Letzten Monat veröffentlichte Panini den neuesten Roman von Claudia Gray: Blutlinie. Aus dem Englischen übersetzt wurde der 400 Seiten starke Roman von Timothy Stahl. Neben der Taschenbuch-Ausgabe wurde der Roman auch als eBook veröffentlicht. Florian hat bereits eine Rezension zur englischen Ausgabe verfasst, welche am 03.05.2016 erscheinen ist. Seine Meinung zu Bloodline findet ihr hier.
Hier der gesamte Umschlag der Klappenbroschur-Ausgabe:
Folgende Inhaltsangabe liefert der Verlag:
Als die Allianz dem scheinbar übermächtigen Imperium bei der Schlacht von Endor einen vernichtenden Schlag versetzte, war Leia Organa davon überzeugt, dass nun eine Ära des Friedens Einzug halten würde. Doch nun, nach jahrzehntelangem Streit und Uneinigkeit innerhalb des Senats der Neuen Republik, scheint dieses Ziel in weite Ferne gerückt zu sein. Machthungrige Unterweltbosse, verräterische Politiker und Sympathisanten des Imperiums säen Gewalt und Chaos in der Galaxis. Schon werden Stimmen nach einer starken Führungspersönlichkeit im Senat laut. Doch gerade Darth Vaders Tochter weiß nur zu gut, wohin es führen kann, wenn sich zu viel Macht auf nur einer einzelnen Person vereint… Und genau in diesem Moment taucht ein neuer brandgefährlicher Feind auf, der Leia und die Neue Republik zum Handeln zwingt…
Die Handlung von Blutlinie spielt 28 NSY, das heißt 24 Jahre nach Epsiode VI: Die Rückkehr der Jedi-Ritter und der Zerstörung des zweiten Todessterns und sechs Jahre vor den Ereignissen in Das Erwachen der Macht. Das Imperium ist vor Jahren in einer finalen Schlacht über dem Planeten Jakku besiegt worden. Seit 23 Jahren herrscht nun Frieden in der Galaxis. Die Neue Republik hat Ihren aktuellen Regierungssitz auf Hosnian Prime. Doch die Abwesenheit eines offenen Konflikts führt zu politischen Spannungen. Der Senat hat sich in zwei Lager gespalten: Auf der einen Seite die Populisten, deren Meinung nach die einzelnen Mitgliedswelten über annähernd uneingeschränkte Autorität verfügen sollten, und auf der anderen Seite die Zentristen, welche eine striktere galaktische Regierung und ein stärkeres Militär befürworten. So ist es für Leia eine willkommene Abwechslung, als Botschafter Yendor von Ryloth vor dem Senat spricht um diesen auf den Nikto Rinnrivin Di und sein wachsendes Kartell aufmerksam zu machen. Leia, welche sich auf Seiten der Populisten weiß, wird bei der Mission nach Bastatha von dem Zentristen Ransolm Casterfo begleitet um Nachforschungen anzustellen. Bei Ihren Ermittlungen Entdecken sie, dass Rinnrivin Di nur die Spitze des Eisbergs einer Verschwörung darstellt, um der Neuen Republik zu schaden…
Oder um es in einen Satz zusammen zu fassen: Blutlinie erzählt, wie Leia Organa von einer Senatorin der Neuen Republik zur Anführerin des Widerstandes geworden ist.
Ich will von der Handlung gar nicht viel mehr erzählen. Auf verschiedene Punkte möchte ich aber spezieller eingehen, daher sei ab nun jeder Leser vor Spoilern gewarnt!
Nachdem letztes Jahr mit Star Wars: Das Erwachen der Macht die Star Wars-Saga fortgesetzt wurde, wurden viele Fragen aufgeworfen. Und nicht wenige davon betreffen das politische System der Neuen Republik. Wie wurde sie gegründet? Gibt es wieder einen Senat? Gibt es wieder ein Oberhaupt in Form einer Kanzlerin oder eines Kanzlers? Claudia Gray schafft es, viele dieser Fragen zu beantworten und eine Brücken zwischen Episode VI: Die Rückkehr der Jedi-Ritter und Das Erwachen der Macht zu schlagen.
Ich wurde mir beim Lesen des Buches zum ersten Mal tatsächlich darüber bewusst, dass die alten Geschichten des Erweiterte Universums nun Legenden sind und wir nun einen neuen Kanon haben. Bei keinem anderen Kanon-Werk merkt man das meiner Meinung nach so krass wie bei diesem. Keine Jaina, kein Jacen. Prinzessin Leia Organa ist noch immer mit Han Solo verheiratet. Er hat seine Fähigkeiten als Pilot zum Beruf gemacht und sich mit einem Transportunternehmen selbstständig gemacht. Nebenher leitet er noch das ein oder andere Rennen. Beide haben einen gemeinsamen Sohn, Ben. Ben wurde wenige Zeit nach Episode VI geboren und ist aktuell zusammen mit Luke Skywalker in der Galaxis unterwegs. Der Wookiee Chewbacca hat sich auf seiner Heimatwelt Kashyyyk niedergelassen. Leia selbst hat sich und ihr Leben komplett der Politik verschrieben. Des Öfteren wird in inneren Monologen oder in Dialogen mit Casterfo oder Greer erwähnt, dass sie dazu erzogen wurde und schon immer wusste, dass sie dies und nur dies machen wird und auch machen will. So stellt sich ihr nie wirklich die Frage, was sie anderes machen könnte. Zu Beginn der Handlung überlegt sie, ihr Amt als Senatorin niederzulegen, aber auch dann fällt ihr nichts weiter ein, was sie mit ihrer Zeit anfangen könnte. Wir erfahren, dass Luke Skywalker bereits im Anschluss an Episode VI: Die Rückkehr der Jedi-Ritter mit der Erforschung der alten Jedi-Ritter begonnen hat.
Doch das Wichtigste: Luke und Leia haben nie publik gemacht, dass sie die Kinder von Darth Vader sind.
Das ist auch der Kernpunkt der Handlung. Blutlinie und Abstammung spielen eine zentrale Rolle und beeinflussen die Handlung maßgeblich.
Das Beginnt mit Lady Carise Sindian von Arkanis. Zwar ist sie Zentristin, fühlt sich aber durch ihren Adelstitel mit Prinzessin Leia verbunden. Für Lady Carise wäre das Sprichwort „Adel verpflichtet“ ein Gesetz. Dank Prinzessin Leia erlangt Lady Carise im Verlauf der Handlung einen weiteren Titel: Gouverneurin von Birren. Dieser Titel wird vererbt und nachdem Lord Mellowyn, ein entfernter Verwandter von Bail Organa, verstorben ist, steht Leia Organa als Tochter von Bail in der Erbfolge an nächster Stelle. Doch Leia hat kein Interesse an solch einem Amt oder Titel, welcher für sie rein zeremonieller Natur ist. Lady Carise nimmt für den Titel sogar in Kauf, während einer wichtigen Phase dem Senat und damit dem Kern der Politik fern zu sein. Allerdings ist es dann auch dieser Adelstitel, der für Leia den Ruin bedeutdet. Denn auf Birren hat Lord Mellowyn in seiner Schatzkammer etwas hinterlassen, das eigentlich an Leia gehen sollte. So kommt es, dass es in die Hände von Lady Carise gelangt. Und es ist nichts Geringeres als eine Aufzeichnung von Bail Organa selbst, der seiner Tochter die Wahrheit über ihren leiblichen Vater verrät. Eine Wahrheit, welche für Leia den politischen Ruin bedeutet: Sie ist die Tochter von Darth Vader, dem personifizierten Bösen. Für den Senat und die Neue Republik kommt diese Enthüllung wohl genauso überraschend wie 1980 für das Publikum von Episode V: Das Imperium schlägt zurück. Für Senatorin Leia Organa stellt diese Enthüllung den Super-Gau dar. Doch nicht nur sie und ihre Taten während der Rebellion werden nun in Frage gestellt und durch den Dreck gezogen. Auch ihr Bruder, Luke Skywalker, gerät ins Visier. Dies war die mit Abstand emotionalste Szene seit Langem in einem Star Wars-Buch für mich und sie verstärkt das Verständnis dafür, dass sich der Jedi-Meister Luke Sykwalker zurückgezogen hat. Es war zwar irgendwann abzusehen, auf welchen Höhepunkt die Handlung zusteuert, aber für mich schlug es dennoch ein wie eine Bombe.
Ein weiterer großes Thema der Handlung ist der Generationen-Konflikt. Am deutlichsten zeigt er sich zwischen Leia Organa und Ransolm Casterfo. Sie eine Populistin, er ein Zentrist. Sie ist auf Alderaan aufgewachsen und wurde bereits in frühen Jahren auf den Senat und die Politik gedrillt, während er seine frühen Jahre auf Riosa in einem Arbeitslager des Imperiums verbrachte. Doch beide eint, dass sie durch Darth Vader persönlich die Schrecken des Imperiums vor Augen geführt bekommen haben. Leia musste mit ansehen, wie ihre Familie und all ihre Freunde zusammen mit ihrem Heimatplaneten vernichtet wurden, während Darth Vader sie in seinem Griff hielt. Und Casterfo musste mit ansehen, wie Darth Vader seinen Vater mit der Macht erwürgte. Doch während Leia alles, was mit dem Imperium zu tun hat, verachtet, blendet Casterfo die einzelnen Übel wie den Imperator und Darth Vader aus und sieht in der Struktur des Imperiums eine Chance für die Neue Republik. Er selbst hat nie tatsächlich gegen des Imperium gekämpft. Für ihn und viele andere stellen die Schlachten und Kämpfe spannende Geschichten dar. Diese Tatsache lässt sich auch hervorragend in die heutige Zeit und das Jahr 2016 transportieren. Casterfo stellt Stücke des Imperiums verherrlichend zur Schau, wie manche von uns es mit Orden, Medaillen und Waffen aus dem ersten und zweiten Weltkrieg tun. Es bleiben nur die Geschichten von früher und wenn Opa oder Oma von der Zeit damals erzählen, hängen wir wie gebannt an ihren Lippen.
Beide Themen werden mit dem Cover-Motiv von Scott Biel aufgegriffen. Auf diesem ist im Hintergrund groß und dunkel die Maske von Darth Vader zu sehen, im Vordergrund eine nachdenklich-traurig dreinblickende Prinzessin Leia. Die Taten von Darth Vader überragen jene von Leia. Wie es bei so vielem ist: Das Negative wiegt schwerer als das Positive. Diese Tatsache muss Leia am eigenen Leib spüren.
In vielen Dialogen glänzt die Autorin Claudia Gray mit ihrem Talent, Dinge in Frage zu stellen. Wenn Casterfo beispielweise im Streit mit Leia der Rebellion bei der Zerstörung der Todessterne terroristische Akte vorwirft. Oder im Dialog zwischen Rinnrivin Di und Leia, nachdem dieser ihr das Holo ihres Mordes an Jabba dem Hutten vorgespielt hat. Claudia Gray schafft es einfach, wie schon in ihrem Debüt-Roman Verlorene Welten, die bekannten Geschehnisse aus einem anderen Blickwinkel zu beleuchten.
In Blutlinie stecken auch jede Menge Verweise zu anderen Werken des Kanons. So ist Leias Praktikantin Korr Sella in Das Erwachen der Macht zu sehen: Kurz vor der Vernichtung des Hosnian-Systems befindet sie sich auf Hosnian Prime. Die Corona-Staffel aus Verlorene Welten findet in Form eines ehemaligen Mitglieds der Staffel Erwähnung. Desweiteren gewährt uns Claudia Gray bereits einen kleinen Blick auf die Erste Ordnung und wie sie ihre finanziellen Mittel beschafft. Personen wie Anakin Skywalker und Padmé Amidala werden erwähnt, genauso wie die Schlacht über Yavin, auf Hoth und über Endor. Nebenbei werden auch noch diverse Angriffe, Massaker und Schlachten zwischen dem Imperium und der Rebellion erwähnt, welche Grundlage für zukünftige Geschichten sein dürften.
Im Vergleich zu Chuck Wendig in Nachspiel hat es Claudia Gray in Blutlinie geschafft, quasi ganz nebenbei die sexuelle Orientierung eines Piloten der Neuen Republik zu erwähnen. Während Wendig dem Leser diese Details quasi wie Steine in den Weg legt, dass man ja drüber stolpert, hat Gray es geschafft, dieses Detail eher nebensächlich einzubauen. Wenn man nicht bewusst drauf achtet, nimmt man es unter Umständen gar nicht wahr – so wie es ja eigentlich auch sein sollte.
Gefallen hat mir tatsächlich auch die Rolle von C-3PO. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, ihn in seiner wahren Rolle zu erleben: Er ist ein Protokolldroide und achtet auf die Einhaltung der Protokolle. In den Legends war er zwar immer mit Leia und Han unterwegs, aber eben irgendwie doch immer Fehl am Platz, sodass er meist nur wenig Erwähnung fand. Nun aber kann er mal sein volles Potential ausschöpfen und tun, wofür er ursprünglich geschaffen wurde. Da aber C-3POs Kumpel R2-D2 nicht dabei ist (wahrscheinlich mit Luke unterwegs), darf er sich hin und wieder in andere Computersysteme einklinken und Programme umschreiben.
In einer kurzen Szene erfahren wir auch etwas über Leia und die Macht. In einem Gespräch mit Tai-Lin Garr antwortet sie auf die Frage, weshalb sie nicht in die Fußstapfen ihres Bruders tritt und eine Jedi wird: „Ich habe meine Pflichten stets im Aufbau einer neuen, besseren Regierung gesehen.“ (Seite 156 f.). Aus der Handlung geht auch deutlich hervor, dass sie nie gelernt hat, die Macht wirklich zu nutzen. Für sie ist sie ein „Gefühl“, auf das sie sich verlässt. Sie schärft ihre Intuition und hilft ihr dabei, Entscheidungen zu treffen und Ahnungen nachzugehen.
Da ich selbst Mitglied der German Garrison bin und die Uniform eines TIE-Piloten mein Eigen nenne, musste ich bei den Szenen in Casterfos Büro und seiner Sammlung an imperialen Artefakten immer wieder schmunzeln. So wie in seinem Büro sieht es bei dem ein oder anderen Star Wars-Fan zuhause sicher auch aus.
Was mich etwas irritiert hat, war die Tatsache, dass in dem Buch, welches 28 NSY, also sechs Jahre vor Das Erwachen der Macht spielt, der Senat bereits auf Hosnian Prime seinen Sitz hat. In Das Erwachen der Macht: Die illustrierte Enzyklopädie steht nämlich auf Seite 9 zu Hosnian Prime: „[…] Der Senat tagt stattdessen im Wechsel auf unterschiedlichen Planeten; derzeit auf der kosmopolitischen Welt Hosnian Prime“. Das tut er aber auch bereits in Nachspiel, welches 4 NSY spielt, also 30 Jahre vor Das Erwachen der Macht. Also wissen wir schon Mal, dass der Senat in den Jahren 4 NSY, 28 NSY und 34 NSY auf Hosnian Prime seinen Sitz hat. Ich bin gespannt, ob der Senat in kommenden Veröffentlichungen auch mal auf anderen Planeten tagt, oder ob man sich auf Hosnian Prime als das neue Coruscant eingeschossen hat. Oder die Angabe in der illustrierten Enzyklopädie ist faktisch einfach falsch.
Die Qualität des Buches an sich hat mir erneut ganz gut gefallen. Diese Klappenbroschur-Ausgabe hat einfach was. Zusammen mit der teils matten, teils Hochglanzbeschichtung fasst es sich beim Lesen sehr gut und ich habe mich immer wieder dabei erwischt, wie ich das Buch, so auf dem Tisch liegend, einfach betrachtet und mit der Hand drüber gestrichen habe.
Allerdings hat mir die Übersetzung immer mal wieder ein Steinchen in den Weg gelegt. Mal war es eine Formulierung, welche den Lesefluss gestört hat, oder es haben einfach Buchstaben gefehlt. So zum Beispiel einmal ein V bei einem „Von“ oder das e bei einem „Sie“. Das sind ärgerliche, aber doch verzeihliche Fehler. Dafür gibt es ja dann die Zweitauflage.
Aber seit wann beginnt eine Star Wars-Geschichte mit „Vor einer langen Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis …“? Im Buch selbst ist es doch auch korrekt mit „Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis …“ wiedergegeben, weshalb also nicht auch auf dem Cover?
Alles in allem hat mir der Roman Blutlinie von Claudia Gray von der ersten bis zur letzten Seite sehr gefallen. Obwohl es von der Thematik her sehr politisch ist, wird es nie trocken oder gar langweilig. Die Geschichte ist spannend geschrieben mit einigen Wendungen, die für mich auch unerwartet kamen. Er zeigt die Gedankenwelt von Prinzessin Leia wie es noch kein Roman zuvor vermag. Zudem werden einige offene Fragen aus Das Erwachen der Macht beantwortet. Daher gebe ich dem Roman die volle Anzahl an zu vergebenen Holocrons. Ich bin schon auf das nächste Buch von Claudia Gray gespannt!
Wir danken Panini für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares!
Schöne Rezension, Julian. 🙂 Noch schöner, dass wir in allen Punkten einer Meinung sind. Ein wirklich tolles Buch, das ich auch jedem wärmstens empfehlen kann.
Ich bin heute mit dem Buch fertig geworden, und ich würde genau so bewerten. Es hat mir vom Anfang bis zum Ende sehr gefallen, vor Allem wegen den vielen Hintergrundinformationen. 🙂
Welcher Pilot soll denn homosexuell gewesen sein, das ist mir überhaupt nicht aufgefallen? Joph? 😀
Mir ist das auch nicht aufgefallen. Ist es jetzt Joph?
Also Joph ist definitiv nicht homosexuell 😀
Seite 273, Zeile 4: „Wer Ledaney nicht kannte, musste glauben, Joph spräche von dem berühmten Brandy. aber jeder Pilot in der Staffel wusste, dass Ledaneys neuer Mann von Corellia stammte.“
http://starwars.wikia.com/wiki/Ledaney
Es ging glaub ich um eine Hintergrundfigur, die beiläufig von ihrem gleichgeschlechtlichen Partner spricht.
EDIT: Julian war schneller. ^^
Das hätte mich irgendwie auch gewundert.