Als „Star Wars meets The Hunger Games“ wurde Tessa Grattons Young-Adult-Roman The Acolyte: The Crystal Crown bereits im Klappentext beworben. Vielleicht nicht die originellste Prämisse, mag jetzt manch einer denken und einen müden Abklatsch befürchten. Als großer Fan von The Hunger Games muss ich sagen, dass mich diese Kategorisierung jedoch nicht abgeschreckt hat. Ich hatte wirklich Lust auf ein wenig Battle Royale im Star Wars-Universum und nahm den am 29. Juli bei Disney-Lucasfilm Press erschienenen Roman mit großer Vorfreude in die Hand. Warum meine Begeisterung dann leider ziemlich schnell nachließ, erkläre ich euch in dieser Rezension.
Diplomatische Mission nach Siline

The Crystal Crown schickt die aus der Serie The Acolyte bekannten Charaktere Jecki und Yord – zum Zeitpunkt der Handlung beide noch Padawane – gemeinsam mit ihren Meister*innen Sol und Elishe auf eine Mission auf den kriegerischen Planeten Siline. Dieser ist in Beitrittsverhandlungen mit der Republik, welche jedoch jüngst durch einen diplomatischen Zwischenfall zwischen einem Mitglied der Regierung und den Jedi gestört wurden. Nun soll das neue Jedi-Team die Wogen glätten. Auf Siline findet gerade die sogenannte „Convocation“ statt, eine Art Hungerspiele, bei denen junge Wesen zwischen 15 und 25 ihre kriegerischen Fähigkeiten unter Beweis stellen und im Optimalfall die Cystal Crown erlangen können, was sich gut im Lebenslauf macht und dazu führt, dass man später gute Jobs bekommt. Allerdings wird in modernen Zeiten nicht mehr auf Leben und Tod gekämpft.
Da Jecki und Yord im richtigen Alter sind, bieten die Regierenden von Siline ihnen die Ehre an, an der Convocation teilzunehmen, was sie annehmen, um die diplomatischen Beziehungen wieder zu verbessern. Schnell freunden sie sich mit einigen einheimischen Teenagern an, die ebenfalls teilnehmen. Gemeinsam mit ihnen kämpfen sie sich durch die verschiedenen Disziplinen der Convocation. Doch einige Personen haben mehr im Sinne, als nur unter fairen Bedingungen Ruhm und Ehre bei den Spielen zu erlangen …
Viel Build-up …
Das Worldbuilding zum Planeten Siline ist wirklich spannend und hat mich sofort in die Handlung gezogen. Der Planet und seine Bewohner*innen, die durch das Element der Kristalle in der Geografie sowie den Knochen miteinander verbunden scheinen, sind ebenso faszinierend wie das kulturelle Ereignis der Convocation, die immer stattfindet, wenn ein bestimmter Geysir ausbricht. Unterschiedliche politischen Fraktionen des kriegerischen Planeten schienen Interesse an einem bestimmten Ausgang der Convocation zu haben, manche sogar den tödlichen Spielen aus früheren Zeiten nachzutrauern. Sowohl das Kennenlernen zwischen den Jedi und den lokalen „Tributen“ als auch die festliche Parade und das vorbereitende Training haben mich direkt fasziniert und ganz heiß gemacht auf den bevorstehenden Wettkampf. Zwischen einem glatten politischen Parkett, ehrgeizigen Gegnern, möglichen Allianzen oder Verrat und den Meinungsverschiedenheiten zwischen Jecki und Yord schien es genügend Potenzial für Spannung und Eskalation zu geben.

… führt zu nichts
Doch dann beginnt die Convocation und es passiert einfach … nichts. Die beiden Padawane und die lokalen Teenager kämpfen sich gut gelaunt und mit einer Lässigkeit, die ihresgleichen sucht, durch die verschiedenen Disziplinen (Duelle, Survival und Monsterjagd), als ob sie einen Abenteuer-Trip gebucht hätten. Und so fällt die aufgebaute Spannungskurve, die eigentlich in den Spielen gipfeln sollte, komplett in sich zusammen.
Wo es in The Hunger Games ums nackte Überleben geht und die meisten der Tribute gar nicht teilnehmen wollen, sind in The Crystal Crown alle wahnsinnig kompetente Karrieretribute, die ihr Leben lang für die Convocation trainiert haben und jetzt richtig Lust darauf haben, ihr Können zu zeigen. Hier fürchtet niemand um sein Leben oder stürzt in eine existenzielle Krise. Noch nicht einmal das Weiterkommen in die nächste Runde steht für unsere Gruppe an Highperformern infrage, da die Spielregeln so lasch sind, dass man sich sogar Aussetzer leisten darf. Die Charaktere, denen wir folgen, sind auch alle wahnsinnig privilegiert. Wir haben es mit zwei Jedi, zwei Kindern der Regierungschefin sowie einem Graf-Sprössling zu tun, die sich allesamt freiwillig in den Wettbewerb begeben und somit gar nicht auf die gleiche Art und Weise wie Katniss und Peeta Mitleid und Mitleiden inspirieren können. Hier hätte dem Roman vielleicht die Perspektive eines Jugendlichen aus prekären Verhältnissen gutgetan, der in der Convocation seine einzige Chance auf Aufstieg sieht und daher vielleicht verzweifelter kämpft als andere, weil für ihn viel mehr auf dem Spiel steht.
Während The Hunger Games uns spannende psychische und soziale Dynamiken in einer Extremsituation zeigt, in der sich keiner sicher sein kann, ob ihm ein vermeintlicher Verbündeter im nächsten Moment ein Messer in den Rücken rammt, ist in The Cystal Crown zwischen den Verbündeten über sehr, sehr weite Strecken alles eitel Sonnenschein. Auch Yord und Jecki, die zu uns zu Beginn als gegensätzliche Charaktere mit Differenzen präsentiert werden, halten zusammen, unterstützen sich und repräsentieren die Jedi vorbildlich, wie man es von ihnen erwartet. Selbst die politischen und kulturellen Eigenheiten von Siline, die am Anfang als gefährliches Fettnäpfchen angeteasert wurden, spielen keine entscheidende Rolle mehr. Dadurch geraten Jecki und Yord nie wirklich in eine Situation, in der sie Gefahr laufen, einen weiteren diplomatischen Zwischenfall zu provozieren. Auch auf der politischen Ebene baut sich also keine Spannung auf. Und sogar die klitzekleine Jedi-Romanzen-Andeutung läuft ins Leere.
Insgesamt haben Jecki und Yord also einfach keinerlei nennenswerten Konflikt zu bewältigen. Ihre unterschiedlichen Meinungen zum Thema Stillstand und Fortschritt in der Jedi-Ausbildung sind zwar nett und greifen ihre Charakterisierung aus The Acolyte auf, können aber die Handlung nicht tragen. Beide nähern sich zwar im Verlauf des Romans an und entwickeln mehr Verständnis füreinander. Allerdings starten beide schon mit der recht erwachsenen Einstellung in die gemeinsame Mission, dass sie sich Mühe geben wollen, mit dem jeweils anderen Padawan klarzukommen und der Mission Priorität einzuräumen. Insofern hält sich auch hier der Spannungsbogen doch sehr in Grenzen.

Finale außer Rand und Band
Es gibt allerdings eine Figur, die etwas spannender angelegt ist und durchaus persönliche Probleme mit sich herumträgt, die schon durch den ganzen Roman hindurch thematisiert werden, aber erst ganz am Ende zu etwas führen. An der Stelle fragte ich mich allerdings schon, warum ich vorher so lange Passagen lesen musste, in denen das Figurenensemble im Wald wandert, campt und chillt. Das Ende ist dann leider auch so absurd, dass ich die Motivationen und Pläne der Figur nicht mehr nachvollziehen konnte und mich das alles doch schwer an Axel Greylark in Convergence erinnert hat – und das ist nicht positiv!
Easter Egg für The High Republic-Fans
Eine Kleinigkeit hat mir jedoch sehr gut gefallen: Als The High Republic-Fans erfahren wir hier auf gelungene Art und Weise, wie es mit einer Sache aus dem Literatur-Projekt weiterging. Diese Szene empfand ich als sehr stimmig und berührend, vor allem durch den unterschiedlichen Wissensstand zwischen uns als Leser*innen und den jugendlichen Figuren, für die die Ereignisse aus The High Republic längst vergessene Geschichte sind.
Fazit
Ich bin mit positiven Erwartungen an The Crystal Crown herangegangen, doch nach einigem interessanten Worldbuilding und Build-up kam dann nichts mehr. Ich bin wirklich ziemlich enttäuscht, wie man aus dem eigentlich immer packenden Battle-Royale-Prinzip so wenig Spannung herausholen kann. Ein absurdes Finale setzt dem Ganzen die Kristallkrone auf, sodass ich leider nur zwei von fünf Holocrons vergeben kann.













Stimme dir zu 100 Prozent zu und wäre vermutlich sogar noch etwas strenger mit dem Buch gewesen. Ich fand es über weite Strecken einfach nur belanglos. Die Hauptfiguren haben kaum Konflikte und die Figur, die sowas wie einen entwickelt, wird uns in zwei oder drei Kapiteln kurz als PoV präsentiert und am Ende als inkompetenter Ränkeschmied entpuppt.
Den Hunger Games-artigen Touch hab ich dem Buch nie abgekauft und ein Campingausflug in der Wildnis wäre wohl der bessere Vergleich gewesen. Zudem riecht man jede Intrige und Twist, die es in dem Buch gibt, schon bevor diese überhaupt ausgeführt wird. Ja, ich meine den Pfeil.
Lange nicht mehr so enttäuscht von einem Star Wars-Buch gewesen. Und das, obwohl oder weil ich von Tessa Gratton besseres erwartet habe und ja auch gewohnt bin.
Hallo Ines,
danke für die ehrliche Rezension. Ich werde noch ein wenig auf die deutsche Fassung warten müssen.
Du schreibst von einem Easter Egg für THR. Auf Deutsch ist der Abschluss der dritten Phase noch nicht erschienen. Kann man – ohne sich das Ende von Trials of the Jedi vorwegzunehmen – dennoch schon „The Crystal Crown“ lesen? Oder meinst du, dass ich lieber erst Trials im März abwarten sollte – gerade weil du ja eher unzufrieden mit Crystal Crown bist.
Vielen Dank im Voraus!
Hallo Caiburr,
du kannst „The Crystal Crown“ problemlos jetzt schon lesen. Es „verrät“ lediglich, DASS ein Problem, das in THR bestand, gelöst wurde (was ja logisch ist, sonst würde man sich zu Zeiten von „The Acolyte“ immer noch daran abarbeiten), aber nicht WIE. Der Roman sagt auch überhaupt nichts über das Schicksal von Figuren aus THR aus. Also keine Sorge, du spoilerst dich da nicht!
Na, dann muss ich wohl nicht böse sein, dass das Hörbuch – aus welchen Gründen auch immer – noch bis zum 28. Oktober auf sich warten lässt.