ähnlich schwer lesen konnte und mich die These aufstellen lässt, dass Mitternachtshorizont stilistisch wieder ein Older-Jugendroman ist und kein Young-Adult-Roman, wenn auch mit deutlich mehr Umfang und auf die typischen Fragen und Themen von jungen Erwachsenen ausgerichteten inneren Konflikten. Dass dann wiederum gleich zu Beginn und vor allem im gigantischen Finale teilweise sehr detailliert Gewalt und Grausamkeiten beschrieben werden, beißt sich mit dem sonst eher kinderfreundlichen Schreibstil, sorgt aber für einen interessanten Kontrast und freut mich als erwachsenen Leser der kompletten Hohen Republik insofern, dass die Werke in ihrer Logik und Glaubwürdigkeit in der Darstellung der Gewalt zueinander passen.

Inkonsequent queer

Nichtsdestotrotz ein unbestreitbares Highlight des Romans stellt mit Sicherheit die spannende Hintergrundgeschichte des*der nicht-binären Jedi-Meistere Kantam Sy dar, die mit regelmäßig platzierten Rückblenden beleuchtet wird. Wie schon bei den anderen Büchern der Phase von Panini hat sich die deutsche Übersetzung unter Andreas Kasprzak und Tobias Toneguzzo auch hier wieder für die Nutzung des Neopronomens „xier“ mit allen entsprechenden Deklinationen entschieden, was definitiv ein Pluspunkt ist, um der Identität des Charakters gerecht zu werden. Leider fällt beim Lesen der Erstauflage auf, dass es nicht komplett durchgängig verwendet wird. An gleich mehreren Stellen, vermutlich als Flüchtigkeitsfehler, werden nämlich plötzlich männliche Pronome für Meistere Sy verwendet, was leider auffällt und einen faden Beigeschmack bei der sonst wirklich vorbildlichen Nutzung vor allem der Deklinationen hinterlässt. Sicher, wir sind alle Menschen und es gibt bei jeder Erstauflage den ein oder anderen kleinen Fehler, aber bei einem derart sensiblen Thema würde ich mir wünschen, dass auch das Lektorat auf eine fehlerfreie Übersetzung unter dem Aspekt achtet und nicht hin und wieder offenbart, dass die Übersetzer scheinbar Kantam Sy eher als männlichen Charakter zu sehen scheinen, was aber schlichtweg inhaltlich falsch ist.

Fazit: Durchwachsener Abschluss der ersten Phase

So komme ich zu einem eher mittelmäßigen Fazit für Mitternachtshorizont als das allgemein herrschende Lob für den Roman. Ich gehöre aber auch zur Minderheit der Leserschaft, die Der gefallene Stern mag, der für mich trotz großer Schwächen zu den Highlights der ersten Phase zählt. Mitternachtshorizont hat es mir hingegen oft schwer gemacht, ihn weiterzulesen und macht es mir auch nach dem gelungenen und tatsächlich sehr epischen Ende noch schwer, ihn zu mögen. Older darf zwar viele offene Fäden seiner seit dem Beginn des Projekts entwickelten Charaktere weiterspinnen, miteinander verweben und zu ihrem vorläufigen Höhepunkt führen, erschafft eine spannende Verschwörungs-Story mit unerwarteten Wendungen und ein fulminantes, actionreiches Finale, jedoch verhindern sein Schreibstil und die deutsche Übersetzung, dass diese vollends bei mir zünden können. Die ersten drei Erwachsenenromane der Hohen Republik schafften es fast durchgehend, mich zu begeistern. Mit den Jugend- und Young-Adult-Romanen werde ich bisher aber insgesamt einfach nicht warm.

Wir danken Panini für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares!

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Star Wars: Die Hohe Republik ist ein mehrjähriges Buch- und Comicprogramm, das hunderte Jahre vor den Skywalker-Filmen spielt und die Jedi in ihrer Blütezeit zeigt. Weitere Infos, News, Podcasts und Rezensionen gibt es in unserem Portal und in der Datenbank. Beachtet auch unsere Guides zur Lesereihenfolge von Phase I, Phase II und Phase III.

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