Rezension: Die Hand von Thrawn: Schatten der Vergangenheit

„Ich kann nicht mehr als Ihr Bestes erwarten und werde nichts weniger akzeptieren. Sie kennen Ihre Order.“

Großadmiral Thrawn?!

Thrawn zieht immer. Das dachte sich auch Blanvalet und veröffentlicht im Jahr 2025, das bei neuen Kanon-Geschichten um den Großadmiral pausiert, Timothy Zahns Fortsetzung seiner beispiellosen Thrawn-Trilogie in der ersten gedruckten Neuauflage seit der Erstveröffentlichung im Jahr 2000. Die Hand von Thrawn spielt dabei zehn Jahre nach dem Ende von Das letzte Kommando und schloss in zwei langen Romanen für Star Wars die 90er-Ära beim Verlag Bantam Spectre ab. Aufgrund ihres Umfangs und der Wortvielfalt der deutschen Sprache wurde der zweite Roman hierzulande in zwei Bänden veröffentlicht und so aus der Dilogie eine Trilogie. Auch für die Neuauflage behielt man diese Trennung bei. Der ungeteilte erste Band Schatten der Vergangenheit, im Original Specter of the Past, erschien im schicken neuen Design am 21. Mai.

Totgeglaubte leben länger – Großadmiral Thrawn kehrt zurück!

Vor zehn Jahren wurde Großadmiral Thrawn getötet. So glaubten es die Anhänger der Neuen Republik um Prinzessin Leia, Luke Skywalker und Han Solo zumindest. Doch nun mehren sich die Gerüchte, dass die größte Bedrohung in der Galaxis seit dem Imperator noch lebt. Hat die mysteriöse Hand des Thrawn etwas damit zu tun, von der niemand weiß, worum es sich dabei eigentlich handelt? Luke Skywalker und seine Gefährten müssen es herausfinden, wenn das Imperium am Schluss nicht doch noch triumphieren soll.

Klappentext

Ist’s Thrawn oder ist er’s nicht?

Nach unzähligen Kämpfen, Krisen, Superwaffen und Abenteuern der Heldinnen und Helden aus der klassischen Film-Trilogie steht das Imperium am Rande der endgültigen Niederlage. Das sieht auch Admiral Pellaeon auf der Brücke der Schimäre ein und hält einen baldigen Friedensvertrag mit der Neuen Republik für die richtige Entscheidung. Doch es gibt Kräfte im Imperium, die das um jeden Preis verhindern möchten und schon bald befinden sich Luke Skywalker, Han Solo, Leia, R2-D2, C-3PO, die Noghri, Mara Jade und Talon Karrde mitten in einer Verschwörung rund um die Bothaner, welche die Neue Republik erschüttert – während zu allem Überfluss der besiegte Großadmiral Thrawn scheinbar zurückgekehrt ist.

Immerhin letzteres Mysterium wird für die Leserschaft schnell gelöst, während die Charaktere zumindest für den ersten Roman noch im Unklaren bleiben. Thrawns „Rückkehr“ funktioniert hervorragend als Marketing-Gag, um mit dem großen Namen zu werben und die Bücher interessant zu machen. Der Fanliebling bindet die Leserschaft genauso, wie in der Handlung die Imperialen und Held*innen, was eine interessante Wirkung auf der Meta-Ebene zwischen Romanfiguren und Fans spiegelt. Da hier das Vermächtnis des Großadmirals auch Jahre nach seinem Ende eine große Rolle spielt, sowie zahlreiche Handlungsstränge, Figuren und Orte aus Timothy Zahns erster Trilogie wieder aufgegriffen werden, steckt hinter der Titelwahl aber mehr, als bloß die zahlreichen Fans des Chiss zum Kauf einer weiteren Buchreihe zu bewegen. Dennoch, dass eine zentrale Figur in der Galaxis nach ihrem Tod auch mal wirklich tot bleiben darf – soviel sei an dieser Stelle schon verraten – ist eine seltene und willkommene Abwechslung, insbesondere, weil die Auflösung hinter der „Rückkehr“ kreativer ausgefallen ist als ein stumpfes „Somehow, he returned“.

Matt oder glänzend?

Die Neuauflage der Romane ist in ihrer Aufmachung sehr gelungen. Sie wirkt durch ein leichtes Spiegeln fast schon glänzend. Das verleiht einen äußerst hochwertigen Anstrich und macht sich im Regal besonders neben den letzten Versionen der Filmromane und der schönen Jubiläumsausgabe der Thrawn-Trilogie richtig gut. Hier schaffte Blanvalet den richtigen Spagat aus einem einheitlichen Design und doch kleineren Abweichungen zwischen den einzelnen Reihen, damit sich die Legends-Highlights optimal sehen lassen können. Auch das gewählte Cover, auf dem ein fremdartiger TIE-Jäger im Vordergrund steht, kommt gut zur Geltung und ist mehr mit der Handlung verbunden, als der erste Entwurf, der noch einen stilisierten X-Flügler im gleichen Farbschema vorsah. Bei der äußeren Form ist hier also alles richtig gemacht worden.

Dem gegenüber steht leider, dass die Neuauflage nicht genutzt wurde, um die frühere und nicht mehr unbedingt zeitgemäße Übersetzung von Ralf Schmitz grundlegend zu überarbeiten. Fehlende Absätze bei Perspektivwechseln, vereinzelte Schreibfehler und kleinere Übersetzungsfallen erwartet man in der Neuauflage eines 25 Jahre alten Romans in so einer Häufigkeit eigentlich nicht mehr. Dazu kommen diverse andere Übersetzungen, die sich mit Legends-Romanen in der Zeit nach Episode VI beißen und Widersprüche mit der Synchronfassung der ersten drei Star Wars-Filme. Zum Beispiel bleibt die Wolkenstadt gänzlich unübersetzt und wird mehrfach als „Cloud City“ erwähnt. Am meisten fällt jedoch die Bezeichnung der Bothaner als „Bothans“ wie im Englischen ins Gewicht. Da die Spezies und die Frage nach ihrer Beteiligung an einem Massaker aus der Zeit des Imperiums im Mittelpunkt der Handlung stehen – wie ihr prominenter Platz auf den originalen Covern neben Luke, Han und Leia beweist –, werden sie auf den in 24 Kapitel unterteilten 550 Seiten unzählige Male erwähnt. Irgendwann gewöhnt man sich zwar daran, dennoch werden vor allem hartgesottene Fans immer wieder durch solche Inkonsistenzen herausgerissen. Natürlich sind verschiedene deutsche oder gleich ausbleibende Übersetzungen für alle möglichen Begriffe aus der Galaxis nichts Neues mehr. Dennoch ist es schade, dass man sie in einer Wiederveröffentlichung in dieser Häufigkeit findet.

Zu viel oder zu wenig?

Die Verschwörung gegen die Bothaner und ihre Folgen zur Destabilisierung der Neuen Republik mag zwar auf den ersten Blick etwas hergeholt wirken, die Parallelen zu realen politischen Ereignissen und den Reaktionen darauf in den letzten Jahren und auch die brillante Darstellung ähnlicher Vorgänge zuletzt in Andor verleihen dem jedoch eine erschreckende Glaubwürdigkeit. Damit erhält Die Hand von Thrawn eine überraschende Aktualität, die man so von einem Franchise-Roman aus den späten 90ern nicht unbedingt erwarten würde. Die treibenden Kräfte bildet ein Triumvirat aus Antagonisten rund um Moff Disra, von denen jeder für andere Charakterzüge der klassischen imperialen Bedrohungen steht. Die Szenen zwischen diesen Figuren und ihre Machtspiele untereinander gehören zu den spannendsten des Romans. Nach dem ersten Kapitel, dass in – von den ersten Szenen der drei Original-Filme inspiriert – bester Zahn’scher Tradition mit der Schimäre beginnt, überrascht es, dass nicht etwa Admiral Pellaeon als Anführer der Imperialen Streitkräfte im Vordergrund steht, dafür selten, aber immer wirkungsvoll auftritt. Als Sympathieträger, durch dessen Perspektive man Thrawn einst beobachtet hat, wäre Pellaeon auch nur schwer als Antagonist zu vermitteln gewesen. Disra wiederum ist als Figur bewusst so gezeichnet, dass man ihn nicht ausstehen kann.

Insgesamt erhöht Zahn, Meister des Worldbuildungs und umfassender Handlungsbögen, die Anzahl der parallelen Handlungsstränge im Vergleich zu seinen früheren Romanen drastisch. Alle Figuren sind für sich auf unterschiedlichen Missionen unterwegs, begegnen sich so gut wie nie untereinander und sind dann für teilweise hunderte Seiten wieder auf Abwegen, bevor sie plötzlich wieder aufgegriffen werden, wenn in der Zwischenzeit schon wieder viel passiert ist. So erzählt Zahn auf der einen Seite unglaublich viel, auf der anderen wiederum unglaublich wenig. Über die gesamte Länge des – nicht gerade kurzen – Romans passiert nicht wirklich etwas und das, was passiert, tut es im Schneckentempo. Es ist aber nicht so, dass sich der Autor in Wiederholungen verlieren würde oder die langen Kapitel mit sinnlosem Schreiben füllt. Im Gegenteil, jedes Setting ist genau ausgearbeitet, jede Actionszene ist spannend geschrieben, jede beabsichtigte Atmosphäre wird erzeugt und die Facetten und Hintergrundgeschichten jeder Figur werden schön ausgebaut. Insgesamt scheint auch der Schreibstil abseits der Story-Struktur im Vergleich zu seinen ersten Romanen ausgereifter zu sein. Es bleibt ein insgesamt langes, aber auf keinen Fall zähes Lesevergnügen, bei dem sich nur einfach die übergeordnete Handlung so gut wie nie vom Fleck bewegt.

Was dem Roman fehlt, ist ein zentraler Fokus oder ein Knotenpunkt, bei dem die einzelnen Fäden ineinander übergreifen. In der Thrawn-Trilogie war das der Titelcharakter selbst, der zwar nicht die uneingeschränkte Hauptfigur war oder die meisten Seiten einnahm, der aber als Dreh- und Angelpunkt der Story diente, sie zusammenhielt und immer wieder voran schubste. Die Hand von Thrawn hat das nicht. Jeder Handlungsstrang scheint seine eigene Suppe vor dem gemeinsamen Hintergrund zu kochen, wodurch noch kein klares Ziel der Geschichte erkennbar ist. Exemplarisch steht hierfür auch das Ende, das sehr abrupt kommt und wie eine willkürliche Unterbrechung aller aktuellen Stränge wirkt, statt wie das Ende eines ersten Akts. Auch das hat die Thrawn-Trilogie noch besser hinbekommen, wo jeder Band ein eigenes Finale in Form einer Raumschlacht bekam und jeweils einige Dinge abschloss, gleichzeitig aber die Ausgangslage für die Zukunft in Stellung brachte.

Fazit

Mit Die Hand von Thrawn: Schatten der Vergangenheit setzt Timothy Zahn seine eigene erfolgreiche Thrawn-Trilogie auf vielen Ebenen fort, würdigt dabei gleichzeitig aber auch die zwischen den beiden Buchreihen veröffentlichten Werke anderer Autoren. Er liefert wieder ein überdurchschnittliches Star Wars-Lesevergnügen, bei dem vor allem die Tiefe seines Worldbuildings extrem überzeugt. Was fehlt, ist der größere Fokus zwischen den vielen Figuren und ihren Handlungssträngen und es ist nach dem ersten Band nur bedingt klar, wohin die Reise mit der Erzählung überhaupt gehen soll. Die wunderschön anzuschauende und hochwertige Neuauflage durch Blanvalet wird durch alte Fehler im deutschen Text zwar etwas getrübt, dennoch dürfen Thrawn- und Legends-Fans dieses Werk nicht verpassen und sollten sich, wenn sie noch diese Lücke in der Sammlung haben, die neue Ausgabe unbedingt zulegen.

Der Rezensent vergibt 3 von 5 Holocrons!
Bewertung: 3 von 5 Holocrons

Wir danken Blanvalet für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!


5 Kommentare

  1. 3 Holocrons find ich schon etwas hart.
    Mir hat die Reihe damals gut gefallen, auch wenn die Übersetzung tatsächlich veraltet ist.
    Ich denke wenn man die Erben des Imperiums Trilogie mag wird man auch hier glücklich.

    1. Ja diese Holocron-Vergabe ist immer schwierig. Ich nutze die deswegen nur noch selten.
      Ich habe lange zwischen 3 und 4 geschwankt, aber an die Romane, denen ich 4 verliehen habe, reicht er mit dem fehlenden Fokus für mich nicht ganz heran. Verdient wären aber 3,5 gewesen.

  2. Ich finde das Triumvirat der Bösewichte einfach klasse und auch den gesamten Aufbau rund um das Setting, auch wenn es zu Beginn etwas langatmig ist (und gegen Ende hin dann zu gequetscht wirkt). Die Reihe gehört zu meiner SW-Lieblingsreihe, trotz zwischenzeitlicher Längen, was aber mMn durch die Atmosphäre, die dichte, aufziehende Eskalation wettgemacht wird.

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