Rezension: The Star Wars Archives: Episode IV-VI von Paul Duncan

Ende 2018 erschien beim TASCHEN-Verlag mit The Star Wars Archives: Episodes IV-VI – 1977-1983 ein gigantisches Sachbuch, das hinter die Kulissen der Entstehung der klassischen Star Wars-Trilogie blickt. Das 600-seitige, großformatige Hardcover im edlen, glitzernden Stoffeinband wurde hauptsächlich von Paul Duncan verfasst und zusammengestellt, wobei er aber von F.X. Feeney unterstützt wurde. Eine deutsche Ausgabe erscheint bereits im Februar; diese Rezension stützt sich aber auf die englische Fassung, für die TASCHEN mir großzügigerweise ein Exemplar bereitgestellt hat.

The Star Wars Archives: Episodes I-VI: 1977-1983 (30.11.2018)
The Star Wars Archives: Episodes I-VI: 1977-1983 (30.11.2018)

„Schon wieder ein Making-of-Buch?“ Diese Reaktion las ich vielerorts, als TASCHEN dieses Machwerk ankündigte; insbesondere unter den Anhängern von J.W. Rinzlers detailreichen Produktionschroniken der klassischen Trilogie, die bei Del Rey erschienen sind. Hier muss ich gleich zu meiner Schande gestehen, dass ich diese nicht gelesen habe, zumindest nicht über kurze Einblicke auf Conventions oder Online-Leseproben hinaus. Das hat teils finanzielle Gründe, doch teils liegt es auch einfach an meinen Interessen, die eher im narrativen und weniger im filmemacherischen Aspekt von Star Wars liegen. Nach Rücksprache mit Fans, die sowohl Rinzlers Werke als auch Star Wars Archives gründlichst studiert haben (besonderen Dank an Stefan von Star Wars Sourcebooks), kann ich hier aber mit Überzeugung sagen, dass Star Wars Archives einen starken Mehrwert bietet, selbst wenn man Rinzlers Werke bereits kennt.

The George Lucas Archives: Im Unterschied zu Rinzler, der detailliert in alle Bereiche der Produktion schaute und Interviews mit sämtlichen daran Beteiligten auswertete, steckt Duncan seinen Fokus enger. Anstatt das zu wiederholen, was Rinzler bereits eindrucksvoll erarbeitet hat, sucht er sich eine andere Perspektive auf die Entstehung der Episoden IV bis VI: die des Star Wars-Schöpfers George Lucas. Zu diesem Zwecke arbeitete er nicht nur mit Vertretern von Lucas zusammen, um Zugang zur Skywalker Ranch zu erhalten, sondern interviewte auch drei Tage lang George Lucas – und zwar nicht nur zu Krieg der Sterne/Eine neue Hoffnung, Das Imperium schlägt zurück und Die Rückkehr der Jedi-Ritter, sondern auch zu seiner Kindheit und Jugend, seinem Studium und seinen ersten Versuchen als Filmemacher (u.a. THX-1138 und American Graffiti, deren Entstehungsgeschichte in einem Einführungskapitel zu Lucas‘ jungen Jahren ebenfalls detailliert dargelegt wird). Gegen Ende widmet das Buch sich sogar dem Holiday Special, den Ewoks-Filmen und den Zeichentrickserien Droids und Ewoks. Über die 600 Seiten hinweg begleiten wir George Lucas bei der Konzipierung und Weiterentwicklung der Saga und erhalten dabei in seine Gedankengänge Einblick wie selten oder gar noch nie zuvor. Der Titel des Buches könnte also genauso gut „The George Lucas Archives“ lauten.

George Lucas: The Early Years: Das 30-seitige erste Kapitel besteht fast nur aus Zitaten und teils auch persönlichen Fotos und Notizen von George Lucas. Duncan schafft es, durch geschickte Fragen und gute Zitatauswahl eine spannende Biographie des Erfinders der Saga zu kreieren, in der ich vieles erfahren habe, was ich vorher noch nicht wusste. Die besten Zitate hat Duncan immer dann erhalten, wenn er George Lucas einfach ungebremst aus dem Nähkästchen plaudern ließ. So erfahren wir in teils seitenlangen Abhandlungen des Meisters, wie er bereits in frühen Jahren zu Themen wie Religion, Filmen, Erzählkunst, amerikanischer Kultur und Politik stand, was die Struktur und Mythologie von Star Wars natürlich ungemein beeinflusst hat, und zwar nicht nur in der klassischen Trilogie, sondern fast noch viel stärker in den Prequels und The Clone Wars. Das Kapitel alleine ist in meinen Augen bereits Gold wert.

Eine persönliche Reise: Die Kapitel zu den drei klassischen Star Wars-Filmen sind chronologisch aufgebaut und folgen der Produktion von den frühesten Überlegungen der Drehbuchautoren, Regisseure und Produzenten über den Setbau und Dreh bis hin zum Kinostart. Während Duncan den inzwischen legendären Designern, Zeichnern, Schauspielern, Modellbauern, Effektkünstlern und vielen weiteren allen einen Platz einräumt, benutzt er ihre Geschichten hauptsächlich als Rahmen, um seine Chronik zu strukturieren. Herzstück der Ausführungen bleiben aber stehts die Gedankengänge von George Lucas, der insbesondere bei Eine neue Hoffnung ausführlichst schildert, wie sich die Geschichte über die verschiedenen Drehbuchentwürfe hinweg entwickelt hat. Es geht um seine persönliche, kreative Reise bei der Verwirklichung seines magnum opus. Personen wie Ralph McQuarrie, Joe Johnston, Gary Kurtz, Ben Burtt und den anderen Legenden wird auch angemessen viel Platz eingeräumt, doch sie illustrieren hauptsächlich, wie es ist, mit George Lucas zu arbeiten – was nicht immer leicht war. Auch hier schönt das Buch nur wenig und auch Lucas selbst ist sehr selbstkritisch unterwegs (bezeichnet er sich doch selbst einmal auch als „self-righteous son of a bitch“), wenngleich natürlich die positive Perspektive auf Lucas, Lucasfilm und die entstandenen Filme überwiegt, wie dies in einem Lizenzbuch zu erwarten ist. Eine besonders differenzierte, wenngleich etwas knappe Abhandlung erfährt das Holiday Special, das wohl als Tiefpunkt der Saga in die Geschichtsbücher eingegangen ist und eine bewegte Geschichte hatte. Auch Lucas‘ Privatleben – wie seine Ehe mit und letztliche Scheidung von seiner ersten Frau Marcia, die am Schnitt der Filme mitgearbeitet hat – geht nicht spurlos an dem Buch vorbei.

Spannendes Quellmaterial: Für die Erstellung des Buches forschte Paul Duncan einige Zeit persönlich in Lucasfilms Archiven sowie auf der Skywalker Ranch und durchforstete auch bisherige Publikationen, darunter sogar Interviews der Filmemacher mit Fanseiten und Podcasts und andere Onlinequellen, um möglichst komplett und akkurat zu arbeiten. Dabei förderte er auch einiges an Bildmaterial zutage, das mir – und auch den oben genannten Kennern der Rinzler-Werke – noch völlig neu war. Bei Das Imperium schlägt zurück und Die Rückkehr der Jedi-Ritter räumt Duncan dabei auch den Drehbuchautoren und Regisseuren jener Filme – u.a. Leigh Brackett, Lawrence Kasdan, Irvin Kershner und Richard Marquand – und den ILM-Leuten entsprechend viel Zeit ein, da sie diese Filme ja gemeinsam und parallel mit George Lucas geschaffen haben. Diese Kapitel sind daher weniger „Lucas-lastig“. Besonders denkwürdig waren Transkripte damaliger Tonbandaufnahmen, die am Set oder bei Autorentreffen entstanden. So ließ Kershner sich beim Dreh der Karbonit-Gefrierkammer-Szenen in Episode V aufnehmen und wir können seine Arbeitsweise genau mitverfolgen. Mein absolutes Highlight waren aber seitenlange Transkripte von auf Tonband aufgenommenen Story-Konferenzen zu Episode VI, in denen Kasdan, Lucas und Marquand gemeinsam diskutieren, wie genau Luke Skywalkers Reise enden soll und welche Elemente im Film sein sollten und welche nicht. Dabei waren die drei selten einer Meinung und mussten lange nach Kompromissen und Lösungen suchen. Einen direkteren Einblick in die Arbeitsweise der Autoren kann man nicht bekommen!

Zwei parallele Erzählstränge: Der Text des Buches ist vorwiegend auf die Sichtweise der Autoren, Produzenten und Regisseure und deren kreative und finanzielle Probleme fokussiert und holt nur gelegentlich Aussagen der Schauspieler und anderer an der Produktion beteiligter Personen hinzu (nicht zuletzt auch Komponist John Williams). Parallel dazu liefern großseitige Konzeptzeichnungen, Filmbilder und einige teils obskure Setfotos die Geschichte der eigentlichen Dreharbeiten, oft dank informativer Bildunterschriften, in denen auch viele humorvolle Anekdoten verborgen sind wie „Warum hat die Jawa-Sandraupe fast einen Grenzkonflikt ausgelöst?“ und „Wieso lief Peter Mayhew Gefahr, am Set von Episode VI erschossen zu werden?“. Nicht zuletzt gibt es natürlich auch unterhaltsame persönliche Anekdoten von Menschen wie Carrie Fisher, Warwick Davis oder Anthony Daniels, die mit ihren Erzählungen auch auf Conventions immer gut zu unterhalten wissen bzw. wussten. Durch diese duale Struktur bleibt der Text vorwiegend auf die intellektuellen Überlegungen und narrativen Entscheidungen der Verantwortlichen fokussiert, während die Bilder uns direkt ins Geschehen vor Ort holen. So hat man am Ende doch eine ganzheitliche Sicht auf die klassische Trilogie.

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Das Format: Dieses Buch ist ein ordentlicher Schinken und der Paketbote hat auch gekeucht, als er es mir geliefert hat. Es bewegt sich ungefähr in der Gewichtsklasse von Star Wars Art: Ralph McQuarrie und hat auch ein ähnliches Format. Dankenswerterweise liefert TASCHEN es in einem Papp-Tragekoffer mit Plastikgriff, den ich auch für die Lagerung verwenden werde, denn das breite Format und die 600 schweren Seiten sorgen dafür, dass sich das Buch auch leicht durchbiegen kann – was aus buchmacherischer Sicht leider unvermeidbar ist, wenn man in diesem Format arbeiten möchte. Den stabilen Koffer wusste ich da gleich zu schätzen. Zudem musste ich nach ein paar Tagen auf dem Sofa mit Schrecken feststellen, dass sich manche der Glitzersterne auf dem Einband abgelöst hatten und nun mein Sofa etwas funkelte. Glücklicherweise scheinen die meisten Glitzerpartikel fest im Stoff fixiert zu sein, denn das Phänomen hat sich in den Wochen danach nicht wiederholt. Der Druck hat eine hohe Qualität und auch die Farben der Fotos und Gemälde kommen gut zur Geltung. Es handelt sich insgesamt um ein hochwertiges Buch, wenn man von den paar verlorenen Glitzerpartikeln absieht, und ich freue mich schon zu hören, wo ihr es gelesen habt – ausreichend Platz hat man eigentlich nur auf Esstischen oder breiten Matratzen.

Fazit: Der erste Star Wars Archives-Band von TASCHEN ist Pflichtlektüre für jeden, der an der Entstehung der Filme und der darin vermittelten Themen und Motive und an George Lucas‘ Gedankengängen interessiert ist. In diesen Bereichen liefert das Buch einen unschätzbaren Mehrwert und ich bin mir sicher, dass es in der Sekundärliteratur und den Star Wars Insider-Magazinartikeln der nächsten Jahre noch oft zitiert werden wird. Der Listenpreis von 150 € ist gewiss eine starke Hausnummer, doch wer das Geld aufbringen kann, bekommt ein faszinierendes Sachbuch über ein Stück Filmgeschichte. Ich kann es kaum erwarten, dass TASCHEN ein ähnliches Buch zu den Episoden I bis III und The Clone Wars liefert!

Wir danken TASCHEN herzlich für die großzügige Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

11 Kommentare

  1. Danke für die ausführliche Rezension. Das klingt alles sehr interessant. Verstehe ich das richtig, dass hier mehr über die „geistige“ Arbeit als über die praktische Arbeit geschrieben wurde?
    Mich interessiert z.B. sehr, warum Lucas manche Szenen so gemacht hat, wie er sie gemacht hat.
    Was ich eher langweilig finde, sind Berichte zum Modellbau wie z.B. „Das ganze hier haben wir so und so zusammengebaut und dann wurde der Draht mit diesem Trick versteckt usw…“ Oder auch wie irgendwelche Matte Shots für Hintergründe gedreht wurden, finde ich eher uninteressant.
    Anekdoten vom Set und frühe Brainstormings zur Story finde ich hingegen sehr spannend.

    Wird die deutsche Version exakt denselben Inhalt haben?

    Und ist ein ähnliches Buch zu den Prequels nur Wunschdenken von dir oder tatsächlich angedacht? 😉

    1. Also naja, es ist kein rein theoretisches Buch, denn die Überlegungen, wie man etwas umsetzt bzw. wie etwas nicht Machbares sich auf die Story auswirkt sind schon mit dabei, aber halt eher in den Bildern als im Text.

      Die deutsche Version ist in Format und Inhalt identisch.

      Soweit ich weiß überlegt TASCHEN sich das mit den Prequels, hat aber noch keinen Band in Auftrag gegeben. Das wird sicher vom Erfolg abhängen.

  2. Na toll! Du bist jetzt dafür verantwortlich das ich Ende Februar 150€ weniger übrig habe und der Taschen Verlag ein Exemplar mehr verkauft hat.

    Mit dieser Rezension sind nun alle Zweifel zu diese Buch weg und es wird für mich das erste Making-of in meiner Sammlung.

  3. Diese Rezension hat mich jetzt nicht nur dazu inspiriert, dieses Buch zu holen, sondern auch die Ralph McQuarrie Megasammlung in 2 dicken Bänden 😀

    Zuschlagen solange es geht sonst ärgert man sich in ein paar Jahren, wenn diese Teile komplett vergriffen sind und noch teurer geworden sind.

  4. Ich bin jetzt über meinen Schatten gesprungen und habe mir ebenfalls ein Exemplar bestellt. Und weil ich dachte „Was kost‘ die Welt“ kommt Star Wars Art: Ralph McQuarrie gleich auch noch mit. Keine Ahnung wo ich diese literarischen Gehplatten unterbringen soll, aber es wird definitiv ein schönes Plätzchen sein. Irgendwo neben den Chroniken, Blueprints und der Star Wars Collection.

    1. Kurze Rückmeldung: Eurer lobpreisenden Rezension ist nichts hinzuzufügen. Dieses Schwergewicht gehört für mich in jede (literarische) Star Wars Sammlung – genug Stellraum vorausgesetzt. Und auch „Ralph McQuarrie“ ist ein Traum für jeden Bibliomanen und vor allem für diejenigen, die wie ich mit der OT großgeworden sind. Wenn man sieht, dass seine Entwürfe bis heute (und wohl auch in Zukunft) noch ihren Widerhall in den Filmen und Serien finden, kann das Werk des Mannes gar nicht genug gepriesen werden.

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