Spoilerfreie Filmkritik zu Rogue One: A Star Wars Story

Rogue One-Filmplakat
Rogue One-Filmplakat

Wer wie ich seit vielen Jahren Star Wars-Romane liest, der hat sich bestimmt schon einmal gedacht: „Diese Story wäre doch mal was für einen Film! Warum geht es in den Filmen immer nur um die Skywalker-Saga, wenn es doch so viele tolle Geschichten abseits davon gibt, die man in der Star Wars-Saga erzählen könnte?“ Im Erweiterten Universum gab es zahlreiche Geschichten ohne Skywalker-Beteiligung, die sich an vielen verschiedenen Genres bedienten: Krimis, Noir, Action- und Verschwörungsthriller, Western, Abenteuer, Fantasy – sogar Horror. Die besseren dieser Werke fühlten sich trotzdem wie Star Wars an, aber auf eine ganz andere Weise als die Filme. Als Lucasfilm die Star Wars Story-Filmreihe ankündigte, die filmische Abenteuer abseits der Hauptsaga erzählen und dabei mit Genres experimentieren sollte, war ich sofort Feuer und Flamme. Ich sah ungeahntes Potenzial, das auch keineswegs mit einem einzigen Film ausgenutzt werden könnte.

Am 15. Dezember erscheint in Deutschland nun der erste solche Film: Rogue One: A Star Wars Story. Dieser Film spielt in den Tagen vor Star Wars: Eine neue Hoffnung, also zwischen Episode III und IV der Hauptsaga, und berichtet davon, wie eine bunt zusammengewürfelte Gruppe Rebellen die Pläne des ersten Todessterns stahl, die Prinzessin Leia am Anfang von Episode IV in R2-D2 verstaut. Der Film soll ein Kriegsfilm ohne Macht und Jedi werden – ein neues Kapitel für die Saga! Disney war so freundlich, einen von uns zu einer Pressevorführung einzuladen, und somit kann ich euch heute bereits spoilerfreie Eindrücke zum Film präsentieren. Ich werde in groben Zügen meine Meinung zu den verschiedenen Aspekten des Films darlegen, ohne zu sehr ins Detail zu gehen.

Captain Cassian Andor auf Scarif
Captain Cassian Andor, Rebell

Kriegsfilm-Stimmung: Die bisherigen sieben Star Wars-Filme waren allesamt mythische Abenteuer mit einer gewissen romantischen „Magie“. Gewalt und Krieg spielten immer eine Rolle, aber die Helden kamen meist unversehrt davon und generell wirkte die Gewaltdarstellung stark romantisiert, was dem Abenteuer- und Märchen-Genre der Saga geschuldet ist. Rogue One bricht mit dieser Konvention. Es handelt sich um keinen Hack-&-Slash-Film, kein Game of Thrones oder The Walking Dead, wo es Blut und Körperteile regnet, aber der Film ist dennoch extrem brutal, auf eine sehr physische Art und Weise. Uns wurde ein düsterer, schmutziger Kriegsfilm versprochen und Lucasfilm hat uns auch genau das geliefert. Blasterschüsse treffen ihre Ziele diesmal so hart, dass man sieht, dass sie auch wirklich weh tun. Unschuldige werden niedergemäht (wenn auch etwas zu oft durch Granaten und Explosionen statt durch Blaster-Treffer). Niemand ist sicher. Das war bisweilen schon etwas beklemmend, vor allem, wenn man von Star Wars nichts anderes als Episode I-VII gewohnt ist. Allenfalls das Ende von Episode III kommt dieser Stimmung nahe, aber selbst da ist die Gewalt in gewissem Maße noch romantisiert und episch dargestellt und nicht so realistisch wie hier. Als jemand, für den Star Wars immer schon mehr als ein Märchen war, fand ich das grandios, aber ich kann verstehen, wenn andere Kinogänger damit ihre Probleme haben werden. Da bin ich ehrlich gespannt auf die Reaktionen der breiten Masse.

Die Charaktere: Wir haben diesmal ein Ensemble bestehend aus ganz neuen Figuren. Felicity Jones spielt Jyn Erso, die Tochter des imperialen Wissenschaftlers Galen Erso (Mads Mikkelsen), der den Superlaser des Todessterns entworfen hat. Diego Luna spielt Captain Cassian Andor, einen Geheimdienstoffizier der Rebellen, dessen Charakterisierung mich sehr positiv überrascht hat. Riz Ahmed spielt Bodhi Rook, einen desertierten imperialen Piloten, der die Haupthandlung ins Rollen bringt – und der sich mehr eingebrockt hat als er gedacht hätte. Jiang Wen und Donnie Yen spielen zwei „Guardians of the Whills“ (Tempelwächter auf Jedha) namens Baze Malbus – ein zynischer Grobian – und Chirrut Îmwe – ein blinder Mystiker mit einem scharfsinnigen Humor. Auch wenn die beiden eindeutig Macht-Kultisten sind, sind sie keine offenkundigen Machtnutzer, keine Jedi, und ändern am generellen Ton des Films wenig. Forest Whitaker schlüpft in die Rolle des Terroristen Saw Gerrera aus The Clone Wars, der dem Imperium mit äußerster Gewalt begegnet, und Alan Tudyk spielt K-2SO, einen umprogrammierten imperialen Droiden, der an Cassians Seite kämpft. Auf der Seite der Schurken gibt es Ben Mendelsohn als Direktor Orson Krennic, Galens ehemaliger bester Freund und jetziger Peiniger, der den Bau des Todessterns überwacht. Und natürlich Darth Vader, der in dem Film eine übermächtige Albtraumgestalt ist – also genau das, was er sein soll!

Jyn Erso auf Yavin 4
Jyn Erso auf Yavin 4

Sympathieträger? Der Cast ist recht groß und ich muss gestehen, dass ich nicht mit jeder Figur mitfühlen konnte. Saw Gerrera leidet ein bisschen unter seltsam geschnittenen Szenen, die Forest Whitakers Schauspiel etwas untergraben. Bei Baze und Chirrut merkt man, dass diese Figuren eine reichhaltige Vergangenheit haben, die wir nur bruchstückhaft übermittelt bekommen, sodass ich hoffe, dass Greg Ruckas Jugendroman diese Lücken füllen wird. Bodhi fand ich sehr sympathisch – er tat mir den meisten Film über einfach nur Leid. K-2SO war großartiger Comic Relief, wobei auch Baze und Chirrut in dieser Kategorie für ein paar Lacher sorgten. Meine absoluten Sympathieträger waren allerdings Jyn und Cassian und ich denke, das war von den Filmemachern auch so beabsichtigt. Da beide aber keine eindeutigen Helden sind, sondern auch dunkle Seiten haben, hat es etwas gedauert, bis ich mit ihnen mitfühlen konnte – dann aber umso mehr. Hut ab; die beiden mochte ich wirklich. Und Krennic war auch ein Highlight – von dem hätte ich gerne noch mehr gesehen. Ich muss allerdings auch sagen, dass die Charakterisierungen ausreichten, damit der Film funktioniert. Wenn ich an die bisherigen Filme zurückdenke, gab es auch nie mehr als zwei oder drei Charaktere, die wirklich Tiefe hatten. In Eine neue Hoffnung waren das z.B. nur die Großen Drei und selbst mit denen konnte ich mich nicht immer identifizieren, da sie doch sehr stereotyp waren. Figuren wie Chewie oder Wedge waren zwar da, aber eher als Sidekicks mit wenig Tiefgang. Dasselbe gilt für Mace Windu, Ki-Adi-Mundi und andere Nebenfiguren der Prequel-Trilogie. Das ist auch okay so. Diese Figuren bereichern die Welt, sind aber nicht der Fokus. Insofern steht Rogue One, was die Charaktere angeht, eigentlich ganz in der Tradition der bisherigen Filme. Unabhängig von der Charakterisierung durch das Drehbuch hat Rogue One allerdings wunderbare Schauspieler. Ich kann ehrlich sagen, dass jeder einzelne von ihnen überzeugende Arbeit geleistet hat!

Schauplätze: Eventuelle Defizite, die Rogue One bei den Charakterisierungen hat, macht der Film mit der Optik wieder wett. Wem Das Erwachen der Macht bei den Schauplätzen zu konservativ war (und ich gehöre zu dieser Fraktion), dem werden hier die Augen aufgehen. Jedha, Scarif und Eadu hat man in den Trailern ja schon gesehen – allesamt Orte, wie man sie bisher noch nicht bei Star Wars gesehen hat. Besonders Jedha ist mir ans Herz gewachsen; ich würde mir gerne weitere Geschichten auf dieser Welt wünschen. Darüber hinaus gibt es natürlich den Dschungelmond Yavin 4, dessen Rebellenstützpunkt man ebenfalls wunderbar und originalgetreu eingefangen und um neue Räume erweitert hat. Und dann gibt es noch eine Reihe weiterer Schauplätze, die nur kurz für ein oder zwei Szenen auftauchen – u.a. ein Schauplatz aus dem Roman Catalyst sowie zwei Planeten aus der Prequel-Trilogie und ein paar neue Orte. Rogue One bietet also eine Vielzahl verschiedener Settings, alte wie neue, und im ersten Akt wird bei den Sprüngen zwischen diesen Orten auch immer der Name des Planeten eingeblendet (ein bisschen wie in Guardians of the Galaxy), damit man ohne große Einführung weiß, wo man sich befindet.

AC-ACTs auf Scarif
AC-ACTs auf Scarif

Originalität: Rogue One ist ein mutiger Film, der all den Mut hat, der Episode VII fehlte. Dennoch bemüht er sich um einen Balanceakt zwischen Alt und Neu. Wir haben keinen Lauftext am Anfang, aber „Es war einmal…“ sowie der typische Anfang mit dem Planeten und dem Schiff, das sich langsam ins Bild schiebt, sind dennoch vorhanden. Gerade am Anfang gibt es diverse Szenen, die durch Requisiten (z.B. blaue Milch, Evaporatoren, Droiden-Designs) stark an Eine neue Hoffnung erinnern, und die Raumschlacht am Ende hat Anleihen von Die Rückkehr der Jedi-Ritter, wenngleich man einige tolle Entscheidungen über den Schlachtverlauf getroffen hat, die Rogue One wieder einzigartig machen. Die Bodenschlacht erinnert zudem in manchen Einstellungen an die Schlacht von Hoth. Darüber hinaus ist der Film aber bemüht, eigenes Terrain zu erschließen, und Anleihen aus den bisherigen sieben Filmen bleiben eher oberflächlich, anders als bei Das Erwachen der Macht. Hut ab vor Gareth Edwards und seinem Team – habt ihr gut gemacht! Auch die Alienrassen, die man sieht, sind eine gute Mischung aus alt und neu – ich hätte mir lediglich gewünscht, dass auch in den Cockpits der X-Flügler (und ggf. im Hauptcast) mehr Aliens zu sehen gewesen wären. Auch das Imperium hätte von etwas mehr Diversität auf den Brücken der Sternenzerstörer profitiert; das hat mir bei der Ersten Ordnung in Episode VII tatsächlich sehr gut gefallen, dass verschiedene Hautfarben und Geschlechter vertreten waren. Alles in allem ist das aber Meckern auf hohem Niveau – der Film schafft seinen Balanceakt mühelos!

Cameos: In puncto Originalität muss ich allerdings auch sagen, dass der Film sehr viele Cameos bietet, die auch eindeutig als Fanservice zu klassifizieren sind. Auf Jedha taucht z.B. ein Duo auf, das wirklich nur Kenner des Franchise erkennen werden, und in der Yavin-Basis gibt es ein weiteres Duo zu erspähen, das allerdings nicht so organisch eingebaut wurde wie das auf Jedha (ihr werdet schon sehen, wen ich meine, keine Sorge). Die Gastauftritte von Senatoren aus den Prequels sowie die teils CGI-gestützten Auftritte diverser klassischer Figuren sind allerdings wunderbar gemacht und sorgen für einen organischen Übergang von den Prequels zur klassischen Trilogie. Nicht nur das, sie fügen sich auch wunderbar in die eigentliche Handlung von Rogue One ein. Die CGI-gestützten Cameos (ja, Plural!) sind übrigens unheimlich gut geworden! Ja, man sieht bisweilen, dass es nicht die echten Schauspieler von damals sind, aber es ist dennoch sehr, sehr, SEHR gut gemacht worden. Selbst teils eher skeptisch voreingestellte Filmkritiker in der Vorstellung, in der ich war, haben überrascht gekeucht, als manche Größen der 70er-Jahre plötzlich wie damals über die Leinwand liefen und mit den neuen Figuren interagierten. Lucasfilm und ILM haben hier mal wieder einen Sprung in der Technik gemacht, der die CGI-Verjüngung von Robert Downey Jr. in Captain America: Civil War wie lächerliches Kinderspiel aussehen lässt. Im Übrigen sollten auch Star Wars Rebels-Fans genau aufpassen, denn es gibt zwei Cameos zu entdecken – ein visueller Cameo in der Raumschlacht sowie ein nettes Easter Egg in der Tonspur auf der Yavin-Basis. Haltet die Augen und Ohren offen! Oh, und wer Knights of the Old Republic gespielt hat – auch ihr kommt auf eure Kosten!

Rogue One Death Star
Der Todesstern über Jedha

Musik: Ich bin kein großer Filmmusik-Kenner, aber mein Eindruck war, dass Michael Giacchino hier die von John Williams entzündete Fackel gut weitergetragen hat. Der Soundtrack besteht weitgehend aus komplett neu komponierten Stücken mit nur minimalen Williams-Anleihen (es wäre aber doch auch ein Unding, Darth Vader ohne den Imperialen Marsch einzuführen), fügt sich aber nahtlos in die Saga ein. Ehrlich gesagt fand ich den Score von Rogue One besser und eindrucksvoller als das, was Williams für Das Erwachen der Macht fabriziert hat. Neben Reys Thema kam da nämlich nur selten Emotion bei mir auf und das macht Giacchino hier viel besser, auch wenn er nur sechs Wochen Zeit hatte, um den Score zu komponieren.

Thematik und Fluss der Handlung: Filme wie Die Rache der Sith (mein absoluter Lieblingsfilm der Saga) und Das Erwachen der Macht haben viele Handlungsstränge, Baustellen und Thematiken, in denen sie sich bisweilen verlieren bzw. die zu jonglieren ihnen nicht immer gelingt. Die Handlung von Rogue One ist viel konzentrierter. Es gibt einen großen Handlungsstrang mit den großen Thematiken „Hoffnung“ und „Rebellion“, die sich durch alle Szenen ziehen. Die Star Wars-typischen Familienplots fehlen natürlich auch nicht, sind aber dem Thema „Hoffnung“ untergeordnet. Gerade in einem düsteren Film wie Rogue One ist Hoffnung auch ein wunderbar gewähltes Thema, das verhindert, dass der Film ins Nihilistische abdriftet. Die Handlung schreitet bis auf eine kurze Traumsequenz linear voran. Sie ist nicht immer unvorhersehbar – gerade gegen Ende rechnet man ja doch mit gewissen Dingen, bedingt durch Episode IV – aber sie unterhält gut und liefert doch ein paar Überraschungen, besonders, da das Marketing bisher teils sehr irreführend war. Viele Trailerszenen und -Dialoge sind im Film nämlich so nicht vorhanden; sie fehlen entweder ganz oder wurden stark abgewandelt. Das war teils sicher durch die Nachdrehs bedingt, aber auch in den TV-Spots, die erst viel später entstanden, ist diese Irreführung vorhanden. Also keine Angst – auch wenn ihr alle Trailer und Spots gesehen habt, werdet ihr hier noch überrascht werden.

Rogue One Vader
Darth Vader in Rogue One

Fazit: Direkt nachdem ich Rogue One gesehen hatte, war ich erst mal platt. Ich war begeistert, geradezu euphorisch, emotional total ausgelaugt und konnte es kaum erwarten, den Film nochmal und nochmal zu sehen (darauf freue ich mich immer noch). Auf der anderthalbstündigen Autofahrt nach Hause sowie in der Diskussion mit anderen Fans, die den Film bereits sehen konnten sowie beim Verfassen dieser Rezension fielen mir dann doch ein paar Schwachpunkte auf. Diese störten mich nicht sonderlich, da ich ähnliche Probleme auch in den sieben anderen Star Wars-Filmen finden kann, wenn ich da genauer hinschaue. Aber da Rogue One etwas Neues und Unbekanntes ist und die Geschmäcker bekanntlich verschieden sind, würde es mich nicht wundern, wenn andere den Film kritischer sehen als ich.

Persönlich ist Rogue One aber das, was ich erwartet und erhofft habe, und noch mehr: Ein Kriegsfilm, der die Genregrenzen der Star Wars-Saga erweitert, dessen opulente Actionszenen an Die Rache der Sith heranreichen, dabei die einzigartige Kriegsmaschinerie des Imperiums (und der Rebellion) in grandioser Pracht präsentiert, und dessen emotionale Wucht jeden Star Wars-Fan mitreißen sollte, auch wenn nicht jede Figur gut ausgearbeitet ist. Ich persönlich muss auch sagen, dass ich kein großer Fan von Episode IV bin, doch durch Rogue One jetzt mehr Respekt für diesen Film und seine Handlung habe. Es gibt eine perfekte Kontinuität zwischen Rogue One und Episode IV, die denke ich vielen Fans gefallen wird. Rogue One ist insgesamt ein epischer Streifen, gemacht für Fans der Saga, den ich mir in der Mitternachtspremiere gleich nochmal anschauen werde, und ich hoffe, ihr werdet dabei genauso viel Spaß haben wie ich und der Raum voller Kritiker gestern in Frankfurt!

Zur Vorbereitung: Wer sich auf den Film vorbereiten möchte, der sollte definitiv Episode III und IV schauen, sowie die Onderon-Folgen aus der 5. Staffel von The Clone Wars. Die Lektüre des Romans Catalyst empfiehlt sich natürlich ebenfalls. Und wer ganz obskure Anspielungen verstehen möchte, der sollte auch unbedingt The Star Wars – Die Urfassung lesen oder sich mit George Lucas‘ frühen Drehbuchfassungen beschäftigen.

Abschließend danken wir Disney nochmals für die Gelegenheit, den Film vorab sehen zu dürfen.

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