Bist du bereit, alles hinter dir zu lassen, was die Jedi dich lehrten, und endlich deinem eigenen Pfad zu folgen? (…) Dann willkommen bei der Inquisition!
Der Großinquisitor
Vor ziemlich genau einem Jahr, am 18. Juli 2023, erschien der bereits dritte kanonische Erwachsenenroman der Autorin Delilah S. Dawson. Er hörte auf den Namen Inquisitor: Rise of the Red Blade und wurde zur Veröffentlichung von Ines begeistert rezensiert. Am 22. Mai erschien er unter dem eingekürzten Titel Die Inquisitorin bei Blanvalet in deutscher Sprache, nachdem der Verlag stark aufgeholt und nur noch in einem überschaubaren und für Fans annehmbareren Rahmen hinter den US-Veröffentlichungen liegt. Als großer Fan der Inquisitoren seit ihrem allerersten Auftritt vor 10 Jahren in der Animationsserie Star Wars Rebels hatte ich natürlich hohe Erwartungen. Stellt der Roman, den in gewohnter Weise Andreas Kasprzak ins Deutsche übersetzt hat, für mich nun das definitive Werk zu den Schwingern von sich im Kreise drehenden roten Doppellichtschwertern samt Helikopterfunktion dar? Oder tun sich über den Umfang von 560 Seiten in der Taschenbuchausgabe insgesamt zu große Schwächen auf, als dass er länger in Erinnerung bleiben wird?
Der unten eingebettete Klappentext, die Verlagsseite und der Anfang des Romans als Leseprobe lassen euch einen ersten Eindruck davon gewinnen, welche „ungewöhnliche Perspektive“, die in Ines‘ Rezension der Originalveröffentlichung bereits im Titel angedeutet wird, der Roman einnimmt.
Wenn eine Jedi-Ritterin fällt, steigt eine Inquisitorin auf!
Jedi-Schülerin Iskat Akaris dient der Republik und den Jedi im Klonkrieg. Doch sie hat Fragen, die kein Jedi stellen sollte. Fragen über ihre eigene unbekannte Vergangenheit. Fragen, die die Jedi-Meister für gefährlich halten. Müssen die Jedi nicht mehr Macht ansammeln, um der Galaxis endlich Frieden zu bringen? Als der Jedi-Orden durch den Verrat des Imperators und der Klone fällt, wechselt Iskat die Seiten. Als Inquisitorin jagt sie ihre einstigen Brüder und Schwestern, und endlich ist sie frei, ihre volle Macht zu entfalten – was immer es auch kosten mag.
Klappentext
Dass sie exzellent geschriebene weibliche Hauptfiguren und düstere Charaktere erschaffen und ausbauen kann, hat Delilah S. Dawson mit den Romanen Phasma und seiner Quasi-Fortsetzung Galaxy’s Edge: Außenposten Black Spire bereits eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Als Autorin ist sie zweifellos schon im Vorfeld eine der bestmöglichen Personalien für eine Geschichte über den Aufstieg einer dem Bösen verfallenen Inquisitorin. Genau wie bei Phasma steht die Reise dorthin im Vordergrund und Dawson beantwortet die Frage, wie eine ehemalige Jedi voller Zweifel und schwierigster Umstände in den Wirren der Klonkriege voll und ganz Teil der Dunklen Seite werden kann.
Bevor diese Reise jedoch beginnt, steht zunächst ein Vorwort der Autorin samt einer Triggerwarnung für ein ungewöhnliches Thema bei einer Star Wars-Geschichte an: Eine Figur nimmt sich nämlich innerhalb des Romans das Leben, auch wenn es erst gegen Ende hin offenbart wird und außerhalb der eigentlichen Handlung geschieht. Es ist wichtig und richtig, dass solch schwierigen Themen auch in den zahllosen Literaturwerken aus der weit, weit entfernten Galaxis Raum gegeben werden darf, vor allem, wenn sie den Autor*innen am Herzen liegen – andererseits hat es mir persönlich die Triggerwarnung zunächst schwer gemacht, mich auf das Lesevergnügen, auf das Belletristik eigentlich abzielt, einzulassen. Stattdessen bringt der Roman mit einem so unheilvollen Einstieg von Beginn an eine gewisse Schwermut mit sich, die er bis zum Ende nicht mehr ablegt. Insgesamt haben wir es gar mit einer der düstersten und deprimierendsten Star Wars-Geschichten zu tun, die ich je lesen durfte, wie es aber für ihren Inhalt wiederum angemessen ist, den Dawson seiner unvermeidlichen Logik folgend kompromisslos bis zum Schluss führt.
Erstaunlicherweise nimmt die äußere Handlung trotz der Länge des Romans nur einen Bruchteil seines Inhalts ein. In überdurchschnittlich hohem und sehr interessanten Maße konzentriert er sich stattdessen auf die innere Handlung seiner Hauptfigur Iskat Akaris, deren Perspektive kein einziges Mal verlassen wird. Von Anfang bis Ende sehen wir diese Tragödie durch ihre Augen und fühlen mit ihren beiden Herzen. Obwohl für sich genommen oberflächlich betrachtet also nicht allzu viel passiert, gehen Dawson nie die Worte für das aus, was in Iskats Gedanken geschieht. Zwar steigt sie dadurch mühelos in den Nominiertenkreis der am meisten und ausführlichsten ausgearbeiteten Romanfiguren der Galaxis auf, doch wiederholt sich Dawson oft auch, dreht sich fast schon im Kreis und doppelt viele Gedankengänge und Abläufe auf Iskats Reise. Das kann sich beim Lesen zwar zäh anfühlen, doch wird ihre Wandlung von der unsicheren Jedi-Padawan zur ruchlosen Waffe der Sith dadurch unfassbar nachvollziehbar, beinahe schon unvermeidlich. Bis es soweit ist, vergeht allerdings Zeit, und zwar wirklich viel Zeit. Die ersten zwei Drittel des Romans sind unglaublich lang und langsam, und erst das letzte Drittel nimmt dann das Setting ein, das Prämisse, Cover, Klappentext und Marketing eigentlich versprechen.
Der Mammutanteil ist vielmehr ein Jedi- beziehungsweise Klonkriegsroman, vor allem der Ausbruch des Konflikts auf Geonosis und Iskats (wenige) Missionen in dieser Ära lassen sich viel Zeit, um ausführlich erzählt zu werden. Dazwischen wirft Dawson eine sehr spannende, interne Sicht auf das Leben im Jedi-Tempel, welche zwar zu bisherigen Darstellungen aus anderen Medien passt, diese aber auch um erschreckende Perspektiven und Grautöne als Gegenentwurf zur klassischen Schwarz/Weiß-Malerei der Saga ergänzt. Der große Wendepunkt kommt dann wie erwähnt erst nach etwa zwei Dritteln in Form der Order 66 und während Dawson bis zu diesem Zeitpunkt eine astreine, wenn auch langsame Charakterentwicklung zeigt, bildet dieser Punkt nicht nur eine inhaltliche Zäsur, sondern auch eine qualitative. Denn kaum muss sie sich nach dem größeren Kontext und so bereits vorgegebenen Geschichten richten, wirkt ihr Schreibstil plötzlich seltsam gehetzt und eingeschränkt, als ob simultan zu Iskats zunächst von ihr so interpretierten „Freiheiten“ bei der Inquisition ihre Autorin ironischerweise immer weniger Freiheiten hatte. Außerdem ergibt auch der zeitliche Ablauf von den Ereignissen der Belagerungen im Outer Rim im direkten Vorfeld von Episode III Die Rache der Sith bis zur Ausrufung der Order 66 wenig Sinn, wirkt gar unklar, vollkommen beliebig und viel zu hastig.
Ab diesem späten Zeitpunkt beginnt der Roman dann aber auch, exakt das zu liefern, was man sich vom Titel verspricht; klare Einblicke in den Prozess von der Jedi zur Inquisitorin, den Alltag der Anhänger der Inquisition, mehr Worldbuilding und die Geschichte einer ab einem gewissen Punkt wirklich abgrundtief bösen Person. Denn selbst wenn noch während der Handlung Zweifel aufkommen, ob man es doch mehr mit einer Antiheldin zu tun hat, für die man eigentlich noch Sympathien hegt, die subtil Gutes tut und doch eigentlich gar keine so schlechte Zeitgenossin ist, wischt Iskat persönlich diese Zweifel in genau im richtigen Moment wieder mit einer durch und durch finsteren Tat beiseite. Das ist erfrischend, denn es gibt zwar im ganzen Roman keine einzige Figur, mit der man aufgrund ihrer Fehler oder Taten schlussendlich noch sympathisieren kann, aber die Titelfigur ist durch ihre Geschichte geformt dennoch eine der denkbar düstersten Zeitgenossinnen, mit der man es zu tun haben will.
Dabei ist Dawson trotz der ausführlichen und nachvollziehbaren Hintergrundgeschichte aus ihrer Feder nicht die Schöpferin von Iskat Akaris. Das hat ihr Autorenkollege Charles Soule, dem im Anhang auch gedankt wird, zu verantworten. In seiner Darth Vader-Comicserie von Marvel (auf Deutsch bei Panini erschienen) spendierte er erstmals seit ihrem Debüt in Rebels den Inquisitoren mehr Hintergrund und ließ dabei zahlreiche später wieder auftauchende Vertreter der Gruppe erstmals auftreten. In US-Darth Vader #19 und #20 erzählt er eine Anekdote über Iskat, auf die der Roman abzielt. In seinem 20-seitigen Epilog werden die Hefte gar 1:1 mit etwas mehr Kontext und Dialog nacherzählt. Weil bei mir zumindest die Lektüre allerdings schon eine Weile her war, konnte ich mich doch genug vom Ende der Geschichte überraschen lassen. Wer Vaders Festung en détail noch gut vor Augen hat, wird aber weder vom Ende noch von mehreren Charakterentwicklungen des Romans überrascht sein und von Anfang an wissen, wo die Reise für so manche Figur neben Iskat noch hingeht. Im Nachhinein habe ich dann den Comic zur Auffrischung noch einmal aus dem Regal genommen und dabei erst festgestellt, wie viel durch diesen an Charakterisierung eigentlich schon vorgegeben war. Damit erklärt sich auch der spätere Wechsel zu Dawsons weniger offenem Schreibstil, denn ihr lagen diese Infos zugrunde, das Ende der Geschichte war vorgegeben und so blieb ihr nichts anderes übrig, als sich diesem trichterförmig anzunähern und selbst immer weniger Eigenes erzählen zu dürfen. Obwohl so ein imaginäres Schreibkorsett im letzten Drittel und im Epilog ihr dabei hilft, nicht den Fokus zu verlieren, wirken diese Kapitel dennoch so, als würde sie nur mehr eine stumpfe Romanadaption einer bestehenden Geschichte herunterschreiben, ohne noch wirklich viel Freude dabei zu haben. Wo die erste Hälfte vieles noch wiederholt und doppelt, dabei extrem langsam voran kommt, sorgt sie zumindest für eine beinahe schon hypnotische Psychoanalyse. Ab der Order 66 geht dann aber vieles zu schnell, dafür überzeugt das Setting und ein wichtiger Baustein entsteht, wenn es darum geht, die Inquisition weiter auszubauen.
Fazit
Mit Die Inquisitorin ist Delilah S. Dawson ein weiterer sehr lesenswerter Roman über eine düstere Antagonistin gelungen. Selten war das Innenleben einer Figur der Dunklen Seite so ausführlich dargestellt, dass ihre Entwicklung auch aufgrund des Verhaltens ihrer Umwelt – allen voran des dysfunktionalen Jedi-Ordens zur Zeit der Klonkriege – mehr und mehr unvermeidbar wird. Das macht die Inquisitoren als Ex-Jedi, die zu Jedi-Jägern wurden, insgesamt als Institution glaubhafter und man kann durch manch kleinere Parallele zu Anakins Fall zur Dunklen Seite auch die Prequels um neue Sichtweisen erweitern. Leider braucht der Roman, der zum Großteil im Jedi-Tempel während der Klonkriege spielt, extrem lang, um Fahrt aufzunehmen, weil sich manche Situation und vor allem Gedankenabläufe von der Hauptfigur Iskat doppeln und Dawson sich dabei hin und wieder in ihnen verliert, ohne dass die äußere Handlung mehrerer Seiten lang vorangeht. Zum Ende hin passiert dann genau das Gegenteil, wenn die Auflösung der Geschichte der großen und ausführlichen Exposition nicht gerecht wird und fast schon antiklimaktisch abbricht. Die Handlung selbst ist, vor allem wenn man Charles Soules Vader-Comics kennt, aber auch schon durch die Prämisse in seinem Handlungsablauf auf jeder Ebene vorhersehbar, dafür überrascht der Roman mit seiner blutigen Kompromisslosigkeit. Und keine Sorge: Die Helikopterfunktion der Inquisitor-Lichtschwerter wird kein einziges Mal auch nur erwähnt.
Wir danken Blanvalet für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!
Gewinnspiel [BEENDET]
Mit freundlicher Unterstützung von Blanvalet verlosen wir 5x Die Inquisitorin!
Um am Gewinnspiel teilnehmen zu können, müsst ihr nur nachfolgende Frage beantworten und das unten stehende Formular ausfüllen:
Wie viele Inquisitoren tauchten in Star Wars Rebels insgesamt auf?
Das Gewinnspiel ist beendte!
- Die Preise werden unter allen Einsendungen verlost.
- Nur eine Einsendung pro Person/Familie/Haushalt!
- Einsendeschluss ist Sonntag, der 28. Juli 2024, um 23:59
- Die Preise werden nur innerhalb der Bundesrepublik Deutschland versendet!
- Sämtliche gesammelten Daten dienen nur dem Zweck des Preisversands und werden nach dem Ende des Gewinnspiels und dem Versand der Preise wieder gelöscht.
- Alle Angaben ohne Gewähr! Eine Barauszahlung der Gewinne ist ausgeschlossen.
In diesem Sinne: Möge die Macht mit euch sein!
Update 29.07.2024 15:49: Die Auslosung
Tatsächlich vier: der Großinquisitor selbst, sowie der fünfte Bruder, die siebte Schwester und der achte Bruder! Von den Einsendungen mit der richtigen Antwort wurden folgende:r Gewinner:in aus dem Lostopf gezogen:
- Elena V. aus Rheda-Wiedenbrück
- Bendix T. aus Hamburg
- Miriam L. aus Würzburg
- Axel V. aus Aachen
- Christiane B. aus Baden-Baden
Herzlichen Glückwunsch und viel Spaß beim Lesen!
Und vielen Dank an Blanvalet für die Bereitstellung der Preise!
Wenn euch neben Ines‘ Meinung noch die von Tobias und Matthias zum Roman interessieren, dann hört in die JediCast-Folge dazu rein: