Hinweis: Diese Rezension enthält zwar keine großen Spoiler für Das Erwachen der Macht, nimmt aber auf ein paar Szenen Bezug. Bitte rechnet allerdings damit, dass in den Kommentaren möglicherweise weiter auf die Handlung des Filmes eingegangen wird. Wir bitten die Kommentatoren aber, nur Spoiler zu posten, die auch in direkten Bezug zu diesem Buch stehen. Vielen Dank!
Star Wars: Before the Awakening ist ein Jugendroman von Greg Rucka, der in den Wochen und Monaten vor Star Wars: Das Erwachen der Macht angesiedelt ist und somit die direkte Vorgeschichte zum neuen Kinofilm liefert. Er ist in drei Teile untergliedert, die sich jeweils auf den Sturmtruppensoldaten FN-2187 (Finn), die Schrottsammlerin Rey und den Widerstandspiloten Poe Dameron konzentrieren. Der Roman erscheint heute, zum US-Filmstart, als Hardcover bei Disney-Lucasfilm Press und wird am 26. Januar 2016 bei Panini unter dem Titel Vor dem Erwachen auf Deutsch erscheinen. Das Buch wurde von Phil Noto illustriert, der für jedes Kapitel 2-3 schwarz-weiß-rote Bilder angefertigt hat; also ganz im Stil der „Journey“-Jugendromane. Für diese Rezension betrachte ich die Kapitel jeweils getrennt, ziehe aber am Ende ein Gesamtfazit.
FN-2187
Greg Rucka liefert in diesem Kapitel einige grundlegende Informationen, die die Logik von Finns Handlungsstrang in Das Erwachen der Macht untermauern und das Erlebnis bereichern. Wir erfahren, wieso er in einem (Licht-)Schwertkampf eine reelle Chance besitzt, wie er als Sturmtruppensoldat der Ersten Ordnung gelebt hat, wie er zu seinen Kameraden steht und welche Beziehung er zu Captain Phasma hat.
Ich gestehe, dieses Kapitel hat mich bis kurz vor Schluss eher gelangweilt. Finn ist weitgehend nur ein Befehlsempfänger, wenngleich er sympathischer wirkt als seine Kameraden, da er Mitgefühl besitzt. Erst gegen Ende des Kapitels, als seine Selbstzweifel und Zweifel an der Ersten Ordnung offensichtlicher werden, konnte ich mit ihm mitfiebern. Dennoch war es interessant, ein paar Details über die interne Organisation der Ersten Ordnung und auch etwas über die Beziehung der Figuren General Hux und Captain Phasma zu erfahren. Wer gerne einen Blick in die Abläufe einer imperialen Nachfolgeorganisation werfen möchte, der wird hier fündig.
Rey
Dieses Kapitel setzt gut ein Jahr vor dem Film an und erzählt von Reys wirklich bemitleidenswertem Dasein als Schrottsammlerin auf Jakku, die jeden Tag vom Hunger geplagt um ihr Überleben kämpfen muss. Wir erfahren dabei mehr über ihre Kampf- und Flugfertigkeiten und auch über die Gesellschaft von Jakku, wenn man sie denn so nennen kann. Der Hauptteil des Kapitels beschäftigt sich mit Reys Versuch, sich ein Schiff zu bauen, und ihrem generellen Misstrauen gegenüber Fremden. Rucka leistet hier gute Arbeit dabei, ihr Außenseiterdasein darzustellen und sie als eine komplexe Figur zu charakterisieren.
Allerdings merkt man doch, dass Lucasfilm hier gehörig den Deckel draufhält, was ihre Vorgeschichte angeht, sodass Rucka den einzigen anderen Weg geht, der ihm bleibt, und einfach mehr ihre aktuellen Lebensumstände als ihre ungewisse Vergangenheit zu thematisieren versucht. Dies gelingt ihm auch und das Kapitel ist um einiges interessanter als Finns. Reys Jakku-Szenen im Film und ihre Begeisterung, als sie Takodana betritt, versteht man auf jeden Fall viel besser, wenn man dieses Werk gelesen hat.
Die Illustrationen von Phil Noto konnten mich hier allerdings eher weniger überzeugen, da sie mir zu generisch waren (was sich aber irgendwie auch durch das ganze Buch zieht). Da gefiel mir seine Szenenarbeit in den „Journey“-Werken um ein Vielfaches besser.
Poe Dameron
Greg Rucka macht in Interviews keinen Hehl daraus, dass Poe Dameron seine Lieblingsfigur aus dem neuen Film ist, und das ist auch nicht verwunderlich, bedenkt man, dass er in Shattered Empire bzw. Imperium in Trümmern die Geschichte seiner Eltern erzählt hat. Wer sich von Before the Awakening Infos über deren weiteres Schicksal erhofft, der wird nicht enttäuscht: Rucka nimmt sich durch Rückblenden sehr viel Zeit, um uns bezüglich des Verbleibs von Poes Eltern auf den neuesten Stand zu bringen. Allzu viel will ich hier nicht verraten, aber wer Shara Bey und Kes Dameron mag, der hat alleine deswegen schon einen Grund, diesen Jugendroman zu lesen.
Poe Dameron selbst ist die Figur in Das Erwachen der Macht, die im Vorfeld am wenigsten von der Geheimhaltung betroffen war. Seine Eltern lernten wir bereits im September kennen und auch sonst ist eher eine sehr direkte, zugängliche Figur ohne eine mysteriöse Vergangenheit. Er hat ein normales Leben geführt – naja, so normal, wie es in der Star Wars-Galaxis nun eben geht. Sehr erleuchtend fand ich, dass dieses Kapitel viel mehr Details zum politischen Stand der Galaxis liefert und somit klaffende Lücken aus dem Film schließt oder zumindest zu schließen beginnt. Das Stichwort Galactic Concordance und das Verhältnis zwischen Neue Republik und Widerstand sind hier entscheidend. Durch Poe, einen weitgereisten Bürger der Galaxis, lernen wir all dies kennen.
Poes Abenteuer beginnt, als er noch mit seinem treuen Astromechdroiden BB-8 in den Streitkräften der Neuen Republik dient, bevor er – wie jedem Filmschauer klar sein dürfte – zum Widerstand gerät. Wir erfahren, wie genau dies geschehen ist, und was zu der Mission am Anfang von Das Erwachen der Macht geführt hat, als er Lor San Tekka auf Jakku aufsucht. In Poes Kapitel kommt wunderbar das Abenteuergefühl auf, das Star Wars charakterisiert, und man sieht auch mehr von der Galaxis als bei Finn und Rey, sodass dieses Kapitel für sich alleine definitiv 5 von 5 Holocrons bekommen würde. Sehr gut gemacht, Herr Rucka!
Fazit
Da es sich hier um eine Anthologie handelt bekommen wir Geschichten, die sich vom Ton und der Qualität her doch sehr unterscheiden. An der eher eintönigen Geschichte Finns ist wohl der Umstand Schuld, dass dieser keine nennenswerte Vergangenheit hat, während der Autor bei Rey alle Register ziehen muss, um trotz der andauernden Geheimhaltung um ihre Vergangenheit – die wohl ein zentrales Thema von Episode VIII und/oder IX sein wird – dennoch eine gute Geschichte zu erzählen. Dies gelingt ihm auch, auch wenn sie in meinen Augen recht vorhersehbar ist. Das Poe-Kapitel ist wiederum alles, was man sich nur wünschen kann, und ist alleine deswegen schon den Kauf des Buches wert. Das Finn-Kapitel würde ich gnädigerweise mit 3 von 5 Holocrons bewerten, während Reys Abenteuer für mich auf 4 von 5 kommt. Poes Geschichte bleibt ungeschlagen mit 5 von 5. Im Schnitt ergibt das also 4 von 5 für die Gesamtbewertung.
Ich bin bereits gespannt, wie ihr dieses Buch bewertet!
Die deutsche Ausgabe ist hier vorbestellbar.
Mal ein kleiner Tipp für die eBook-Leser hier.
Die US eBooks, z.B. auch für „Before The Awakening“ kann man sich aus Deutschland am einfachsten (keine US-Adresse erforderlich) und ganz legal über den internationalen Kobo-Buchhandel besorgen https://store.kobobooks.com/.
Kobo verwendet zwar ein eBook-Format welches von Kindles nicht unterstützt wird (böses Konkurrenz-Produkt) aber für jeden Handy-/Tablet/PC-Typ gibt es kostenlose Lese-Apps.
Und der größte Vorteil ist, man bekommt die Titel für die US-eBook-Preise (plus einem kleinen Aufschlag). Für „Before The Awakening“ sind das derzeit wegen eines starken Preiswettbewerbs zw. 5 und 6 €. Da kriegt man auch die ganzen Kurzgeschichten zu E VII, die in Deutschland erst in einigen Monaten als Buch erscheinen werden.
Ein interessantes Detail aus dem Kapitel über Finn würde ich hier gerne mal zur Diskussion stellen.
Da heißt es über die Inhalte der Nachrichtensendungen, die die Kadeten regelmäßig schauen u.a. „the unchecked alien advances throughout the Outer Rim“. Dies bezieht sich nicht auf die Neue Republik und als „Alien“ würde man im SW-Universum wohl nur eine Rasse bezeichnen, welche bisher unbekannt war.
Steht uns hier die Invasion der „Yuuzhan Vong“ bevor?
Also naja, „alien“ wird auch in Star Wars für alles verwendet, was kein Mensch ist… in den deutschen SW-Romanen wird es gängigerweise mit „Nichtmensch“ übersetzt. Ich würde da nichts reininterpretieren. So lustig die Vong-Invasion in den Legends auch war, im Kanon empfände ich sie eher als störend bzw. muss man ja auch nicht alles nachmachen.