Am 16. April 2024 erschien beim Panini-Verlag die deutsche Übersetzung von Defy the Storm. Der Young-Adult-Roman, der von Tessa Gratton und Justina Ireland geschrieben wurde und im Deutschen den Titel Trotzt dem Sturm trägt, bringt uns zurück zu beliebten YA- und Jugendroman-Figuren aus der ersten Phase, um daraufhin viel Zeit damit zu verbringen, sie für zukünftige Ereignisse in Stellung zu bringen. Warum das mit Blick auf das Gesamtprojekt und speziell dem danach spielenden Erwachsenenroman Die Versuchung der Macht ein Gewinn ist, im Roman selbst aber neben tollen Charaktermomenten zu einer gewissen Handlungsarmut führt, erfahrt ihr in dieser Rezension!
Im Auge des Sturms ist man nirgends sicher …
Nach der schockierenden Zerstörung der Starlight Station durch die Nihil herrscht Chaos in der Galaktischen Republik. Die ruchlosen Piraten haben aus ihrem Sieg Kapital geschlagen und eine schier undurchdringliche Barriere um einen Teil des republikanischen Raumes errichtet, den sie für sich beanspruchen. Innerhalb dieser Okklusionszone sind die Menschen der Gnade der Nihil ausgeliefert – und diese sind nicht für ihre Gnade bekannt. Die Jedi-Ritterin Vernestra Rwoh, die ihren Padawan Imri Cantaros unter den Opfern der Starlight vermutet, hat sich auf einen friedlichen Planeten zurückgezogen, wo sie hofft, ihre Wunden zu heilen und ihr Gleichgewicht wiederzufinden. Doch ihre alte Freundin Avon Starros hat andere Pläne. Avon weiß, dass Imri in der Okklusionszone überlebt hat – und sie und Vernestra müssen nun alles daran setzen, ihn zu finden – auch wenn dies bedeutet, sich sozusagen direkt in die Grube des Sarlacc zu begeben.
Klappentext – Trotzt dem Sturm (Panini)
Figuren im Fokus
Beginnen wir mit dem wohl wichtigsten Charakteristikum der YA-Romane: Figurenfokus! Und diesen stellt das Dreamteam aus Tessa Gratton und Justina Ireland auch in diesem Werk mehr als ausreichend sicher. Nach ihrer brillanten Kollaboration für Der Pfad der Täuschung (Auftakt Phase II), ist dieser erste YA-Roman der dritten Phase eine Liebeserklärung an bereits etablierte Figuren. Während es den beiden gelang, in Der Pfad der Täuschung neuen Figuren und Ansichten schnell ein solides Fundament und Potential zum Mitfiebern zu geben, schaffen sie es hier – dank der bereits bekannten Figuren aus Phase I – umso effektiver, uns direkt wieder mit den handelnden Charakteren mitfühlen zu lassen. Gespräche haben die nötige Gravitas, da sie auf eine Geschichte bauen, die seit 2020 und damit dem Auftakt der ersten Phase etabliert wurde, und neue Paarungen und Begegnungen wirken wie ein kreatives Weiterdenken dessen, welche Figuren sich nun wirklich noch treffen müssten. So kollaborieren logischerweise Wissenschaftler und so verlieben sich auch in bester Romeo und Julia/West Side Story-Manier Vertreter zweier verfeindeter Clans, während Wahrheiten rund um das Ende der ersten Phase ans Licht kommen.
Hier und da kann jedoch trotz alledem das Gefühl aufkommen, dass man es mit zu vielen Figuren zu tun bekommt. Die Autor*innen merken das teils selbst und lassen Nan nur als Randfigur kommunizieren, während Sylvestri fast schon zu eindeutig aufs Abstellgleis gestellt wird, um nicht noch mehr Dynamiken ins Spiel zu bringen. So bleibt am Ende eine Fülle aus spannenden Figuren, während andere auf der Strecke zu bleiben drohen. Das Problem dabei ist lediglich, dass diese ganzen Figuren dann auch noch „Reise nach Jerusalem“ spielen und ebenjene Reise statt expliziter Handlung einen Großteil des Romans beansprucht.
Stellungswechsel
Denn viele Figuren zu haben ist toll, sie alle in neue Gruppenkonstellationen zu bringen, dann schon schwerer. Und es muss eine bewusste Entscheidung sein, sich diese Figuren bis über die Hälfte des Romans damit beschäftigen zu lassen, zu ihrer eigentlichen Mission in ihrer eigentlichen Konstellation aufzubrechen. Denn zu Beginn des Romans blicken einige Figuren zurück auf das Jahr nach Starlights Fall und in Anbetracht dieser Rückblende hätte man auch später mit der Handlung einsetzen können. Will sagen: Dadurch, dass man den Roman inhaltlich schon so früh beginnen lässt und die Neusortierung der Figuren vollumfänglich beschreibt, opfert man bewusst so viel Seitenzahlen dafür, wo man doch auch diese Neusortierung als vollendete Tatsache in Form einer Rückblende hätte unterbringen können.
Dieser lange Stellungswechsel ist dabei ein zweischneidiges Schwert. Zum einen nimmt er, wie angesprochen, viel Platz des eigentlichen Romans und damit Handlung weg, andererseits hilft er natürlich dabei, dass Figuren und deren Interaktionen so wirklich erstrahlen können. Es liest sich dadurch aber anfangs mehr wie ein gemeinsames Essen als ein gemeinsamer Kanuausflug. Soll bedeuten: Die Figuren interagieren, sie handeln aber kaum. Das macht Spaß, weil wir die Figuren kennen, kann aber für manche auch zu viel selbstreferenzielle Erinnerung an bereits bekannte Figuren aus Phase I sein. Ich persönlich habe mich gefreut, die Reaktion von Avon auf Vernestra oder die Xylans auf Jordanna und Sylvestri zu lesen, wer jedoch primär die Handlung der Hohen Republik verfolgen will, könnte während der ersten Hälfte des Romans durchaus gewisse Längen spüren.
Zu wenig Zeit, zu wenig Platz
Kommen wir daher zum Punkt, dass die einzelnen Figuren, so sie denn endlich ihre finale Gruppierung gefunden haben, zu wenig Zeit haben, um auch wirklich handeln zu können. Die entscheidenden Ereignisse zu Vernestras Suche nach Imri beispielsweise spielen sich gerade einmal in drei Kapiteln aus, während Avons Hauptmission in nur zwei Kapiteln abgearbeitet wird. Das sorgt vor allem dafür, dass sich die Handlung ungleichmäßig verteilt anfühlt. Man beobachtet die Figuren sehr lange dabei, wie sie in Stellung gebracht werden, nur um dann am Ende kaum Action zu erleben. Zudem fehlen auch die ganz großen gemeinsamen Aktionen, wie noch in Aus den Schatten, was die Figurendynamiken hier und da merklich einengt. Alle gehen irgendwann auf ihre jeweiligen Duo-Missionen, was das Gefühl einer großen Klassenfahrt, wie noch in der ersten Phase, schmälert – ein Punkt, den wir detaillierter im JediCast zum Roman herausgearbeitet haben.
Dazu muss man auch anmerken, dass die wenige Action dazu führt, dass die Menge an jeweiligen Duo-Kapiteln für das Erzählte ausreicht. Man hätte jedoch noch wesentlich mehr erzählen können (und sollen?!), doch dazu fehlt letztlich der Platz, weil der sowieso schon recht umfangreiche YA-Roman zu Beginn zu sehr mit Exposition und Gruppenarrangements beschäftigt ist. Die Enttäuschung darüber resultiert ja gerade daraus, dass man mitfiebert und sich bei der Hälfte des Romans wünscht, dass diese toll etablierten Figuren nun auch noch einen wirklichen Einfluss, ein wirkliches Erlebnis, einen wirklichen Erfolg haben. Doch genau das muss dann aber schnell abgearbeitet werden oder wird komplett vertagt, weil entweder der Platz oder die Intention fehlt. Mit Blick auf den Erwachsenenroman Die Versuchung der Macht vermute ich eine Mischung aus beidem.
Die Versuchung des Wartens
Die deutsche Version des Roman erschien ja bereits verfrüht im April, das Rezensionsexemplar haben wir dann Mitte Mai erhalten. Jedoch habe ich mir – da ich den Roman ja bereits im März auf Englisch gelesen hatte – die Frage gestellt, ob die Autor*in Tessa Gratton, die ebenfalls den Erwachsenenroman Die Versuchung der Macht (Temptation of the Force) schreibt, auf Trotzt dem Sturm aufbauen wird. Aus diesem Grund erscheint diese Rezension nun, nachdem Temptation of the Force am 11. Juni auf Englisch erschienen ist und ich kann sagen: Beide Werke bilden eine Dilogie.
Nun ist Die Hohe Republik ja ohnehin dafür bekannt und darauf ausgelegt, dass Romane sich Protagonist*innen als auch Handlungsabläufe teilen, aber wie explizit Temptation of the Force auf Trotzt dem Sturm aufbaut, ist in meinen Augen selbst bei dem sowieso stark verbundenen Literaturprojekt beispiellos. Avon, Vernestra, Xylan und Cair spielen in Die Versuchung der Macht essenzielle Rollen und nehmen auch an der Handlung teil, obwohl natürlich die anderen Protagonist*innen wie Avar, Elzar und Burryaga die Point-of-View-Rollen besetzen. Doch die Vorarbeit, die unsere Figuren in Trotzt dem Sturm – auch durch das lange In-Stellung-bringen – leisten, zahlt sich spätestens in Die Versuchung der Macht aus, wenn die Überwindung des Sturmwalls sowie die entdeckte neue Bedrohung weiterhin zentrale Rollen spielen.
Vernestra hat zu viel Zeit…
Wir wissen ja mittlerweile, dass Mirialaner im Kanon nun älter werden als normale Menschen. Das liegt primär daran, dass man ausgerechnet Vernestra Rwoh in The Acolyte einbauen wollte, und die Tatsache wurde im Rahmen der Hohen Republik dann mit General Viess etabliert, die nun auch seit Phase II als Jedi-Jägerin herumstolziert und damit stolze 150 Jahre überlebt hat. Diese zusätzliche Lebenszeit sorgt jedoch scheinbar dafür, dass Vernestra auch die Handlungsambition einer Schildkröte übernommen hat. Der Roman beginnt in Anknüpfung an ihrer „Kopf-in-den-Sand“-Kurzgeschichte aus Geschichten von Licht und Leben mit ihrem Exil auf Ibbe und über den ganzen Roman verteilt muss sie ständig wieder daran erinnert werden, dass sie ja von Mari San Tekka bereits in der zweiten Welle der ersten Phase Koordinaten erhalten hat, die vermutliche viele Fragen beantworten könnten, die die Jedi und die Galaxis aktuell umtreiben.
Mittlerweile wissen die handelnden Figuren alle, dass Mari mit den Pfaden zusammenhängt und somit auch mit Marchion verbunden ist. Alle wissen, dass Marchion das Auge ist (Epilog Der gefallene Stern) und trotzdem hält es Vernestra nicht für notwendig, sich nach über einem Jahr dieser Koordinaten anzunehmen oder zumindest andere ins Boot zu holen. Die Erklärung, warum dies so ist, ist auch eine der größten Schwächen des Romans und man hat mehrmals das Gefühl – was sich übrigens in Die Versuchung der Macht nur weiter manifestiert – dass die Architekt*innen des Projektes Vernestra zu früh den Master-Key in die Hand gegeben haben und jetzt Zeit schinden, um nicht zu früh essenzielle Antworten zu liefern. Das Problem daran ist eben, dass die Handlung dadurch ein Stück weit unplausibler wird und Vernestra den Kopf für diesen zögerlichen Umgang mit solch wichtigen Indizien hinhalten muss. Wenn es also etwas gibt, dass mich aktuell an der Hohen Republik stört, dann genau dieses Detail, was jedoch in keiner Weise den vorliegenden Roman noch das Projekt an sich schlechter macht, nur eben weniger kohärent und durchdacht als gewohnt anmutet.
Fazit
Trotzt dem Sturm erhält auf mehreren Ebenen eine Leseempfehlung! Zunächst dient er als absoluter Figurenroman dazu, die liebgewonnenen Charaktere aus der YA- und Jugendroman-Riege der ersten Phase wieder in dieser veränderten Galaxis-Situation zu etablieren. Zudem bauen die beiden Autor*innen fundiert und logisch auf bestehenden Interdependenzen der handelnden Figuren auf und fügen neuen Kollaborationen hinzu, um spannende Dynamiken und herzzerreißende Szenen zu schaffen. Wer also – gerade als Deutschleser, für den Das Auge des Sturms noch nicht auf Deutsch erschienen ist – in der dritten Phase ankommen will, ist hier perfekt aufgehoben. Natürlich sind einige Spoiler dann nicht zu vermeiden.
Das Werk erhält aber vor allem auch in Kombination mit Die Versuchung der Macht eine Leseempfehlung, da durch den Erwachsenenroman der etwas ausgedehnte Stellungswechsel in Trotzt dem Sturm mehr Nachspiel erhält und dadurch beweisen kann, dass es sich gelohnt hat, die Figuren genau dorthin zu bringen, wo sie nun sind. Demgegenüber hat Die Versuchung der Macht dann nämlich in der Mitte bereits das verfrühte Gefühl eines Romanfinales und liefert damit die hier vermisste Action ein Stück weit nach.
Trotzt dem Sturm ist also sowohl für Figurenfans als auch Leser*innen, die primär an der Handlung der Hohen Republik interessiert sind, ein absoluter Pflichtroman – selbst wenn man sonst nur Erwachsenenromane lesen sollte! Hier werden Plotpunkte etabliert, die in Die Versuchung der Macht als gegeben gelten, was den Roman zu einem sehr wichtigen Prequel macht. Während jedoch Enthusiasten der Figuren und deren Interaktionen direkt hier voll auf ihre ersehnten Kosten kommen werden, müssen sich alle Handlungsinteressierten dann noch bis zum Erscheinen von Die Versuchung der Macht gedulden, um das gesamte Bild zu erhalten. Doch das halbe macht auch schon ausreichend Spaß, um auch jetzt schon zu Trotzt dem Sturm zu greifen!
Wir danken Panini für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
Star Wars: Die Hohe Republik ist ein mehrjähriges Buch- und Comicprogramm, das hunderte Jahre vor den Skywalker-Filmen spielt und die Jedi in ihrer Blütezeit zeigt. Weitere Infos, News, Podcasts und Rezensionen gibt es in unserem Portal und in der Datenbank. Beachtet auch unsere Guides zur Lesereihenfolge von Phase I, Phase II und Phase III.
Gewinnspiel [BEENDET]
Mit freundlicher Unterstützung von Panini verlosen wir 1x Die Hohe Republik: Trotzt dem Sturm.
Um am Gewinnspiel teilnehmen zu können, müsst ihr nur nachfolgende Frage beantworten und das unten stehende Formular ausfüllen:
Welcher Die Hohe Republik-Roman stellte die erste Kollaboration von Tessa Gratton und Justina Ireland dar?
Das Gewinnspiel ist beendet!
- Der Preis wird unter allen Einsendungen mit der richtigen Antwort verlost.
- Nur eine Einsendung pro Person/Familie/Haushalt!
- Einsendeschluss ist Sonntag, 23.06.2024, um 23:59
- Der Preis wird nur innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, Österreich und der Schweiz versendet!
- Sämtliche gesammelten Daten dienen nur dem Zweck des Preisversands und werden nach dem Ende des Gewinnspiels und dem Versand des Preises wieder gelöscht.
- Alle Angaben ohne Gewähr! Eine Barauszahlung des Gewinnes ist ausgeschlossen.
In diesem Sinne: Möge die Macht mit euch sein!
Update 24.06.2024 10:39: Die Auslosung
Der gesuchte Roman ist natürlich Der Pfad der Täuschung! Von den Einsendungen mit der richtigen Antwort wurde folgendes Gewinny aus dem Lostopf gezogen:
- Antje M. aus Verden
Herzlichen Glückwunsch und viel Spaß mit dem Buch!
Und vielen Dank an Panini für die Bereitstellung des Preises!