Ab heute geht es wieder auf die Reise ins Reich der Chiss, wohin uns Timothy Zahn nun bereits zum dritten Mal im Kanon mitnimmt. Thrawn Ascendancy: Lesser Evil erscheint heute beim Verlag Del Rey UK und ist der finale Teil der Ascendancy-Trilogie.
Nachdem Thrawn im Vorgängerband Greater Good nur knapp einen Bürgerkrieg um eine nicht wirklich existierende wertvolle Nyix-Mine verhindern konnte, arbeitet unser Antagonist Jixtus weiterhin darauf hin, die rivalisierenden Chiss-Familien gegeneinander aufzuhetzen und die Chiss sich selbst zerfleischen zu lassen. Dabei hat er sich dieses Mal neue Verbündete mit ins Boot geholt: die Kilji unter Führung des Generalirius Nakirre. Diese glauben, ihren Feinden durch gewalttätige Eroberung ihre Philosophie der „Erleuchtung“ näherbringen zu können.
Die Chiss machen es Jixtus erneut nur allzu leicht, sie gegeneinander auszuspielen. Ein paar gefakte Holos von angeblichen Kriegsübungen konkurrierender Familien reichen aus, um das Wettrüsten beginnen zu lassen. Im Zentrum von Jixtus‘ Intrigen stehen dieses Mal die Clarr-Familie und deren Verschwörungstheorien nicht abgeneigter Patriarch Rivlex, welcher sich von Jixtus um den Finger wickeln lässt. Alles scheint auf Eskalation und Bürgerkrieg hinauszulaufen, doch Jixtus hat die Rechnung ohne Thrawn und seine zuverlässigen Verbündeten Ar’alani und Ziinda gemacht, die allen politischen Familienintrigen zum Trotz nur eines im Sinn haben: die Rettung des Reichs der Chiss mit allen Mitteln – selbst wenn sie dafür Gesetze brechen müssen!
Auch in Lesser Evil gibt es natürlich wieder die Memories-Kapitel, welche dieses Mal aus Sicht von Thrawns langjährigem Wegbegleiter Thrass geschrieben sind. Hier erfahren wir nicht nur einiges über die Freundschaft zwischen den beiden Chiss, sondern lüften auch das Geheimnis um den eisigen, kaum bewohnbaren Chiss-Hauptplaneten Csilla und erfahren, was das Anhängsel „-odo“ in Mitth’raw’nuruodo bedeutet.
Lesser Evil ist mit 567 Seiten ein ganz schöner Wälzer und man muss schon etwas Zeit und Geduld mitbringen, wenn man sich an das Buch heranwagt. Mir persönlich war es für ein Star Wars-Buch ehrlich gesagt zu lang. Ich hatte oft das Gefühl, kaum voranzukommen, und habe zwischendurch sogar etwas die Motivation verloren. Ich bin mir sicher, dass man die Handlung auch etwas kürzer hätte fassen können, da sie teilweise schon ziemlich repetitiv ist. Es finden beispielsweise so viele Raumschlachten in diversen Systemen statt, dass ich sie kaum aufzählen kann, und ein nicht geringer Anteil daran besteht aus Fake-Gefechten, bei denen eine Partei einer anderen Feindseligkeiten vorspielt, die es in Wahrheit gar nicht gibt. Es findet also viel „Theater“ statt – eine Fähigkeit, die Thrawn (zumindest auf kriegerischer Ebene) von Thrass gelernt hat. An sich keine schlechte Idee, aber die Wiederholung ermüdet auf Dauer und die ganze Handlung braucht zu lange, um am Höhepunkt der Trilogie anzukommen.
Dennoch gefällt mir der Roman thematisch sehr gut, denn er greift das aktuelle Thema „Fake News“ wunderbar passend im Star Wars-Universum auf und zeigt, was für eine gefährliche Waffe die Lüge ist. Im Prinzip braucht Jixtus kaum einen Schuss abzufeuern, um die Chiss ins Verderben zu stürzen. Stattdessen spielt er mit deren tiefsitzenden Ängsten, dass eine andere Familie aufrüsten, sich mit anderen verbünden oder sich sonst einen Vorteil verschaffen könnte. Das politische System der Chiss zeigt dabei, wie schon im Vorgängerband, seine Brüchigkeit: Im Zweifelsfall geht die eigene Familie vor, nicht das Greater Good.
Besonders spannend ist dabei die Figur Captain Roscu, eine Offizierin der Clarr-Familie. Sie durchschaut Jixtus‘ Spiel eigentlich schon recht früh, will sich aber aus Loyalität zu ihrer Familie nicht eingestehen, dass ihr Patriarch einer Lüge aufgesessen ist und mit seinen Kriegsvorbereitungen das Reich der Chiss ins Unglück zu steuern droht. So manövriert sich Roscu immer weiter in eine Zwickmühle hinein, aus der sie sich selbstständig nicht mehr zu befreien weiß. Auf der anderen Seite stehen die tapferen Fake-News-Aufklärerinnen Ziinda und Ar’alani, die sich den Mund fusselig reden und auch einmal ausrasten, weil sich Roscu so stur und unbelehrbar zeigt. Das sorgt auch für den einen oder anderen amüsanten Moment bei den sonst oft so steifen Chiss-Militärs.
Thrawn selbst tritt, wie schon im Vorgängerband, öfter mal in den Hintergrund. Zu den richtigen Zeitpunkten ist er aber natürlich stets zur Stelle, um mit seinen außergewöhnlichen Schlachtstrategien das Blatt zu wenden. Etwas emotionalen Tiefgang bekommt Thrawn dieses Mal durch die in den Memories-Kapiteln beschriebene Beziehung zu Thrass, welche etwas anders beschrieben wird als es in den Legends der Fall war. Die beiden sind ein wirklich gutes Team und ergänzen sich in ihren konträren Fähigkeiten sehr gut.
Generell meistert Zahn das Worldbuilding rund um das Reich der Chiss und die Verknüpfungen zu den Legends wieder einmal vorbildlich. Außer Thrass finden auch noch weitere Elemente aus Outbound Flight ihren Weg in den Kanon und werden dort gewinnbringend genutzt. Am faszinierendsten fand ich jedoch den Einblick in die hunderte Jahre zurückliegende Geschichte der Chiss. An der Stelle hätte ich mir beinahe gewünscht, ich hätte statt Lesser Evil einen Roman über diese historischen Ereignisse in der Hand. Potential genug für einen eigenen Roman hätte die Geschichte auf jeden Fall.
Trotz der Länge des Romans gibt es aber auch noch einige Themen, die mir deutlich zu kurz kommen, und unaufgelöste Handlungsstränge, die am Ende für meinen Geschmack viel zu offen stehen bleiben. Enttäuschend wenig erfahren wir über die Magys, ihre besondere Machtbegabung und das Schicksal ihres Volkes und ihres Planeten Sunrise. Dafür, dass die Figur nun drei Romane lang mitgeschleppt wurde, spielt sie am Ende eine erstaunlich untergeordnete Rolle. Über die Sky-Walker, die mir persönlich ja besonders am Herzen liegen, erfahren wir zwar einige neue und durchaus spannende Informationen, aber auch hier fehlt mir irgendwie eine interessante Handlungsentwicklung oder ein Abschluss. Dass Thrawns Schwester eine Sky-Walkerin war, wussten wir ja bereits. In diesem Roman wird das noch etwas ausführlicher zum Thema gemacht, dabei aber eine große Chance verschenkt.
Am Ende bleibt der Eindruck, dass Zahn am Ende die vielen Handlungsfäden nur bei der Figur Thrawn ordentlich zusammenbindet. Viele andere Figuren, Handlungsstränge und Themen bleiben dagegen etwas unfertig und unausgegoren. Ich hätte mir irgendwie mehr erwartet, nämlich dass sich am Ende in der finalen Schlacht alles zu einem stimmigeren Gesamtbild mit mehr Aha-Effekt zusammenfügt.
Insgesamt ergibt sich ein etwas gemischtes Bild. Thrawn Ascendancy: Lesser Evil erzählt mit Jixtus‘ Fake-News-Feldzug gegen die Chiss eine spannende und auch gesellschaftlich aktuelle Geschichte, fügt mit Roscu eine weitere interessante Figur zu dem tollen Figurenensemble hinzu und baut nebenbei auch noch die Geschichte der Chiss um eine faszinierende Episode aus. Leider verzettelt sich Zahn dabei teilweise in einer endlosen Reihe an repetitiven Raumgefechten und führt am Ende die vielen Handlungsstränge nicht ganz befriedigend zusammen. Für mich ist der dritte Teil der Ascendancy-Trilogie damit leider der schwächste. Die vier Holocrons schafft er daher nur noch ganz knapp.
Wir danken Penguin Random House UK und dem Del Rey-Verlag recht herzlich für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!
Thrawn Ascendancy: Lesser Evil in der britischen Ausgabe von Del Rey könnt ihr euch auf Amazon bestellen. Ein Erscheinungstermin für die deutschsprachige Ausgabe wurde noch nicht angekündigt.
Was ist eure Meinung zu Thrawn Ascendancy: Lesser Evil?
Habt ihr eine Empfehlung für einen Shop der das HC zeitnah liefern kann? Amazon sagt 04.12.21-03.01.22
Die britischen Buchhandelsketten wie WHSmith und ähnliche versenden zwar auch nach Deutschland, da dauert es 6-10 Tage aber es kommen noch mal Versand und Zoll (+6 € Auslagen der Post) drauf.
Ein Besuch in einem großen Buchladen in einem internationalen Flughafen kann zu einem Exemplar verhelfen, wobei ich das Gefühl habe, dass das Sortiment da derzeit deutlich kleiner geworden ist. In Frankfurt und Dubai habe ich es Donnerstag nicht gesehen. Star Wars scheint derzeit nicht auf der Prio-Liste der Einkäufer zu sein.
Wer in Grenznähe zu den Benelux-Ländern wohnt kann dort bei einem Besuch ebenfalls Glück haben, allerdings sind die Preise dort auch oft höher. Ich habe in der Brüsseler Filiale von Waterstones Neuerscheinungen meist 1-2 Tage nach dem Erscheinungstermin in England gesehen. Spezielle nur wegen des Buches würde ich da aber nicht hinfahren, wäre mehr ein Bonus, wenn man schon da ist.
Ich würde aber sehr empfehlen den zweiten Band vorab noch mal zu lesen, damit man all die viele Verknüpfungen im dritten versteht.