Großes Interview mit Übersetzer und Redakteur Marc Winter

Nachdem wir eine Anfrage per Mail bekommen haben, ob wir nicht ein Interview mit einem Übersetzer machen könnten, nahm ich diese Aufgabe direkt in Angriff. In der Mail, die uns erreichte, wurde die Übersetzerin Regina Winter als Wunschkandidatin erwähnt, die jedoch leider vor wenigen Jahren viel zu früh verstorben ist. Ich musste nicht lange überlegen, wen man sonst interviewen könnte. Mir kam direkt unser guter Freund Marc Winter vom Offiziellen Star Wars Fan-Club in den Sinn, welcher neben seiner dortigen Tätigkeit unter anderem für Verlage wie Blanvalet, DK und Panini arbeitet. Wollt ihr wissen, wie die Arbeit eines Übersetzers aussieht? Dann lest das folgende Interview.

Was sind deine Aufgaben in Bezug auf Star Wars?

Das Buch der Kopfgeldjäger
Von Marc übersetzt: Das Buch der Kopfgeldjäger¹ (25.03.2014)
Nun, wo fange ich da an? Mein Hauptarbeitsbereich ist sicherlich das Übersetzen und Redigieren von Star Wars-Literatur im weitesten Sinne, seien es nun Romane, Sachbücher, Zeitschriftenartikel, Kinderbücher … Die Reihe ließe sich beliebig weiter fortsetzen, denn der Output an Printmedien zum Thema Sternenkrieg ist ja äußerst vielfältig, was ihr als Literaturnews-Blog nur allzu gut wissen dürftet. Ich arbeite dabei freiberuflich für verschiedene Verlage. So bin ich beispielsweise seit einigen Jahren als Redakteur für sämtliche bei Blanvalet erscheinenden Star Wars-Romane zuständig. Auch am Großteil der Star Wars-Bücher von Dorling Kindersley bin ich beteiligt, hier in erster Linie als Übersetzer. Dazu kommt die Arbeit für weitere Verlage wie Oetinger und Panini sowie natürlich für das Offizielle Star Wars Magazin – bei den beiden Letzteren auch als Autor von Artikeln. Darüber hinaus ergeben sich immer wieder einmal kleinere oder auch größere Aufträge wie Beratungstätigkeiten in Sachen Star Wars-Begrifflichkeiten und Ähnliches für andere Lizenznehmer wie Fox, Topps, Heidelberger & Co.

Kannst du uns etwas mehr über deine Tätigkeit als Redakteur und Übersetzer erzählen?

Auf einen allgemeinen Nenner gebracht, kann man sagen, dass ich bei all diesen Projekten, an denen ich beteiligt sein darf, im weitesten Sinne mit dafür Sorge trage, dass beim deutschsprachigen Endprodukt alles möglichst stimmig ist – sowohl mit Blick auf allgemeine sprachliche und inhaltliche Aspekte als auch besonders die Vielzahl an Star Wars-spezifischen Dingen. Gerade Letzteres ist ja durchaus ein heißes Eisen. Egal ob einzelne Begriffe, bestimmte Wendungen, die Frage des Duzens, Siezens und Ihrzens, inhaltliche Bezüge auf zuvor veröffentlichte Geschichten … Hier gibt es vermutlich innerhalb des Fandoms genauso viele verschiedene Meinungen wie Fans, wenn es darum geht, wie etwas übersetzt werden sollte. Uneinheitliche Übersetzungsstile in mehr als drei Jahrzehnten und seit Langem weitgehend nur noch mit englischen Bezeichnungen verkaufte Merchandisingartikel tragen das Ihre dazu bei. Letztlich ist es wichtig, dass man sich als Übersetzer und besonders auch als Redakteur im Idealfall selbst gut mit der Materie auskennt – und dafür reicht es im Bereich Star Wars längst nicht, nur „mal“ die Kinofilme gesehen zu haben. Mir kommt in diesem Fall zugute, dass ich selbst von klein auf mit Star Wars groß geworden bin und von mir behaupten kann, eine nahezu vollständige Sammlung von allem zu Hause zu haben, was jemals an offiziell lizenzierten Star Wars-Büchern, -Magazinen und -Comics auf dem amerikanischen und deutschen Markt erschienen ist.

Arbeitest du dabei mit anderen Lektoren und Übersetzern zusammen?

Ein Werk ins Deutsche zu übertragen, ist immer Teamarbeit. Man muss sich das im Groben so vorstellen, dass es zunächst einen Übersetzer gibt, der auf Grundlage der fremdsprachigen Originalausgabe die eigentliche Übertragung ins Deutsche vornimmt. In den seltensten Fällen ist eine Übersetzung in diesem Stadium aber bereits „perfekt“. Mit der Zeit eingeschliffene Eigenheiten eines Übersetzers, zu große Nähe zum Original mit Blick auf die sprachlichen Strukturen, Flüchtigkeitsfehler usw. – das alles auch nicht zuletzt durch einen entsprechenden Zeitdruck, den es meist gibt. Hier setzt dann in der nächsten Stufe, dem Lektorat, die Bearbeitung an, bei der unter anderem speziell darauf geachtet wird, dass – vereinfacht gesagt – das vorliegende Manuskript nicht nur eine Aneinanderreihung deutscher Wörter ist, sondern tatsächlich auch ein stimmiger deutscher Text. Bei Star Wars kommen dann auch noch all die bereits genannten spezifischen Dinge hinzu, die es bei diesem Universum zu beachten gilt. Dass hier noch einmal ein Lektor bzw. Redakteur einen intensiven Blick auf die Übersetzung wirft, ist auch insofern wichtig, weil man mit dem nötigen Abstand zum Text viel schneller noch vorhandene Mängel entdeckt. Und um auf Nummer sicher zu gehen, gibt es final in der Regel ein zusätzliches Korrektorat, bei dem noch einmal speziell auf allgemeine Rechtschreibfehler und dergleichen geachtet wird.

Wie eng die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen an einem Werk beteiligten Personen ist, hängt dabei vom jeweiligen Projekt ab und vor allem von der Zeit, die zur Verfügung steht. Gerade bei von mir selbst angefertigten Übersetzungen ist es mir durchaus wichtig, dass ich möglichst noch einmal einen Blick auf die lektorierte Fassung werfen kann, und mitunter gibt es dabei auch während der Lektoratsphase bereits regen Austausch zwischen mir und der Lektorin bzw. dem Lektor. Immer ist dies aber nicht möglich. Bei den Werken, die ich als Redakteur bearbeite, ist es zudem so, dass ich hier in der Regel mehr oder weniger freie Hand habe und die letztendliche Verantwortung gerade auch für all die Star Wars-spezifischen Dinge in erster Linie bei mir liegt. Nichtsdestotrotz gibt es aber meist auch hier einen gewissen Austausch mit den jeweiligen Übersetzern.

Hat sich im Laufe der Zeit deine Vorgehensweise beim Redigieren und Übersetzen von Romanen verändert?

Nun, vielleicht nicht direkt die Vorgehensweise als solche, aber natürlich lernt man, wie überall, mit der Zeit dazu, und auch der persönliche Stil entwickelt sich weiter. So würde ich sicherlich bei Romanen, die ich vor Jahren redigiert oder übersetzt habe, heutzutage durchaus noch das ein oder andere „optimieren“ können, hätte ich die Gelegenheit, diese noch einmal zu überarbeiten. Im großen Ganzen dürften das aber Kleinigkeiten sein, die dem Durchschnittsleser vermutlich eh nicht auffallen würden. Was sich zudem beim Redigieren verändert hat, ist sicherlich, dass ich mit der Zeit die besonderen Eigenarten von konkreten Übersetzern, deren Texte ich regelmäßig bearbeite, besser kennengelernt habe und so vieles schneller von der Hand geht. Ich weiß im Prinzip genau, nach was ich bei wem genau die Augen offen halten muss, und habe dementsprechend auch schnell alternative Formulierungen, die korrekte Schreibweise usw. parat.

Wie kamst du überhaupt dazu, Star Wars-Bücher zu übersetzen?

OSWM #72
Das Offizielle Star Wars Magazin #72 erscheint am 08.01.2014
Das kann man wohl am ehesten als schleichenden Prozess und irgendwie auch als Glücksfall bezeichnen. An sich bin ich gelernter Lehrer und habe auch etliche Jahre als solcher gearbeitet. Nebenberuflich habe ich in dieser Zeit aber bereits als Lektor die Artikel des Offiziellen Star Wars Magazins in Form gebracht. Dazu kam es ursprünglich, weil ich mich als treuer Leser des Hefts einmal über die zahlreichen Rechtschreibfehler und Ähnliches im Magazin beschwert hatte. So kam es dann zum direkten Kontakt mit Chefredakteur Robert Eiba und schließlich dem Angebot, doch einfach selbst das Team in dieser Hinsicht zu verstärken. Die Mitarbeit ist im Laufe der Jahre dann weiter gewachsen, und es kam darüber auch zu Kontakten mit diversen anderen Lizenznehmern im Bereich Star Wars – bis hin zum damals für den Kinofilm und die erste Staffel von The Clone Wars zuständigen Synchronstudio, wo ich dazu beitragen konnte, dass die deutschen Dialogbücher mit Blick auf die vielen Star Wars-Begriffe, Anspielungen usw. entsprechend korrekt sind.

Etwa zur gleichen Zeit sicherte sich der in puncto Star Wars bis dahin unerfahrene Kinderbuchverlag Xenos die Rechte an den Publikationen zur Serie für die junge Leserschaft. Hier war man für die Übersetzung der Bücher zuerst auf die leider ein gutes Jahr später verstorbene Regina Winter zugegangen (trotz des gleichen Nachnamens weder verwandt noch verschwägert), die damals auch als Übersetzerin eines großen Teils der bei Blanvalet erschienenen Star Wars-Romane bekannt war. Zufällig hatte auch ich zu dieser Zeit privaten Mailkontakt zu ihr, und da sie nur einen Teil der The Clone Wars-Bücher für Xenos übersetzen konnte, fragte sie mich, ob ich nicht Lust hätte, den Rest zu übernehmen. So kam schließlich eins zum anderen, und nicht zuletzt der Umstand, dass man bei Blanvalet kurze Zeit später einen neuen Redakteur für die komplette Star Wars-Reihe suchte und ich tatsächlich den Zuschlag erhielt, versetzte mich dann in die glückliche Lage, das Risiko einzugehen und mich ganz damit selbstständig zu machen.

Was sind denn heute deine genauen Aufgaben beim Offiziellen Star Wars Fan-Club?

Meine Tätigkeit im Rahmen des OSWFC und für das Offizielle Star Wars Magazin im Besonderen ist recht vielfältig. Zunächst mal habe ich die regelmäßig im Heft vertretene Literaturvorschaurubrik „Jedi-Bibliothek“ zu verantworten, die sich ja zufällig den Namen mit eurem Projekt teilt. Hier werden – so umfassend wie auf mittlerweile meist um die fünf bis sechs Seiten möglich – die im jeweiligen Quartal erwarteten Neuerscheinungen an Büchern und Comics vorgestellt. Hin und wieder schreibe ich auch weitere Artikel, die im Kiosk- oder auch im Clubteil, dem Journal of the Whills, veröffentlicht werden, und helfe bei der Auswahl der zum Abdruck kommenden Artikel aus dem englischen Schwestermagazin, dem Star Wars Insider, mit. Zudem beantworte ich viele der Leserfragen, wo es um spezifische Star Wars-Sachverhalte geht – besonders auch mit Blick auf das mittlerweile riesige Erweiterte Universum –, von denen etliche in den Rubriken „Probot-Mailer“ und „Echo-Basis“ abgedruckt werden. Meine Hauptaufgabe aber besteht wie schon von Beginn an letztlich darin, das Lektorat für das Magazin zu machen und die Artikel sprachlich und inhaltlich in Form zu bringen.

Last but not least kümmere ich mich zudem rein ehrenamtlich als Admin um das Forum des OSWFC und sehe zu, dass dort beispielsweise stets aktuelle News zur Saga gepostet werden, und halte besonders die dortigen Bereiche zur Star Wars-Literatur und der Serie The Clone Wars in Schuss.

Kommst du eigentlich auch in Kontakt mit den Autoren der Werke, an denen du arbeitest?

In der Regel ist das nicht der Fall, auch wenn es vereinzelt durchaus hilfreich sein könnte. Falls bei einer Übersetzung Fragen auftauchen, läuft die Nachfrage aber in der Regel über den Verlag bzw. Ansprechpartner bei Lucasfilm. Wenn es also direkte Kontakte mit Autoren gibt, dann eher – wie bei allen anderen Fans – auf Conventions wie z. B. der JEDI-CON, die ja 2014 wieder ansteht.

Hast du als Übersetzer und Redakteur eigentlich noch die Chance, das Werk genießen zu können, oder ist der Zeitdruck zu groß?

Das ist eine gute Frage. In der Tat ist der „professionelle Blick“ auf die Werke, die einem vorliegen, deutlich größer, als dass man sie vollkommen unbefangen „genießen“ könnte. Das hat auch weniger etwas mit dem Zeitdruck zu tun, auch wenn dieser natürlich ebenfalls eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Viel entscheidender ist, dass ich die Texte immer gleich durch die Brille des Übersetzers oder Redakteurs sehe, mir sofort Gedanken darüber mache, wie dieses und jenes am stimmigsten übersetzt werden kann, ob einzelne von einem anderen Übersetzer gewählte Begriffe und Formulierungen passend sind usw. Das gilt übrigens nicht nur für solche Werke, an denen ich selber mitarbeite, sondern grundsätzlich auch für Star Wars-Veröffentlichungen, an denen ich nicht beteiligt war und die ich „nur“ in meiner Freizeit lese. Da schwingt bei der Lektüre zumindest im Hinterkopf stets die Frage mit, was ich selber an bestimmen Stellen anders gemacht hätte. Aber das ist wohl einfach das Risiko, mit dem man leben muss, wenn man sein Hobby, in das man auch viel Herzblut steckt, auf diese Weise zu seinem Beruf macht. Auf der anderen Seite will ich mich da aber auch nicht beklagen. Immerhin kann ich so bei einem Großteil der deutschsprachigen Veröffentlichungen aus der weit entfernten Galaxis dafür Sorge tragen, dass sie sprachlich und inhaltlich möglichst stimmig sind, und erhalte in das ein oder andere Werk bereits Einblick, bevor es selbst in den USA erscheint.

Welches ist denn dein Lieblingswerk in Sachen Star Wars?

Matthew Stovers Roman zu Episode III
Matthew Stovers Roman zu Episode III
Bei der großen Vielfalt an unterschiedlichsten Veröffentlichungen ist das gar nicht so einfach zu sagen. Zumindest in Bezug auf die Romane kann ich die Frage allerdings recht eindeutig beantworten: der Roman zu Episode III von Matthew Stover – und dabei handelt es sich noch nicht einmal um ein Werk, an dem ich selber beteiligt war. Die deutsche Übersetzung würde ich zwar auch gern noch einmal bearbeiten, wenn sich die Gelegenheit ergäbe, aber da ginge es vergleichsweise nur um Kleinigkeiten.

Jedenfalls gehört die Adaption von Die Rache der Sith für mich persönlich mit zu den besten Star Wars-Romanen überhaupt. Ich hatte damals den „Fehler“ begangen, den Roman vor dem Kinostart zu lesen und war dann fast schon enttäuscht vom Film selber. Nicht, dass dieser schlecht gewesen wäre – im Gegenteil! –, aber Stover bietet hier so viel mehr, was für die Kinofassung der Schere zum Opfer fiel oder von ihm weiter ausgeschmückt wurde, und er fängt meiner Meinung nach einfach die ganze Atmosphäre wunderbar ein.

Marc, vielen Dank für das Gespräch!

Ich danke ebenfalls und wünsche euch weiterhin viel Erfolg mit eurer Website und viel Spaß mit der Literatur aus dem Star Wars-Universum!

Marc hat übrigens seine eigene Website unter jedi-archiv.de, die ebenfalls Star Wars und dem Erweiterten Universum gewidmet ist.

Hat euch dieses Interview gefallen? Gibt es noch Fragen oder Anmerkungen zu dem, was Marc gesagt hat? Habt ihr vielleicht ähnliche Wünsche zu Interviews, Artikeln und Berichten? Schreibt uns einfach eine Mail an info@jedi-bibliothek.de und wir werden unser Bestes geben, um diesen Wünschen nachzukommen.

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