Rezension: Aftermath: Empire’s End von Chuck Wendig

Hinweis: Diese Rezension ist spoilerfrei!

Aftermath: Empire's End (21.02.2017)
Aftermath: Empire’s End (21.02.2017)

Heute erscheint mit Empire’s End der letzte Teil von Chuck Wendigs Aftermath-Trilogie. Nachdem die beiden Vorgänger Aftermath (siehe Rezensionen von Florian und Julian) und Aftermath: Life Debt (siehe meine Rezension) uns kaum bis gar nicht überzeugen konnten, hoffen wir natürlich alle auf einen versöhnlichen Abschluss. Mit Empire’s End entscheidet sich für mich die Frage: Hat es sich gelohnt, sich durch drei Romane zu quälen, oder bleibt die gesamte Trilogie auch nach ihrem Abschluss eine Enttäuschung?

Die Handlung
Worum geht es also in Empire’s End? Das Aftermath-Team, bestehend aus Norra und Temmin „Snap“ Wexley, Mr. Bones, Jas Emari und Sinjir Rath Velus, ist nach dem Anschlag am Liberation Day der imperialen Großadmirälin Rae Sloane auf den Fersen. Besonders Norra sinnt auf Rache an Sloane, die sie für schuldig am Schicksal ihres Mannes hält, welcher als fremdgesteuerter Attentäter missbraucht wurde. Als die Crew über dem Planeten Jakku eine riesige Ansammlung imperialer Schiffe entdeckt, überlegt Norra nicht zweimal, sondern katapuliert sich, gefolgt von Jas, in einer Rettungskapsel auf die Planetenoberfläche, um Sloane zu finden und zu stellen. Temmin und Sinjir müssen nun so schnell wie möglich die Neue Republik überzeugen, einzugreifen, um Norra und Jas zu retten und das Imperium ein für alle mal zu besiegen. Sloane hingegen ist, gemeinsam mit ihrem neu gefundenen Reisegefährten Brentin Wexley, unterwegs auf ihrer eigenen Rachemission. Auf Jakku will sie Gallius Rax stellen, welcher für ihren Machtverlust verantwortlich ist. Alles läuft auf eine große Konfrontation auf Jakku hinaus…

Die Figuren und ihre Handlungsmotivation
Schon aus der kurzen Handlungszusammenfassung wird klar, wo das Hauptproblem des Buches liegt: Die zentralen Figuren haben keine andere Handlungsmotivation als Rache. Norra will Rache an Sloane, Sloane will Rache an Rax, Mercurial Swift, der auch wieder mit von der Partie ist, will Rache an Jas. Diese Rachegelüste vernebeln den Beteiligten anscheinend so sehr die Sinne, dass sie nicht mehr in der Lage sind, klar zu denken oder einen halbwegs brauchbaren Plan zu schmieden, bevor sie sich unüberlegt in die Gefahr stürzen. Mehrfach bekennen sich Figuren offen dazu, keinen Plan zu haben, aber trotzdem einfach zu handeln. Die ständigen selbstgefährdenden Alleingang-Aktionen, die immer wieder dazu führen, dass einer den anderen aus der Patsche ziehen muss, langweilen schnell und tragen nicht dazu bei, dass man als Leser besonders viel Mitgefühl mit den selbstverschuldet in der Patsche sitzenden Figuren hat. Chuck Wendigs Figuren sind sowieso nicht gerade die vielschichtigsten und sympathischsten Charaktere, aber in Empire’s End steigt der Nervfaktor nochmals beträchtlich an, da weite Strecken des Romans nur von ihren unüberlegten Aktionen geprägt sind. Wie Florian es einmal sehr treffend in einer Rezension zu einer Rebels-Folge ausdrückte: „Die Handlung ergibt sich aus der Sturheit und Dummheit der Figuren.“

Besonders ärgerlich ist diese Entwicklung bei Rae Sloane. Bei Jedermann-Figuren wie Norra ist es ja noch in Ordnung, wenn sie blind vor Wut der Erfüllung ihrer Rachelust hinterherrennen, aber von einer Großadmirälin hätte ich mehr erwartet. Sloane war in den ersten beiden Teilen der Trilogie immer noch ein Lichtblick und ich habe die Szenen mit ihr immer recht gern gelesen, da man merkte, dass sie ein kluges Köpfchen ist und nicht umsonst einen hohen Rang innerhalb des Imperiums einnimmt. Doch mit ihrem Rang und ihrer Funktion im Imperium scheint Sloane auch ihr Gehirn eingebüßt zu haben. Vollkommen plan- und ideenlos schleppt sie sich durch Empire’s End und handelt genauso unüberlegt wie Norra. Sie scheint vergessen zu haben, wie man taktiert und verhandelt, sodass ihre „Pläne“ in diesem Roman nur noch auf die eine Grundformel hinauslaufen: „Ich bin eine im Nahkampf gut ausgebildete Offizierin, also haue ich meinem Gegner mal eine rein und löse so das Problem!“ Es ist wirklich extrem enttäuschend und würdelos, was Wendig aus einer tollen Figur wie Sloane macht.

Nachspiel: Das Ende des Imperiums (21.08.2017)
Nachspiel: Das Ende des Imperiums (21.08.2017)

Spannungsaufbau
Der Haupthandlungsstrang, der für den Spannungsaufbau sorgen soll, ist Norras Jagd auf Sloane. Das Problem hierbei ist allerdings, dass wir als Leser wissen, dass Sloane gar nicht die Schuldige ist, die Norra sucht. Wir können also gar nicht hundertprozentig mit Norra mitfiebern und ihren Hass auf Sloane teilen. Außerdem ist Sloane eine für imperiale Verhältnisse eigentlich recht sympathische Figur und taugt nicht so recht dazu, sie dermaßen zum verhassten Feind aufzubauschen. Die Spannung, die sich aus der Jagd nach Sloane ergibt, ist also eher mäßig.

Der zweite Aspekt, der zum Spannungsaufbau beiträgt, ist die Frage, wie denn nun der große Masterplan von Gallius Rax aussieht. Doch Rax wird, außer in Rückblicken und in Sloanes Gedanken, zunächst kaum thematisiert. Im Gegensatz zum zweiten Teil der Trilogie, wo er quasi eine Hauptrolle einnahm, taucht er hier nur selten auf und hat erst am Ende seinen großen Auftritt. Rax war in Life Debt, ebenso wie Sloane, eine Figur, die das Buch aufgewertet hat. Leider wird auch er hier verschwendet und unter Wert verkauft.

Stattdessen müssen wir uns bis ca. Seite 280, ähnlich wie schon in Teil 1, durch eine episodenhafte Ansammlung von Begebenheiten ohne besondere Relevanz quälen. Dabei ist der politische Handlungsstrang rund um Mon Mothma auf Chandrila noch am interessantesten. Erst ab dem Beginn der Schlacht von Jakku wird die Handlung insgesamt etwas spannender und nimmt Fahrt auf.

Wie bereits in den Vorgängerbänden wechselt sehr oft die Erzählperspektive und es gibt diverse Interludes, was auch nicht besonders dazu beiträgt, einen konstant ansteigenden Spannungsbogen aufzubauen. Wendig wirft einfach zu viele Figuren in die Arena, sodass es schwerfällt, mit wirklich allen mitzufühlen. Ich kann mich nicht gleichzeitig für das Schicksal von zwanzig Figuren interessieren und emotional in sie investieren. Jom Barell wird beispielsweise über sehr lange Zeit hinweg links liegen gelassen, dann taucht er plötzlich wieder auf und Wendig erwartet offenbar, dass man als Leser direkt eine emotionale Bindung zu dieser Figur hat, was aber so nicht funktioniert. Mehr Konzentration auf wenige, aber zentrale Figuren hätte dem Roman gutgetan.

Eine spezifische Eigenheit, mit der Chuck Wendig versucht, Spannung aufzubauen, ist mir in Empire’s End besonders negativ aufgefallen. Ich glaube, diese Eigenheit war auch in den anderen Bänden schon vorhanden, aber erst jetzt ist sie mir so recht bewusst geworden: Zu Beginn fast jedes Kapitels steigt Wendig mit einer vollkommen neuen und überraschenden Situation ein, die er dann erst nach und nach aufklärt. Zum Beispiel war eine Figur, als wir ihr das letzte Mal begegnet sind, noch frei, doch dann werden wir zu Beginn des nächsten Kapitels ganz plötzlich in die Situation hineingeworfen, dass die Figur jetzt gefangen ist. Erst im Laufe der nächsten Seiten wird dann rückblickend aufgeklärt, wie es dazu kam und was denn nun in der Zwischenzeit vorgefallen ist. So beginnt fast jedes Kapitel, ähnlich wie eine Kurzgeschichte, mit einem kleinen Überraschungseffekt und einer Irritation. Allerdings ist diese Art des Erzählens für den Leser ziemlich anstrengend und es kommt durch diese Brüche nie eine durchgehende Handlung zustande, zumal oft dutzende Seiten und mehrere Kapitel vergehen, bis eine Figur das nächste Mal wieder im Zentrum steht. Auch ist diese Art der „Micro-Spannung“ kein Ersatz für die fehlende große Spannungskurve, die den ganzen Roman überspannt.

Die Sprache
Chuck Wendigs Schreibstil war in den Vorgängerbänden immer wieder Anlass für Kritik, doch für Empire’s End muss ich sagen, dass er sich nochmals gebessert hat. Der Text lässt sich flüssig lesen und leidet, bis auf die extrem kurzen, einfachen Sätze und das immer noch gewöhnungsbedürftige Präsens, kaum noch unter den Mängeln der ersten beiden Bände. Allerdings stört es ein wenig, dass Wendig seinen flapsigen Stil und Humor einfach fast jeder Figur und Situation überstülpt, ob es passt oder nicht. Besonders bei Mon Mothma, welche teils sehr out-of-character erschien, hat mich das gestört.

Die Auflösung
Natürlich werde ich hier nicht das Ende des Buches spoilern, sondern nur sehr allgemein ein paar Worte darüber verlieren, wie mir die Auflösung gefallen hat. Alles in allem passt die Handlungsauflösung zur gesamten Trilogie: Sie ist enttäuschend. Rax‘ Masterplan ist nicht halb so clever und durchdacht wie man ihn sich vielleicht erhofft hatte. Das Ärgerlichste an der ganzen Auflösung ist, dass ich nicht verstehe, wieso Rax seinen Masterplan nicht schon viel früher (in Band 1) in die Tat umgesetzt hat. Das hätte uns als Leser dann nämlich viel weitere überflüssige Handlung erspart. Hätte man sich tatsächlich nur auf relevante Inhalte konzentriert, hätte man die Handlung locker in einem einzigen Buch abhandeln können.

Auch einige Interludes aus den vorangegangenen Bänden werden nochmals aufgeriffen und halbwegs zu Ende geführt, vieles bleibt aber auch offen. Große Enthüllungen bleiben ebenso aus. Wie erwartet, handelt es sich bei den großzügig über die gesamte Trilogie ausgestreuten Andeutungen meist um bewusst gelegte falsche Fährten, die Fan-Spekulationen anheizen sollten. Ein paar mögliche Verbindungen zu The Last Jedi und Rebels werden geschlagen, aber alles bleibt auch nach dem Lesen der gesamten Trilogie sehr unkonkret.

Fazit
Insgesamt habe ich mich über weite Strecken extrem durch diesen Roman quälen müssen. Oder um es in Wendigs Sprache auszudrücken: Nur die Gier nach Rache an Wendig (in Form dieser Rezension) hat mich dazu getrieben, weiterzulesen! 😉 Seine Figuren handeln nämlich größtenteils nur aus übertriebener und blinder Rachsucht und stecken oft durch eigenes Verschulden und eigene Dummheit in der Klemme, wofür ich nur wenig Verständnis aufbringen kann und will. Ein gewisses Mindestmaß an Rationalität müssen Figuren, mit denen ich mich identifizieren soll, dann doch mitbringen. Das Ende bringt außerdem nicht die Enthüllungen und Neuigkeiten, die ich mir erhofft hatte. Insgesamt ist Empire’s End für mich damit zwar stärker als Aftermath, fällt aber im Vergleich zum direkten Vorgänger Life Debt, der noch mit gut gezeichneten imperialen Figuren punktete, deutlich ab. Am Ende reicht es somit von meiner Seite aus nur für ein mageres Holocron und ein Stoßgebet an die Macht, dass sie uns von weiteren Wendig-Romanen verschonen möge.

Der Rezensent vergibt 1 von 5 Holocrons!
Die Rezensentin vergibt 1 von 5 Holocrons!

Wir danken Penguin Random House UK und dem Century-Verlag recht herzlich für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

Aftermath: Empire’s End in der britischen Ausgabe von Century könnt ihr euch auf Amazon.de¹ bestellen. Die US-Ausgabe von Del Rey ist ebenfalls auf Amazon¹ erhältlich. Wer die deutsche Übersetzung namens Nachspiel: Das Ende des Imperiums lesen will, muss sich noch bis zum 21.8.2017 gedulden; sie kann aber bereits auf Amazon.de¹ vorbestellt werden.

Was ist eure Meinung zu Chuck Wendigs Abschluss der Aftermath-Trilogie?

Ein Kommentar

  1. Also ich fand das Buch nicht ganz so grausam, aber immer noch ziemlich schlecht. Die letzten 150 Seiten haben immerhin schöne Action, aber wenn ich das mit Schlachtszenen bei anderen Autoren – Freed, Traviss, Zahn – vergleiche, dann ist mir das dennoch zu plump gestaltet. Am meisten out-of-character waren aber weder Sloane (ihr Auftritt erinnerte mich an ihren Cameo in Kanan, nur verzehnfacht in der Charakterisierung) noch Mon Mothma, sondern Leia. Jedes Mal wenn Wendig für Leia Dialoge schreibt möchte ich schreien.

    Die Rax-Sache war alles in allem recht unspektakulär, aber immerhin gibt es jetzt am Ende einen schönen Ausgangspunkt für weitere, fähigere Autoren. Vielleicht ja mal wieder John Jackson Miller, der Sloane ja auch erfunden hat…

    Insgesamt war die Trilogie aber ein ziemlicher Reinfall. Das hätte man auch in einem oder zwei Büchern abhandeln können – und ein fähigerer Autor hätte sicher auch mehr daraus machen können. Die Verbindungen zu Lost Stars waren mir auch zu lasch.

    2/5 Holocrons von mir.

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