Rezension: Poe Dameron: Free Fall von Alex Segura

Dass Poe Dameron in seinen Jugendjahren ein Gewürzschmuggler gewesen ist, war nur eine von vielen unerwarteten Wendungen in Der Aufstieg Skywalkers. Mit Poe Dameron: Free Fall von Alex Segura präsentiert uns Disney-Lucasfilm Press am 4. August einen neuen Young-Adult-Roman, der uns zeigt, wie genau sich das zugetragen hat und welche Vergangenheit er mit Zorii Bliss teilt. Mit freundlicher Unterstützung des Verlags konnte ich das Buch bereits lesen und darf euch auch jetzt bereits meine spoilerfreie Meinung zum Roman präsentieren. Free Fall erscheint übrigens bereits am 22. September unter dem Titel Freier Fall auf Deutsch bei Panini.

Poe Dameron: Free Fall (04.08.2020)
Poe Dameron: Free Fall (04.08.2020, Cover von Phil Noto)

Darum geht es: Acht Jahre nach dem Tod seiner Mutter Shara Bey sehnt sich Poe nach Abenteuer, doch wie die besten Star Wars-Helden lebt er auf einer Farm auf einer rückständigen Welt (dem Dschungelmond Yavin 4). Sein Vater Kes Dameron verzweifelt mit dem Jungen und hat auch selbst nach all den Jahren noch genug emotionalen Ballast vom Tod seiner Frau. Nach einem ereignisreichen Tag findet Poe sich in einer Cantina wieder, wo er einem Quartett aus scheinbar harmlosen Schmugglern begegnet, dem auch die mysteriöse Zorii Wynn angehört. Diese haben Ärger mit dem Gesetz und brauchen einen Piloten, um vom Planeten zu entkommen… Erst viel zu spät erkennt Poe, dass er es mit einer tödlichen Gang zu tun hat, doch dann ist er bereits in einen Kampf auf Leben und Tod verwickelt.

Überraschung! Mal Butter bei die Fische: Was Episode IX mit Poes Vorgeschichte angestellt hat, stieß mir im Kino bereits extrem sauer auf und auch die schönen Augen, die er Zorii machte, wirkten auf mich schwer erzwungen. Man könnte also sagen, dass ein Buch wie dieses bei mir direkt einen schweren Stand haben sollte. Aber dann kamen die ersten Kapitel und ich muss sagen, dass Alex Segura mich überraschenderweise direkt begeistern konnte. Poes Situation wird direkt zu Beginn sehr plastisch und nachvollziehbar dargestellt und wie es sich für einen Abenteuerroman – und für eine klassische Star Wars-Geschichte – gehört, wird man mitten in die Action reingeworfen. Hauptthema des Romans ist, wie eine Figur ihren Platz in der Galaxis findet, und auch das ist ja Star Wars in Reinform.

Rasantes Tempo: Nun muss das natürlich nicht immer gut sein, wenn eine Star Wars-Geschichte sich rasant zeigt, denn auch das hat Episode IX bewiesen – zu hyperaktiv darf es nicht sein. Auch hier ist Alex Segura ein Kunstgriff gelungen: Poe ist eine Figur, die auch in den Filmen nie stillsteht, aber dennoch schafft der Autor ihm Raum, um zwischen Hyperraumsprüngen und Feuergefechten auch über das Geschehene zu reflektieren und sich der Abwege, auf denen er sich befindet, gewahr zu werden. Segura hat stets Poes Motivation im Blick und schafft es fast durchgehend, mir glaubhaft zu machen, warum der Sohn von Shara Bey und spätere Widerstands-Hitzkopf sich über Monate mit Kriminellen abgegeben hat. So entwickeln sich im Laufe des Buches Gedankengänge, die Poe und auch Zorii letztlich zu den Figuren werden lassen, die sie in den Filmen sind.

It’s all connected: Eine große Aufgabe dieses Romans war sicherlich, das, was wir dank Vor dem Erwachen, der Poe Dameron-Comicreihe und Imperium in Trümmern bereits über Poe und seine Eltern wussten, mit den neuen Enthüllungen aus Der Aufstieg Skywalkers zu vereinen. Man merkt von der ersten bis zur letzten Seite, dass Segura dieses Material gelesen und auch verstanden hat. Shara Bey ist zur Zeit der Handlung zwar bereits verstorben, ist aber dennoch sehr präsent in der Gedankenwelt ihres Sohnes, und mit Kes und L’ulo L’ampar tauchen auch weitere bekannte Gesichter aus Poes Vorgeschichte auf. Nach der Lektüre erschien mir diese neue Vorgeschichte nicht mehr so wie ein Fremdkörper auf Poes Lebenslauf, sondern sie wurde, so gut es ging, integriert.

Poe Dameron: Free Fall (04.08.2020)
Poe Dameron: Free Fall (vorläufiges Cover)

Ein Zweiklang in der Unterwelt: Zorii Wynn ist in Poe Dameron: Free Fall kein bloßes „love interest“, sondern dient einerseits als Bezugsperson für Poe bei seiner Initiation in die kriminelle Unterwelt, andererseits aber auch als klare Kontrastfigur, die alles verkörpert, was er nicht sein kann. Sie ist die knallharte Karrierekriminelle, die bereits mit 16 absolut tödlich ist. Er ist der romantisch veranlagte Sohn zweier Rebellenhelden, der das große Abenteuer sucht und einen Überlebenskampf findet. Beide sind absolut authentisch und ich konnte bei Zorii sogar Keri Russells mir aus The Americans sehr gut bekannte Stimme im Kopf hören, da Segura ihre Sprachmuster gut übernommen hat. Zorii wird dabei auch als Spannungsträger genutzt, indem Segura ein großes Geheimnis um ihre Vergangenheit aufbaut, das Poe lösen muss, wenn er überleben will. Man hat dadurch auch ohne das Vorwissen aus Episode IX das wohl begründete Gefühl, dass sich neben der Beziehung der beiden auch ein explosiver Konflikt aufbaut, der sich am Ende auch entlädt…

Nebenfiguren: Hier schwächelt das Buch etwas. Es gibt eine überschaubare Gruppe an Nebenfiguren – die Gewürzschmuggler von Kijimi wie den knallharten Vigilch, den quirlig-tödlichen Tomasso, sowie deren Handlanger Marinda Gan und Gen Tri, oder die Sicherheitsoffizierin Sela Trune von der Neuen Republik, die Jagd auf Poes neue Gang macht. Sela Trune ist dabei noch am besten ausgearbeitet und ist für manche plötzliche Schicksalswendung für Poe und Zorii verantwortlich, ist mir aber dann doch zu sehr das Klischee des Cops, der sich zu sehr persönlich in den Fall verstrickt. Letztlich – und das ist überhaupt nicht schlimm – verlässt sich Segura eben doch lieber auf Poe und Zorii, um die Handlung zu tragen, und das funktioniert auch über weite Strecken.

Ein Ende mit Schrecken: Ich habe es bereits angedeutet – nicht alles in diesem Buch läuft glatt. Ich werde wohl auch noch einige Zeit brauchen, um das Ende des Buches richtig zu verdauen. Ich werde mich hier vage halten müssen, aber wenn ihr Free Fall gelesen habt, werdet ihr hoffentlich verstehen, worauf ich hinaus will. Nach einer aus meiner Sicht komplett unerwarteten Deus-Ex-Machina-Wendung findet der Roman ein sehr rasches und teils auch offenes Ende. Ich hätte mir hier ein weiteres Kapitel gewünscht, das eine offen gelassene Figurenbeziehung abrundet, gestehe aber, dass dies bereits früher im Buch auf gewisse Weise getan wurde – man merkt es als Leser beim ersten Durchgang nur nicht. Stattdessen hat Segura ein sehr poetisches Ende gewählt, das definitiv aus einer Metaperspektive auf Poes gesamtes (bekanntes) Leben heraus geschrieben wurde und die oben angesprochene Hauptthematik des Romans zur Vollendung bringt. Es wirkte zwar sehr abrupt auf mich, doch immerhin gab es mir etwas zum Nachdenken, und das spricht für Free Fall.

Fazit: Zwischen Fortsetzungen und Vorgeschichten wie Queen’s Peril oder Shadow Fall sowie dem bald anstehenden Startschuss für The High Republic ist Poe Dameron: Free Fall wohl der Underdog des Jahres, doch Alex Seguras Erstlingswerk bei Star Wars ist nicht zu unterschätzen. Zwischendruch war ich etwas frustriert, weil manche Rätsel mir etwas zu lange hinausgezögert wurden und es auch ein bis zwei Deus-Ex-Machina-Momente zu viel gab. Der langwierige Aufbau des zentralen Konflikts bekommt am Ende jedoch auch den verdienten „Payoff“, sodass ich insgesamt mit einem guten bis sehr guten Gefühl aus diesem Roman herausgehe. Nachdem mich letztes Jahr die YA-Romane nur mäßig begeisterten, freue ich mich daher, für Free Fall eine Leseempfehlung für dieses wichtige Kapitel aus Poes Leben aussprechen zu können! Ihr dürft euch auf den 4. August freuen!

Wir danken Disney-Lucasfilm Press herzlich für die Bereitstellung des digitalen Rezensionsexemplars.

11 Kommentare

  1. Hm. Ich hoffe mal, dass der YA Roman wirklich wieder besser ist, als dass was in letzter Zeit so erschienen ist. Zu Beginn der Disney Übernahme fande ich die YA Romane schon fast auf Erwachsenen Niveau. Mittlerweile sind sie eher auf Kinderbuchniveau. Ich habe gerade der Sammler und Schicksalsschlag gelesen. Beides ja sowas von belanglos. Bei Schicksalsschlag hab ich mir sogar gedacht, dass könnte einfach irgend ein beliebiger Sci-Fi Roman sein. Hatte absolut nix mit Star Wars zu tun, außer als Werbung für den Park.

    Ich hoffe die Entwicklung geht wieder mehr in Richtung Erwachsenen Roman, da es gefühlt wesentlich mehr YA Romane gibt, als alles andere.

    1. Naja, das Gefühl täuscht. Wir haben in der Regel 5-6 Erwachsenenromane pro Jahr, aber nur 2-3 YA-Romane.

      Was die Bücher selbst angeht gebe ich dir weitgehend Recht. Schicksalsschlag war eher belanglos, wenngleich ganz nett geschrieben, aber beim Lesen von Der Sammler habe ich mich oft über das verschenkte Potenzial aufgeregt. Free Fall fand ich echt gut; was ich zu Queen’s Peril meine erfährst du dann in zwei Wochen. Dann kommt dieses Jahr ja noch der YA-Roman zur Hohen Republik, aber da dort wieder Claudia Gray federführend ist, bin ich optimistisch.

    2. Ok, ich spreche allerdings von deutschen Büchern und ohne die Filmromane.
      Was kommt denn da dieses Jahr groß raus?
      – Thrawn 3
      – Das Alphabet Geschwader
      – Außenposten Black Spire
      Das war´s oder nicht?

      Ok, bei den YA Romanen habe ich fairerweise auch gerade 3 gezählt. Wenn ich hier aber die Jugendromane noch mitzähle, bin ich bei 5.

      Wie gesagt: Wenn die Qualität der YA Romane gut bleibt, will ich mich nicht beschweren. Aber seit Disney wird schon das jüngere Publikum besser bedient.

    1. Ob es Holocron-Bewertungen gibt liegt im Ermessen des Rezensenten. Ich vergebe schon seit einiger Zeit keine mehr, da ich finde, dass diese Zahlen am Ende nur von den Kernaussagen der Rezension ablenken und diese zu sehr reduzieren. Da schreibe ich lieber ein Fazit am Ende.

    2. In den Auflistungen der Datenbanken sehen die Bewertungen in Holocrons für sich gesehen auch etwas komisch aus, wenn ein Rebels Kinderbuch oder der Canto Bight Roman 4 Sterne mehr als ein Thrawn Alliances hat.
      Aber klar, immer im Kontext sehen 😉

  2. Meine persönliche Meinung zu dem Buch:

    Leider konnte ich an dem Buch nicht so viel positives finden. Die Handlung an sich ist ganz interessant, leider gefällt mir die Umsetzung nicht wirklich. Die Nebenfiguren blieben wirklich blass. Und die Entscheidungen von Poe konnte ich oft nicht nachvollziehen. Somit blieb für mich leider keine Identifikationsfigur in dem Buch.

    Das die Handlung so schnell vorangeht tut der Sache auch nichts gutes. Wenn man ein Jahr in so einem kurzen Buch abarbeitet, dann fehlt da für mich einfach vieles. Somit blieb Poe für mich die meiste Zeit einfach nicht nachvollziehbar sondern wünschte mir das der Bengel endlich zur Vernunft gebracht wird. Leider kommt er mit seiner Dummheit gut davon.

    Als Jugendroman hat er aus meiner Sicht seine Zielgruppe – Jugendliche/ junge Erwachsene – ziemlich verfehlt. Ich persönlich kenne zumindest wenig 16 jährige die sich einer Terrorgruppe anschließen weil ihnen zu Hause zu langweilig ist. Aber gut, gibt es ja ab und zu (ISIS).

    Nun zum positiven: Das Ende ist gut geschrieben, das letzte Drittel des Buchen waren interessant, sogar ein wenig emotional und nachvollziehbar, auf jeden Fall eine Steigerung.

    Alles in alles denke ich das die Story in einem Comic oder in einem Erwachsenenroman mit doppeltem Umfang besser aufgehoben gewesen wäre.

    3/5

    1. Ja, in den letzten Wochen/Monaten sind mir auch noch ein paar Kritikpunkte aufgefallen. Ich vermute auch, dass ich nach dem grottigen „Queen’s Peril“ froh war, endlich wieder etwas mit Substanz zu lesen. Deine Kritikpunkte kann ich also durchaus nachvollziehen.

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