Am kommenden Dienstag, dem 30. Oktober erscheint bei Chronicle Books ein neuer Prachtband von Autorin und Fandom-Berühmtheit Amy Ratcliffe, der den Titel Star Wars: Women of the Galaxy trägt. Das Konzept: Auf über 200 Seiten stellt die Autorin gemeinsam mit 18 weiblichen und nicht-binären Künstlern, die dafür über 100 neue Bilder geschaffen haben, sage und schreibe 75 weibliche Charaktere aus allen Ecken und Enden des Kanons vor. Ich konnte das Buch bereits vorab lesen und möchte euch heute meine Eindrücke schildern.
Amy Ratcliffe und ihre Redakteure haben für dieses Buch eine wirklich spannende Liste aus Charakteren ausgewählt. Neben den „Großen Drei“ der Frauenwelt aus den Filmen – Padmé, Leia und Rey – sowie den Spin-off-Damen Jyn, Enfys, Val und Qi’ra oder Pflichtcharakteren aus den Animationsserien wie Ahsoka, Sabine oder Hera bietet das Buch auch eigene Einträge für weniger bekannte Figuren und Hintergrundcharaktere wie Mama die Hutt, Aayla Secura, Numa, Oola, Ursa Wren, die Tochter von Mortis, Beru Lars oder Mira Bridger. Das wahre Highlight für mich aber waren die vielen Buch- und Comicfiguren, die es in das Buch geschafft haben – beispielsweise Ciena Ree, Jas Emari, Rae Sloane, Kyrsta Agate, Sana Starros, Chelli Aphra, Trios, Evaan Verlaine, Everi Chalis oder Lina Graf. Auch Iden Versio aus Battlefront sowie Tam Ryvora, Torra Doza und Aunt Z aus Resistance lernt man hierin bereits kennen. Absolut rührend war auch der eigene Eintrag für R2-KT. Tatsächlich gibt es auch Auslassungen zu beklagen – im Romanbereich hätte ich z.B. Greer Sonnell oder Alecia Beck noch spannend gefunden – aber das Buch hat nun mal begrenzen Platz und es ist bereits fantastisch, wie viele noch nie illustrierte Figuren wir hier zu sehen bekommen.
Dennoch hätte ich an dieser Stelle bereits eine kleine Kritik. Amy Ratcliffes Text ist aus der Perspektive unserer Welt geschrieben, denn sie bietet in ihren Einträgen auch oft Zitate der Autoren, Schauspielerinnen und Produzenten der Saga. Daher erschließt sich mir nicht ganz, warum man nicht – zumindest auf einer Art Übersichtsseite oder mit 2-3 mit dem entsprechenden Goldbanner markierten Seiten am Ende des Buchs – auch Legends-Figuren wie Mara Jade, Jaina Solo oder Ysanne Isard eingebaut hat. Diese inspirieren Fans aller Geschlechter sowie Cosplayer genauso sehr wie Padmé, Leia, Jyn oder Aayla und sind wichtiger Teil des Erbes der Saga. Selbst wenn man sagt, dass der Fokus des Buchs auf dem Kanon liegt – was ich auch verstehen kann – dann wäre es nett gewesen, in Einträgen zu Figuren wie Asajj und Aayla stärker zu betonen, dass sie ursprünglich aus Legends-Werken wie der alten Clone Wars-Mikroserie oder den Republic-Comics stammen, aber so beliebt waren, dass sie für neuere Werke übernommen wurden. Gerade bei Asajj Ventress wurde so getan, als wäre sie erst für The Clone Wars entwickelt worden, was mir doch etwas sauer aufstieß.
Davon abgesehen leistet Ratcliffe gute Arbeit. Sie hebt bei jeder Figur hervor, was sie einzigartig macht im Vergleich zu den anderen Heldinnen der Saga, und schafft so ein vielfältiges Bild der Frauenwelt unserer Lieblingsgalaxis. Egal ob Jedi, Hexe, Diebin, Attentäterin, Mutter, Kopfgeldjägerin, Schmugglerin, eine Mischung aus allem oder gar Droide mit weiblicher Persönlichkeitsmatrix – alles ist hierin vorhanden. Darum ging es auch Amy Ratcliffe (und Kathleen Kennedy, die ebenfalls ein Vorwort lieferte), als sie dieses Buch konzipierte. Uns Männern mag das nicht immer klar sein, aber gerade in den Star Wars-Kinofilmen bekommen Frauen nur wenige Charaktere zum Cosplay und zur Inspiration vorgesetzt. Oft mussten sie sich auf Hintergrundfiguren wie Aayla oder Luminara begrenzen, wenn sie keine Padmé oder Leia sein wollten, oder eben auf Nicht-Film-Figuren wie Mara oder Ahsoka ausweichen. Schon beim Lesen des Inhaltsverzeichnisses wird einem klar, dass die Filme im Vergleich zu den anderen Medien gerade in der Zeit von Episode I bis VI viel zu wenige tragende Frauenfiguren lieferten, während man beim Nachdenken locker auf ein Vielfaches bei den Männerfiguren kommt. Ansonsten hätten Figuren wie Derla Pidys, die Ewok-Prinzessin Kneesaa oder Mama the Hutt es kaum in dieses Buch geschafft. Women of the Galaxy zelebriert also die Charaktere, die es bereits gibt, zeigt aber ungewollt auch auf, wo die Saga noch Schwächen hat, auch wenn Die letzten Jedi sicher schon einen Schritt in die richtige Richtung geliefert hat und die Animationsserien und literarischen Werke bereits sehr gute Arbeit leisten.
„Ist das Buch also nur etwas für Feministen?“ Nun, zuerst hoffe ich mal, dass jeder hier von sich behaupten kann, Feminist zu sein. Falls die eigentliche Frage lauten sollte „Ist dieses Buch nur etwas für Frauen?“, möchte ich dies stark verneinen. Ich betrachte Women of the Galaxy in erster Linie als einen Bildband. Die Texte mögen uns wenig Neues verraten, aber auf zeichnerischer Seite wird dafür umso mehr geleistet. Das Illustrationsteam – Alice X. Zhang, Amy Beth Christenson, Annie Stoll, Annie Wu, Christina Chung, Cryssy Cheung, Eli Baum, Elsa Charretier, Geneva Bowers, Jen Bartel, Jennifer Aberin Johnson, Jenny Parks, Karen Hallion, Little Corvus, Sara Alfageeh, Sara Kipin, Sarah Wilkinson, Viviane Tanner – besteht teils aus Veteraninnen der Saga, überwiegend aber aus Neuzugängen, doch alle von ihnen sind überaus kompetent bei dem, was sie tun. Fast sämtliche Figuren werden in Gemälden präsentiert, die sie auf eine neue Art und Weise zeigen und nicht einfach nur Filmposen imitieren, wie es leider allzu oft in anderen Werken der Fall ist. Dabei ist bei der Komposition der Gemälde – beispielsweise bei Kyrsta Agate oder der Tochter von Mortis – auch viel Kreativität bewiesen worden, denn diese zeigen nicht einfach nur die Figur, sondern auch wichtige Objekte, (teils auch männliche) Charaktere oder Veränderungen, die diese Personen in ihrem Leben durchgemacht haben. Eine der größten Überraschungen für mich war dabei ein Bild der helmlosen Phasma auf ihrer Heimatwelt Parnassos mit einem Shuttle der Ersten Ordnung am Himmel.
Die stilistische Vielfalt reicht von comichaft-abstrakt bishin zu detailliert-realistisch und deckt die komplette Bandbreite ab. Manche Bilder – beispielsweise das bei Satine Kryze – stimmen den Betrachter eher traurig, da auf tragische Schicksale angespielt wird, andere Bilder fangen wiederum die abenteuerlustige Natur der dargestellten Figur ein, beispielsweise bei Doktor Aphra. Wichtigere Figuren – wie Leia, Jyn, Phasma, Ahsoka, Padmé oder Hera – bekommen sogar mehrseitige Einträge, wobei auf jeder Seite ein neues Bild enthalten ist, das eine andere Facette der Figur zeigt. Gerade bei Aphra, Sana und Trios war es auch spannend, diese Figuren mal von anderen Zeichnern als in den Comics gezeichnet zu sehen. Lediglich Evaan Verlaine wurde erneut von Elsa Charretier gezeichnet, die sie auch schon in einem Adventures-Heft von IDW zeichnen durfte. Die Resistance-Figuren wurden allesamt von Amy Beth Christenson umgesetzt, die sie auch für die Animationsserie entworfen hat, sodass diese Figuren als einzige sehr nah an ihre Bildschirmgegenstücke herankommen.
Als Fazit lässt sich sagen, dass ich Women of the Galaxy allen visuell veranlagten Menschen empfehle, die gute Kunstwerke zu schätzen wissen, sowie denen, die auch gerne Romanfiguren illustriert sehen. Das Buch eignet sich auch gut, um vielleicht bis dato unbekannte Figuren und ihre Geschichten zu entdecken, denn wenn man z.B. über „Norra Wexley“, „Derla Pidys“ oder „Vi Moradi“ stolpert und diese Figuren nicht einordnen kann, erklärt Ratcliffe, wo ihre Geschichten erzählt wurden. Auch wenn der Text einem Komplettisten der Saga wenig Neues liefert, so lohnt sich das Geld für das Buch auf jeden Fall für die über 100 fantastischen, exklusiv für dieses Buch produzierten Kunstwerke. Ich hätte liebend gerne mehr Kunstbände dieser Art, dann auch gerne mit einem anderen Fokus oder integriert in die vielen anderen Sachbücher, die ohnehin jedes Jahr erscheinen, denn der Mehrwert dieser Bilder ist nicht zu unterschätzen.
Wir danken Abrams & Chronicle Books recht herzlich für die großzügige und frühzeitige Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
Das liest sich großartig, dieses Buch ist gerade fast schon an die Spitze meiner ‚to-buy‘-Liste gehüpft.
Es zerreißt mir allerdings fast das Herz, dass diese tollen Sachbücher (wie zB auch „Propaganda“) erst jetzt herauskommen und sich deswegen nur auf den Kanon konzentrieren :/
Ich habe in das Buch schon auf der Frankfurter Buchmesse hineinschauen können und fand die Qualität sehr gut. Wer gerne Kunst oder Bilderbände mag wird dieses Buch lieben!
Dass es in „Eine neue Hoffnung“ wirklich wenige weibliche wichtige Rollen gibt,bemerkte ich heute, als ich nochmal „From a certain point of view“ las. Als ich nämlich rätselte wer der hochrangige Offizier in „Of MSE-6 an men“ sein könnte (Ich hoffe ja immer noch auf Tarkin), fiel mir auf, dass wir ja nie in der Originalen Triologie eine Imperiale sehen.
In Legends wurde ja kurz das Thema Sexismus im Imperium angeschnitten.
Während nach den Kanonromanen und Comics Männer und Frauen im Imperium gleiche Chancen haben. Nur in den Filmen waren halt eben alle Frauen des Imperium entweder mit anderen Dingen beschäftigt oder in einer Rüstung.