Mit knapp zweimonatiger Verspätung erscheint heute Stranded, das erste Kapitel der vierteiligen Comic-Miniserie The High Republic Adventures: The Nameless Terror. Autor George Mann hat zur zweiten Phase des Literaturprogramms bereits den Jugendroman Quest for the Hidden City, die Insider-Kurzgeschichten Tales of Enlightenment und das Hörspiel The Battle of Jedha beigetragen. Auf diesen bunten Medienmix folgt mit The Nameless Terror nun also noch das Comicformat. Die großartigen Zeichnungen gehen auf Ornella Savarese zurück. Die Auftaktausgabe handelt – wie Titel und Cover schon erahnen lassen – von der Bruchlandung eines Pathfinder-Teams. Entsprechend des Reihentitels ist es nur eine Frage der Zeit, bis unsere Protagonist*innen mit den Namenlosen konfrontiert werden. Die Miniserie ist an ein jüngeres Publikum adressiert. Nachfolgend möchte ich sowohl meine freudigen Erwartungen als auch meine Bedenken im Hinblick auf The Nameless Terror mit euch teilen.
Achtung! Wie auch bei unseren Marvel-Mittwoch-Rezensionen können die Besprechungen und Kommentare zu den Dark-Horse-Comics Spoiler enthalten.
Rahmenhandlung
You can take it from me–whatever it was that had emerged from that egg was very, very hungry…
Ty Yorrick
Das erste Panel bietet uns einen gewohnten Anblick: Ty Yorricks YT-750-Frachter. An Bord folgen wir einer Unterhaltung der aus Phase I bekannten Monsterjägerin mit ihrer Begleiterin KL-03, der zufolge die Gegenwartshandlung nach der Schlacht auf Valo spielt. KL-03 leitet sogleich galant auf das Thema der Comicreihe über, indem sie die satte Auftragslage auf die von den Gerüchten über die Namenlosen geschürte Verängstigung der Bevölkerung zurückführt. Daraufhin holt die ehemalige Jedi Ty zu einer Erzählung aus, die ihr damaliger Meister Cibaba ihr über dessen Meister Coron Solstus berichtet hat.
Der „Kunstgriff“, Ty Yorrick als Erzählerin zu verwenden, beglückt zwar den Phase-I-Fan in mir, hinterlässt jedoch einen faden Beigeschmack. Die hervorragend ausgearbeitete Figur mit mehr Tiefe als alle bisherigen Phase-II-Charaktere holt Fans der ersten Phase sicherlich an Bord und stellt einen (losen) Bezug zu Corons Geschichte her. Ihr Einsatz nimmt aber auch den Figuren der zweiten Phase Raum, eigene Relevanz zu erlangen. Dass der horror-affine George Mann die Monsterjägerin einbinden möchte, die noch dazu auf seinen Freund Cavan Scott zurückgeht, kann ich nachvollziehen. Doch hätte ich mir dafür einen passenderen Rahmen gewünscht, wie die phasenübergreifende Young Adult Anthology. Das mindert aber weder meine Freude an dem Auftritt von Ty und ihrer Droidin noch meinen Respekt dafür, wie authentisch Mann die beiden Figuren inklusive ihrer (Gesprächs-)Dynamik einzufangen weiß! Allein im Hinblick auf mein Lesevergnügen freue ich mich also auf Yorricks weitere Moderation der Miniserie.
Binnenhandlung
Time to do what we Jedi do best. […] Adventure!
Rok Buran
StarWars.com ordnet die Binnenerzählung zeitlich zwischen dem nächsten Jugendbuch Quest for Planet X und Erwachsenenroman Cataclysm ein. Die anfänglichen Werke haben auf die Schlacht von Jedha als ersten „Höhepunkt“ dieser Phase hingeführt und das Ereignis wird uns noch ein Weilchen durch die beiden Haupt-Comicreihen begleiten. Daher erleichtert es mich, dass wir zumindest mit dieser eigenständigen Miniserie einen kleinen Zeitsprung vollziehen und uns handlungsmäßig davon fortbewegen dürfen. Selbst die verzögerte Veröffentlichung ist vorteilhaft, nachdem der aufgebaute Spannungsbogen erst Anfang Januar in Battle of Jedha gegipfelt und nun weitestgehend abgeschlossen ist.
In Yorricks Erzählung folgen wir den Ereignissen um Padawan Coron Solstus und die Besatzung der Witherbloom – einem kompakten Pathfinder-Schiff, das ehe wir uns versehen seinem Namen gerecht wird. Zu dem Pathfinder-Team zählen neben Corons Meisterin Sula die Jedi-Meister*innen Xinith Tarl, die in Manns Hörspiel flüchtig aufgetreten ist, und Rok Buran aus seinem Jugendbuch. Somit herrscht ein „Jedi-Überschuss“, aber Rok hat ja sein ursprüngliches Team verloren und somit auch erstmal allerhand zu verarbeiten. Vervollständigt wird das Team von Mediziner*in Ambar und Pilot*in Pako. Dabei ist Ambar mit dem EX-Kommunikationsdroiden der Einheit, EX-Five, ganz auf einer Wellenlänge. Der Cast hat eine recht ausgeglichene Geschlechterverteilung und ist immerhin zur Hälfte nicht-menschlich. Grundsätzlich sind mir Pathfinder*innen als zentrale Comic-Crew willkommen, das war für mich von vornherein das interessanteste Element dieser Phase. Wohler hätte ich mich gefühlt, hätte man hierin Mitgliedern bekannter Teams mehr Charakterarbeit zukommen lassen, beispielsweise aus Manns Jugendroman oder Charles Soules Comicreihe, anstatt ein (bis auf Rok) gänzlich neues Team in den Mittelpunkt zu stellen. Das ließe die Lesenden im Anbetracht des „namenlosen Terrors“ vielleicht auch stärker um die Protagonist*innen bangen. Dass zumindest der der Zielgruppe der Reihe bekannte Rok die Chance auf mehr Tiefgang erhält, finde ich begrüßenswert. Ihm eilte in Quest for the Hidden City die meiste Zeit sein Ruf voraus und er wurde zwar prägnant, aber doch recht eindimensional charakterisiert. Gleich zu Beginn der Binnenerzählung teilt er jedenfalls im Gespräch mit Meisterin Tarl wohlplatziert und glaubwürdig seine Trauer mit uns.
Nachfolgend wird die Witherbloom ungeachtet Tarls diplomatischer Bemühungen in ein überraschendes Luftgefecht verwickelt, von dem abstürzenden gegnerischen Raumschiff gerammt und mit auf die Planetenoberfläche gerissen. Während von Bord des anderen Schiffes ein violettes Ei kullert und an einem Felsvorsprung aufbricht, muss unsere Mannschaft mit einer Verwundeten aus dem explosionsgeneigten Schiff entkommen und nun also irgendwo im Nirgendwo die Mittel zur Behandlung ihrer lebensbedrohlichen Verletzungen auftreiben. Das führt sie unweigerlich an Bord des anderen Wracks, dessen Besatzung einer den erwachsenen Lesenden wohlbekannten antagonistischen Gruppierung angehört. Natürlich müssen sie sich hierfür kräftig aufteilen, um unser Unbehagen effektiv zu erhöhen. Es kommt zu einigen spannungsgeladenen Konfrontationen und die Protagonist*innen sehen sich in dieser gelungen unheimlich anmutenden Umgebung verschiedenen Bedrohungen gegenüber. Besonders begeistern konnten mich die kämpferischen Fertigkeiten von Sula, der beeindruckende und anmutige Actionpanels zuteil werden – davon gerne mehr! Wenngleich ich den Plot ein wenig generisch und in seinen Wendungen etwas berechenbar finde, verstrickt Mann die Lesenden dennoch erfolgreich in die Handlung und schürt das Unbehagen, was ihm so besonders leicht von der Hand geht. Gerade für die junge Leser*innenschaft sollte die Geschichte vermutlich aufregend genug sein. Für diese Zielgruppe wünsche ich mir vor allem, dass Coron in den nächsten Ausgaben stärker in den Fokus gerückt wird und mehr Identifikationsgrundlage bietet. Aktuell ist der unsichere Padawan etwas blass inmitten dieser autoritären, unerschrockenen und patenten Erwachsenen.
Einmal zur titelgebenden Hauptbedrohung: Ich hegte durchaus Vorfreude auf The Nameless Terror, muss aber inzwischen konstatieren, dass ich des Namenlosen-Terrors etwas müde geworden bin, weshalb es für mich aktuell nicht die fesselndste Geschichte sein kann. Die jüngere DHR-Fans wurden aber ja bisher weitreichend damit verschont, sodass die Namenlosen in diesem Format gut aufgehoben sind. Positiv empfunden habe ich den Spannungsaufbau im Hinblick auf das bei der Bruchlandung angedötschte Namenlosen-Ei und die daraus frühzeitig schlüpfende Kreatur. Das packt für mein Empfinden ältere Leser*innen, die nach Pfad der Täuschung das Folgende erahnen können, und versetzt jüngere wiederum gewiss in Neugier, was der Crew hier blüht. Dem muss ich allerdings die verwirrte und spoiler-haltige Frage nachstellen, warum dieses Jungtier unmittelbar danach Nicht-Machtnutzer*innen zerfleischt und zur furchteinflößenden Bedrohung für die überlebenden Path-Mitglieder wird? Das steht für mich nicht im Einklang mit der bisherigen Beschreibung und ich hoffe auf eine plausible Erklärung dieser Verhaltensweise. Um bei plausiblen Erklärungen zu bleiben: Die Lektüre von The Nameless Terror lässt mich mal wieder verrätselt zurück, wie die Existenz der Namenlosen dermaßen unzureichend zu den Charakteren der ersten Phase überliefert wurde. Gut, sie werden irgendwann ähnlich den Drengir gebannt, aber die fundamentale Bedrohung, die von diesen Kreaturen für Machtnutzende ausgeht, kann doch nicht zwei Generationen später – abgesehen von einem kryptischen Kinderlied – derartig in Vergessenheit geraten sein?
Habe ich die Dialoge in der Rahmenhandlung noch positiv hervorgehoben, empfinde ich sie in der Binnenerzählung zum Teil als etwas überladen, flach und steif. Die Aussagen wirken an manchen Stellen für dieses Medium redundant, wenn viele beschreibende Worte um etwas gemacht werden, das Lesende jeden Alters auf den Panels bestens sehen oder sich mühelos aus dem Kontext erschließen können.
Gestaltung
Damit möchte ich zur künstlerischen Gestaltung überleiten, meinem Highlight dieser Ausgabe. Die Illustration und Koloration von Stranded hat mir wirklich gut gefallen, ganz besonders für so eine an ein jüngeres Publikum gerichtete Adventures-Comicreihe. Denn die Panels sind einfach gehalten, ohne schlicht zu wirken. Sie machen einen aufgeräumten, übersichtlichen Eindruck – selbst die Kampfszenen – sodass ich der Handlung jederzeit wunderbar folgen kann. Dennoch sind die Hintergründe nicht etwa vernachlässigt worden, sondern liebe- und stimmungsvoll ausgearbeitet, ohne aber eben vom Vordergrund abzulenken. Besonders bemerkenswert finde ich hierbei die Mühe, die sich selbst mit der Darstellung von Charakteren mit einiger Distanz im Hintergrund noch gegeben wurde. Generell haben die Figuren ein recht individuelles Äußeres, bei ihrer Mimik wurde nicht geschludert und auch Ty und KL-03 sind bestens wiederzuerkennen. Es wird nicht mit Farben gegeizt, sie harmonieren aber angenehm miteinander und sind auf die jeweiligen Handlungsorte und Stimmungen abgestimmt. Zwar kommen kräftige und kontrastreiche Farben zum Einsatz, ich empfinde sie aber in keinster Weise als zu wuchtig. Zuletzt fügen sich selbst die Soundworte gut ins Gesamtbild ein.
Fazit
Ich erachte Stranded als einen soliden Auftakt für die Miniserie. Durch die Ausgestaltung und Aufteilung der Panels war die Geschichte angenehm nachzuvollziehen und wirklich jede Sequenz hielt schöne Anblicke bereit. Insbesondere die innere Handlung dürfte in den nächsten drei Ausgaben für meinen Geschmack noch bedeutsamer werden und die Interaktionen innerhalb des Pathfinder-Teams wünsche ich mir lebhafter und natürlicher. Ich hoffe einfach, George Mann wird uns über die nächsten Ausgaben zunehmend zutrauen mitzudenken, anstatt uns alles in Dialogen vorzukauen. Vielleicht sind die Sprechblasen dann auch weniger raumgreifend und geben noch den Blick auf die tollen Illustrationen frei! In jedem Fall bin ich gespannt auf die Fortsetzung dieser Geschichte.
Wir bedanken uns bei Dark Horse für die Bereitstellung des digitalen Vorab-Exemplars.
Star Wars: Die Hohe Republik ist ein mehrjähriges Buch- und Comicprogramm, dessen zweite Phase 380 Jahre vor Episode IV spielt und einen neuen Einstiegspunkt bietet. Weitere Infos, News, Podcasts und Rezensionen gibt es in unserem Portal und in der Datenbank. Beachtet auch unsere Guides zur Lesereihenfolge von Phase I und Phase II.
Rekord ausgebaut und damit wären wir bei 14 aktiven Star Wars Comicreihen. 😀
Den Comic selbst fand ich ganz solide und unterhaltsam auch wenn das mit dem „Nameless Terror“ langsam doch etwas ausgelutscht ist.
Ich wollt es nicht glauben und hab grad mal selbst nachgezählt. Tatsächlich sind es 14 aktuelle Serien! Wahnsinn.
Hat jmd. einen Überblick wie hier die Diskrepanz zwischen den US Comics und der deutschen Übersetzung aussieht? Wird hier de Abstand immer größer oder bleibt er relativ stabil? Panini ist zwar immer sehr fix, aber eine Aufholjagd a la Blanvalet wird hier nicht möglich sein.
Ich meine bei den ganzen „Kinder“ Comics von IDW hat Panini es ja scheinbar aufgegeben alles zu übersetzen. Zumindest in Sonderbänden (Hefte interessieren mich nicht mehr). Da fehlt ja einiges, was für Komplettisten sehr schade ist, auch wenn sie inhaltlich immer sehr seicht waren.
Und kommt im Juni tatschlich kein Star Wars Sonderband/ Reprint oder ist der Kalender ab da nur noch nicht aktualisiert bzw. das Programm veröffentlicht?
Die Diskrepanz sollte passen oder nur minimal größer werden, gerade wenn man das IDW- und Dark-Horse-Material für die Kids außen vor lässt (das in den Heften und THR Adventures Bänden weiterläuft, aber halt nicht in den bisherigen Abenteuer-Sonderbänden).
Im Juni kommt nur das, was in der Datenbank steht. Manches wurde auch auf Juli geschoben, aber das Programm bis Juni steht und da werden keine Überraschungsbände dazukommen, soweit wir informiert sind. Mal schauen, ob die Stuttgarter irgendwann die Schlagzahl erhöhen, aber mehr als 1-2 zusätzliche Monate sollten sie nicht ins Hintertreffen geraten, wenn überhaupt.
Die Zahl 14 klingt jetzt heftig, aber es sind – gerade, wenn man nach deinen Parametern geht und die drei Reihen von Dark Horse ignoriert – ja „nur“ 11 von Marvel, und diese Zahl ist auch nur eine Momentaufnahme von dieser Woche. Davon enden nämlich zwei (Han & Chewie sowie The Mandalorian) nächste Woche (also haben wir nur noch 9), eine weitere Ende März (THR The Blade, also nur noch 8), noch eine Anfang April (Hidden Empire, also nur noch 7), wiederum eine im Mai (The High Republic, also 6) und schließlich noch eine im Juni (Sana Starros, also bleiben nur noch 5). Die hohe Zahl gerade ist zumindest teilweise eben das Zusammenspiel der Eventflut in der TESB-ROTJ-Ära und der zweiten Phase von THR. Neu hinzukommen wird Ende März die One-Shot-Reihe zum 40. Jubiläum von Return of the Jedi, und irgendwann ab Jahresmitte kann man The Mandalorian Staffel 2 als Comic erwarten – vermutlich auch im Juni. Dann wären wir wieder bei 7 von Marvel. Eines fernen Tages startet dann noch dieses komische Ajax-Sigma-Event von Marc Guggenheim, aber ob es eine eigene Miniserie haben wird und wann es nun genau ansteht, darüber kann man nur spekulieren.
Ich denke wie gesagt, dass Panini da halbwegs Schritt halten können wird, v.a. wenn sie im 2. Halbjahr ordentlich Sonderbände rausballern mit einer Taktung von 1 pro Monat. (Und selbst wenn sie mal einen Monat skippen…) Lustigerweise kommt Marvel gefühlt selbst nicht mit den Sammelbänden hinterher. 😀
Also: nur ruhig Blut.
P.S.: Und Yoda endet im August. Also auch da ist Ende in Sicht.