Jägerpiloten sind extrem cool. Zweifel oder ein Mangel an Selbstbewusstsein existieren bei ihnen nicht. Und selbst während ihnen die Energieladungen nur so um die Ohren fliegen, haben Jägerpiloten immer noch Zeit für einen witzigen Spruch, um das Schlachtgeschehen etwas aufzulockern. Jägerpiloten haben auch eine sehr enge Beziehung zueinander. Ihre Staffelkameraden sind für sie wie Brüder und Schwestern. Mit ihnen kabbeln sie sich freundschaftlich, würden aber jederzeit auch ihr Leben für sie riskieren. – So lief es zumindest bisher meistens, wenn man im Star Wars-Universum Geschichten über Jägerpiloten las. Wer eine solche Erzählung erwartet hat, wird von Alexander Freeds Roman Alphabet Squadron überrascht sein.
Der Roman, der den ersten Teil einer Trilogie bildet, erschien am 13. Juni beim britischen Verlag Century und erzählt die Geschichte einer Fliegerstaffel, die recht außergewöhnlich zusammengesetzt ist, nämlich aus je einem X-Wing, einem Y-Wing, einem A-Wing, einem B-Wing und einem U-Wing. Protagonistin des Romans ist die ehemalige imperiale TIE-Pilotin Yrica Quell, die während Operation Asche desertiert ist und sich nun der Neuen Republik angeschlossen hat. Da sie Teil des berüchtigten Shadow Wing war, erhofft sich die Neue Republik von ihr hilfreiche Insider-Informationen im Kampf gegen ihre früheren Kameraden. Yrica steigt also vom TIE auf den X-Wing um und bildet zusammen mit dem jungen und unter Heimweh leidenden Wyl Lark (A-Wing), der suizidalen Theelin Chass na Chadic (B-Wing), dem auf Rache für sein ehemaliges Geschwader sinnenden Nath Tensent (Y-Wing) und der mysteriösen, maskierten Kairos (U-Wing) das Alphabet Squadron. Ihre Aufgabe ist es, den Shadow Wing aufzuspüren und unschädlich zu machen.
Yricas Perspektive als Deserteurin ist interessant gewählt, vor allem da bei ihr die Desertation und der Übergang zur Neuen Republik nicht ganz so unglaubwürdig geschmeidig läuft wie in manch anderer Geschichte (*hust* Battlefront II!). Es schlägt ihr jede Menge Misstrauen entgegen, sie muss ständig ihre Loyalität beweisen und hat Probleme, sich an den X-Wing und die unkonventionellen Taktiken und Führungsstile der Neuen Republik zu gewöhnen. Yrica ist auch deshalb eine so spannende Figur, weil sie uns eben nicht als eindeutig gut oder böse präsentiert wird. Sie verfügt zwar durchaus über einen intakten moralischen Kompass, ist aber oft zu schlicht zu feige, um sich auch entsprechend zu verhalten. Dies führt dazu, dass sie einige ziemlich schlechte Entscheidungen in ihrem Leben getroffen hat und ein schlechtes Gewissen mit sich herumschleppt. Auch fällt es ihr sehr schwer, sich mit ihren Staffelkameraden zu verbrüdern und sich zu öffnen. Dies führt zu einer interessanten und ungewöhnlichen Dynamik zwischen der Staffel und ihrer Anführerin.
Auch die anderen vier Piloten haben alle ihr Päckchen zu tragen. Man möchte eigentlich jedem von ihnen (außer vielleicht Wyl) raten, sich in psychologische Behandlung zu begeben. (Leider ist allerdings der einzige „Therapeut“, der in Alphabet Squadron zur Verfügung steht, absurderweise ein Folterdroide!) Wie aus diesen „schwierigen“ Charakteren nun eine halbwegs funktionierende Staffel wird, ist nun ein sehr interessanter gruppendynamischer Prozess, und dieser Prozess ist auch – so viel sei verraten – am Ende des Romans längst nicht abgeschlossen.
Leider jedoch werden die spannenden gruppendynamischen Prozesse erst viel zu spät im Roman in Gang gesetzt, und zwar ungefähr auf den Seiten 200 bis 300 von insgesamt 408. Auf den ersten 200 Seiten dagegen lässt Alexander Freed seine Leser weitestgehend verhungern, was die Charakterisierung der Figuren betrifft. Alle Figuren außer Yrica werden uns erst einmal hingeworfen, ohne dass wir weitere Informationen über und Einsichten in sie bekommen. Dadurch liest sich das Buch zu Beginn extrem zäh, da es nicht möglich ist, eine Bindung zu den Piloten herzustellen. Auf mich hatte es fast die Wirkung, als hätte der Autor, der sichtlich Freude an der Beschreibung militärischer Vorgänge und Luftschlachten hat, die Vorstellung und Charakterisierung der Figuren im Eifer des Gefechts vergessen und wollte sie dann später nachreichen. Vielleicht war es aber auch Absicht und Freed wollte uns dasselbe Gefühl vermitteln, das auch Yrica und die anderen Piloten haben: Sie werden einfach unvermittelt und relativ plötzlich mit ihnen vorher nicht bekannten Piloten zu einer Staffel „zusammengeschmissen“ und müssen nun damit klarkommen. Doch selbst wenn das die Intention des Autors gewesen sein sollte, funktioniert es für mich leider nicht, da es einfach keinen Spaß macht, 200 Seiten lang über blasse, noch nicht ausgearbeitete Figuren zu lesen. Die erste Hälfte des Romans las sich dementsprechend sehr zäh und ich musste mich zum Weiterlesen oft zwingen.
Hier kamen für mich Erinnerungen an Freeds ersten Kanon-Roman Battlefront: Twilight Company auf, der ebenfalls unter demselben Problem litt: zu viel Militär-Jargon, zu wenig Charaktertiefe. Allerdings muss man sagen, dass Freed im aktuellen Roman schon große Fortschritte hinsichtlich der Charakterisierung seiner Figuren gemacht hat, denn immerhin liefert er nun eine, die durchaus gelungen ist, wenn sie auch reichlich spät kommt.
Auch an Battlefront: Twilight Company erinnert die Eigenheit von Alexander Freed, wirklich jedem Soldaten oder Piloten einen Namen verpassen zu müssen, sodass man als Leser denkt, dass diese Figuren noch relevant werden könnten. Dass sie dann kurz darauf in einem Nebensatz ihr Leben aushauchen, wirkt kalt, herzlos und abgestumpft, vor allem wenn es, wie hier in einem beispielhaften Textauszug, aus der Sicht einer Figur erzählt wird:
After Yeprexi they lost Rawn. Chass barely knew the kid, but he deserved better than to be pinned and demolished by a TIE fighter. […] Then Fadime went, and Chass made sure no one saw her cry at the funeral. Afterward she found a private place to dribble snot onto her sleeve.
Alphabet Squadron, S. 94
That was how they became one squadron, not two…
Freed glaubt wahrscheinlich, dass es den Tod dieser Figuren emotionaler oder bedeutsamer macht, wenn sie einen Namen haben und wir deshalb erahnen können, dass sie Bedeutung für einen Protagonisten – in diesem Fall Chass – hatten. Zumindest bei mir funktioniert das leider gar nicht. Ich ärgere meist nur, dass ich mir die Namen von zahlreichen „Redshirts“ merken musste, die zwei Seiten später schon wieder tot sind. Allerdings beschränkt sich dieses Phänomen auch hauptsächlich auf die ersten 200 Seiten, danach bessert sich auch dies.
Positiv ist zu vermerken, wie Alexander Freed es schafft, seinen Roman mit dem bestehenden Kanon zu verknüpfen. So werden durch Operation Asche Verbindungen zu Battlefront und Shattered Empire geschlagen. Auch Fans der Serie Star Wars Rebels können sich freuen, denn Hera Syndulla nimmt als General eine etwas größere Nebenrolle in Alphabet Squadron ein. Nicht zu vergessen ist natürlich auch die begleitende Comic-Reihe TIE Fighter, die uns die Abenteuer des Shadow Wing zeigt und aus der auch einige Seiten in der Mitte des Romans als kleine Kostprobe abgedruckt sind.
Das Ende des Romans macht definitiv Lust auf mehr. Hier werden einige neue Handlungsstränge angedeutet und klar und deutlich die Gegner und Herausforderungen für den zweiten Band der Trilogie präsentiert. Wir dürfen also gespannt sein auf weitere Abenteuer des Alphabet Squadron, die uns wahrscheinlich im Laufe des nächsten Jahres erwarten.
Insgesamt hat Alexander Freed einen ordentlichen Auftakt für seine Trilogie vorgelegt, der uns interessante Figuren und Gruppendynamiken vorstellt. Leider vernachlässigt der Autor bei all seiner Begeisterung für Militärisches jedoch über weite Strecken die Charakterisierung seiner Figuren, was die erste Hälfte des Romans noch recht zäh macht. Damit sehe ich den Roman bei circa 3,5 von fünf Holocrons. In der Hoffnung, für den nächsten Teil dann vier vergeben zu dürfen und damit eine Verbesserung verdeutlichen zu können, gebe ich dem ersten Teil erst einmal nur drei Holocrons.
Wir danken Penguin Random House UK und dem Century-Verlag recht herzlich für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!
Alphabet Squadron in der britischen Ausgabe von Century könnt ihr euch auf Amazon.de bestellen. Für eine deutsche Übersetzung ist bis jetzt kein Titel oder Veröffentlichungsdatum bekannt.
Was ist eure Meinung zu Alphabet Squadron?
Ich kann dir eigentlich nur zustimmen. Mir hat es im Großen und Ganzen wirklich Spaß gemacht, diese Figuren kennenzulernen und ihrem Kampf gegen den Shadow Wing zu folgen, aber die ersten 200 Seiten hatten so viel Exposition und so viele teils repetitive Weltraumscharmützel, dass es durchaus spannungslose Durststrecken gab. Freed hat aber auch gezeigt, dass er es drauf hat was Charakterisierungen angeht – das war bei Twilight Company ja leider nicht gegeben; bei seinem Rogue-One-Roman schon, aber ein Filmroman, bei dem die Story bereits vorgefertigt geliefert wird, ist nochmal etwas anderes als eine komplett eigenständige Story. Hat er letzten Endes aber gut gemacht und ich kann wirklich behaupten, trotz Lektüre einiger der alten X-Wing-Romane hier neue Figurentypen kennengelernt zu haben. Yrica Quell sticht hervor, aber auch Caern Adan oder Nath Tensent (dem ich immer noch gerne eine 10-Cent-Münze geben würde) sind mir positiv in Erinnerung geblieben. Das Ende stellt zudem nochmal einige Erwartungen auf den Kopf und ich bin gespannt auf Band 2.