Ursprünglich wollte Del Rey eine Druckversion dieses Samplers auf der San Diego Comic-Con 2014 verteilen – dann entschied man sich jedoch für eine Vorabausgabe des kompletten Romans A New Dawn. Den Sampler hat man dann prompt zu einer kostenlosen Leseprobensammlung in E-Book-Form umfunktioniert, die hier bestellt werden kann. Somit können Fans seit heute Morgen kostenlos je ein Kapitel aus A New Dawn von John Jackson Miller (VÖ: 2. September), Tarkin von James Luceno (VÖ: 4. November), Heir to the Jedi von Kevin Hearne (VÖ: 17. Februar) und Lords of the Sith von Paul S. Kemp (VÖ: 21. April).
Ich habe in dieser Rezension in eine Sektion zu jedem der vier Bücher aufgeteilt. Neben stilistischen Beobachtungen gehe ich – entgegen dessen, was ich auf Facebook angekündigt habe – doch auch auf den Inhalt ein, da es sich wirklich nur um das erste oder zweite Kapitel jedes Buches handelt und man noch keine allzu großen Spoiler mitbekommt. Ihr könnt natürlich auch nur über die Abschnitte zu den Büchern lesen, bei denen euch Spoiler nichts ausmachen. Allgemein lässt sich sagen, dass wir es hier mit vier sehr unterschiedlichen Schreibstilen und Handlungskonzepten zu tun haben, sodass eigentlich für jeden mindestens ein Buch dabei sein sollte. Eine generelle Beobachtung ist, dass nicht nur die sechs Filme und die kommende Rebels-Serie als Quelle dienen, sondern dass auch aus der gesamten The Clone Wars-Fernsehserie Planeten, Figuren und Ereignisse aufgegriffen werden. Es wirkt wirklich wie ein einheitlicher Kanon – die Saga ist inhaltlich aus einem Guss.
A New Dawn von John Jackson Miller
Von diesem Roman ist das erste Kapitel enthalten. Es liest sich ein bisschen wie der Anfang von Episode IV. Ohne zu viel zu verraten: Wir haben eine Szene im Weltraum, in der wir die „Bösen“ der Geschichte das erste Mal treffen (in Episode IV: Darth Vader), bevor wir dann auf eine Heldenfigur treffen (in Episode IV sind das mehrere – Leia und die Droiden; in diesem Fall ist es Hera Syndulla), die uns wahrscheinlich dann zum Haupthelden der Geschichte führen wird (Luke in Episode IV, Kanan in A New Dawn). Die Charaktere sind gut ausgearbeitet und sehr divers. Wir haben einen Cyborg-Industriellen, eine dunkelhäutige Offizierin (ja, weiblich!) des Imperiums (Captain Rae Sloane) und dann natürlich unsere Twi’lek Hera. Leider tritt Kanan in dem kurzen Ausschnitt noch nicht auf, was meine einzige kleine Enttäuschung war.
Positiv hervorzuheben an diesem ersten Kapitel ist die bereits erwähnte schnelle, aber gründliche Charakterisierung, die Etablierung eines interessanten Widersachers und die Exposition des Grundkonflikts auf dem Planeten Gorse sowie die Gegebenheiten nicht ganz 10 Jahre nach Episode III. Die Imperialen sind zwar skrupellos, aber ich würde z.B. Captain Sloane nicht als abgrundtief böse bezeichnen. Langweilige Schwarzweißmalerei (Pardon, kein Wortspiel mit Sloanes Hautfarbe beabsichtigt) zwischen Gut und Böse herrscht hier schon mal nicht, auch wenn der Cyborg Denetrius Vidian mit seinem Effizienzfetisch starke Antipathie erweckt – und durchaus bedrohlich wirkt, auch wenn ich mir für ihn noch mehr Hintergrund wünsche. Er kommt mir vor wie eine Verschmelzung aus Tarkin und Grievous. Aber es ist auch nur das erste Kapitel und John Jackson Millers bisherige Bösewichte (z.B. Lucien Draay oder Doktor Demagol im dem KOTOR-Comics) hatten sehr gut ausgearbeitete Hintergrundgeschichten, also mache ich mir da keine Sorgen.
Die vielen neuen Charaktere versprechen ein unterhaltsames Lesevergnügen, mit dem eine ganz neue Ära der Star Wars-Geschichte erstmals enthüllt wird. Der Roman kann hier vorbestellt werden.
Tarkin von James Luceno
Über dieses Buch kann ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht so viel aussagen. James Luceno schlägt auf jeden Fall einen guten Ton an was Tarkins Charakterisierung angeht und bleibt seinem Schema treu, durch Anspielungen und Erwähnungen von Namen die Star Wars-Galaxis auszubauen. Namen wie Brentaal (hier ein Schiff) tauchen im Kanon auf und auch Tarkins SWEU-Vorname Wilhuff hat Bestand. Das Bemerkenswerte ist wie gesagt Tarkins Charakterisierung, der noch berechnender und bedrohlicher als in Episode IV wirkt und sich als Taktiker durchaus mit Thrawn vergleichen lässt – er hat dieselbe Sherlock-Holmes-mäßige Beobachtungsgabe, mit der er militärische Täuschungsmanöver durchschaut und anderen mindestens drei Schritte voraus ist, und ist ein Mentor für seine Untergebenen. Wir sehen ihn auch erstmals als Kommandanten eines gesamten Schlachtfelds (auf dem Todesstern in Episode IV war er zwar eine imposante Gestalt und wurde von Peter Cushing brilliant gespielt, aber in der Schlacht von Yavin wirkte er mehr wie ein Stichwortgeber denn wie ein Taktiker).
Interessant ist auch, dass man eine (um bei Holmes zu bleiben) Moriarty-mäßige Bedrohung für Tarkin aufbaut, über die noch wenig bekannt ist. Aber irgendjemand versucht ihn auszutricksen. Auf jeden Fall spannend. Die Ansätze für einen guten Luceno-Roman sind definitiv sichtbar, allerdings führt nichts daran vorbei, den ganzen Roman zu lesen, um sich eine definitive Meinung zu bilden (was für die anderen Romane natürlich auch gilt). Der Roman kann hier vorbestellt werden.
Heir to the Jedi von Kevin Hearne
Das ist mein absoluter Favorit aus dem Sampler. Dieser Roman wird ja bekanntlich aus der Ich-Perspektive von Luke Skywalker selbst erzählt und Kevin Hearne schafft es, Luke authentisch einzufangen. Man sieht zum ersten Mal überhaupt wirklich glaubwürdig (meiner Meinung nach), was nach Ben Kenobis Tod in Episode IV und dem Verlust seines Freundes Biggs Darklighter bei der Zerstörung des Todessterns wirklich in dem jungen Skywalker vorgeht. Der Vorteil der ersten Person ist, dass die Figur einen direkt anspricht und man alles aus ihren Augen sieht, mehr als das bei Erzählung in der 3. Person möglich ist. Dafür braucht es einen besonders talentierten Autor und Hearne stellt sein Können durchaus unter Beweis.
Ein Problem habe ich allerdings: Luke erzählt in der Vergangenheit, was diese Unmittelbarkeit durch die erste Person zunichte macht, insbesondere wenn kein Foreshadowing eingesetzt wird. Eine Erzählweise in der Vergangenheit legt nahe, dass das Ereignis bereits abgeschlossen ist, sodass man auch Vorgriffe auf das Ende oder den weiteren Verlauf erwartet wie z.B. bei Mary Shelleys Klassiker Frankenstein. Dieses Foreshadowing, das die volle Stärke des Ich-Stils ausmacht, hat mir in dem Kapitel leider ganz gefehlt. Das klingt jetzt erst mal recht negativ, aber wenn man diesen Punkt hinnimmt, dann hat man sehr interessante Gedankengänge, die zudem sehr gut zeigen, wie Luke zu den einzelnen anderen Figuren steht (seine Meinung von Han, Leia, R2-D2 und anderen) und was er sich beim Gespräch mit einer neuen weiblichen, dunkelhäutigen Figur namens Nakari Kelen zeigt, die Luke ihr Schiff für eine Mission zur Verfügung stellt, die er für Ackbar und Mon Mothma auf Rodia durchführen soll.
Der experimentelle Stil mag einigen sicher Angst machen. Aber ich habe mir sagen lassen, dass Kevin Hearne für seine Arbeit mit der Ich-Form schon Bestsellerlisten gestürmt hat, und ich glaube das gerne, denn das Buch liest sich flüssig und man folgt einem Helden, den man eigentlich sehr gut kennt, hier aber nochmal ganz neu kennenlernt. Und es hat durchaus etwas für sich, beim Lesen Lukes Stimme im Kopf zu hören, wie er einem von seinen Abenteuern, Gefühlen, Ängsten und Gedanken erzählt.
Lords of the Sith von Paul S. Kemp
Kommen wir zu guter Letzt zu Lords of the Sith, das mit einer leicht grusligen Szene aus Darth Vaders Sicht eröffnet, in der er seinen Vader-Anzug neu anlegt und der Leser genau erfährt, wie dieser mit seinen lebenden Organen interagiert. Man erfährt von dem Hass, der an Vaders Seele nagt und bekommt Einblicke in sein Inneres, die weniger transparent werden, je weiter er in seinen Anzug versinkt. Am Ende ist er wieder der bedrohliche, undurchsichtige Schurke, den man Anfang Episode IV kennenlernt. Eine großartige Art und Weise, Vader neu einzuführen! Chapeau, Herr Kemp!
Danach treffen wir – ACHTUNG SPOILER – eine beliebte Figur aus der ersten The Clone Wars-Staffel wieder: den Twi’lek-Freiheitskämpfer Cham Syndulla, der gerüchteweise ja mit unserer lieben Hera verwandt ist (zwei Twi’lek-Rebellen mit demselben Nachnamen… ja, die Chancen stehen gut). Seine Motivation wird auch klar: er verteidigt immer noch Ryloth (das ist wohl der Ort des Geschehens und Senator Orn Free Taa ist auch noch am Leben und kollaboriert mit dem Imperium). Es ist ein ziemlich auswegsloser Kampf, denn Vader ist einem seiner Untergebenen auf den Fersen und entert dessen Schiff… ein Blutbad ist garantiert. Abgesehen von einer erneuten Betonung, dass Kemp spannend schreiben kann, und dass das Buch sich auf etablierte Figuren stützt, kann ich zu diesem Zeitpunkt noch wenig über das Buch schreiben. Ein Kapitel genügt hier nicht, um uns ein Gefühl zu geben, wie der Roman sich entwickeln wird, allerdings ist er auch noch einige Monate entfernt, sodass das auch noch nicht nötig ist. Ich hätte mich gefreut, wenn man eine Interaktion zwischen Vader und dem Imperator gesehen hätte, aber für die wird man sich wohl das komplette Buch holen müssen.
Es wird offenbar aber kein blindes Gemetzel, sondern erneut – typisch Kemp – ein Stück mit (vorwiegend männlichen) Charakteren im Fokus, die im Laufe der Geschichte auf die Probe gestellt werden. Ein bisschen wie Gegendwind oder The Old Republic: Betrogen. Das Buch kann hier vorbestellt werden.
Tja, und damit gebe ich an euch ab: Habt ihr den Sampler gelesen? Was haltet ihr so von den Auszügen? Schreibt es uns in die Kommentare und wir diskutieren gerne mit euch. Und ist außer mir noch jemand der Meinung, dass man in Heir to the Jedi manches Episode-VII-Gerücht wiederentdeckt? (Man denke an die angebliche Dunkelhäutigkeit von Lukes angeblichem Kind…)
P.S.: Auf eine Holocron-Bewertung verzichte ich in dieser Rezension, da dieser Sampler keine kompletten Geschichten enthält, sondern nur aus dem Kontext losgelöste Fragmente.
Hab bisher nur A New Dawn und Tarkin (an)gelesen, aber da kann ich dir in deiner Rezension nur zustimmen. Ich freue mich jedenfalls auf die beiden Romane.
Die Idee des Samplers ist eine gute, gerade im Hinblick auf die Veränderungen, die diese vier Bücher beinhalten.
Bei „A New Dawn“ konnte ich mir noch kein Urteil bilden. Trotzdem bin ich gespannt, wie es weitergeht. „Tarkin“ hat schon sehr interessante Ansätze geliefert. Wenn Luceno den Roman so gestaltet wie „Darth Plagueis“, kann man sich nur freuen. „Heir to the Jedi“, in Ich-Perspektive und mit einem seltsamen Anfang, ist nicht wirklich mein Fall. „Lords of the Sith“ sieht auch ganz gut aus (ist ja auch von Kemp).
Habe alle vier Leseproben sehr genossen – jede einzelne aus einem anderen Grund – und freue mich immer mehr auf den neuen Einheitskanon 🙂
Ich glaube auch schon erste Änderungen im Vergleich zum EU gefunden zu haben.
Hierbei handelt es sich zwar teilweise um recht subjektive Beobachtungen, aber wer weiß, vielleicht stehe ich damit nicht ganz alleine da:
In der „Lords of the Sith“-Eröffnungsszene wurde Vader mMn nämlich deutlich weniger tragisch und zerrissen dargestellt als in den meisten EU-Storys. Natürlich ist es schwer, das anhand eines so kurzen Abschnitts klar festzumachen, aber wenn man sich mal die Rüstungs-anlege-Szene aus Matthew Stovers Ep. III-Roman anschaut (vor allem Vaders Gefühle bezüglich der Rüstung, wie sie da beschrieben werden) ist das schon ein krasser Unterschied. Selbiges gilt für die zwei Vader-Kurzgeschichten von Karen Traviss.
Ich meine auch, im „Legends“-Material mehrmals gelesen zu haben, dass Vaders Rüstung ihrem Träger permanent Schmerzen bereitet – was im Einheitskanon wiederum gegenteilig dargestellt ist.
Meine endgültige Meinung zu dieser Änderung wird sich zwar erst bilden, wenn ich den ganzen Roman lese, aber ich fände es schon etwas schade, wenn Vader jetzt auf einmal zum absolut überzeugten Bösewicht wird, da mir gerade die leisen Zweifel, die beim EU-Vader oft angedeutet wurden, besonders gut gefallen haben.
Was denkt Ihr dazu? Interpretiere ich da zuviel hinein?
Ja, Vader wirkt in dieser Szene sehr überzeugt von sich, allerdings ist das auch einige Jahre nach Episode III – sein emotionaler Schmerz ist nicht mehr ganz so frisch – und zugleich auch einige Jahre vor Episode IV/V und seiner Begegnung mit Luke, der in ihm diese totgeglaubten Gefühle wiedererweckt. Abgesehen davon hat er in Lords of the Sith diesen brennenden Hass, den er aus seiner Schmach auf Mustafar bezieht, und die ist auch sehr glaubwürdig. „Absolut überzeugt“ ist ein zu starkes Wort, allerdings denke ich auch, dass Vader zwischen III und V nicht ganz so emotional war, wie z.B. Traviss ihn darstellte. Jemand Wankelmütiges begeht nicht so viele Morde, ohne nachzufragen, warum. Er nutzt eher seinen Hass, um seine Emotionen zu unterdrücken, und begeht so viele schrecklichen Untaten – erst Luke bringt ihn dazu, diesen Hass nach und nach zu überwinden und dann kommen auch andere Emotionen zum Vorschein.
In Bezug auf Traviss‘ Darstellung hast Du schon Recht – ein kleines Bisschen mehr Wut hier und da hätte ihrem Vader gutgetan 🙂
Timelinemäßig steht für LotS (gibts diese Abkürzung?) meines Wissens nach noch kein genaues Jahr zwischen III und IV fest, aber ein gewisser Abstand zu Padmés Tod und seiner „Transformation“ ist in der Leseprobe ja klar erkennbar.
Wenn dieser Abstand dann auch mal offiziell beziffert wird, macht das seine Stimmung hoffentlich endgültig nachvollziehbar – zumal ich Luke als Katalysator von Vaders Entwicklung in V und VI bisher wohl nicht stark genug berücksichtigt hatte.
Bleibt nur noch die Sache mit der Rüstung… 😉
Inzwischen habe ich den ganzen Sampler gelesen und kann mich deiner Rezension weiterhin anschließen.
A New Dawn und Tarkin haben mich vorher schon interessiert und nach den Auszügen werde ich mir die beiden sicherlich zulegen.
Die Erzählperspektive von Heir to the Jedi hat mich selbst auch positiv überrascht, da ich eigentlich kein großer Fan von Ich-Erzählungen bin. Das Gelesene macht aber auf jeden Fall Lust auf mehr.
Und dann ist da noch Lords of the Sith. Der Ausschnitt hat mir gut gefallen, vor allem die Szene mit Vader am Anfang, aber auch das Gefecht am Ende. Trotzdem kann ich mich für das Handlungskonzept des Romans immernoch in keinster Weise begeistern :/ Mal sehen, was da noch kommt.
Oh, und ich finds gut, dass Yaga Minor aus dem EU übernommen wurde 😀 (und Llanic auch, wobei das wohl einfach nur daran liegt, dass Heir to the Jedi schon länger geschrieben wird).
Was Planeten usw. angeht: rechne da mit vielen EU-Planeten oder zumindest EU-Planetennamen im Kanon. Die erfinden nicht die ganze Galaxis neu und manche Planeten waren ja auch sehr spannend/interessant/beliebt, sodass ihre Erwähnung nicht nur eine Verbeugung vor dem EU, sondern einfach ein Teil der Ausschmückung der „neuen“ Galaxis ist. Man will, dass die Leser sich zuhause fühlen, auch wenn die Story anders verlaufen sollte als bisher, und bekannte Namen von Waffen, Planeten oder gar Persönlichkeiten sorgen für diese Vertrautheit.
Hat bei mir auch sofort geklappt, als ich von Yaga Minor gelesen habe.