An diesem Marvel-Mittwoch konzentriert sich alles auf Darth Vader: Black, White & Red #1. Mit diesem Sonderformat hebt Marvel gerne eher zwielichtige Figuren und Anti-Helden hervor. Nun geschieht dies im Star Wars-Universum zum ersten Mal.
Achtung: Wie immer besprechen wir im Marvel-Mittwoch die Handlung des Comics, sodass sowohl der Beitrag als auch die Kommentare Spoiler enthalten können.
Bereit machen zum Stürmen.
Darth Vader, Rogue One: A Star Wars Story
Seit 2021 erscheinen bei Marvel für die beliebtesten und brutalsten Anti-Helden aus dem hauseigenen Superheldenkosmos regelmäßig Miniserien, die den Untertitel Black, White & Blood tragen und einen erwachseneren (künstlerischen) Anspruch an ihre jeweilige Figur haben, als die regulären Serien. Wolverine, Carnage, Deadpool, Elektra und zuletzt Moon Knight bekamen jeweils die Ehre zugesprochen. Scheinbar mit Erfolg, denn sonst wäre nun das erste Mal für Star Wars niemand geringeres als der comicmäßig chronisch unterrepräsentierte Darth Vader an der Reihe. Für den dunklen Lord wurde der Untertitel vermutlich aufgrund der blutleeren Natur von Lichtschwert- und Blasterwunden, der klassischen Farben der Sith und der besseren Abgrenzung zum Marvel-Universum in Black, White & Red umgetauft. Das war es allerdings auch schon mit den Unterschieden. Die Struktur bleibt dieselbe – vier monatlich erscheinende Hefte im Überformat mit je drei Kurzgeschichten unterschiedlicher Künstler*innen, von denen eine Geschichte fortläuft und sich über alle vier Ausgaben erstreckt, damit man auch bei Missfallen der ersten Ausgabe einen Grund hat dranzubleiben.
Inhalt
Das erste Kapitel der fortlaufenden Geschichte, mit der der Comic-Kanon-Architekt Jason Aaron seine Rückkehr zu Star Wars feiert, macht auch gleich den Anfang. Hard Shutdown, Part 1 hat allerdings storymäßig recht wenig zu bieten, da von den sechs Seiten schon zwei komplett dialoglos für das übliche schnelle Lichtschwert-Geschnetzel herhalten müssen. Der Sohn eines Doktors, dem Vader schonmal begegnet zu sein scheint, bestellt den dunklen Lord zu sich auf einen abgelegenen Mond, um ihm Informationen über den Aufenthaltsort seines Vaters mitzuteilen. Der ist allerdings schon lange tot und es ging einzig darum, Vader in eine Falle zu locken und hier wird es interessant. Denn obwohl Vader seine Gegner überwinden kann, bleibt nur Sendvalls Sohn übrig, kennt die Worte, die manche als Anakins letzte Worte vor dem Verschluss des Helmes in Die Rache der Sith hören wollen. „Padmé… help me.“ Dem und der Tatsache geschuldet, dass der Sohn in der Lage ist, Vaders Rüstung komplett zu deaktivieren (der titelgebende „Hard Shutdown“), gibt mir den Anschein, dass dieser Doktor Sendvall an Vaders Erschaffung beteiligt war. Abgesehen von dieser netten Idee und dem Versprechen, am Ende eine Geschichte zu haben, die in Summe ein ganzes Einzelheft hätte füllen, sind die Lichtblicke dieser Story.
Die zweite, elfseitige Geschichte Inescapable von Peach Momoko ist hingegen das Highlight des gesamten Hefts. Erst letzte Woche hat mich das komplett dialoglose Return of the Jedi: Ewoks-Special schwer begeistert und nun bedient sich Momoko, die die Geschichte erdacht und auch visuell umgesetzt hat, ebenfalls diesem Stilmittel. Eine zwölfseitige Aneinanderreihung wunderschöner, albtraumhafter Panels, in denen die Grenzen zwischen Körperteilen und klassischer Elemente Darth Vaders verschmelzen. Diese Story stellt für mich trotz des ähnlichen Konzepts zum Beispiel alles, was die ähnlich geartete Miniserie Dark Visions von 2019 mit Leichtigkeit in den Schatten. Momoko nutzt hier die kreative Fläche, die nun auch Black, White & Red bietet, experimentell aus und fügt der Ausgabe etwas wirklich besonderes hinzu. Natürlich wird uns hier keine Charakterentwicklung geboten, es wird einfach nur der Verlauf eines Albtraums gezeigt. Auch wird der Titelfigur nichts neues hinzugefügt. Comics aber sind ein visuelles Medium und wie kann man etwas ebenso bildhaftes wie einen Albtraum besser und kreativer darstellen, als in diesem Medium? Vor allem da die hier gesprochene Bildsprache wirklich gigantisch ist. Mein Favorit in Heft #1.
Auf den letzten zwölf Seiten erzählt uns Torunn Grønbekk im Kontrast dazu dann eine äußerst dialoglastige Geschichte, in der Vader trotz seinem POV ein bisschen zur Nebenfigur wird. In Dissolution of Hope geht es um ein Selbstmordkommando, der eine imperiale Anlage auf dem Planeten Torku infiltrieren und eine dort entwickelte Waffe nutzen will, um die Basis und Vader zu vernichten. Die Gespräche zwischen den todgeweihten Figuren verleihen der Kurzgeschichte etwas charakterliche Würze. Und zum Ende kommt es auch so, wie es kommen muss, wenn Vader das Spielfeld betritt. Trotz allem war dies die Geschichte, die mir am wenigsten geben konnte, was auch viel an den
Zeichnungen
…lag. Diese sind in allen drei Geschichten, wie in allen Marvel-Miniserien des Formats, in schwarz, weiß und rot gehalten. Jedoch ist das rot nicht punktuell als Stilmittel eingesetzt, wie zum Beispiel in Frank Millers zeitloser Graphic Novel Sin City, sondern in Hintergründen und Stimmungen fließend. Dadurch hat die Reihe natürlich trotz sehr unterschiedlicher Stile einen einzigartigen Look, der die Stories sofort als Black, White & Red-Geschichte ausweist. Insgesamt geht das Konzept aber sehr unterschiedlich auf. Leonard Kirks Zeichnungen für Hard Shutdown zum Beispiel, die als einzige mit Romulo Fajardo Jr. auch extra einen Koloristen hat, sind vom Aufbau sehr typisch für eine Darth-Vader-Geschichte. Das verwundert aber auch nicht weiter, da Kirk schon häufiger Vader-Geschichten gezeichnet hat und für diese ikonische Figur bereits seine ganz eigene Herangehensweise mitbringt. Sonst sind die Zeichnungen aber nicht auf den besonderen Farbenumstand ausgelegt, was mir das Gefühl gibt, dass die Zeichnungen in Farbe besser aussehen und der Identität der Miniserie zum Opfer fallen würden. Unser User Mauldelorian hat es letzte Woche unter der Vorschau des Hefts ganz passend beschrieben – es wirkt wie ein unfertiges Produkt.
Peach Momokos selbst gezeichneter Teil hingegen holt wie schon erwähnt das Maximum aus der zugrunde liegenden Idee raus. Hier wirkt das Rot nicht wie ein aufgezwungenes Überbleibsel des Formats, sondern organisch dem Umstand seiner eigenen surrealen Setting entsprungen. Aber da Momoko auch keine Zeilen für die Geschichte wählte, verwundert es nicht, dass ihre kreative Energie uneingeschränkt in die Zeichnungen fließen konnte. Klaus Janson hingegen zeichnet in Dissolution of Hope stark vereinfachte Gesichter und Hintergründe, die in den zahlreichen Sprechblasen noch mehr untergehen. Bekannte Designs wie Sturmtruppen und imperiale Fähren zeichnet er ebenfalls stilisiert einfach, was meinen Geschmack überhaupt nicht trifft. Aber das macht Darth Vader: Black, White & Red aber sehr spannend, wie ich gern im
Fazit
erkläre. Denn obwohl die letzte Geschichte viele Dialoge und mäßige Zeichnungen liefert, schafft sie so einen großen Kontrast zu der mittleren Geschichte. Abwechslung und Stilbrüche machen die Anthologiestruktur aus, den die Miniserie haben will und so gefallen natürlich den einen oder anderen manche Geschichten mehr als andere. Sicher sind sie einzeln und auch in ihrer Summe relativ belanglos und können auch unbedenklich ausgelassen werden. Wenn man sich neben der langlebigen Vader-Ongoing aber verschiedene künstlerische Ansätze zur Figur ansehen mag, sollte man auch den Blick riskieren. Durch die bunte Mischung und die fehlende Vergleichbarkeit verzichte ich in meinen Marvel-Mittwoch-Beiträgen auch auf eine finale Holocron-Wertung, sondern lege euch die Hefte einfach mal mehr und mal weniger ans Herz. Ich fand die Ausgabe in Summe zweifellos spannend und werde vor allem Momokos Story in Erinnerung behalten, insgesamt blieb sie aber doch nur „ganz nett“. Wer weiß, bei entsprechendem Erfolg können wir vielleicht in Zukunft weitere Badass-Figuren wie Darth Maul zum Beispiel unter dem Black, White & Red-Label sehen.
Darth Vader: Black, White & Red #2 erscheint dem üblichen monatlichen Grundrhythmus folgend am 22. Mai.
Am nächsten Marvel-Mittwoch stehen nach aktueller Planung Darth Vader #33: Unbound Force, Part 1, Doctor Aphra #31: The Parting Glance, Star Wars #34, Yoda #7 und Return of the Jedi: Lando #1. Aber nach den kurzfristigen Verschiebungen in dieser Woche könnte es auch in der nächsten Woche wieder Verschiebungen geben, um es etwas zu entzerren.
Wir bedanken uns bei Marvel für die Bereitstellung der digitalen Vorab-Exemplare, ohne die unser Marvel-Mittwoch nicht möglich wäre.
Schöne Review, und cool, dass mein Kommentar es in die Review geschafft hat 😀
Ich bin mal gespannt, ob es leute gibt, die das ding Nachcolorieren, so wie es ja auch bei Mangas fancolorings gibt.