Florians Rezension: Thrawn Ascendancy: Greater Good von Timothy Zahn

Letztes Jahr startete Del Rey mit Chaos Rising eine weitere kanonische Thrawn-Trilogie von Timothy Zahn. In Thrawn Ascendancy erleben wir – ungefähr parallel zu den Prequels und den Klonkriegen – den Aufstieg von Mitth’raw’nuruodo in der titelgebenden „Chiss Ascendancy“, hierzulande oft schlicht als „Reich der Chiss“ (und vom Rezensenten gerne als „Schlumpfhausen“) bezeichnet. Am Dienstag, den 27. April veröffentlicht Del Rey nun den zweiten Band, Greater Good, und für November wurde auch bereits der Abschlussband Lesser Evil angekündigt. Ich durfte Band 2 bereits lesen und kann euch heute meine weitgehend spoilerfreien Eindrücke zu Greater Good liefern – allerdings mit Spoilern zu Chaos Rising.

(Und nein, Infos zur deutschen Ausgabe liegen noch nicht vor.)

Die Handlung

In Greater Good befindet sich Thrawn gemeinsam mit Ar’alanis Kampfgruppe und bekannten Nebenfiguren wie Samakro, Thalias, Che’ri und einer neuen Figur, Senior Captain Lakinda, auf der Jagd nach den letzten Überresten der Nikardun, dem Volk von General Yiv, das mithilfe von Thrawns Genie am Ende von Chaos Rising besiegt wurde. Besonders Thrawn, aber auch andere Mitglieder dieser Kampfgruppe, bekommen immer wieder „Nebenquests“, die sie weite Teile des Buches über beschäftigen, aber die wohl für Zahns größeren Plan hinter der Trilogie nicht unerheblich sind. Zentral dafür ist ein vom Aussterben bedrohtes Volk, dessen letzten Überlebenden Massensuizid begehen wollen, was Thrawn gerne verhindern würde (siehe dazu meine Ausführungen weiter unten zur Darstellung der Titelfigur.)

Parallel dazu bringen sich seine Gegner weiter in Stellung. Auf seiten der Chiss sind dies die Syndics Zistalmu von den Irizi und Thurfian von den Mitth, die allerdings bis auf ein paar ominöse Kurzauftritte wenig Gewicht haben in diesem Band und nur für Buch 3 in Stellung gebracht werden. Sowohl in den „Memories“-Kapiteln, die auch bereits in Chaos Rising in kurzen Intermezzo-Kapiteln vergangene Ereignisse beleuchteten, als auch in eigenen Gegenwartskapiteln lernen wir Haplif von den Agbui kennen, ein Verbündeter des mysteriösen Jixtus, der auch hinter Yiv die Strippen gezogen hat.

Erinnerungen und Legenden

Die Kapitel mit Haplif und dem Chiss-Farmer Lakphro fand ich persönlich recht unterhaltsam und aufschlussreich, da sie auch das Leben einfacher Bürger in der Chiss Ascendancy zeigten, allerdings hätten die „Memories“-Kapitel auch gut und gerne aus dem Buch herausgekürzt werden können. Sie deuten immer nur Fakten an, die im nächsten Gegenwartskapitel dann bestätigt werden, und enden auf sehr vorhersehbare Weise. Da hätte ich mir lieber mehr Fokus auf die Gegenwart und mehr Rampenlicht für die stets sympathische Thalias oder gar für Thurfian und Zistalmu gewünscht.

Thrawn Ascendancy: Greater Good – B&N Exclusive Edition Poster von Jeremy Wilson

Alternativ hätte der Vagaari-Konflikt aus dem Legends-Roman Outbound Flight (zu Deutsch Die Kundschafter), den Zahn wohl in Grobzügen einfach in den Kanon rüberkopiert hat, in seiner kanonischen Fassung auch gutes Material für die „Memories“ gegeben, aber vielleicht folgt das ja noch in Band 3. Hier bleibt Zahn übrigens seiner Linie treu, so zu schreiben, als hätte der Kanonschnitt nie existiert, und ausnahmsweise funktioniert dies hier sogar recht gut, da der „Chaos“ bzw. die „Unbekannten Regionen“ und das Reich der Chiss so weit abseits vom Schuss sind, dass die Ereignisse dort keinen Einfluss darauf nehmen können.

Letzteres finde ich allerdings bisweilen auch problematisch, da Greater Good noch weniger Anknüpfungspunkte an die restliche Saga bietet als Chaos Rising. Zwar kann Thrawn sich auf Worldbuilding aus Band 1 und obskure Legends-Verweise zu Outbound Flight und The Old Republic verlassen, aber beim Lesen kam für mich selten das Gefühl auf, noch in einem Star Wars-Roman zu sein.

Die Darstellung Thrawns

Hierzu muss ich nun etwas ausholen, aber bleibt bitte bei mir. Als wir Fans Thrawn in den Legends kennen lernen durften, war er bedrohlich, mysteriös und auch geradezu böse – nicht nur, weil er für das Imperium kämpfte, sondern auch weil er vor Exekutionen inkompetenter Untergebener oder vernichtenden Angriffen und Attentaten auf unsere rebellischen Helden nicht zurückschreckte. Er war ein treuer Lakai des Imperators und genoss dessen Vertrauen zurecht. In späteren Legends-Büchern milderte Zahn diesen Eindruck bereits und gab Thrawn eine Loyalistenfraktion im Imperium, die allzu oft heldenhaft inszeniert wurde und ihn wohl auch wiederholt klonen wollte. Dankenswerterweise konnte der Legends-Schnitt eine dortige Rückkehr von „Klon-Thrawn“ verhindern.

Thrawn in Rebels Staffel 3
Thrawn in Rebels Staffel 3

Als Star Wars Rebels Thrawn in den Kanon einführte, war ich begeistert – das war kein missverstandener Antiheld, der da auf Rebellen und Zivilisten schoss und die Ziele des Imperators vorantrieb, sondern ein kalt kalkulierender Großadmiral, der die Kunst des Krieges liebt und sich seinen bedrohlichen Ruf verdient hatte. Man sagte ihm sogar eine planetenweite Zerstörung nach. Doch dann kam der erste Thrawn-Roman von Timothy Zahn im Kanon und erneut wurde die Titelfigur zu einem Helden, der quasi als „guter Faschist“ im Imperium aufstieg, aber nie moralisch fragwürdige Taten begehen musste. Der Genozid, der in Rebels erwähnt wurde, ging dann plötzlich auch nicht mehr auf sein Konto, sondern auf das von Arihnda Pryce, der Gouverneurin von Lothal. Die Figur hat auf einen Schlag all ihren Biss verloren und im weiteren Verlauf der imperialen Thrawn-Trilogie stellte Zahn sein „wish-fulfillment“ als Autor oftmals über das, was für eine glaubwürdige und spannende „origin story“ seiner sekundären Paradefigur (nach Mara Jade) nötig gewesen wäre.

Greater Good setzt diesen Kurs fort, aber hier bin ich tatsächlich halbwegs einverstanden damit. Es ergibt Sinn, dass Thrawn hier als „Held“ dargestellt wird, da er ja unter seinem eigenen Volk verweilt. Auch Anakin Skywalker war ein Held, bevor er zu Darth Vader wurde. Dennoch ist Thrawn hier wieder zu sehr der Gentleman – er rettet Flüchtlinge, zeigt Zuneigung für Untergebene und mag Aliens. Aber nur die guten Aliens – denn jede Alien-Kultur ist den Chiss entweder freundlich oder feindlich gesinnt, und Thrawn darf entscheiden, ob sie Verbündete sind oder bis auf den letzten Mann (und die Frauen und Kinder auch) ausgerottet werden muss.

Wie ihr merkt habe ich mit dieser Kehrtwende der Figur massive Probleme, v. a. da die animierte Darstellung Thrawns im Kanon genau wie damals in Erben des Imperiums keine Fragen offen ließ, ob er ein „Held“ oder ein „Schurke“ sei. Klar war er auch damals schon cool – wie die meisten „Bösen“ bei Star Wars – und ich habe auch nichts gegen Grauzonen, aber die interne Logik der Story leidet mir dann doch etwas zu sehr, wenn verschiedene Autoren derart divergierende Bilder desselben Charakters haben und diese dann scheinbar ungefiltert so umsetzen dürfen. Und wenn Thrawn dann – wie in Staffel 2 von The Mandalorian angedeutet – in einer der neuen Streaming-Serien zurückkehrt, wird seine Charakterentwicklung wieder unter der Führung von Dave Filoni sein, der mit Rebels ja schon gezeigt hat, wo Thrawn seiner Meinung nach einzuordnen ist.

Geeint werden die beiden Darstellungen immerhin von ihrem kleinsten gemeinsamen Nenner, nämlich Thrawns militärischem Genie und seiner Fähigkeit, aus Kunst und anderen kulturellen Objekten die kriegerischen Schwächen einer Spezies zu bestimmen. Und zumindest was das angeht, bekommen wir auch in Greater Good wieder Thrawn par excellence. Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass Timothy Zahn mir zeigt, dass ihm klar ist, dass seine Figur später für ein unterdrückerisches Regime kämpft und es auf Seiten eines solchen keine „Unschuldigen“ gibt. Ein bisschen mörderisches Kalkül sollte hier nicht fehlen.

Der Mittelteil einer Trilogie

Im Rahmen der Filmkritiken zu den drei Star Wars-Filmtrilogien wird oft über die Gelenkfunktion des Mittelteils philosophiert, mal abwertend, mal lobend. Dieser Diskurs würde hier zu weit führen, aber dennoch lässt sich bei Greater Good klar beobachten, dass Zahn nach dem eher für sich stehenden Chaos Rising in diesem Buch hauptsächlich Fragen aufwerfen und Charaktere in Position bringen möchte für das große Finale in Lesser Evil. Damit fehlt es allerdings oft an Spannung und das Buch verliert sich oft in den oben erwähnten Nebenquests.

Außerdem muss ich Zahn diesmal absolute Vorhersehbarkeit vorwerfen. Der Vorwurf ist aber nur minder schwer, da er nur selten den Leser für „dumm“ verkauft, sondern geschickt Hinweise streut, die ein erfahrener Romanleser aufschnappen und zu einem Puzzle zusammenfügen kann. Dies mindert zwar die wahrgenommene Genialität der Titelfigur bisweilen, doch dafür dürfen Nebenfiguren wie Thalias, Lakinda oder der Rancher Lakphro zeigen, dass sie keineswegs auf den Kopf gefallen sind, und das rechne ich Zahn hoch an. Es tat stellenweise sogar gut, Thrawn mal einen Schritt voraus zu sein, da man die Pläne von Jixtus und Haplif kennt.

Die obligatorische Raumschlacht am Ende des Buches hat mich zudem nur wenig überzeugt, da dort Figuren und Figurenkollektive dümmer handeln mussten als üblich, um diese Schlacht überhaupt herbeizuführen. Für jeden Schritt, den Zahn bei der Charakterentwicklung aller Nicht-Thrawns im Buch nach vorne gemacht hat, geht er hier zumindest einen halben zurück. Dies geschieht hauptsächlich aufgrund sehr vereinfachter Motivationen, die den angeblich so komplexen sozialen Gefügen der Chiss zuwider laufen.

Das Ende des Buches hat mich dann allerdings am allerwenigsten überzeugt und gerade auf den letzten Seiten verkauft Zahn doch noch einige ansonsten intelligente Figuren und Konfliktparteien für besonders dumm, um eine gewisse Ausgangskonstellation für Lesser Evil anzustreben. Das fand ich nach einem ansonsten recht soliden Roman sehr schade.

Mein Fazit

Greater Good steht im Schatten seines gelungenen Vorgängers Chaos Rising. Als Mittelteil der Trilogie erfüllt er hauptsächlich eine Gelenkfunktion, kann aber immerhin interessante Nebencharaktere ausbauen und mit Lakinda und Lakphro zwei Chiss einführen, von denen ich gerne mehr sehen würde. Bei aller Kritik lässt sich sagen, dass das Buch kurzweilig ist und Thrawn-Fans zufriedenstellen sollte, ich aber von der Darstellung der Titelfigur nach inzwischen fünf Kanonromanen mit ihm im Mittelpunkt ziemlich gefrustet bin. Genau wie bei E. K. Johnston muss man sich bei Zahn wohl damit abfinden, dass gewisse „Vorurteile“ auf Autorenseite gegeben sind, und ob man das kann korreliert letztlich mit dem eigenen Lesevergnügen. Dennoch verweile ich gerne im Reich der Chiss, dessen Worldbuilding definitiv die Stärken des Autors zeigt, und blicke dem Finale in Lesser Evil keineswegs pessimistisch entgegen.

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