Vorab: Ich muss wirklich meine Begeisterung in dieser Rezension etwas zurückhalten. Ich habe schon lange auf die deutsche Version des Romans gewartet und habe auf die englische Ausgabe verzichtet – meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Dies ist meine Star Wars-Neuerscheinung des Jahres!
Sehr offensichtlich ist, dass Glücksritter ein Versuch Timothy Zahns war, die Ocean’s Eleven-Gaunergeschichte mit der Star Wars-Saga zu verbinden. Was ich jedoch nicht erwartet hätte, ist, dass Herr Zahn hier ein überaus ernstes Werk abliefert. Dies ist kein Werk, das die Story nur halbherzig nimmt. In diesem Jahr gab es einige Romane, die ins Spionage/Thriller-Genre rutschten, wie z.B. der The Old Republic-Spionage-Roman Vernichtung oder Gnadentod. Im Kontrast zu diesen Romanen stellt Glücksritter jedoch etwas völlig Neues dar. Hier wird das Beste aus Star Wars mit dem Besten aus den vorher genannten Genres verbunden und so etwas Neues und Frisches kreiert.
Die Story findet ein paar Monate nach der Zerstörung des ersten Todessterns statt, also zwischen Episode IV und V. Die Geschichte ist in diesem Fall wirklich das, was man am meisten an diesem Roman genießt: Kurz gesagt, Han ist von einem Schwarze-Sonne-Opfer angeheuert worden, um in das Haus eines Schwarze-Sonne-Sektorchefs einzubrechen, um seine gestohlenen Credits zurückzuholen. Wie wir alle wissen, ist Han ein Schmuggler und kein Dieb. Aus diesem Grund rekrutiert er neun Gehilfen und schmiedet einen Plan, um die Credits zurückzuholen. Interessant ist, dass die Anzahl der Personen hier, wie in Ocean’s Eleven, auch elf beträgt. Ob das ein Zufall ist?
Natürlich sind Han, Chewie und Lando selbst Teile des Teams. Dazu kommen zwei bekanntere Gesichter: Winter und Kell Tainer. Der Rest der Gang besteht jedoch aus neuen Charakteren des Star Wars-Universums. Zahn hat sich scheinbar sehr viel Zeit genommen, um sich einige Gedanken über die Struktur der Geschichte zumachen. Es ist eine Story mit vielen Ebenen und Charakteren, die gleichzeitig gegeneinander intrigieren – und jeder muss schließlich auf die Pläne der anderen Gruppe antworten. Toll ist, dass die Charaktere generell intelligent sind und so die Schritte anderer erahnen können. Der echte Kampf in diesem Roman ist tatsächlich, wer schlauer ist und mit den besseren Tricks spielt und nicht, wer besser kämpft. Natürlich gibt es auch einige Kampfszenen in diesem Buch, aber jede hat ihren eigenen, tieferen Sinn. Jede Aktion ist äußerst bedacht. Wenn ihr auf viel Action und Raumschlachten steht, kann ich euch sagen, dass dieses Buch nichts für euch ist.
Zahn respektiert in diesem Roman außerdem die Intelligenz des Lesers, indem er einen komplizierten Plot schafft, in dem der Leser jedes Stück für sich selbst zusammensetzen muss. Er passt genau darauf auf, dass er nicht zu viel für den Leser offenbart. Wir sehen oft, dass die Charaktere um Han auf Missionen gehen, aber kennen oft nicht den richtigen Grund hinter diesen Missionen. Um es auf den Punkt zu bringen: Han ist bedacht darauf, nicht jedem in der Gruppe alle Details zu nennen. Dieses Buch ist somit besser als die vielen „Lasst uns die Superwaffe zerstören“-Star Wars-Geschichten, die sich leider häufen.
Dieses Buch legt also mehr Wert auf die Geschichte als auf die Charaktere. Deshalb fühlt es sich manchmal leider so an, als ob das normale Schema der Charaktere Lando, Han und Chewie verlassen wird. Natürlich sind dies die prominenten Charaktere in diesem Buch, trotzdem lernt man nichts Neues über die Charaktere selbst. Natürlich ist die Zeit zwischen Episode IV und V sehr schwierig für eine tiefe Charakterentwicklung. Etwas zu Dramatisches kann Zahn hier nicht einfließen lassen, darum kann ich sein Vorgehen hier nur verstehen. Außerdem achtet Zahn darauf, dass diese drei Charaktere die anderen in der Gruppe nicht übertreffen – eine gute Entscheidung aus meiner Sicht. Zahn behandelt diese Elf-Personen-Gruppe als eine Art Ensemble und lässt sich genug Zeit, um jeden einzelnen Charakter zum Leben zu bringen. Die beste Charakterentwicklung erhalten die zweitrangigen Charaktere, wie Winter und Kell Tainer. Obwohl diese Charaktere nicht neu sind, behandelt Glücksritter diese, als seien sie neue Charaktere. Der Roman beleuchtet die Vergangenheit der beiden nicht zu viel und lässt ihnen so einen kleinen mysteriösen Schleier.
Eine nette Überraschung in Glücksritter ist, dass die Bösewichte nicht nur interessant, sondern auch intelligent sind. Mich machen die vielen hirntoten Gegner in Filmen und Büchern krank – ein guter Held braucht einen guten Bösewicht als Gegengewicht. Erst dadurch wird eine Geschichte glaubwürdig. Im Jahre 1996 wurden wir in Schatten des Imperiums zum ersten Mal der Schwarzen Sonne vorgestellt, aber mir kam diese Gruppe um Xizor nie wirklich gefährlich vor. Xizor war aus meiner Sicht eher in der Verfolgung von vielen Frauen interessiert und die Schwarze Sonne war einfach eine andere Gruppe aus Gangstern, die im großen Star Wars-Universum existiert. Die Schwarze Sonne selbst sahen wir auch nicht in vielen Star Wars-Romanen, doch der Organisation fehlte bis jetzt die nötige Tiefe. Im Kontrast dazu stellt Glücksritter die Schwarze Sonne als eine wirklich gefährliche kriminelle Organisation dar. Und nicht dadurch, dass sie exzessive Gewalt oder Folterung benutzten. Die Schwarze Sonne geht hier viel subtiler vor – vor allem durch Intrigen. Zahn veranschaulicht hier das wahre Geheimnis der Macht der Schwarzen Sonne und dies ist keine brutale Macht sondern in vielen Arten ihre Intelligenz.
Der Sektorchef der schwarzen Sonne, Avrak Villachor, stellt sich somit als komplexer Charakter dar, der sein eigenes Recht verfolgt. Er kann sich zwar in eine vornehme Gesellschaft einfügen, aber hinter geschlossenen Türen sehr rücksichtlos sein. Er kann eigenständig rationale Entscheidungen treffen und ahnt die Schritte seiner Feinde voraus. Trotzdem denken die Leser über seine Motive nach. Der Schwarze-Sonne-Vigo Qazadi war nicht weniger interessant, passt jedoch eher in das typische Muster eines normalen Bösewichts – hier muss man jedoch fair bleiben: er spielt eine viel kleinere Rolle. In diesem Roman gibt es viele Referenzen zu Ereignissen aus dem Erweiterten Universum, aber nicht nur zu Zahns, sondern auch zu anderen Romanen. Diese Verknüpfungen sind nette Easter Eggs für Fans, die sich im EU auskennen, aber sie hindern Personen, die sich damit nicht auskennen, nicht daran, tiefer in die Geschichte einzutauchen.
Dies ist das erste Mal seit Darth Plagueis, dass ich beim Lesen eines Star Wars-Romans etwas Frisches und Innovatives vernahm. Beim Lesen fühlte ich mich nie gelangweilt. Das Lesen viel auch nie schwer. Es war immer Spannung in der Luft und immer etwas los. Selbst wenn die Charaktere nur etwas observiert haben. Dieser Roman überschreitet die Genregrenzen in vielerlei Hinsicht. Ich hoffe, dass dieser Roman hier ein festes Zeichen setzt: Star Wars kann über das normale Action- und Abenteuer-Genre hinauswachsen. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass Lesern, die gute Thriller und Gaunerromane lieben, aber Star Wars an sich nicht, dieser Roman gefallen würde. Es ist sehr einfach in ihn einzutauchen und man braucht kein tiefes Wissen um das EU. Das einzige, was man gemacht haben sollte, ist die klassische Trilogie gesehen zu haben. Deshalb vergebe ich zum zweiten Mal in meinen Rezensionen die volle Holocronzahl! Dieses Buch ist eine „Vergenz der Macht“, sozusagen. Die Kehrseite ist jedoch, dass Glücksritter vielleicht nicht alle Star Wars-Fans anspricht. Mit vielen Innovationen befriedigt man schließlich nicht jeden. Es fühlt sich definitiv anders als andere EU-Stücke an. Wer jedoch Gaunergeschichten mag, wird hier richtig bedient!
Jetzt sind wir natürlich gespannt auf eure Meinungen – wie fandet ihr Glücksritter bzw. die Originalausgabe Scoundrels?
Sehr schöne Rezension. Du hast sogar mein Interesse an dem Roman geweckt. ^^
Also ich fand den Roman nicht so toll. Zum einen natürlich aus dem bereits in der Rezension genannten Grund(Die Charaktere stehen wesentlich weniger im Fokus als die Handlung.). Ich finde an Romanen generell immer die Charaktere am wichtigsten. Deshalb wurde ich in diesem Roman schlicht nicht warm mit ihnen.
Zum anderen hat es mir nicht gefallen, dass hier Han und Lando aufeinandertreffen. In Ep. V erfahren wir schließlich, dass sie sich das erste Mal seit einem Streit wiedersehen. Dieser Streit wurde bereits von A.C. Crispin in der Han-Solo-Trilogie thematisiert (und zwar auf geniale Weise), die erheblich früher erschien und chronologisch auch viel früher spielt.
Zahn lässt sich beide spontan vertragen und dann auf sehr erzwungene und schwache Weise wieder zerstreiten. Meines Erachtens ist das irgendwie respektlos gegenüber Crispin. Dieser lange Kommentar tut mir leid, aber das ist meine Meinung.
Er hätte die beiden nicht aufeinandertreffen lassen oder eben einen anderen Zeitpunkt in der Kontinuität wählen sollen.
Dieses Problem, dass sich Han und Lando nach jedem Treffen wiederzerstreiten müssen, weil man nie festgelegt hat, welches das letzte Mal ist in dem sie aufeinander treffen, geht über die beiden Stories hinaus, wenn ich mich nicht irre.