Erwartungen sind schon ein lustiges Phänomen – sie bestimmen es im Vorhinein, ob wir Dinge gut oder schlecht finden werden. Die Gefahr dabei ist offensichtlich: Bücher werden vor der Veröffentlichung teilweise zu sehr gehypt und die Erwartungen so hoch gesetzt, dass diese nicht wirklich erfüllt werden können. Gerade in der Star Wars-Community ist das etwas, was leider zu oft geschieht. Das beste Beispiel aus meiner Sicht ist Episode I – es ist ein großartiger Film, keine Frage, aber die Erwartungen der Fans, die 16 Jahre lang auf diesen Film gewartet haben, waren einfach zu hoch. Egal was George Lucas abgeliefert hätte, es hätte sich nie mit den Erwartungen der Zuschauer decken können. Darth Plagueis von James Luceno war wohl einer der am sehnlichsten erwarteten Romane der letzten Jahre. Die Romanidee war mutig und riskant, da das Buch auf die Hintergrundstory von Darth Sidious bzw. Imperator Palpatine eingeht, dem wohl bösesten Schurken in den sechs Star Wars-Filmen. Auch dieser Roman wurde unglaublich gehypt – einige Fans waren jedoch mit ihrer Annahme besorgt, dass dieser Roman Palpatine “entmystifizieren” könnte oder ihn zu menschlich macht (so wie Epiosde I den späteren Sith-Lord Anakin in einen zu sympathischen Charakter verwandelt hat). Ob es sich dennoch lohnt, erfahrt ihr in meiner Rezension:
Ich möchte meine Rezension damit beginnen, euch zu erklären, dass Darth Plagues Palpatines Charakter nicht zerstört hat – der Roman macht ihn nur noch böser und abgekühlter. Wir werden Palpatine nicht als süßen kleinen Jungen kennenlernen. Was mir ganz wichtig bei Romanen ist, ist die Authentizität der Charaktere. Wie handelt Palpatine im Buch? Ähnelt sein Handeln dem seiner Person in den Filmen? Ja! Es ist authentisch und passt zu dem Mann, der später der Imperator der Star Wars-Galaxis werden sollte.
Wahrheit, Lüge, Droiden, Klone, Sklaven, Bürger – sind alles Werkzeuge der Sith. Wie wir alle wissen, spielte Palpatine mit Anakin und schaffte es, den Jungen Skywalker so zu manipulieren, dass er sich der dunklen Seite anschließt. Ein Großteil des Buches deckt Palpatine und seine listenreichen Machenschaften ab und zeigt sehr klar auf, wie der junge Palpatine, der in diesem Buch präsentiert wird, zu dem sadistischen Sith-Lord der Filme heranwuchs. Ein paar Mal ließen Palpatines Aktionen im Roman selbst mir kühle Schauer den Rücken herunterlaufen. Der Leser erfährt also im Roman, wie Palpatine zu seiner Macht aufstieg und woher seine Antriebe kommen.
„Darth Plagueis war ein Dunkler Lord der Sith, so mächtig und so weise, dass er die Macht nutzen konnte, um die Midi-Chlorianer zu beeinflussen, dass sie Leben erschufen. Er hatte ein so ungeheures Wissen um die Dunkle Seite, dass er sogar dazu in der Lage war, das Sterben derjenigen, welche ihm nahe standen, verhindern zu können.“
— Palpatine über Darth Plagueis, Episode III
Um zum Titelcharakter zu kommen, soll zu allererst erwähnt werden, dass James Luceno Darth Plagueis perfekt zum Leben erweckt hat. Ich muss aber auch eingestehen, dass ich ein paar kleine Bedenken hatte, da Darth Plagueis ein Muun ist – und wie wir alle wissen, neigt das Star Wars-Universum dazu, Stereotypen zu entwickeln. So habe ich befürchtet, dass hier auf den Stereotyp des Bankers zurückgegriffen wird. Luceno handelt aber souverän, indem er Darth Plagueis zu einer Art Graf von Monte Christo (übrigens: auch eine Leseempfehlung von mir!) stilisierte. Wie Sidious lebt auch Plagueis ein Doppelleben – und er lebt diese Leben mit einer extremen Intensität. In einigen Szenen entwickelt sich Plagueis in unblaublicher Schnelle vom Verhandlungsführer zum Killer. Alles ins allem hat Luceno einen sehr komplexen Charakter erschaffen, der aus der Riege der meisten anderen Sith-Charaktere heraussticht.
Anfangs empfand ich das Lesen jedoch etwas gewöhnungsbedürftig – als Darth Plagueis aber auf Palpatine trifft und ihn zu Sidious heranzieht, nimmt die Story ungemein an Fahrt auf. Es wird also richtig spannend! Der Aufstieg der beiden Sith durch geschickte politische Intrigen und natürlich auch schwer kriminelle Machenschaften liest sich sehr flüssig. Einige Personen werden nun bestimmt anmerken, dass die Handlung von Darth Plagueis zu wirtschaftslastig und viel zu philosophisch sei. Außerdem, dass es zu wenig Konflikte gebe. Aber im Grunde ist Darth Plagueis ein ausgeklügelter und höchst intelligenter Politikthriller und dient als Hintergrundgeschichte für die Prequel-Trilogie. Ich persönlich habe eine Abneigung gegen Star Wars-Romane, die einfach ein paar Schlachten aufkommen lassen, nur um zu zeigen, wie die Charaktere ihre Blaster oder Lichtschwerter ziehen. Darth Plagueis stellt hier eine willkommene Abwechslung dar. Es gibt nur ein paar Kampfszenen, aber diese sind dafür sehr emotional und haarsträubend. Was an diesen Szenen jedoch viel wichtiger ist: sie tragen ungemein zur Entwicklung der Charaktere bei und zeigen, wie sehr die zwei Hauptfiguren Gefallen an der Gewalt finden.
Nun habe ich noch zwei Anmerkungen zum Schreibstil Lucenos in diesem Buch, die ich hervorheben möchte.
- Während in vielen Romanen versucht wird, die Story spannend zu gestalten und die Frage offen lassen, ob Charaktere sterben, legt Luceno hier keine falsche Fährte (und ich bitte euch, wir wissen alle, dass Luke, Han und Leia nicht in einem Buch sterben werden!). Wir wissen auch, dass Darth Plagueis getötet wird, und viel wichtiger – wir wissen, wer ihn tötet.Luceno spielt eher mit unserem Star Wars-Hintergrundwissen und fokussiert die Aufmerksamkeit der Leser, indem er einwebt, wie und wann Ereignisse geschehen. Luceno schafft es sogar, dass die Leser die Ereignisse der Prequels überdenken. Weiterhin füllt er einige erzählerische Löcher der Prequels – noch mehr als die Romane zu den Filmen selbst. Nicht zuletzt schafft Luceno es, Romane, Comics, Videospiele, The Clone Wars und die Filme in einer unglaublichen Art und Weise zusammenzuführen, wie man es selten erlebt. Und eben dies zeichnet unter anderem die Intelligenz des Romanes aus: selten wurden so viele bekannte Charaktere und Ereignisse in Verbindung mit brillanter Schilderung der bisher unbekannten Geschehnisse vor Episode I kombiniert.
- In diesem Roman gibt es etwas, das ich selten in Star Wars-Romanen erlebt habe. Der Erzähler hat eine eigene Stimme, die jedoch nicht in die Story eingreift, sie jedoch epischer erscheinen lässt. Beispielsweise platziert er gewisse Planeten oder Ereignisse in den historischen Star Wars-Kontext. Teilweise geht er sogar auf Ereignisse und Lokalitäten aus den Filmen ein. Der Erzähler gibt auch viele physische Details, die es erleichtern, sich die Charaktere und die Szene vorzustellen.
Dieser Roman überzeugt nicht nur bei den Charakteren und der Story, sondern auch auf der Schreibstil-Ebene, der ungewohnt anspruchsvoll ist. Personen, die den Roman nur kurz “überfliegen”, werden sich mit ihm also nicht anfreunden können. Ein weiterer wichtiger Faktor, der zum Lesen berücksichtig werden muss, stellt das Expanded Universe dar. Man muss es natürlich nicht ausführlich studiert haben, aber man sollte doch schon einige Vorkenntnisse mitbringen, da auf gewisse Charaktere und Ereignisse eingegangen wird – und dies kann gerade neuen Leser ein großes Fragezeichen bescheren.
Alles in allem gebe ich diesem Werk die volle Holocronzahl – meine Erwartungen wurden mehr als nur übertroffen! Ich bin wirklich überzeugt davon, wie James Luceno Darth Plagueis, Darth Sidious und weitere Charaktere aufbaut und entwickelt. Der Roman schafft es fast spielend, in die Riege der top Star Wars-Romane – sei es durch die großartige Story oder durch die Charakterentwicklung. Zu Recht wurde Darth Plagueis übrigens von der amerikanischen Leseplattform goodreads.com zum besten Science-Ficion-Roman 2012 nominiert! Obwohl einige Fragen in diesem Roman offen bleiben, ist eine Sache sicher: Nachdem ihr Darth Plagueis verschlungen habt, werdet ihr die Prequel-Trilogie in einem ganz anderen Licht sehen.
Chapeau, Herr Luceno – wirklich gut gemacht!
Schöne Rezension, der ich im Großen und Ganzen auch beipflichte. Ich war auch beeindruckt, wie viele Querverbindungen Luceno zum restlichen EU gestrickt hat – er hat es auch schon bei seinen vorherigen Romanen getan, aber hier hatte das ganze eine völlig andere Dichte. Das ist übrigens ein Grund, weshalb ich sehr gespannt auf seinen Tarkin-Roman bin: Wenn jemand Legends-Inhalte gut und passend mit dem neuen Kanon vernetzen kann, dann Luceno.
Ich kann erneut nur zustimmen…
Finde das Buch auch super 👍
Lese es gerade nochmal und mir ist aufgefallen, das dort steht das Darth Ramage vor hundert Jahren einen Riss in der Macht entdeckte, wodurch die Jedi die Sith zu Kenntnis nahmen.
Das wäre dann 162 VSY
Acolyte spielt zwar 132 VSY, aber würde dass irgendwo zusammenpassen?