Zu Beginn des Monats erschien bei Egmont UK der Galactic Atlas, ein Sachbuch für jüngere Leser, das von Egmont-Redakteur Emil Fortune geschrieben und von Tim McDonagh liebevoll illustriert wurde. Und nachdem mir die Rezension zu Catalyst, Star Wars-verwandte Arbeit und das Leben abseits von Star Wars (ja, das gibt es tatsächlich…) immer wieder dazwischen kamen, möchte ich euch nun endlich meine Meinungen zu diesem Werk präsentieren.
Buchdesign: Ich bin selten jemand, der ein Buch nach Äußerlichkeiten beurteilt oder das überhaupt in die Bewertung mit aufnimmt, aber beim Atlas war es tatsächlich so, dass ich etwas überwältigt war, als ich das Buch erstmals in Händen hielt. Erstens: Der Atlas ist gigantisch hoch (27 x 1,5 x 37 cm, d.h. größer als die Risszeichnungen zu Episode VII) und ich musste tatsächlich ein Regalbrett anheben, um Platz dafür zu schaffen. Zweitens ist der stabile Einband edel mit Golddruck verziert und weist eine kräftige, hochwertige Bindung auf. Ich weiß es zu schätzen, wenn Verlage sich die Mühe machen, ihre Bücher hochwertig zu verarbeiten, da sie dann auch langlebiger sind und nach ein paar Jahren nicht so schnell auseinanderfallen. Das Rogue One-Logo auf dem Cover ist übrigens ein Sticker, den pingelige Fans sicher auch entfernen könnten, um das Artwork darunter zu enthüllen, aber ich persönlich würde das niemals versuchen, da er für mich zum Cover gehört.
Das Konzept: Sachbuchfans, die hier eine Kanonversion des Essential Atlas erwarten, sind hier fehl am Platz. Der Galactic Atlas ist oberflächlich ein Kinderbuch, was sich auch im Konzept widerspiegelt: Die enthaltenen Karten sind keine akkuraten Landkarten, sondern grobe Darstellungen des Terrains mit schlicht gehaltenen enzyklopädischen Anekdoten zu wichtigen Figuren, Orten und Ereignissen auf dem Planeten. Zu diesem Zweck wurde das Buch auch als in-Universe existierendes Kartenwerk aufgebaut. Emil Fortune, der sich als – Achtung, Fans der Abenteuer im Wilden Raum – Direktor der Graf-Archive Amel Fortoon verewigt hat, erklärt, dass der ithorianische Künstler Gammit Chond (ein Anagramm von Tim McDonagh) die enthaltenen Karten basierend auf Erzählungen von Raumfahrern geschaffen hat, ohne selbst je seine Heimatwelt verlassen zu haben. Der Atlas liefert vor allem Timeline-Infos und Daten zu Flora und Fauna, aber kaum tatsächliche Atlas-Inhalte. Es handelt sich eher um ein historisches Star Wars-Lexikon sortiert nach Planeten. Er ist zudem aus einer Zukunft-Perspektive geschrieben – die beschriebenen Ereignisse liegen zu Amel Fortoons Zeit weit in der Vergangenheit zurück; dem Klang nach sogar schon einige Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte.
Die Galaxiskarte: Anstatt eines Inhaltsverzeichnisses hat der Atlas eine doppelseitige Galaxiskarte, aufgegliedert in die Sektoren Tiefkern, Kernwelten, Kolonien, Innerer Rand, Expansionsregion, Mittlerer Rand, Äußerer Rand, Unbekannte Regionen und Wilder Raum. Bei Planeten, die eine eigene Doppelseite mit einer Karte von Gammit Chond haben, steht eine Seitenzahl daneben. Ich gebe zu, kein Meister der galaktischen Kartographie zu sein (der Kollege Hendrik darf sich hier gerne einmischen und seine Meinungen zur Karte zum Besten geben), aber soweit ich das sehe, sind die Positionen der meisten Planeten aus dem Legends-Bereich unverändert. Hinzu gekommen sind einige Welten aus The Clone Wars (Abafar, Maridun, Christophsis), Star Wars Rebels (Lothal, Garel, Stygeon Prime) und den Romanen und Comics (Jelucan aus Verlorene Welten oder Tarkins Heimatwelt Eriadu). Ich denke, die Karte ist für Hardcore-Kartographiefans mit der Mentalität eines Wiki-Autors auch brauchbar. Es gibt jedoch einen Planeten, der eine eigene Planetenkarte hat, aber nicht auf der Galaxiskarte zu finden ist. Wie Emil Fortune mir sagte, war das auch volle Absicht – ein kleiner Scherz bezüglich Kaminos Löschung aus dem Archiv, über die Obi-Wan in Episode II stolpert.
Timeline und historische Figuren: Nach der Galaxiskarte folgen zwei Doppelseiten mit einer Timeline der galaktischen Geschichte von Episode I bis Episode VII, in der auch Eckpunkte aus den TV-Serien sowie Rogue One datiert werden. Daneben gibt es auch immer kleine Zeichnungen der Ereignisse von Tim McDonagh, die bisweilen sehr atmosphärisch sind (z.B. die diversen Duelle aus den Prequels), bisweilen aber auch lächerlich wirken (wie der Tod des Großinquisitors). Die Timeline verrät keine neuen Ereignisse, ist aber sehr akkurat und detailverliebt geschrieben. Von mir aus hätte sie auch noch eine Seite mehr einnehmen können, um die Gesamtheit von The Clone Wars und ein paar Romane und Comics mehr zu umfassen. Dafür hätte man gerne auch die Doppelseite danach opfern können, auf der historisch bedeutsame Figuren dargestellt werden. Dies dient natürlich dazu, dass jüngere Leser die Figuren aus Gammit Chonds Gemälden kennen lernen und einordnen können. Ich hätte es allerdings schön gefunden, wenn McDonagh Figuren aus den Animationsserien etwas realistischer gezeichnet hätte, damit sie zu den anderen Charakteren passen. Es wirkt, als habe er sehr viel anhand von Referenzbildern originalgetreu abgemalt. Einige Posen der Figuren auf dieser Seiten und auf den späteren Karten sind doch sehr vertraut…
Die Karten: Der Atlas ist in vier Sektionen eingeteilt, die sich jeweils ein Viertel der Galaxiskarte vornehmen. Auf einer Einleitungsseite werden kurz auch Infos zu Planeten auf der Karte zusammengefasst, die in dieser Ausgabe keine eigene Seite bekommen haben. Die Karten selbst sind wie gesagt eher historiographische Illustrationen, die mehr mit bedeutsamen Ereignissen auf den jeweiligen Planeten beschäftigt sind als mit einer genauen Karte eines Ortes, wie man sie ggf. in Schauplätze und Planeten von DK findet. Der Mehrwert solcher exakter Karten für die Geschichte ist zwar fragwürdig, da es früher oder später immer einen Widerspruch geben wird, allerdings muss ich sagen, dass ich mit den Atlas-Karten als solchen nicht warm werde. Ich habe daher beschlossen, sie als (bisweilen etwas konfus arrangierte) illustrierte, enzyklopädisch angehauchte Timelines zu betrachten, was der Cover-Aufschrift „Maps – Star Charts – Battle Scenes – Timelines“ auch eher gerecht wird. Und als solche taugen sie allemal. Es gibt dabei auch viel zu entdecken – u.a. Anspielungen auf The Clone Wars Legacy-Episoden oder Video-/Handyspiele, aber generell auch Infos zum Verbleib einzelner Charaktere (z.B. Shaak Ti), komplett neue Tierarten oder welche, die aus den Legenden in den Kanon eingeführt wurden, und vieles mehr. Die Karten bieten viel zum Entdecken und sind auch bewusst so aufgebaut, dass Kinder (und ältere Fans, inklusive Wiki-Autoren) stundenlang die ganzen Anekdoten und Informationsschnipsel herauspflücken können. Besonders die Karte zum Planeten Jedha aus Rogue One liefert ein paar spannende Anekdoten, aber für mich persönlich gab es auch viel bessere Karten als diese (z.B. Dathomir oder die Karten zu den Schlachten von Yavin und Endor, auf denen auch Comic-/Romanfiguren wie Ciena Ree und Shara Bey zu finden sind).
Schwächen: Die Timelines nutzen übrigens das alte Datierungssystem relativ zur Schlacht von Yavin, das wir auch in unserer Kanon-Timeline verwenden, für die wir auch einige Atlas-Daten ausgewertet haben. Das System an sich ist zwar nicht sonderlich logisch aus einer In-Universe-Perspektive, als Fanservice ergibt es aber durchaus Sinn und man fühlt sich als erfahrener Leser auch gleich wohler damit – was auch der Grund war, weswegen Egmont diese Datierung verwenden durfte. Das würde ich allerdings per se nicht als Schwäche verbuchen. Auf der diesjährigen Star Wars Celebration Europe in London wurde gesagt, dass Matt Martin für dieses Buch The Clone Wars nochmals angeschaut und deren Chronologie mit Jahreszahlen versehen hat. Leider widersprechen einige der Atlas-Daten der laut Pablo Hidalgo nach wie vor gültigen offiziellen TCW-Chronologie bzw. sind an zwei Stellen auch Atlas-intern inkonsistent. Das Buch ist nicht ganz frei von Fehlern, von denen ich bereits auch eine kleine Liste erstellt und sie Emil Fortune geschickt habe, der hofft, sie für eine zweite Auflage korrigieren zu können. Das sind allerdings vergleichsweise doch nur Einzelfälle, die das Gesamtbild des Buchs nur unmerklich trüben. Der Alterszielgruppe würden sie wohl gar nicht auffallen.
Fazit: Ich war skeptisch, was das Buch angeht, und hunderprozentig zufrieden bin ich auch nicht, wie meine Rezension auch bestimmt gezeigt hat. Allerdings hat Tim McDonagh einige faszinierende Illustrationen geschaffen, die ich mir immer wieder anschaue, um die ganzen Details rauszupicken (beim Verfassen dieser Rezension bin ich besonders an der Schlacht von Endor länger hängen geblieben) und mit seinen Datierungen ist der Galactic Atlas auch um einiges präziser als bisherige Kanonwerke es vermochten. Emil Fortune hat sich auch als Kenner des Kanons erwiesen, der tolle Anspielungen auf Romane (Verlorene Welten, Schülerin der dunklen Seite und mehr) und Comics (beispielsweise Imperium in Trümmern, Lando und Darth Maul: Sohn Dathomirs) mit den bekannten Ereignissen aus den Filmen und Serien mischt. Das Buch liefert sehr viel zum Entdecken und hat daher für mich auch nach fast drei Wochen und zwei gründlichen Lektüren immer noch ein paar Überraschungen, besonders auch beim genaueren Hinsehen in den Grafiken. Wäre es ein Buch primär für Erwachsene, würde ich kaum mehr als 3 von 5 Holocrons vergeben, aber in Anbetracht der Einschränkung der Zielgruppe und der Tatsache, dass trotz dieser Einschränkung ein wunderbares Nachschlagewerk geschaffen wurde, vergebe ich wohlverdiente 4 von 5 Holocrons und hoffe auf eine aktualisierte Ausgabe in der Zukunft.
In den USA erscheint dieses Buch am 20. Dezember unter dem Titel Galactic Maps und ist auf Amazon.de vorbestellbar. Auch die deutsche Ausgabe, die am 29. Januar 2017 unter dem Titel Galaktischer Atlas bei Ravensburger erscheint, kann bereits auf Amazon vorbestellt werden.
Jetzt bin ich aber erst mal auf eure Meinungen gespannt, falls ihr euch die britische Ausgabe geholt haben solltet!
Ich mag den Atlas wirklich. Aber ich finde auch das die Zeitleiste am Anfang gerne ausführlicher sein dürfte und es wäre auch schön wenn noch mehr Planeten enthalten wären. Das artwork gefällt mir aber wirklich gut, einzig von coruscant war ich nicht überzeugt
Ja, Emil hätte gerne noch einige weitere Planeten aufgenommen und hofft, eines Tages ein Update schreiben zu dürfen.
Die Coruscant-Karte war in der Tat etwas enttäuschend… da hätte man mehr herausholen können. Viel mehr. Sowohl visuell als auch inhaltlich.