Rezension: The Art and Making of Star Wars: The Old Republic

Im Rahmen unseres 10 Jahres-Spezial rund um Star Wars: The Old Republic widme ich mich heute einem Begleitbuch zum Videospiel. Mit The Art and Making of Star Wars: The Old Republic erhalten wir im Unterschied zur Enzyklopädie und dem In-Universe Tagebuch von Meister Gnost Dural einen Einblick in den Entwicklungsprozess des Spiels. Das Buch erschien noch vor dem offiziellen Release des Videospiels am 16. November 2011 im Chronicle Books-Verlag. Der meiste Text stammt von Frank Parisi, der auch schon an The Art and Making of The Force Unleashed und dem Artbook zu The Clone Wars gearbeitet hat. In Form von Zitaten wird dieser Text dann noch von Daniel Erickson untermalt, der zur damaligen Zeit Lead Writer des Projekts und damit zentral an der Entwicklung beteiligt war.

Zunächst einmal das wichtigste vorneweg: Das Buch hält so ziemlich genau das was es verspricht. Es liefert auf knapp 160 Seiten sehr viel Artwork zur Entwicklung des Spiels (von Skizzen von Arnie Jorgensen bis hin zu Renderbildern, die später so im Spiel zu sehen waren) und liefert in boxartigen Texten passende Einblicke in den Entstehungsprozess.

The Art and Making of Star Wars: The Old Republic (16.11.2011)
The Art and Making of Star Wars: The Old Republic (16.11.2011)

Der Entwicklungsprozess

So fokussieren sich die ersten drei Kapitel hauptsächlich auf den Weg von der Idee eines neuen MMORPGs hin zu einem Star Wars-Multiplayer Online Game unter der Leitung von Bioware. Wir erfahren welche Motivation die kreativen Köpfe hinter dem Spielen hatten und wie hart es war einen Job im Autorenteam zu bekommen, da man beweisen musste, dass man modulare und beeinflussbare Stories schreiben kann. Auch die Entscheidung für den Stil (zeitlos und nicht zu grafisch fordernd) wird erklärt als auch der Fokus auf die Geschichte als vierten Pfeiler eines guten Bioware-Spiels (das waren noch Zeiten).

Besonders gefallen an diesen Kapiteln hat mir die sehr gute Rechtfertigung einer Sprachausgabe für die Spielercharaktere. Während viele MMOs nur bei den NPCs oder nicht einmal dort Sprachausgaben haben und es per Textboxen regeln, wollte man bei diesem Star Wars-Spiel trotz großem Umfang und MMO-Charakter nicht auf ein immersives Erlebnis mit Charaktertiefe verzichten. Das ist bis heute auch für mich einer der beeindruckendsten Punkte an dem Spiel. Ich mag es nicht in Videospiel-Zwischensequenzen lesen zu müssen und wenn man dann noch dazu nimmt, dass die Sprachausgabe sehr gut gelungen ist (zumindest im Englischen, an die deutschen habe ich mich aber in den letzten 7 Jahren auch gewöhnt), muss man ihnen dafür einfach Tribut zollen. Und für einige Flashpoints gibt es ja zum Glück die Leertaste, auch wenn nicht alle Spieler sie immer schnell genug zu finden scheinen (SKIP please!!!).

Das Setting

Lange Zeit war laut dem Buch auch nicht klar in welcher Zeit man das Spiel ansiedeln wollte. Doch aufgrund des großen Erfolgs der KOTOR-Spiele aus demselben Haus und der sehr guten Comics von Dark Horse, entschloss man sich genau daran anzusetzen. Mit der Distanz zu den Filmen und den 300 Jahren Abstand zu Knights of the Old Republic war es überdies möglich freie Geschichten zu erzählen, die sich keinem Korsett unterwerfen müssen. Das – so kann man heute sagen – hat dem Spiel nach dem Kanon-Cut wohl auch das Leben gerettet. Von der gleichen Mentalität profitiert im Kanon aktuell übrigens am meisten die The High Republic-Reihe.

Klassen und Schauplätze

Die zweite, größere Hälfte des Buches widmet sich dann den Klassen und den verschiedenen Planeten, die man im Laufe des Spiels bereist. Spannend in diesem Kontext sind vor allem Perlen wie die Überlegung eine weitere Mystiker- oder Graue Jedi-Klasse einzubauen, die dann aber verworfen wurden und zumindest die Mystiker als Teil der Voss-Kultur verwendet wurden. Ebenfalls spannend war der Abschnitt über den Agenten, der zunächst ganz im Stil von James Bond angelegt sein sollte, dann aber auf Intervention von Autor Alexander Freed zu einem 24-esquen Thriller umgedeutet wurde, welcher der Story im Kontext des Imperiums mehr Ernsthaftigkeit verleiht. Rückwirkend hat sich das als sehr gute Entscheidung entpuppt und nicht umsonst ist Alexander Freed heute noch Autor im Star Wars-Kanon (zuletzt in Form seiner Alphabet-Trilogie) und nicht umsonst gilt der Agent als eine der besten, wenn nicht die beste, Klassenstory.

Die gleichen Anekdoten sind dann auch bei der Vorstellung der verschiedenen Schauplätze zu finden. So war Korriban als Fanliebling im Vergleich zu Tython ein Kinderspiel, da der „Geburtsort der Macht“ durch die Wälder und abwechslungsreichen Umgebungen als zweiter designter Planet besondere Herausforderungen mit sich brachte. Vor allem, da es zu Beginn bei der verwendeten HeroEngine einen Fehler gab, bei dem mit einem Knopfdruck das gesamte Terrain wieder auf Ausgangseinstellungen zurückgesetzt werden konnte. Irgendwie ironisch, wenn man bedenkt, dass nicht nur wir Spieler seit Jahren mit der „Not a Bug, but a Feature“-Mentalität leben müssen, sondern die Entwickler schon seit 2007 mit diesen Eigenheiten zu kämpfen haben (wir sitzen also alle im selben Boot).

Besonders spannend waren auch die Gedanken zu den bereits existierenden (Tatooine), den bisher kaum erkundeten (Alderaan) als auch den komplett neuen Planeten (Voss). Man wollte allen einen eigenen Charakter geben und hat bekanntlich für alle eigene Farbpaletten als Ausgangspunkt genommen. Daraus entstanden dann die Eiskrater von Belsavis, die Herbstwälder von Voss und die neonbeleuchtete Megacity auf Nar Shaddaa. Eine Anekdote, die mir in diesem Zusammenhang im Gedächtnis blieb, war der FPS-Trick auf Coruscant, bei dem jedes Gebäude vier verschiedene Professionen als Wände hatte und man jeweils nur eine Seite zeigt. So sparte man sich 3 weitere Setpieces, die die Performanz weiter beeinflusst hätten.

Zuletzt erhalten dann die Spielerschiffe noch die nötige Detailbehandlung und auch hier hat man sich viele Gedanken gemacht, wie die entsprechenden Spieler reisen. Von Inspirationen (manche offensichtlich, wie beim Schmuggler, andere subtiler, wie beim Kopfgeldjäger) bis hin zum Wiederspiegeln der Doktrin der einzelnen Klassen in ihren Schiffen (Symmetrie und kalte Effizienz der Fury-Klasse), wird hier der Entwicklungsprozess aufgezeigt. Auch hier stechen wieder der Agent und seine Phantom hervor, die durch eine Mischung aus Naboo-Kreuzer aus Episode I und Aston Martin geprägt ist.

Megaprojekt Synchronisation

Auf den letzten Seiten wird dann noch etwas lieblos in der Präsentation, aber spannend im Inhalt, die Synchronisation dieses riesigen Spiels und seiner acht Klassenstories behandelt, als auch die Umsetzung von 30.000 Zeilen Aliensprache und 8 Stunden neue Musik, gemischt mit bekannten Scores aus den sechs Filmen. Hier hätte man noch ein wenig mehr rausholen können. Die letzten Seiten werden auch ihrem Anspruch an ein Artbook nicht mehr gerecht, da dort nur noch Text neben Text auf schwarzem Hintergrund steht. Das ein oder andere Bild aus dem Tonstudio, hätte da den kleinen, aber feinen Unterschied gemacht. Nichtsdestotrotz bleibt aber die Aufwendung so vieler Skriptseiten (mehr als die drei Mass Effect-Spiele zusammen) und deren Umsetzung ein in meinen Augen Meilenstein der MMO-Geschichte, an dem sie bis heute in den Stories der Expansions festhalten.

Fazit

Als langjähriger Spieler des Videospiels, der auch bereits über die ein oder andere Wookieepedia-Seite gestolpert ist, sind einige Fakten natürlich nicht neu, aber auch ich konnte beispielsweise beim Eintrag zu Belsavis den ein oder anderen Aha-Moment feiern. Mir war nie ganz klar, wieso nun genau dieser Planet als Gefängniswelt gewählt wurde, bis ich die Artworks sah und die Erklärung zum durch Krater unterbrochenen Eisplaneten gelesen habe. Ansonsten ist es auch ein überraschend ehrliches Buch, das auch zugibt, dass die Engine nicht immer optimal ist und man natürlich bewusst nicht fotorealistisch sein wollte und konnte. Genau das macht das Buch am Ende auch zu einem kurzweiligen Lesevergnügen, bei dem man einige spannende Einblicke in die Entwicklung dieses nun 10 Jahre laufenden MMOs erhalten kann. Da ich nun im Rahmen dieser Rezension das erste Mal dieses Werk gelesen habe, kann ich es auch anderen Spielern empfehlen, die bereits seit langem dabei sind und eine Art Rückblick auf die Anfänge erhalten möchten. Sofern man es gebraucht auftreiben kann.

3 Kommentare

  1. Ich habe mir das Buch irgendwann Ende 2021 gekauft, als ich gerade in der Phase war, wo ich mich entscheiden musste, ob ich das Spiel ganz aufgebe oder richtig tief einsteige. Ich fand das Buch damals durchaus recht hilfreich und das zusätzliche Wissen hat mich damals mit einigen Bugs und (gefühlten Fehl)Entscheidungen der Entwickler etwas versöhnt. Auch heute finde ich das Buch noch gut, wenn auch nun mehr als Teil der Literatur zum Thema Geschichte der Computerspiele, denn da gehört SWTOR als eines der langjährigen Leitspiele des Genres definitiv rein.

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