Rezension: Star Wars #91: Darth Vader: Der Schatten des Schatten, Teil 3 & Obi-Wan, Teil 4

Das Grauen…. das Grauen.

Colonel Kurtz, Apocalypse Now (1979)

Heute läuft im Rahmen einer Filmklassiker-Reihe Francis Ford Coppolas Antikriegsfilm-Meisterwerk Apocalypse Now deutschlandweit noch einmal auf der großen Leinwand. Und obwohl beim jüngst bei Panini erschienenen Heft Star Wars #91 mehrere Zitate meine Rezension einleiten könnten, eignet sich Marlon Brandos eingängiger Ausruf aus dem Film am besten dafür. Was das aber für das Heft bedeutet, werde ich euch noch erklären. Star Wars #91 wurde von Matthias Wieland übersetzt und enthält eine weitere Obi-Wan-Geschichte von Christopher Cantwell (diesmal mit Zeichnungen von Madibek Musabekov und Farben von Sebastian Cheng) und ein neues Vader-Kapitel vom altbewährten Team Greg Pak (Autor), Raffaele Ienco (Zeichner) und Carlos Lopez (Kolorist). Übrigens ist die Wahl, welche Serie welches der beiden Cover zieren darf, erneut umgekehrt worden – es darf wieder Phil Noto mit Obi-Wan das Kiosk-Cover für sich beanspruchen, während für das Comicshop-Cover erstmals seit Star Wars #88 die Wahl auf Paul Renauds Vader-Cover gefallen ist. Woran das liegt, kann man nur mutmaßen. Ich für meinen Teil habe das Gefühl, dass Panini meist das allgemein ansprechendere Cover (Sith sells, also meistens mit Darth Vader) für die Kioskcover auswählt, um verständlicherweise mehr Gelegenheitskäufer*innen am (Bahnhofs-)Kiosk mitzunehmen. Schreibt gern in die Kommentare, was ihr zum System von Paninis Coverauswahl denkt, aber hier habt ihr beide im Vergleich.

Die abgedruckte Reihenfolge der Geschichten bleibt trotz je nach Cover unterschiedlich abgedrucktem Logo unverändert. Obi-Wan macht, auch chronologisch, den Anfang. Die Inhaltsangabe deutet immerhin an, worum es im Obi-Wan-Kapitel geht, und lässt Vader außen vor:

In der vierten Episode der Comic-Serie, in der der große Jedi-Meister Obi-Wan Kenobi im Exil auf Tatooine seine aufreibendsten Erlebnisse Revue passieren lässt, begeben wir uns an der Seite des Jedi-Generals erneut zurück in die legendären Klonkriege, jedoch fernab der Front und in Begleitung seines Schülers Anakin Skywalker …

Cantwell vollführt mit Vom Nutzen des Sonnenaufgangs ein erzählerisches Kunststück; da es das vierte und somit vorletzte Kapitel seiner Miniserie darstellt, muss er die Rahmenhandlung um den Sandsturm fortsetzen und eine weitere, fesselnde und für den Titelcharakter lehrreiche Episode präsentieren. Darüber hinaus schafft er nun erstmals in den bisher für sich stehenden Geschichten Verbindungen untereinander und kreiert somit ein größeres Gesamtbild von Obi-Wans ausgewählten Erzählungen. Aufgrund der erwähnten Ereignisse, wie dem Fall des Jedi-Tempels von Devaron in The Clone Wars S03E13: „Monster“, und der Outfits von Anakin und Obi-Wan können wir die erzählte Geschichte auf 20 VSY oder 19 VSY datieren, aber auf jeden Fall in der späteren Phase der Klonkriege. Die Mission, die dem Jedi-Duo von Admiral Yularen aufgetragen wird, soll hier vom Ziel nicht gespoilert werden, allerdings kann man sie als eine direkte Fortsetzung des in Star Wars #90 eröffneten Handlungsstrang bezeichnen, die der gesamten Reihe mehr Kohärenz verleiht. Als Obi-Wan Anakin von seiner Mission mit Qui-Gon in völliger Dunkelheit erzählt, bezieht er sich damit sogar auf Heft #89 zurück und schließt so weitere Kreise der Miniserie.

Doch zurück zu den eingangs erwähnten Verbindungen mit einem der legendärsten Filme aller Zeiten. Schon mit Yularens Missionsbesprechung beginnt das knapp zwanzigseitige Heft, sich in Handlung, Motivationen, Setting, Stil und sogar einzelnen Perspektiven am 1979 veröffentlichten Film zu orientieren. Mich hat es kurz verwundert, aber wenn man darüber nachdenkt, passt ein dreckiger, eindringlicher und im Vietnamkrieg angesiedelter Film wie Apocalypse Now sehr gut, wenn man auf die Gräuel der verheerenden Klonkriege und eine Message über Sinn und Sinnlosigkeit des Tötens hinweisen möchte. Da ich den Film großartig finde, so wie Cantwell scheinbar, geht diese Referenz auch voll bei mir auf und bedient die Gefühle, die der Film seit dem ersten Schauen bei mir auslösen kann. Krieg ist hart und keine Kinderserie. Einzig schade bleibt, dass in der Knappheit der Erzählung die Geschichte und schlüssigen Beweggründe der Colonel Kurtz entsprechenden Figur nur angerissen werden und nicht mit der Tiefe von Coppolas Meisterwerk und Marlon Brandos Schauspiel mithalten können.

Darüber hinaus stellt Madibek Musabekov die bisher besten Zeichnungen der Miniserie. Seine Charaktere entstammen seinem persönlichen Stil, sind aber dennoch durchgängig als Anakin, Obi-Wan und Yularen im weichen „Filmlook“ zu erkennen, obwohl sie auf dem Grad zum harten „Animationslook“ von The Clone Wars wandern. Der Spagat gelingt ihm, genau wie der optische Flow der Geschichte, eindeutig. Die Farben von Sebastian Cheng ergänzen diesen Eindruck perfekt und ich war beeindruckt, wie flüssig beide sogar die spezielle Beleuchtung des referenzierten Films integrieren. Ein klitzekleiner Farbfehler hat sich in einem Panel eingeschlichen, das Obi-Wan bei der Schlacht von der Abrion-Brücke aus dem letzten Heft zeigen soll (und eindeutig sein Lichtschwert!), aber auf dem Outfit die Blau-Brauntöne von Anakin verwendet. Kleine optische Kontinuitätsfehler ziehen sich also trotz wechselnder Teams weiter durch die Obi-Wan-Reihe.

Ein besonderer Satz im Heft, der in die engere Auswahl für das Eingangszitat kam und den Obi-Wan ganz am Anfang zu seinem Schüler Anakin sagt, hat mich sehr zum Lachen gebracht:

Hast du es nicht mitbekommen? Du sollst wieder Podrennen fahren. Der Rat meint, das sei deine wahre Bestimmung.

Der Satz passt nämlich unfassbar gut zu beiden Einzelheften und so zur #91 im Allgemeinen. Denn in Keine Ruhe vor dem Sturm scheint alles darauf hinauszulaufen, dass Darth Vader persönlich nach Ewigkeiten wieder in einen Podrenner steigt. Es gibt also schon wieder rein zufällig eine indirekte Verbindung zwischen beiden enthaltenen Heften. Ist wohl einfach Bestimmung. Trotzdem ist die Story um die Maschine der Governeurin mit Sabé und Ochi mittendrin leider wieder ziemlich daneben, aber immerhin sind Iencos Zeichnungen wieder okay. Mit Vader, der mithilfe der Macht ein Schiff aufhält, und Vader, der ein Großkampfschiff entert, gibt es immerhin zwei (auch in Live-Action schon gesehene) Klassiker aus dem Repertoire der coolen Vader-Momente, die mir deutlich lieber sind als ein weiterer Kampf gegen schon wieder neue Monster. Die neue Superwaffe der Gouverneurin ist aber völlig over-the-top und wäre, wie so vieles in Greg Paks Reihe, besser in einem Superheldencomic aufgehoben.

Fazit

Wieder liegt optisch und erzählerisch ein deutlicher Qualitätsunterschied zwischen beiden enthaltenen Geschichten. Insgesamt schafft es die beeindruckende Obi-Wan-Story als beste bisher, den Gesamteindruck des Hefts nach oben zu reißen und aus der Darth Vader-Reihe gab es auch schon schlechtere Beiträge. Ich bin jetzt sehr gespannt, ob im nächsten Heft mit dem Finale von Obi-Wan noch einer draufgesetzt wird, oder ob die vierte Episode nun das Highlight der Reihe bleibt.

Bewertung: 4 von 5 Holocrons
Bewertung: 4 von 5 Holocrons

Wir danken Panini für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

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