Rezension: Obi-Wan: Die Bestimmung eines Jedi

Heute erscheint überall im Handel der Sammelband zum Comic Obi-Wan: Die Bestimmung eines Jedi, welcher von Mai 2022 bis September 2022 in den originalen Marvel-Heften erzählt wurde und in der Panini-Heftreihe dann von November 2022 bis März 2023 lief. Im Panini-Shop war der Sammelband bereits ab Anfang April erhältlich. Geschrieben wurde der ganze Handlungsbogen dabei von Christopher Cantwell, während für jede Ausgabe andere Zeichner und Koloristen zuständig waren. Ob man den Comic lesen sollte und welchen Mehrwert er bietet, soll diese Rezension beantworten!

Ein Jedi erinnert sich

Die Rahmenhandlung spielt visuell kurz vor Episode IV und zeigt uns einen bereits ergrauten Obi-Wan, der sich an sein Leben im Jedi-Orden zurückerinnert. Als Ausgangspunkt dient dabei ein Sandsturm, der ihn in seiner Hütte festsetzt und zum philosophischen Rückblick einlädt. Besonders spannend fand ich im Voraus daran die Idee, dass nicht jede Erinnerung so tatsächlich realistisch passiert sein muss. Erinnerungen spielen ja oft den Trick aus, dass sie Dinge aus früheren Tagen schöner wirken lassen, weil wir sie vom Ende her denken und den Weg dahin nicht mit einbeziehen.

Am Ende muss ich jedoch sagen, dass mit diesem Erinnerungs-Konzept zu wenig gemacht wird. Zwar sind manche moralischen Lehren aus diesen Erinnerungen am Ende metaphorisch für sein späteres Wirken und drehen sich oftmals um das Konzept von Licht und Schatten. Gerade in Bezug auf seine Erklärung der Macht gegenüber Leia in der Kenobi-Serie als Lichtschalter wirkt das schon – wenn wohl unbeabsichtigt – als passende Parallele. Aus diesem Grund überzeugt auch die zweite Geschichte – die sich einem Abenteuer von Qui-Gon und ihm vor Episode I widmet – am meisten, da die surreale Atmosphäre auf dem Planeten samt machtverschluckender Aura schon eher in die abstrakte Erinnerungsrichtung geht und man sich fragt, was da eigentlich wirklich passiert ist und ob Obi-Wan das Ende etwas zu positiv in Erinnerung hat. Nur diese Geschichte spielt so wirklich mit Albträumen und der Sehnsucht, dass alles besser wird, wovon ich gerne noch mehr gesehen hätte.

Im Mittelteil versucht man dann mit den beiden Geschichten rund um die Klonkriege eine etwas kohärentere Story zu erzählen, indem man einen Kommandanten wieder aufgreift. Auch hier wird viel mit der Frage was ein Jedi ist und wie man das Licht der Jedi verstehen kann gespielt. Das alles macht zwar durchaus Spaß, erweckt aber nicht ganz das, was ich mir von einem Comic mit der Prämisse eines sich erinnernden Jedi erwartet hätte. Auch dort gibt es Anzeichen, dass einige Erinnerungen zu übertrieben sind (so werden die Schrecken der Klonkriege extrem drastisch gezeigt – vor allem im Vergleich zur Serie The Clone Wars und eher passend zur Clone Wars-Serie – oder der Tempel eines Widersachers wieder in nebliges Dunkel gehüllt) aber wirklich explizit macht es der Comic nie, dass es immer auch eine weitere Ebene neben dem rein chronistischen Charakter geben könnte.

Beeindruckende Kollaboration

Im Bereich der Zeichnungen und Kolorationen hingegen bin ich sehr beeindruckt. Vor allem die Gegenwartshandlung, die immer die nächste Erinnerung einleitet, zeichnet sich durch eine starke Konstanz in der Darstellung Kenobis aus und die einzelnen Geschichte bieten sich durch die verschiedenen Lebensphasen natürlich sehr gut an, um eine solche Abwechslung bei den Zeichnern zu ermöglichen. Und (fast) jede Ausgabe überzeugt dabei für mich auf ganzer Linie. Beginnend mit der Darstellung des jungen Kenobi auf Coruscant von Ario Anindito, hin zum jugendlichen Padawan von Luke Ross, in dem man Ewan McGregor aus Episode I fast schon fotorealistisch erkennen kann, über den mit Plattenrüstung versehenen Obi-Wan aus den Anfangstagen der Klonkriege von Alessandro Miracolo, der zwar nicht so glatt gebügelt wie die Serienvorlage wirkt, aber erkennbar ist. In Geschichte vier, gezeichnet von Madibek Musabekov, hingegen wirken sowohl Obi-Wan als auch Anakin etwas zu falsch dargestellt. Man erkennt nur schwer den auch das Cover (von Phil Noto) zierenden Episode-III-Obi-Wan in der Darstellung und Anakin wirkt zu jugendlich im Vergleich zu seiner Darstellung am Ende der Klonkriege. Die letzte Ausgabe – gezeichnet von Adriana Melo – präsentiert uns dann wieder einen Obi-Wan, der nah an Alec Guinness herankommt.

Auch in puncto Kreativität sticht die Aufmachung des Comics hervor. So wird in der zweiten Geschichte sehr schön mit der Abwesenheit und Anwesenheit von Farbe/Licht gespielt, was meinen Punkt untermauert, dass der Erinnerungs-Aspekt bei dieser noch am besten verdeutlicht wird. Auch die chaotischen und doch halbwegs übersichtlichen Kampfszenen in der dritten Geschichte funktionieren überraschend gut und machen visuell einiges her, während eine Collage aus Ereignissen hinter Yularen in der vierten Geschichte ein beeindruckendes Bild abgibt. Auch die meisten Nebenfiguren wirken gut konzipiert und die wenigen, die sich durch mehrere Geschichten ziehen, sind auch über den Zeichnerwechsel hinweg zu erkennen.

Fazit

Wir erhalten mit diesem Sammelband eine wortwörtliche Sammlung von fünf Einzelgeschichten des Obi-Wan Kenobi, die sich alle mit der Frage beschäftigen, wie sich Licht und Dunkel zueinander verhalten und welche Rolle das Alleinsein dabei spielt. Der Comic schafft es, am Ende etwas offen zu bleiben und zum Denken anzuregen und trotz Kenobis traumatischem Leben auch auf einer positiven, hoffnungsvollen Note der Aktivierung einer neuen Generation des Widerstands zu enden. Lediglich das etwas stärkere Spiel mit der Frage, ob wir es nun mit verschwommenen und teils geschönten Erinnerungen oder komplett realistischen Chroniken Obi-Wans zu tun haben, hätte diese spannend konzipierte Reihe noch etwas mehr aufgewertet. Doch gerade in Hinblick auf die Kenobi-Serie kann man durch ähnliche Metaphern und die Hoffnung an den jeweiligen Enden des Comics als auch der Serie von einer kohärenten Darstellung sprechen und diesen Band sehr gut ergänzend lesen. Dass man Obi-Wan am Ende nun jedoch mit anderen Augen sieht oder mehr wichtige Infos zu seiner Person oder Geschichte erfährt, ist hingegen nicht der Fall.

Der Rezensent vergibt 3 von 5 Holocrons!
Bewertung: 3 von 5 Holocrons

Wir danken Panini für die Bereitstellung des Rezensionsxemplares!

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