Ein Jahr Die Hohe Republik hat uns an diesen Punkt geführt! Mit Star Wars: The High Republic: The Fallen Star von Claudia Gray sind für uns Leser viele Enden und Neuanfänge verknüpft – und entsprechend viele Erwartungen. Mit dem morgen bei Del Rey in den USA erscheinenden Roman endet beispielsweise die erste Phase von Die Hohe Republik, selbst noch sehr optimistisch mit Das Licht der Jedi betitelt, und zugleich ist es das erste Prosabuch der dritten Welle, denn YA- und Jugendroman folgen erst im Februar bzw. März. Zudem war das Marketing sehr stark darauf fokussiert, uns nicht nur auf den in Cover und Titel aufgezeigten drohenden Verlust der Raumstation Starlight Beacon einzustimmen, sondern auch direkt darauf, dass mehrere liebgewonnene Jedi hierin verenden werden.
Die Rezension ist weitgehend spoilerfrei gehalten und geht nicht auf das Ende des Buches ein. Dennoch lest ihr auf eigene Gefahr!
Die richtigen Zutaten hat der Roman auf jeden Fall – nicht zuletzt dank der gründlichen Vorarbeit von Charles Soule in Light of the Jedi und Cavan Scott in The Rising Storm. Während Bell Zettifar und Elzar Mann sich nur mühsam von ihren persönlichen Schicksalsschlägen erholen, muss ein weiterer Fanliebling, Stellan Gios, in Abwesenheit von Avar Kriss das Kommando über Starlight übernehmen und wird dabei von der Last der Verantwortung und persönlichem Zwist mit Avar niedergedrückt. Indes hat der hinterhältige Marchion Ro die Jedi zum Irrglauben verleitet, die Nihil seien besiegt und Lourna Dee sei deren flüchtige Anführerin – womit er sich weiterhin republikanischer Kenntnisnahme entzieht. Dies ermöglicht ihm, Schläferagenten auf Starlight einzuschleusen, die dort auch schnurstracks mit gezielter Sabotage den Anfang vom Ende der Station einleiten. Und nein, das ist kein Spoiler – das Buch macht vom Einband bis hin zu den ersten Kapiteln keinen Hehl daraus, welches Schicksal die Station ereilen wird. Abgerundet wird die Zutatenliste durch weitere Fanlieblinge aus Grays Into the Dark, einer allumfassenden Endzeitstimmung und einer Prise kosmischen Horrors.
Warum also mag das fertige Menü mir einfach nicht schmecken?
The Fallen Star beginnt durchaus vielversprechend. Gray bringt gekonnt diverse Figurenkonstellationen in Position und entdeckt dabei auch spannende neue Figurenpaarungen (nein, dieses Wort bitte nicht überinterpretieren!) wie Orla und Elzar. Auch Marchions Pläne wissen anfangs noch zu faszinieren, denn wie wir seit Thrawn wissen, geht doch nichts über einen kompetent Ränke schmiedenden Antagonisten. Auch die beklemmende Atmosphäre auf Starlight Beacon vor dessen Fall hat Gray treffsicher eingefangen – sowie das Gefühl der Jedi, aufgrund einer unheimlichen Präsenz an Bord der Station langsam den Draht zur Macht zu verlieren. Über das Wiedersehen mit der Vessel-Crew, allen voran Mann, Mythos und Legende Geode der vintianische Navigator, habe ich mich auch sehr gefreut und tatsächlich wäre ich nicht böse gewesen, wenn das ganze Buch ein Roadtrip mit ihnen und ihren Jedi-Passagieren geworden wäre. Allerdings endet dieser Trip alsbald bei Starlight, wo fast zeitgleich zwei aus den YA-Romanen bekannte Nihil-Deserteurinnen inhaftiert werden.
Und an jenem Punkt verlor mich das Buch nach und nach. Während Gray bei Elzar und Stellan sehr treffend charakterisiert, liefert sie dann in kürzester Zeit mehrere Charakterisierungen, bei denen ich mich als Leser bisweilen nicht ernst genommen fühlte. Erstens wäre da die Figur der Ghirra Starros, die wir durch ihre Tochter Avon sowie ihren Auftritt in Out of the Shadows als intelligente und scharfsinnige Politikerin kennengelernt haben, welche hier allerdings recht bald eine in meinen Augen eher unwürdige Motivation für ihre Missetaten bekommt – diese hätte man anders bestimmt besser rechtfertigen können. Weiter geht das dann bei einer ganzen Serie von Jedi, die ziemlich dumme Entscheidungen treffen, ohne welche die restliche Romanhandlung nicht möglich gewesen wäre. Es ist keinesfalls auszuschließen, dass diese Entscheidungen aufgrund der gestörten Machtverbindung der Jedi getroffen wurden, doch wenn eine Figur nach der anderen dieselbe schlechte Entscheidung trifft und es stets ähnlich endet, wirkt das doch eher unkreativ. Claudia Gray wiederholt einige ihrer Fehler aus ihrem mittelprächtigen Hohe-Republik-Debüt In die Dunkelheit, wo ebenfalls bereits Charaktere auf einer grusligen Raumstation festsaßen und alleine losgezogen sind. Man hat das Gefühl, Gray versuche über das rasche Verheizen von Figuren Spannung aufkommen zu lassen, vergisst dabei aber, dass Star Wars nicht Game of Thrones ist und solche Schicksale auch stets der Entwicklung der anderen Figuren einer Geschichte dienen, aber nicht zum Selbstzweck verkommen sollte.
Weiterhin ist der kleine Maßstab des Buches der Sachlage nicht zuträglich. Alle Figuren sind nach wenigen Kapiteln an Bord des langsam abstürzenden Starlight Beacon gefangen, wo es auch bald zu einer räumlichen Trennung kommt, die die Hälfte der Protagonisten vom Spielfeld nimmt bzw. Cavan Scotts Comicreihe überantwortet. Für diese mediale Trennung kann Claudia Gray kaum etwas, doch durch diese räumliche Konzentrierung fehlt der Blick auf die gesamte Galaxis, der in den Vorgängerromanen stets präsent war, und so haben wir den ganzen Roman über nur die auf engstem Raum gefangenen Jedi an Bord des Starlight Beacon sowie eine voyeuristisch veranlagte, sonst aber passive Schurkenriege an Bord der Gaze Electric. Kurze Absätze mit kryptischen Blicken auf das, was Avar möglicherweise gerade tun könnte, frustrieren den Leser eher, als dass sie auf den Comic neugierig machen.
Auf Dauer fehlt also die Spannung, wenn das Schicksal der Station unausweichlich vorherbestimmt ist und die Figuren an Bord keine nennenswerten Entdeckungen machen oder Entwicklungen durchlaufen. Traumatisierte Figuren erneut zu traumatisieren, löst weder deren Trauma noch bringt es deren charakterliche Reise voran, und schließlich wartet man das ganze Buch über nur darauf, ob der Wiki-Eintrag der aktuellen Erzählerfigur künftig ein Todesdatum führen muss. Da die Jedi die meiste Zeit nur mit sich selbst oder der Evakuierung der Station beschäftigt sind, wirkt die Handlung sehr diffus. Zwar gibt es antagonistisch eingestellte Figuren an Bord des Starlight, doch diese treten immer nur am Rande des Geschehens auf und die meisten Jedi sind sich ihrer Präsenz nicht einmal bewusst. Lediglich und ausgerechnet das kurze Auftreten von Rathtaren vermag es, die Jedi zu fokussieren und auf ein gemeinsames Ziel zuarbeiten zu lassen – bevor auch diese Episode wieder passé ist.
Es kann nun natürlich sein, dass ich mit dem Eindruck alleine bin, dass The Fallen Star sehr flach geschrieben ist, aber als Finale der ersten Phase hätte das Buch meiner Meinung nach mehr Erkenntnisgewinn über Marchion Ro, den Great Leveler, die Vorgeschichte bestimmter Jedi oder irgendeinen anderen Aspekt der Galaxis der Hohen Republik liefern müssen. The Fallen Star ist quasi ein „slow burn“ (diese Phrase bitte auf jeden Fall mehrdeutig lesen!), der einfach nicht befriedigend aufgeht, auch wenn auf reiner Handlungsebene nichts passiert, was ich nicht gutheißen würde – es hapert an der Einbettung und der Präsentation.
Fazit: Anstatt ein würdiger Nachfolger von The Rising Storm zu sein, verkommt The Fallen Star durch seine simple Struktur, seine galaktischen Blindstellen und die Ermangelung überraschender Wendungen zu einem recht blassen Epilog seines Vorgängers. Zwar sind manche Schwachpunkte auf die generelle Story-Architektur der dritten Welle zurückzuführen, doch auch mit den ihr zur Verfügung stehenden Zutaten hat Gray definitiv nicht ihre Möglichkeiten ausgeschöpft. Positiv in Erinnerung bleibt mir zumindest die Charakterisierung von Stellan Gios, bei dessen Kapiteln ich stets mitgefiebert habe und auch bis zuletzt nicht enttäuscht wurde. Leider vermag auch er nicht, die von Gray bereitete Mahlzeit zu retten, und so verkommt The Fallen Star für mich irgendwo im Mittelmaß. Es ist kein schlechter Roman, aber auch lange kein Meisterwerk, und gerade an diesem Punkt in der Story-Entwicklung der Hohen Republik war dies für mich eine Enttäuschung, die ich nun einmal verarbeiten muss. Wer ist nun der gefallene Stern? In meinen Augen definitiv die Autorin selbst, aber ich hoffe auf Rehabilitation in Phase II.
Vielen Dank an Del Rey, Disney Books und Random House Audio für die Bereitstellung des Rezensionsmaterials.
Zur Verarbeitung empfehle ich mir selbst direkt etwas gute Musik, und wer das Ende des Buchs gelesen hat, sollte sich definitiv die folgenden Songzeilen zu Gemüte führen, die ich fast zeitgleich zu The Fallen Star kennenlernen durfte und die seither für mich unweigerlich Assoziationen zur Hohen Republik wecken. Weitere musikalische Parallelen zur Hohen Republik dürfen übrigens gerne mit YouTube-Link in die Kommentare – ziehen wir das doch etwas anders auf als sonst!
Wartest du dort hinterm Horizont?
ASP, „Ziel“ [Album „ENDLiCH“, 2021]
Stützt der Himmel sich so schwer auf seinen Gegenpart?
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Schritt für Schritt wird meine Zukunft hier zur Gegenwart.
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Star Wars: Die Hohe Republik ist ein mehrjähriges Buch- und Comicprogramm, das hunderte Jahre vor den Skywalker-Filmen spielt und die Jedi in ihrer Blütezeit zeigt. Weitere Infos, News, Podcasts und Rezensionen gibt es in unserem Portal und in der Datenbank. Beachtet auch unsere Guides zur Lesereihenfolge von Phase I, Phase II und Phase III.
Stimme dir da in allen Punkten eigentlich zu, ich würde sogar noch stärker kritisieren, wie manche Figuren nicht nur dumm, sondern so agieren als hätten sie einfach überhaupt nichts aus der Vergangenheit mitgenommen. Ohne jetzt zu spoilern, aber einige der Charaktere müssten es einfach besser wissen, als in der konkreten Situation alleine loszuziehen. Claudia Gray schafft es super die Beziehungen zwischen Charakteren darzustellen, allerdings bringt das halt wenig wenn das bei einigen von ihnen völlig konträr zur ihrer bisherigen Darstellung passt, wie du das auch schon bei Ghirra Starros erwähnt hast beispielsweise. Und das ist einer meiner größten Kritikpunkte, die fehlenden, schon existenten Charaktere, Erlebnisse usw. die wir aus den vorherigen Werken kennen. Ich hatte beim Lesen tatsächlich den Eindruck, dass z.B. die Kurzgeschichten einfach unbekannt waren und dass obwohl ihre Akteure gerade für die Starlight-Station ja essenziell sind. Auch wenn das womöglich noch im Comic thematisiert wird, ergibt es für die gesamte Handlung dann im Kontext leider sehr wenig Sinn. Sehr schade.