Rezension: The Legends of Luke Skywalker von Ken Liu

The Legends of Luke Skywalker (31.10.2017)
The Legends of Luke Skywalker (31.10.2017)

Nachdem wir mit From a Certain Point of View erst kürzlich ein Werk bestaunen durften, das mit verschiedenen Blickwinkeln den Leser verzaubert, folgt mit The Legends of Luke Skywalker nun ein Jugendroman, der ein ähnliches Muster zeigt. Mit dem Unterschied, dass in diesem Fall nicht eine ganze Episode näher beleuchtet wird, sondern „nur“ Luke Skywalker. Auch haben wir hier natürlich einen kleineren Maßstab als bei den 40 Beiträgen aus From a Certain Point of View, doch Ken Liu schafft als einzelner Autor eine einzigartige Leistung, indem er jeder der sechs Legenden, die The Legends of Luke Skywalker vorstellt, einen eigenen Sprachstil angedeihen lässt.

Der Roman besteht aus einer übergreifenden Rahmenhandlung, die sich überwiegend auf einem Frachter abspielt. Kurioserweise befinden sich dort hauptsächlich Kinder bzw. Jugendliche als Deckarbeiter, weil die sich mit wenig Lohn im Gegenzug für das Abenteuer zufrieden geben. Das ist auch der einzige Handlungsteil, der für mich nicht wirklich gelungen ist, denn die Idee, dass man einen Haufen Zwölfjähriger als Mannschaft hat, finde ich doch etwas weit hergeholt. Wenn man die Zielgruppe des Romans bedenkt, ist der Sinn dahinter natürlich klar, denn so kann sich ein jugendlicher Leser sehr viel besser damit identifizieren. Der Kern des Romans sind jedoch die Legenden über Luke Skywalker, die von verschiedenen Personen an Bord des Schiffs erzählt werden.

Den Anfang macht die Schiffsköchin Dwoogan, die von einer ehemaligen imperialen Ingenieurin berichtet, die in einer zwielichtigen Bar mit allen erdenklichen Legenden über Luke Skywalker reinen Tisch macht. Dabei werden Luke und die Rebellen Stück für Stück als eine amüsante Gaunerbande dargestellt. Ken Liu parodiert hier nicht nur die Geschehnisse als Propaganda der Rebellion, sondern bringt dabei auch humorvolle Vergleiche zwischen den verschiedenen Filmversionen der alten Trilogie (Stichwort „Special Editions“) zu Tage.

Im Verlauf des Romans liest der Leser insgesamt sechs verschiedene Legenden über Luke Skywalker, die nicht unterschiedlicher voneinander sein könnten. Neben der humorvollen Eröffnung finden sich als Protagonisten in diesen Legenden: ein imperialer Bordschütze, eine jugendliche Machtnutzerin einer tribalen Gesellschaft, ein Droide, eine Biologin und ein Floh. Ja, richtig, man liest tatsächlich eine Legende über Luke aus der Sicht von einem Floh.

Ken Liu ist es hier meisterhaft gelungen, den verschiedenen Protagonisten einen jeweils eigenen Sprachstil zu geben. In der Geschichte des Bordschützen fiebert der Leser mit dem Überlebenden der Schlacht von Jakku mit, der ausgerechnet von der Nemesis des Imperiums, Luke Skywalker, gefunden wird. Dabei sieht man auch sehr gut, wie sehr das Imperium die Propaganda auch für ihre eigenen Leute verwendet und es tatsächlich schafft, die Rebellion als das große Übel darzustellen.

Die dritte Legende wird von einer blinden Passagierin erzählt, die von einem der Besatzungsmitglieder an Bord geschmuggelt wurde. Sie konzentriert sich auf das Thema der Macht und Mystik. Luke tritt darin tatsächlich auch einmal als Schüler auf, während er versucht, die Macht besser zu verstehen und dabei andere Völker aufsucht, die ihre ganz eigene Sicht auf die alles umfassende Energie haben. Liu schafft es hier hervorragend, Luke nicht als den Alleskönner schlechthin darzustellen, aber ihn auch nicht zum naiven Schnell-Lerner mutieren zu lassen.

Die Legenden von Luke Skywalker (04.12.2017)
Die Legenden von Luke Skywalker (04.12.2017)

Meiner Meinung nach steigert sich Liu in der zweiten Hälfte aber sogar noch um einiges, denn da kommen die ganz speziellen Legenden ins Spiel. Die vierte Legende wird mithilfe eines weiteren Besatzungsmitglieds von dem Droiden des Schiffs erzählt, der Luke begegnet ist, als er von einem Schmuggelring gefangen, verkauft und zur Arbeit gezwungen wurde. Der eigentliche Baudroide wird dabei zu einem Wächter umfunktioniert und muss mittels eines Chips gegen seinen Willen die anderen Droiden zur Arbeit antreiben. Wer sich nun fragt, wie ein Baudroide mit Luke Sykwalker zusammenhängen kann, dem sei nur gesagt: ein gewisser blau-weißer Droide bringt sozusagen den Stein ins Rollen. Faszinierend ist in dieser Legende aber, wie Liu die Droiden sprechen und empfinden lässt, obwohl diese “lediglich” Empathiechips besitzen mögen. Aber der Leser merkt hier, dass es in der Maschinenwelt gar nicht so unähnlich zugeht, nur dass hier eben einige Elemente anders sind, wie zum Beispiel das Teilen von Energierationen anstatt von Lebensmitteln.

Die fünfte Legende ist eine ganz kuriose Geschichte, denn sie handelt von einem mikroskopisch kleinen Lebewesen, das jedoch großen Einfluss auf den Verlauf einer ganz bestimmten Rettungsmission genommen hat. Die Rede ist von einem weiblichen Mitglied einer Floh-Spezies, die – wie nebenbei erwähnt wird – um vieles intelligenter ist, als die meisten Humanoiden und daher immer extra langsam sprechen muss, damit diese sie verstehen können. Ich hätte nicht gedacht, dass mich die Geschichte eines Flohs tatsächlich so mitreißen könnte, aber Liu hat hier einen interessanten Charakter geschaffen, der dem Leser auch eine ganz neue Perspektive aufzeigt: die Welt aus der Sicht der Kleinen. Zeitlich ist diese Legende in Episode VI angesiedelt und erzählt uns die Rettungsmission Han Solos durch Luke auf eine ganz andere, höchst amüsante Weise.

Den Abschluss macht die Geschichte über eine Biologin, die durch ihr Zusammentreffen mit Luke Skywalker und das daraus entstehende Abenteuer zur Spezialistin im Bereich der Exogorth-Forschung wird. Wer sich an die riesigen Weltraumwürmer aus Episode V erinnert, der weiß, dass in ihrem Körper genug Platz für ein Raumschiff ist und man daher immer aufpassen sollte, wo man auf einem Asteroiden landet, ehe man im Leib eines dieser Wesen gefangen ist.

Eine Besonderheit des Romans ist, dass die Legenden nicht als reine Fakten aufgefasst werden können. Jede der sechs Geschichten wird aus der Sicht von einem Individuum erzählt und nicht von einem objektiven, allwissenden Erzähler. Daher sind einige Elemente in den Legenden auch geradezu hahnebüchen, von Riesen-Hologrammen bis hin zum Trottel Luke, der sich von einem Floh steuern lässt. Jede Legende hat Elemente, die wir als Fakten ansehen können, aber genauso gibt es auch Details, die doch sehr vom Betrachter abhängen. Deshalb ist es hier auch am Leser gelegen, was er oder sie nun als plausibel ansieht. Das Augenmerk sei hier aber auch insbesondere auf Lukes Verhalten gerichtet, das einem vielleicht auch so manchen Hinweis liefern könnte. Nachdem wir bisher zwei kanonische Werke bekommen haben, die Luke Skywalker zentral behandeln – Der Erbe der Jedi-Ritter und Die Waffe eines Jedi – fällt The Legends of Luke Skywalker vom Stil her ein wenig aus der Reihe. Vor allem aber gehört er zum Journey to Star Wars: The Last Jedi-Material, was die Fragen aufwirft, warum ein solcher Roman gerade im Vorfeld des Films veröffentlicht wird und welche Verbindungen er zu diesem aufweist?

Ein Wort aber noch zu den Illustrationen in dem Roman: J.G. Jones hat nicht nur das Cover für The Legends of Luke Skywalker beigesteuert, sondern auch für jede einzelne Legende eine Illustration angefertigt. Die Illustrationen sind koloriert und mit sehr viel Liebe zum Detail gezeichnet. Jones hat es auch geschafft, Lukes Charakter wunderbar einzufangen, vom unbedarften Jüngling bis hin zum älteren Mentor.

Fazit: The Legends of Luke Skywalker ist ein wunderschönes und vielseitiges Werk, das nicht nur für ein jüngeres Publikum geeignet ist. Die Charaktere sind, inklusive Luke Skywalker, exzellent geschrieben und bei manchen würde ich mir jetzt sogar noch eine Fortsetzung ihrer Geschichte wünschen. Wer mit dem Heldenstatus von Luke bisher seine Probleme hatte, der wird hier vom Gegenteil überzeugt werden und tatsächlich hätte ich mir ein solches Werk schon viel früher gewünscht, um mal einen anderen Blickwinkel auf unseren Farmjungen werfen zu können. Insgesamt kann ich Ken Liu nur Beifall zollen für dieses Meisterwerk und erhoffe mir, dass wir von ihm noch weitere Romane aus einer weit, weit entfernten Galaxis zu lesen bekommen.

Der Rezensent vergibt 5 von 5 Holocrons!
Die Rezensentin vergibt 5 von 5 Holocrons!

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Die deutsche Ausgabe von The Legends of Luke Skywalker lässt übrigens auch nicht lange auf sich warten und erscheint bereits am 4. Dezember im Taschenbuch-Format!

7 Kommentare

    1. Offenbar, weil es sich nicht lohnt, da der Markt zu klein und die Kosten zu hoch sind. Selbst beim Roman zu Rogue One hat man das Hörbuch abgesagt, als man nicht mehr den finanziellen Rückenwind des Filmmarketings zur Verfügung hatte. Traurig, ist aber so. Aus demselben Grund gibt es leider keine Hardcover-Romane auf Deutsch.

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