Wie wird eigentlich aus einer Jedi eine Inquisitorin? – Diese Frage beantwortet der am 18. Juli bei Random House Worlds erschienene Roman Inquisitor: Rise of the Red Blade von Delilah S. Dawson. Auch wenn ich nicht der größte Fan der Inquisitoren mit ihren Helikopter-Lichtschwertern bin, haben mich Geschichten aus der Sicht der Bösewichte doch schon immer fasziniert. Und als Jedi-Anhänger konnte ich mir nie so recht erklären, wieso Mitglieder des Ordens zum Inquisitorius-Programm überlaufen sollten, nachdem das Imperium gerade ihre Heimat zerstört hat. Ob mich der Roman letztlich überzeugen konnte, erfahrt ihr in dieser Rezension.
Zum Inhalt
Im Zentrum der Geschichte steht Iskat Akaris, eine ungewöhnliche Jedi, die selbst nicht weiß, welcher Spezies sie angehört und schon in ihrer Kindheit im Tempel durch einen „Machtunfall“, bei dem ein Mädchen schwer verletzt wurde, unbeliebt und berüchtigt bei ihren Altersgenossen wurde. Zu Beginn des Romans ist sie noch Padawan. In der verlustreichen Schlacht von Geonosis aber verliert sie beim Kämpfen sowohl erneut die Kontrolle über sich selbst als auch ihre Meisterin und wird im Anschluss überhastet und eher aus Gründen des Personalmangels zur Ritterin geschlagen. Trotz dieser Beförderung hat Iskat nie den Eindruck, dass sie wirklich das Vertrauen des Rates oder ihrer Mit-Jedi hat. Immer wieder bekommt sie mit, dass andere Jedi, mit denen sie zusammenarbeitet, an den Rat über ihr Verhalten Bericht erstatten, und bei kleinsten Fehlern wird sie bestraft und darf nicht mehr zurück in den Einsatz im Feld, wo sie ihre Bestimmung als Kriegerin gefunden hat. Iskat fühlt sich im Tempel immer weniger zugehörig und beginnt, nach ihrer Herkunft und Familie zu recherchieren, die der Orden vor ihr geheim hält. Ihr Groll auf die Jedi wächst immer mehr, sodass sie schließlich während der Order 66 zu den Inquisitoren überläuft. Kann sie hier dem Geheimnis ihrer Identität auf die Schliche kommen? Und wird sie sich an den Jedi rächen können, die sie all die Jahre zur Außenseiterin gemacht haben?
Die Suche nach Identität und Zugehörigkeit
Der Roman punktet vor allem mit dem in vielerlei Facetten dargestellten Thema der Suche nach der eigenen Herkunft und Identität, welches sich durch die gesamte Geschichte erzählt. Das beginnt schon mit der ersten Zeile der Widmung: „For those who never quite fit in“. Genau dieses Gefühl, dass sie nirgends dazugehört, prägt die Protagonistin Iskat von klein auf. Sie weiß nicht, welcher Spezies sie angehört, und hat noch nie jemanden gesehen, der so aussieht wie sie. Neidisch blickt sie auf andere Jedi, die zumindest mal die Chance haben, ihren Heimatplaneten zu besuchen, auch wenn sie ihre Familie nicht kennen. Auch im Orden findet sie diese Zugehörigkeit nicht, da sie keine typische Jedi ist, ihr Meditation und innere Ruhe schwerfallen und sie Erfüllung nur im Kampf findet. Im Lauf des Romans versucht sie, Zugehörigkeit an verschiedenen Orten und bei verschiedenen Gruppen zu finden, unter anderem auch bei den Inquisitoren, aber es mag ihr nie so recht gelingen. Als Leserin hatte ich immer viel Verständnis für Iskats Leidensgeschichte und konnte ihre Motivationen und Entscheidungen und damit auch ihre Reise auf die dunkle Seite gut nachvollziehen. Diese ausgefeilte Charakterarbeit an Iskat ist eine große Stärke des Romans, die ihn sehr lesenswert macht.
Dysfunktionaler Jedi-Orden
Normalerweise lesen wir ja meistens Geschichten von Jedi, die vollkommen überzeugt vom Orden sind oder gegebenenfalls ihre kleinen Problemchen und Unsicherheiten haben. Dass sich jemand dort aber dauerhaft komplett unwohl, nicht gewollt und als Außenseiterin fühlt, das ist eine neue und spannende Idee. Damit wir als Leser*innen nachvollziehen können, wieso Iskat so fühlt, werden die Schwächen des Jedi-Ordens gnadenlos aufgedeckt: Da werden verstörte Teenager nach dem Tod ihrer Meister*innen alleingelassen oder mit Plattitüden über das Einssein mit der Macht abgespeist („Rejoice for she is one with the force!“). Da wird ein Jedi-Rat gezeigt, dem es anscheinend lieber ist, dass man auswendig gelernte Sätze darüber abspult, wie sehr man aus seinen Fehltritten gelernt hat, statt dass man ehrlich ausspricht, was man fühlt. Da ist es dem Orden wichtiger, schnell neue Jedi-Ritter an die Front zu schicken und dort zu verheizen, statt deren Ausbildung ordentlich zu Ende zu bringen. Dysfunktionale Prequel-Jedi at its best! Das Ganze gipfelt in einer Szene, in der Iskat vom Rat zur Schnecke gemacht wird, weil sie auf ihrer ersten eigenen Mission angeblich unverantwortlich gehandelt und versagt hat. In Wahrheit hatte sie aber nur unzureichende Informationen bekommen, musste in der Kampfsituation improvisieren und hat letztlich aus der Situation das Beste gemacht. Die erkennt der Rat aber nicht an, sondern sieht die Schuld allein bei Iskat. Ich muss zugeben, dass diese Szene bei mir echt Empörung ausgelöst hat. Die schreiende Ungerechtigkeit, mit der Iskat hier behandelt wird, hat mich sehr beschäftigt und ich war wirklich sauer auf die Jedi. Kein Wunder, dass Leute der dunklen Seite verfallen, wenn man sie bei den Jedi so behandelt! Diese neue Perspektive, die Delilah S. Dawson auf den Jedi-Orden wirft ist verheerend und trübt das ohnehin schon angeknackste Bild der Prequel-Jedi noch weiter ein.
Vom Comic zum Roman
Die Figur Iskat Akaris ist allerdings nicht neu, sondern sie hatte bereits in der 2017er Darth Vader-Comic-Reihe von Charles Soule einen Auftritt in den Heften #19 und #20. Darin ist sie als Inquisitorin gemeinsam mit ihrem Partner Tualon auf einer Mission unterwegs, der erst als Jedi und später als Inquisitor auch in Delilah S. Dawsons Roman eine sich immer wieder verändernde Rolle als Freund, Love Interest, Konkurrent oder Gegner für Iskat spielt. Dawson nimmt jede noch so kleine Information, die der kompakte Comic-Auftritt bietet, auf und baut sie geschickt aus. So wird zum Beispiel die Tatsache, dass Iskat große Hände mit langen Fingern hat, ein wichtiger Handlungspunkt, als Iskat ein mysteriöses Lichtschwert in den Räumen ihrer verstorbenen Meisterin findet, dessen Griff für ihre Hände wie geschaffen scheint und von dem sie daher glaubt, es müsse einem Angehörigen ihrer Spezies, vielleicht sogar einem Familienmitglied gehört haben. In vielen solche kleinen Details sind Roman und Comic wunderbar miteinander verknüpft. Schade ist nur, dass im Epilog des Romans die Comic-Handlung nochmals eins zu eins nacherzählt wird, was unnötig und durch den anderen Erzählstil und die andere Erzählgeschwindigkeit auch unpassend wirkt. Dies ist jedoch nur ein kleiner Kritikpunkt am Ende des Romans.
Fazit
Inquisitor: Rise of the Red Blade ist ein starker Charakterroman, der es schafft, bei den Leser*innen viel Sympathie für seine nach Zugehörigkeit suchende Protagonistin hervorzurufen. Delilah S. Dawson zeigt uns eine ungewöhnliche Jedi und damit eine ganz ungewohnte Perspektive auf einen dysfunktionalen Jedi-Orden. Ein auf ganzer Linie spannender und emotional packender Roman, dem ich gerne die vollen fünf Holocrons gebe.
Die deutsche Ausgabe unter dem Titel Die Inquisitorin erscheint am 22. Mai 2024 bei Blanvalet.
Das klingt sehr vielversprechend. Mein Buch ist unterwegs und kommt hoffentlich bis nächste Woche unbeschadet an. 🙌🏻
Ich bin fast wahnsinnig geworden, als ich den Charakter in den Darth Vader Heften #19 und #20 gesucht habe und dachte schon, du hättest dich vertan. Bis ich dann nach einer gefühlten Ewigkeit realisiert habe, dass ich meine Darth Vader (2015) Bände durchsucht habe und nicht Darth Vader (2017)…
Ich bin schon gespannt auf Darth Vader (2024) und/oder (2025). 😉
Darth Vader (2025) – The Ghost-Stories
Der Geist von Anakin Skywalker erinnert sich an noch mehr Abenteuer aus seiner Zeit als Darth Vader und redet dann im Jedi-Geister-Zirkel darüber, warum das alles falsch war. Da sind die Erinnerungs-Panels dann blau statt rot hinterlegt.
Ich freue mich total auf das Buch und es steht ganz oben auf meiner Leseliste für nächstes Jahr wenn es auf Deutsch rauskommt. Neben dem was Ines hier schon anklingen lässt, was sich ja auch schon sehr gut anhört, hoffe ich auch, dass das System der Inquisitoren nochmal weiter thematisiert wird. Ich finde das Konzept von einer Gruppe Attentätern unter Vaders Kommando mit eigener Hierarchie einfach sehr spannend und freue mich auf jede Geschichte die sich damit beschäftigt.
Hab das Buch auch gelesen und fand es wirklich super. Doch ich hätte noch eine Frage zum Epilog: Ist der kleine Junge welchen die 13.Schwester der Mutter entreißt Galen Marek?
Habe The Force Unleashd selber nie gespielt, doch es erinnert mich daran
Danke für die Antwort
Nein, das ist wenn ich mich recht entsinne Eeth Koths Sohn aus den Vader-Comics.
Ok danke
War vermutlich nur ein Versuch von meinen Gedanken das Starkiller Kanon wird