Rezension: Resistance Reborn von Rebecca Roanhorse

Avengers, assemble!

Rebecca Roanhorse beim Schreiben dieses Romans, möglicherweise.
Resistance Reborn (05.11.2019)
Resistance Reborn (05.11.2019)

Am 5. November meldet sich auch der amerikanische Romanverlag Del Rey mit einem Beitrag zur Journey to Star Wars: The Rise of Skywalker zurück! Unter dem klangvollen Titel Resistance Reborn erscheint ein neuer Roman von der Autorin Rebecca Roanhorse, der kurz nach den Ereignissen von Die letzten Jedi spielt und zeigt, wie Leia, Poe und Co. den Widerstand wieder aufbauen. Schließlich zeigte uns der Trailer von Der Aufstieg Skywalkers bereits, dass aus dem Schiff voll Überlebender eine ganze Flotte aus Aufständischen geworden ist.

In Resistance Reborn laufen mehrere Handlungsstränge parallel, von denen vier besonders wichtig sind. Erstens wäre da Poe Dameron, der nach seiner unrühmlichen Meuterei an Bord der Raddus nun versucht, seinen Ruf im Widerstand widerherzustellen und neue Rekruten für den Kampf zu finden. Zweitens wäre da Leia Organa, die als Anführerin des Widerstands die verstreuten Freiheitskämpfer, wie die Schwarze Staffel, Zay Versio und Shriv und einige andere koordiniert, während man auf der Suche nach einer neuen Basis ist. Drittens wäre da der corellianische Bürokrat und Widerling Winshur Bratt, der im Dienste der Ersten Ordnung die Zuteilung politischer Gefangener (z.B. Senatoren und Widerstandssympathisanten) in Arbeitslager überwacht. Und viertens Wedge Antilles, der nach langen, friedvollen Jahren wieder vom trauten Eheleben auf einer Farm auf Akiva zurück an die Front gerufen wird. Dabei kristallisiert sich Corellia bald als Dreh- und Angelpunkt für die Zukunft – oder den Untergang – des Widerstands heraus…

Gerade in der ersten Hälfte hat mich Resistance Reborn ein bisschen an die letzten beiden Avengers-Filme erinnert – im positiven Sinne, um das klarzustellen. So wie Thanos in Infinity War die Avengers dezimierte, so elimierte die Erste Ordnung weite Teile des Widerstands, und die Überlebenden müssen nun ihre Werte und ihre Welt retten. Und nachdem man nun fünf Jahre lang einen komplexen, aber nur lose verknüpften Kanon mit vielen verstreuten Helden geschaffen hat, bündelt man nun einige dieser Handlungsstränge, um einen größeren Feind gemeinsam zu besiegen. Dabei kehren auch unerwartete Personen ins Geschehen zurück. Es wäre ein Spoiler, hier sämtliche der teils auch überraschenden kleineren und größeren Auftritte, Querverveise und direkten Verbindungen zu benennen, doch Leser der Poe Dameron-Comics, der Nachspiel-Trilogie und des Romans Blutlinie kommen hier voll auf ihre Kosten, ebenso wie Spieler von Battlefront II. Hiermit kommen wir zu meiner ersten These:

Resistance Reborn ist ein Roman, der langjährige Leser belohnen soll!

El Renacer de la Resistencia (20.12.2019)

Sicher, auch neue Leser, die nur Episode VII und VIII gesehen haben, werden an diesem gut geschriebenen Buch Freude finden, doch meine ich mit voller Überzeugung, dass dies hauptsächlich ein Buch für die Fans ist, die immer am Ball geblieben sind. Rebecca Roanhorse hat ihre Hausaufgaben sehr gut gemacht. Man nehme nur ihre Charakterisierung der Schwarzen Staffel – Poe, Snap, Karé, Suralinda und Jess. Mit jedem einzelnen dieser Piloten trifft sie den Nagel auf den Kopf und schafft es auch, inhaltlich direkt an Charles Soules letzten Poe Dameron-Comicband anzuknüpfen. Das ist einfach nur ganz großes Kino! Ähnliches gelingt ihr auch mit anderen Gastfiguren. Die Darstellung von Poe, der wohl charakterlich rundesten Figur der Sequel-Trilogie, ist absolut überzeugend und verdient, lobend hervorgehoben zu werden.

Bei so einer Fülle an Figuren bleiben ein paar Dinge natürlich auch auf der Strecke. Während Poe, Leia und – in Maßen – auch Finn gut beleuchtet werden, kann ich das von Rey nicht behaupten. Das war der einzige Punkt, an dem die leidige Geheimhaltung wohl wieder gegriffen hat – obwohl sie auf dem Cover zu sehen ist, blickt man nie in ihre Gefühlswelt ein und auch in der Handlung lauert sie entweder nur unheilvoll im Hintergrund oder fällt durch seltsamen Slapstick auf, der die Figur hier etwas abwertet. Außerdem werden so viele bekannte Figuren aus dem Ruhestand gerufen oder neu rekrutiert, dass man sich unweigerlich fragen muss, warum Figur XYZ (ja, ich habe hier konkrete Namen im Sinne, möchte aber nicht spoilen) bei diesen „Avengers, assemble!“-Szenen nicht mit dabei ist. These Nummer zwei:

Die An- und Abwesenheit diverser Figuren wird noch jahrelang für Diskussionsstoff unter den Hartgesottenen sorgen.

Dies ist Rebecca Roanhorses erster Star Wars-Roman, doch stilistisch und sprachlich hatte sie mich nach nur wenigen Kapiteln bereits so vollkommen überzeugt, dass ich ihr nach der Lektüre des gesamten Werkes gerne direkt weitere Projekte in unserer Lieblingsgalaxis wünsche. Ihr Vokabular ist vielseitig und ihre Metaphern treffend; es macht Spaß, ihr zuzuhören. Auch Figuren weniger kompetenter Autoren, die sie wieder aufgreift, werden durch ihre Feder sympathisch und nachvollziehbar gemacht, was – zumindest in meinen Augen – kein Leichtes war. Sie macht den Eindruck einer überaus fähigen Autorin, die noch einiges zu Star Wars zu sagen hat. Sie zeichnet ihre Charaktere so vielschichtig und nachvollziehbar wie Claudia Gray und beweist, dass sie das Universum so gut kennt wie ein Cavan Scott oder ein Charles Soule. Zwar bleiben zum Ende hin die tragischen Twists, für die Gray inzwischen unter uns Star Wars-Lesern berüchtigt ist, weitgehend aus, doch es gibt mehrere sehr beklemmende und actionreiche Szenen, die dafür sorgen, dass unsere Herzen nochmal schneller schlagen dürfen. Und ganz ehrlich? Das ist auch gut so. Roanhorse kam natürlich zugute, dass sie mit allen beliebten Hauptfiguren aus der Sequel-Ära spielen durfte, was ihr Buch automatisch interessant macht, aber das alleine garantiert nicht die Qualität des letztlichen Produkts. Folglich These drei:

Resistance Reborn liefert einen wichtigen Baustein für die Reise zu Episode IX – macht aber vor allem Spaß und punktet mit gutem Schreibstil.

Die Handlungsstränge mit den Widerstandshelden sind immer spannend, da man mehr über die Figuren und ihre Welt erfährt, doch abschließend möchte ich noch über Winshur Bratt sprechen. Seine Handlung verläuft meist abseits der Widerstandshelden – erst am Ende gibt es hier eine folgenschwere Überschneidung, die das ganze Buch über vorbereitet wird. Anfangs fand ich seine Kapitel daher nur mäßig interessant, doch Roanhorse erschafft mit ihm einen verblendeten Widerling sondergleichen, der von der Nervensäge zum Hassobjekt mutiert. Ich fand es interessant, dass Roanhorse so jemanden als „point-of-view character“ gewählt hat, doch auch dadurch hebt sich Resistance Reborn aus der Masse der Star Wars-Romane hervor. Gegen Ende hat man auch ein grobes Bild der Aussagen, die Roanhorse mit ihm treffen möchte, auch wenn ich hoffe, dass sie selbst in Interviews o.Ä. nochmal zu ihm Stellung bezieht. Im Kanon hatten wir bisher viele Figuren, die aus einem faschistoiden System herausbekehrt wurden, von Agent Kallus über Thane Kyrell bis hin zu Captain Cardinal – bei Bratt vollzieht sich ein eher gegenteiliger Wandel. Aus einem langweiligen Klischee-Bürokraten wird eine wirklich niederträchtige Figur, über deren Taten ich hier noch keine Worte verlieren möchte. Es gab jedenfalls zwei Stellen, an denen ich mich wirklich vor ihm geekelt habe.

Abschließend kann ich mit voller Überzeugung eine Leseempfehlung für Resistance Reborn äußern, ebenso wie ich an Lucasfilm appellieren möchte, weitere Romane dieses Kalibers zu liefern. Resistance Reborn hat mir gezeigt, wie viel tolle Charakterarbeit in vergangenen Werken bereits geleistet wurde, ohne welche dieses Buch nie möglich gewesen wäre. Die gleichberechtigte Vermischung von Film-Hauptfiguren mit spannenden, wiederkehrenden Eigenkreationen aus dem Literaturkanon ist genau das, was die Star Wars Legends-Romane seit der Thrawn-Trilogie für uns immer so spannend gemacht hat. Resistance Reborn ist der erste Roman, der zeigt, dass der Kanon an einer Stelle angekommen ist, an der er dies auch leisten kann, und von solchen Büchern darf es gerne mehr geben! Nicht jeder Marvel-Film kann Avengers: Endgame sein und nicht jeder Star Wars-Roman kann das Prosa-Pendant dazu liefern, doch ich hoffe inständig, dass dies keine Ausnahme war.

Nach diesem Highlight bin ich nun umso gespannter, auf welche Cameos wir uns in Der Aufstieg Skywalkers freuen können – und auch darauf, was denn nun eigentlich mit Rey los ist…

Ihr traut meinem Überschwang nicht? Dann freut euch übrigens auf eine weitere Rezension dieses Buchs durch die werte Kollegin Ines, die unabhängig von meiner entstanden ist… Ich bin auf ihre Schlussfolgerungen genauso gespannt wie (hoffentlich) ihr.

9 Kommentare

    1. Kurzum: Ja. Kann auch teils an der kleineren Rolle liegen als die, die sie in Aftermath hatte, aber sie handelt auch nachvollziehbarer. Genau auf sie habe ich auch in der Rezension angespielt…

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